Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AIDSG §4 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak und Dr. Mizner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Killian, über die Beschwerde der E in 6900 Bregenz, vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 10. September 1996, Zl. 1-1148/95/E3, betreffend Übertretung des AIDS-Gesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde die Beschwerdeführerin schuldig erkannt, sie habe am 29. September 1995 zwischen 00.35 Uhr und 01.00 Uhr in H. im Hof des J. gewerbsmäßig sexuelle Handlungen an einer anderen Person, nämlich Herrn B., vorgenommen, ohne sich vor Aufnahme dieser Tätigkeit einer amtsärztlichen Untersuchung auf das Vorliegen einer HIV-Infektion zu unterziehen. Sie habe dadurch eine Übertretung des § 9 Abs. 1 Z. 2 iVm § 4 Abs. 2 des AIDS-Getzes begangen. Über die Beschwerdeführerin wurde eine Geldstrafe in der Höhe von S 10.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 10 Tagen) verhängt.
In der Begründung vertrat die belangte Behörde im Wesentlichen die Auffassung, auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens, insbesondere der Ergebnisse der mündlichen Verhandlung, sei es als erwiesen anzunehmen, dass die Beschwerdeführerin die gewerbsmäßige Unzucht ausgeübt habe. Auf die Gewerbsmäßigkeit könne schon deshalb geschlossen werden, weil die Beschwerdeführerin ein Verhalten an den Tag gelegt habe, wie dies von Prostituierten üblich sei. Es sei davon auszugehen, dass sie sich aus der Prostitution eine fortlaufende Einnahmequelle habe verschaffen wollen. Sie habe zur Tatzeit auch mehrere einschlägige Vorstrafen nach dem Sittenpolizeigesetz aufgewiesen. Die Beschwerdeführerin hätte sich vor Ausübung der Gewerbsunzucht einer amtsärztlichen Untersuchung nach dem AIDS-Gesetz unterziehen müssen. Dass sie sich tatsächlich einer solchen Untersuchung unterzogen habe, sei von der Beschwerdeführerin nicht behauptet worden. Sie habe sich in der Berufung lediglich damit gerechtfertigt, dass von der Bezirkshauptmannschaft B. keine solche Untersuchungen durchgeführt würden. Zu diesem Vorbringen habe allerdings der zuständige Amtsarzt bekannt gegeben, dass im Labor der Bezirkshauptmannschaft sehr wohl Aids-Kontrollen (Blutuntersuchungen von Prostituierten) durchgeführt würden. Die Beschwerdeführerin sei im Jahre 1993 und Anfang des Jahres 1994 regelmäßig zu einer solchen Kontrolle zur Bezirkshauptmannschaft gekommen. Da der Amtsarzt der Erstbehörde habe ausschließen können, dass sich die Beschwerdeführerin vor Ausübung der gegenständlichen Gewerbsunzucht einer Untersuchung auf eine HIV-Infektion bei der Erstbehörde unterzogen habe und die Beschuldigte ihrerseits keinen Beweis dafür habe liefern können, dass sie sich einer entsprechenden (amtsärztlichen) Untersuchung vor der Tat unterzogen habe, sei davon auszugehen, dass sie den diesbezüglichen Bestimmungen des Gesetzes zuwidergehandelt habe.
Gegen diesen Bescheid hat die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben, der deren Behandlung mit Beschluss vom 27. November 1997, B 3656/96, abgelehnt und diese dem Verwaltungsgerichtshof über nachträglichen Antrag zur Entscheidung abgetreten hat.
In der auftragsgemäß ergänzten Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof wird beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsstrafakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
In der Beschwerde wird zunächst ein Verstoß gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme nach § 51g VStG behauptet. Die belangte Behörde habe der Beschwerdeführerin in der mündlichen Berufungsverhandlung bekannt gegeben, der Amtsarzt der Bezirkshauptmannschaft B. habe ihr mitgeteilt, dass im Labor der Bezirkshauptmannschaft sehr wohl Aids-Kontrollen von Prostituierten durchgeführt würden. Die Beschwerdeführerin sei danach im Jahre 1993 und Anfang 1994 regelmäßig zu einer solchen Kontrolle zur Bezirkshauptmannschaft gekommen. Am 5. Mai 1994 sei letztmalig eine solche Untersuchung bei der Beschwerdeführerin vorgenommen worden. Offenbar habe die belangte Behörde vor der Verhandlung ein Telefongespräch mit dem Amtsarzt der Erstbehörde geführt, ohne diesen zu laden oder das Telefongespräch zu protokollieren. Die Beschwerdeführerin habe weder auf die unmittelbare Einvernahme dieses Belastungszeugen noch auf die Verlesung des über dieses Telefongespräch allenfalls angelegten Aktenvermerkes verzichtet. Damit habe die belangte Behörde dem angefochtenen Bescheid einen für die Beschwerdeführerin unüberprüfbaren, mittelbar aufgenommenen Beweis zu Grunde gelegt. Die belangte Behörde wäre unter den gegebenen Umständen verpflichtet gewesen, diese maßgebliche Frage im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung unter Wahrung des Fragerechtes der Beschwerdeführerin mit dem Amtsarzt zu erörtern.
Die von der Beschwerdeführerin verletzte Untersuchungspflicht beruht auf § 4 Abs. 2 des AIDS-Gesetzes. Danach haben sich Personen, die gewerbsmäßig sexuelle Handlungen am eigenen Körper dulden oder solche Handlungen an anderen vornehmen, periodisch wiederkehrend, mindestens jedoch in Abständen von drei Monaten, einer amtsärztlichen Untersuchung auf das Vorliegen einer HIV-Infektion zu unterziehen. In Anbetracht der der Bezirkshauptmannschaft (ihrem Amtsarzt) zukommenden Funktion ist es dieser selbstverständlich jeweils bekannt, ob diese Untersuchungen bei einer Person vorgenommen wurden oder nicht (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom 11. November 1991, Zl. 91/10/0121). Die Beschwerdeführerin hat niemals behauptet, dass sie sich den vorgeschriebenen Untersuchungen im fraglichen Zeitraum unterzogen hätte. Die Beschwerdeführerin hat sich in ihrer Berufung lediglich damit gerechtfertigt, dass von der Bezirkshauptmannschaft keine solchen Untersuchungen durchgeführt würden. Bei der Frage, ob solche Untersuchungen bei der Bezirkshauptmannschaft durchgeführt werden oder nicht, handelt es sich allerdings um eine amtsbekannte Tatsache, die im Sinne des § 45 Abs. 1 AVG iVm § 24 VStG keines Beweises bedarf. Die Beschwerdeführerin selbst hat im Übrigen nicht bestritten, sich etwa eineinhalb Jahre vor dem gegenständlichen Vorfall einer entsprechenden Untersuchung bei der Bezirkshauptmannschaft unterzogen zu haben. Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme vor der belangten Behörde liegt daher im Beschwerdefall nicht vor.
Soweit in der Beschwerde behauptet wird, die belangte Behörde sei kein "Tribunal" im Sinne des Art. 6 EMRK, ist gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Ausführungen im Erkenntnis vom 13. November 2000, Zl. 98/10/0151, zu verweisen.
Der Anregung, im § 24 Abs. 3 erster Satz VwGG idF BGBl. I Nr. 88/1997, die Wortfolge "von 2.500 S" beim Verfassungsgerichtshof anzufechten, war aus den Erwägungen des bereits genannten Erkenntnisses vom 13. November 2000 nicht zu folgen.
Die vorliegende Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Von der beantragten mündlichen Verhandlung wurde gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 18. Dezember 2000
Schlagworte
BeweiseEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1998100063.X00Im RIS seit
14.03.2001