RS Vfgh 2012/9/20 U1740/11

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Veröffentlicht am 20.09.2012
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Index

41 INNERE ANGELEGENHEITEN
41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht,
Asylrecht

Norm

B-VG Art83 Abs2
B-VG Art144a Abs1
AsylGHG §16 Abs2
EU-Grundrechte-Charta Art47

Leitsatz

Unzulässigkeit einer Beschwerde gegen einen Beschluss des Präsidenten des Asylgerichtshofes über die Zurückweisung des Antrags auf Ablehnung eines Richters wegen Befangenheit; Abspruch über einen solchen Ablehnungsantrag mangels Qualifikation als gesondert anfechtbare Entscheidung nicht unmittelbar beim VfGH bekämpfbar

Rechtssatz

Nicht alle in Beschlussform ergehenden Absprüche des Asylgerichtshofes (AsylGH) sind "Entscheidungen" iSd Art144a B-VG. So sind insbesondere bloße Verfahrensanordnungen oder auch sonstige als "Beschlüsse" titulierte Akte, durch die das Verfahren über die Asylsache als solches nicht abgeschlossen wird, in der Regel nicht gesondert beim VfGH bekämpfbar. Nur dann, wenn ein bloß nachträglicher Rechtsschutz dem Rechtsschutzbedürfnis der Asylwerber im Asylverfahren nicht gerecht wird, muss auch ein das Verfahren in der Sache nicht beendender "Beschluss" gesondert anfechtbar sein (vgl VfSlg 19188/2010).

Der Umstand, dass für einen bestimmten im Zuge eines Asylverfahrens gestellten Antrag ein eigenes gesetzlich geregeltes Verfahren vor einem anderen als dem das betreffende Verfahren leitenden Organ vorgesehen ist, bedeutet nicht zwangsläufig, dass ein Abspruch über einen solchen Antrag auch eine gesondert beim VfGH bekämpfbare Entscheidung iSd Art144a B-VG darstellt (vgl VfSlg 19081/2010).

Durch einen Abspruch über einen Ablehnungsantrag gemäß §16 Abs2 AsylGHG wird keine Verwaltungsangelegenheit in einer der Rechtskraft fähigen Weise normativ geregelt und für den Einzelfall kein Rechtsverhältnis bindend gestaltet oder festgestellt. Ob bei einem Richter, der an einer Entscheidung in der Sache mitgewirkt hat, ein Befangenheitsgrund vorliegt, lässt sich auch feststellen, nachdem eine Sachentscheidung getroffen wurde. Erachtet sich ein Asylwerber in seinem durch Art47 GRC verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf eine Entscheidung durch ein unabhängiges und unparteiisches Tribunal dadurch verletzt, dass ein befangener Richter an der Entscheidung über seine Asylsache mitgewirkt hat, so kann er dies ebenso wie eine allfällige Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter gemäß Art83 B-VG mit einer auf Art144a B-VG gestützten Beschwerde gegen die das Verfahren beim AsylGH abschließende Entscheidung beim VfGH geltend machen. Das Rechtschutzbedürfnis von Asylwerbern erfordert daher im Hinblick auf Absprüche über Ablehnungsanträge nicht, dass das Verfahren nicht beendende Beschlüsse im Asylverfahren gesondert gem Art144a B-VG bekämpft werden können müssen.

Mangels Qualifikation als Entscheidung iSd Art144a B-VG können Beschlüsse des Präsidenten des AsylGH gemäß §16 Abs2 AsylGHG nicht unmittelbar beim VfGH angefochten werden.

Zurückweisung der Beschwerde.

Entscheidungstexte

  • U 1740/11
    Entscheidungstext VfGH Beschluss 20.09.2012 U 1740/11

Schlagworte

Asylgerichtshof, Behördenzusammensetzung, Tribunal, Befangenheit, Rechtsschutz, EU-Recht, VfGH / Prüfungsgegenstand

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2012:U1740.2011

Zuletzt aktualisiert am

12.10.2012
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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