RS Vfgh 2012/10/4 B321/12

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Veröffentlicht am 04.10.2012
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Index

32 STEUERRECHT
32/05 Verbrauchsteuern

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
EnergieabgabenvergütungsG idF BudgetbegleitG 2011 §2 Abs1, §4 Abs7
EG Art88 Abs3 (Art108 Abs3 AEUV)
Energiesteuerrichtlinie 2003/96/EG Art17
Allgemeine GruppenfreistellungsV, Verordnung der Kommission vom 06.08.08 zur Erklärung der Vereinbarkeit bestimmter Gruppen von Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt in Anwendung der Art87 und 88 EG-Vertrag Art25

Leitsatz

Abweisung der Beschwerde einer Hotelbetreiberin gegen die Versagung der Vergütung von Energieabgaben; Einschränkung der Abgabenvergütung auf Produktionsbetriebe und Ausschluss von Dienstleistungsbetrieben durch das Budgetbegleitgesetz 2011 sachlich gerechtfertigt im Hinblick auf die typischerweise unterschiedliche Wettbewerbssituation

Rechtssatz

Gegen die in Rede stehenden Regelungen des EnergieabgabenvergütungsG (in der Folge: EnAbgVergG) bestehen keine unionsrechtlichen Bedenken: Die Vergütung von Energiesteuern an energieintensive Betriebe findet ihre unionsrechtliche Deckung in Art17 der Energiesteuerrichtlinie 2003/96/EG.

Wenn nach §2 Abs1 EnAbgVergG idF BudgetbegleitG 2011, BGBl I 111/2010, eine Vergütung nur Betrieben gewährt wird, deren Schwerpunkt nachweislich in der Herstellung körperlicher Wirtschaftsgüter besteht, so handelt es sich unionsrechtlich um eine Beihilfe, die jedoch - da es sich um eine Beihilfe in Form einer Umweltsteuerermäßigung handelt - unter Art25 der allgemeinen GruppenfreistellungsV (AGVO) fällt.

Die hier in Rede stehende Beihilfe ist im Amtsblatt 2011 C 288, S 21, veröffentlicht und dieser Information zufolge unionsrechtlich auf den Zeitraum 01.02.11 bis 31.12.13 befristet, womit das Ende der Gültigkeit der AGVO berücksichtigt wird.

Bei dieser Sach- und Rechtslage ist es jedenfalls nicht denkunmöglich, wenn die belangte Behörde davon ausgegangen ist, dass die in §4 Abs7 EnAbgVergG angesprochene unionsrechtliche Voraussetzung erfüllt ist, handelt es sich doch bei der AGVO um eine Verordnung der Kommission, mit der diese bestimmte Beihilfen von vornherein für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt und von der Anmeldepflicht nach Art88 Abs3 EG (Art108 Abs3 AEUV) freistellt (Art3 Abs1 AGVO), wobei die gemeldeten Beihilfemaßnahmen von der Kommission regelmäßig zu überprüfen sind (Art10 Abs1 AGVO).

Eine Differenzierung, die nicht nach der Person des Steuerschuldners, sondern nach der Art des Betriebes unterscheidet, ist mit dem Recht der Objektsteuern durchaus vereinbar. Insbesondere die Umsatzsteuer kennt zahlreiche speziell auf Dienstleistungsbetriebe bezogene Regelungen vor allem im Bereich der Befreiungen (etwa für die Leistungen von Banken und Versicherungen) und der Steuersatzbegünstigungen, darunter auch einen ermäßigten Steuersatz für die Leistungen des Beherbergungsgewerbes.

Der VfGH bleibt bei der Auffassung (vgl VfSlg 16771/2002), dass es dem Gesetzgeber freisteht, im Hinblick auf die typischerweise unterschiedliche Wettbewerbssituation im Recht der Energieabgabenvergütung zwischen Produktions- und Dienstleistungsbetrieben zu differenzieren und letztere davon auszuschließen.

Ein Dienstleistungsbetrieb der Tourismusbranche, wie der Hotelbetrieb der beschwerdeführenden Gesellschaft, steht insofern im internationalen Wettbewerb, als er seine Leistungen auch ausländischen Verbrauchern gegenüber anbietet. Das ändert aber nichts daran, dass es sich um eine standortgebundene, personalintensive und unverwechselbare Leistung handelt. Ein derartiger Betrieb tritt aber dabei in erster Linie, da seine Leistung nicht beliebig mit dem Angebot eines ausländischen Tourismusbetriebes vergleichbar und austauschbar ist, in Wettbewerb mit den anderen Betrieben der österreichischen Tourismusbranche, die ihre Dienstleistungen ebenfalls im Inland erbringen. Diese Betriebe sind aber in gleicher Weise wie der Betrieb der beschwerdeführenden Gesellschaft von der Energieabgabenvergütung ausgeschlossen.

Selbst wenn aber von einem solchen Wettbewerb auszugehen wäre (so etwa in grenznahen Gebieten), kann der VfGH nicht erkennen, dass die Versagung der Vergütung eine wesentliche Auswirkung auf das Nachfrageverhalten der Kunden haben könnte. Dabei ist zu berücksichtigen, dass im Beschwerdefall die strittige Vergütung weniger als 0,35 % des Umsatzes ausmacht und dass zwar bisher eine relativ hohe Zahl von Betrieben der Tourismusbranche die Energieabgabenvergütung in Anspruch nehmen konnte, der durchschnittliche Vergütungsbetrag jedoch (im Jahr 2008) lediglich € 2.700,- betragen hat. Selbst bei einer Weitergabe im Preis wäre daher der für einen allfälligen ausländischen Konkurrenzbetrieb resultierende Kostenvorteil absolut und relativ geringfügig, wobei noch zu berücksichtigen ist, dass auch Konkurrenzbetriebe im Ausland zum Teil (genannt wurden in der mündlichen Verhandlung Deutschland und Italien) mit vergleichbaren Abgabenbelastungen konfrontiert sind.

Unter dem Aspekt des internationalen Wettbewerbs ist hingegen von Bedeutung, dass energieintensive Dienstleistungsbetriebe nach wie vor durch Standort- und Personengebundenheit sowie durch das Zusammenfallen von "Produktion" und "Verbrauch" gekennzeichnet sind, auch wenn es - nicht zuletzt im Hinblick auf die moderne Informationstechnologie - bei einzelnen Dienstleistungen zu einer Trennung von "Produktion" und "Verbrauch" kommen kann.

Der typische Produktionsbetrieb erzeugt demgegenüber in der Regel Güter, die global gehandelt werden (können), für den Konsumenten mit ausländischen Produkten ohne weiteres austauschbar sind (wobei die Herkunft oft nicht erkennbar ist) und bei denen daher die Produktionskosten eine entscheidende Rolle spielen. Die Beschwerde übersieht, dass der inländische Produktionsbetrieb dem internationalen Wettbewerb nicht nur dann ausgesetzt ist, wenn er selbst seine Produkte im Ausland zu verkaufen versucht, sondern auch dadurch, dass im Gefolge der Globalisierung ausländische Produkte auf dem Inlandsmarkt angeboten werden und damit in Wettbewerb zu inländischen Produkten treten.

Entscheidend ist, dass im Hinblick auf die grundsätzliche Wettbewerbssituation im Regelfall nach wie vor deutliche tatsächliche Unterschiede zwischen Produktions- und Dienstleistungsbetrieben bestehen. Damit ist der Gesetzgeber aber berechtigt, an diese Unterscheidung in einer Durchschnittsbetrachtung auch abgabenrechtliche Konsequenzen der hier strittigen Art und Intensität zu knüpfen, eine Entlastung von Energieabgaben den Betrieben vorzubehalten, die dem internationalen Wettbewerb typischerweise anders und intensiver ausgesetzt sind als die Dienstleistungsbetriebe, und Härtefälle außer Betracht zu lassen.

Dass eine Energieabgabenvergütung wie die hier zu beurteilende grundsätzlich in einem Spannungsverhältnis zum ökologischen Konzept der Energieabgaben steht, ist der Beschwerde zuzugestehen. Es liegt aber im rechtspolitischen Spielraum des Gesetzgebers, der Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft auch bei der Verfolgung ökologischer Zielsetzungen Rechnung zu tragen. Dass die gewählte Maßnahme zur Erreichung des Zieles vollkommen ungeeignet und daher aus diesem Grund verfassungsrechtlich bedenklich wäre, behauptet auch die Beschwerde nicht.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Energieabgaben, EU-Recht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2012:B321.2012

Zuletzt aktualisiert am

31.10.2012
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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