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41 INNERE ANGELEGENHEITENNorm
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1Leitsatz
Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Abweisung des Antrags auf Erteilung des Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" mangels Erfüllung der Integrationsvereinbarung; verfassungskonforme Auslegung der Bestimmungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes im Sinne des Bestehens von Ausnahmen bei Unzumutbarkeit des Besuches eines Deutschkurses aus gesundheitlichen Gründen gebotenRechtssatz
Im vorliegenden Fall gab der besachwalterte Beschwerdeführer bereits im Zeitpunkt der Antragstellung an, die Integrationsvereinbarung aus gesundheitlichen Gründen nicht erfüllen zu können, und legte eine Stellungnahme einer ärztlichen Sachverständigen vor, wonach der Beschwerdeführer "auf derzeit nicht absehbare Zeit" keinen Deutschkurs belegen könne. Die Bundesministerin für Inneres geht in dem bekämpften Bescheid davon aus, dass es sich bei der Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung um eine besondere Erteilungsvoraussetzung handle und Ausnahmen nicht zulässig seien.
Mit dieser Rechtsansicht unterstellt die belangte Behörde den angewendeten gesetzlichen Bestimmungen im Ergebnis einen verfassungswidrigen Inhalt. Der Beschwerdeführer könnte nämlich bei Fortdauer seiner Erkrankung, die es ihm nachweislich unmöglich macht, einen Deutschkurs zu besuchen und damit das Modul 1 der Integrationsvereinbarung zu erfüllen, aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen überhaupt nie den begehrten Aufenthaltstitel einer "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" gemäß §41a Abs7 NAG erlangen, worin jedenfalls eine unsachliche Benachteiligung gegenüber physisch und psychisch gesunden Drittstaatsangehörigen läge.
Das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz gebietet aber bei verfassungskonformem Verständnis insoweit eine andere Interpretation, als §41a Abs7 NAG in einem Klammerausdruck allgemein auf §14a leg cit verweist. Gemäß Abs5 dieser Bestimmung sind von der Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung Drittstaatsangehörige ausgenommen, denen dies - nachgewiesen durch ein ärztliches Gutachten - auf Grund ihres physischen oder psychischen Gesundheitszustandes nicht zugemutet werden kann. Der Beschwerdeführer zeigte zudem im Zuge des Verwaltungsverfahrens auf, dass schon das NAG idF vor dem FremdenrechtsänderungsG 2011 in §14 Abs4 eine Ausnahme von der Erfüllung der Integrationsvereinbarung vorsah, wenn einem Drittstaatsangehörigen dies nicht zugemutet werden konnte. Durch die Übergangsbestimmung des §81 Abs17 NAG, idF BGBl I 38/2011, gilt nunmehr das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß §14a leg cit unter anderem auch dann als erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige von der Erfüllung ausgenommen war.
Der Wortlaut und die Systematik des §41a Abs7 und §14a Abs5 NAG ermöglichen es, diese Bestimmungen bei verfassungskonformem Verständnis so auszulegen, dass sie im vorliegenden Fall zu keiner unsachlichen Benachteiligung des Beschwerdeführers, dem auf nicht absehbare Zeit aus gesundheitlichen Gründen der Besuch eines Deutschkurses nicht möglich ist, führen. Indem es die belangte Behörde verabsäumte, eine derartige Interpretation vorzunehmen, unterstellte sie §41a Abs7 NAG einen Inhalt, der diesen in Widerspruch zum BVG-Rassendiskriminierung setzte.
Schlagworte
Fremdenrecht, Aufenthaltsrecht, Auslegung verfassungskonforme, ÜbergangsbestimmungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2012:B916.2012Zuletzt aktualisiert am
09.11.2012