TE OGH 2009/10/22 3Ob215/09b

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Veröffentlicht am 22.10.2009
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen Hon.-Prof. Dr. Sailer, Dr. Lovrek, Dr. Jensik und Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Christa Maria L*****, vertreten durch Dr. Maximilian Hofmaninger, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, wider die beklagte Partei Franz L*****, vertreten durch Dr. Stefan Messner, Rechtsanwalt in Schwanenstadt, wegen Ehescheidung, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Berufungsgericht vom 15. Juli 2009, GZ 21 R 187/09p-24, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung:

Die Vorinstanzen schieden die Ehe aus dem alleinigen Verschulden des Beklagten. Nach dem festgestellten Sachverhalt sind dem Beklagten verschiedene - teils auch wiederholte - Verfehlungen vorzuwerfen. Unter anderem versuchte er aus Eifersucht das gute Verhältnis der Klägerin zur gemeinsamen Tochter zu stören, lehnte es ungeachtet der Vorhalte der Klägerin ab, seinen - während der gesamten Haushaltsgemeinschaft andauernden - täglichen Konsum von drei bis vier Flaschen Bier sowie seine mangelnde Körperpflege zu ändern und „schikanierte" die Klägerin über die Jahre hindurch. Konsumierte der Beklagte Alkohol, mehrten sich seine gegen die Klägerin gerichteten „Sticheleien", die sie als kränkend empfand. Zudem stellte der Beklagte die Klägerin gegenüber seinen Arbeitskollegen schlecht dar, indem er sie immer wieder für Unpünktlichkeiten verantwortlich machte. In den letzten eineinhalb Jahren hatte die Klägerin das Gefühl, dass der Beklagte sie nicht mehr wahrnahm. Eine Widerklage oder ein Mitverschuldensantrag liegen nicht vor.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision des Beklagten ist mangels erheblicher Rechtsfragen im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO unzulässig.

1. Bei der Frage, ob ein Scheidungsgrund nach § 49 EheG vorliegt, ist nicht jeder einzelne als Eheverfehlung geltend gemachter Tatbestand für sich allein, sondern das Gesamtverhalten des beklagten Ehegatten, soweit darin vom Kläger eine Eheverfehlung erblickt wird, zu beurteilen (RIS-Justiz RS0056171). So kann eine schwere Eheverfehlung durch Wiederholen oder Andauern derselben Verfehlung, bewirkt werden;

aber auch eine Mehrheit an sich nicht schwerer Eheverfehlungen kann in ihrer Gesamtheit einen Scheidungsgrund bilden bzw insgesamt das Gewicht einer schweren Eheverfehlung erlangen (RIS-Justiz RS0056411;

Schwimann/Weitzenböck in Schwimann, ABGB3 § 49 EheG Rz 18). Ab wann eine schwere Eheverfehlung und nicht bloß Reibereien oder Streitigkeiten vorliegen, wie sie in jeder Ehe vorkommen, ist ebenfalls eine Frage des Einzelfalls und hat daher in der Regel keine erhebliche Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO (RIS-Justiz RS0118125 [T2]). Maßgeblich ist, ob die Gesamtheit der dem Ehepartner zur Last gelegten Verfehlungen geeignet ist, auch bei einem zur Nachsicht bereiten Ehegatten eine Entfremdung herbeizuführen (RIS-Justiz RS0056424). Als schwere Eheverfehlung ist die Verletzung der Pflicht zum menschlichen Kontakt anzusehen, etwa durch Negieren des Partners, Abbrechen der Kommunikation oder fortgesetzte Interesselosigkeit (Schwimann/Weitzenböck aaO).

2. Nach diesen Grundsätzen stellt die Bejahung des Alleinverschuldens des Beklagten an der Zerrüttung der Ehe jedenfalls keine über ein außerordentliches Rechtsmittel aufgreifbare Fehlbeurteilung der zweiten Instanz dar:

a) Das Erstgericht hat den Werdegang der Zerrüttung der Ehe der Streitteile aufgezeigt, sodass ein Feststellungsmangel zu verneinen ist. Dass keine expliziten Feststellungen zu den genauen Zeitpunkten jeder einzelnen Verfehlung getroffen wurden, hindert nicht deren Beurteilung als wiederholte bzw andauernde Verfehlungen, die sich unter den konkreten Lebensumständen zu einem Scheidungsgrund verdichten.

b) Dass der tägliche Alkoholkonsum des Beklagten nur zu vermehrten „Sticheleien" nicht aber zu Gewalttätigkeiten oder - wie in der Revision vorgebracht - zu „übermäßigen Beschimpfungen" führte, kann zu keiner für ihn günstigeren Entscheidung führen. Missbräuchlicher Alkoholkonsum stellt grundsätzlich eine Eheverfehlung dar (RIS-Justiz RS0056311), dies insbesondere dann, wenn in ihm auch ein Verstoß gegen die Pflicht zur anständigen Begegnung liegt (Schwimann/Weitzenböck aaO).

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Anmerkung

E923143Ob215.09b

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0030OB00215.09B.1022.000

Zuletzt aktualisiert am

18.12.2009
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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