TE OGH 2009/10/22 8Ob90/09g

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Veröffentlicht am 22.10.2009
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Spenling, Hon.-Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Glawischnig und den Hofrat Mag. Ziegelbauer als weitere Richter in der Pflegschaftssache des K***** B*****, geboren am *****, über den Revisionsrekurs des Vaters J***** B*****, vertreten durch Mag. Wolfgang Weilguni, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 31. März 2009, GZ 45 R 97/09m-U34, womit infolge Rekurses des Vaters der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 27. November 2008, GZ 2 P 172/97b-U31, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Das Erstgericht verpflichtete den Vater für den am 1. 3. 2009 volljährig gewordenen Sohn, beginnend ab 1. 1. 2006 bis 28. 2. 2006 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von gesamt 773 EUR, für den Zeitraum 1. 3. 2006 bis 30. 6. 2006 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von gesamt 908 EUR, für den Zeitraum vom 1. 7. 2006 bis 30. 6. 2007 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von gesamt 925 EUR und ab 1. 7. 2007 bis auf weiteres, längstens jedoch bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit einen Unterhaltsbeitrag von gesamt monatlich 945 EUR.

Der Sohn ist einkommens- und vermögenslos und ist im Haushalt der Mutter wohnhaft. Der Vater hat seinen Wohnsitz in Österreich und ist grundsätzlich in Österreich einkommensteuerpflichtig. Er übt seine Arbeitstätigkeit für den österreichischen Arbeitgeber jedoch ausschließlich in der Slowakei aus und bezieht kein Einkommen aus einer Beschäftigung in Österreich, weshalb auch kein Einkommensteuerbescheid für ihn ausgestellt werden kann. Die Verrechnung der Einkommensteuer findet ausschließlich in der Slowakei statt. Aufgrund des anzuwendenden Doppelbesteuerungsabkommens erfolgt im konkreten Fall keine Besteuerung der Einkünfte des Vaters in Österreich, dies ungeachtet seines österreichischen Wohnsitzes.

Im Verfahren ist nur mehr strittig, ob die Familienbeihilfe, die die Mutter für den Sohn bezieht, ab 1. 1. 2006 bei der Berechnung der Unterhaltsverpflichtung des Vaters zu berücksichtigen ist. Der Vater begehrte bereits im Verfahren erster Instanz die Anrechnung der Familienbeihilfe.

Das Erstgericht verneinte eine Anrechnung der Familienbeihilfe, weil der Vater in Österreich nicht steuerpflichtig sei und daher auch keine steuerliche Entlastung erfolgen könne.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters keine Folge. Dieser sei zwar in Österreich steuerpflichtig, die Steuerpflicht komme jedoch aufgrund des anzuwendenden Doppelbesteuerungsabkommens zwischen Österreich und der Slowakischen Republik nicht zum Tragen, weil das Einkommen des Vaters in Österreich tatsächlich nicht besteuert werde. Eine steuerliche Entlastung durch Anrechnung der Familienbeihilfe könne daher nicht erfolgen.

Den Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht zu, weil Rechtsprechung zur Frage der Anrechnung von Transferleistungen bei österreichischer Steuerpflicht aufgrund des Wohnsitzes des Unterhaltsschuldners in Österreich bei gleichzeitiger Anwendung eines Doppelbesteuerungsabkommens, welches die Befreiungsmethode mit Progressionsvorbehalt vorsehe, nicht vorliege.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs des Vaters aus dem Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die Beschlüsse der Vorinstanzen unter Anrechnung der Familienbeihilfe abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Sohn beteiligte sich nicht am Revisionsrekursverfahren.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig, er ist jedoch nicht berechtigt.

Der Revisionsrekurswerber führt zusammengefasst aus, dass er in Österreich einkommensteuerpflichtig war und sei, sodass ungeachtet der Anwendbarkeit des Doppelbesteuerungsabkommens die Anrechnung der Transferleistung der Familienbeihilfe auf den zu bezahlenden Unterhalt zu erfolgen habe. Diese Rechtsfrage betreffe generell Arbeitnehmer, die zu Erwerbszwecken bei Aufrechterhaltung des Wohnsitzes in Österreich in dessen Nachbarländer „auspendeln".

Die verfassungsmäßig gebotene steuerliche Entlastung durch Anrechnung von Transferleistungen komme dem Vater ungeachtet des durch das Erreichen der Luxusgrenze angenommenen Unterhaltsstopps zu Gute. Die Voraussetzungen für die Anrechnung der Familienbeihilfe lägen vor, weil der Vater seinen Wohnsitz und Lebensmittelpunkt in Österreich habe, hier lebe und konsumiere und daher etwa auch Umsatzsteuer sowie sämtliche sonstigen Steuern und Abgaben in Österreich bezahle. Es sei nicht nachvollziehbar, wieso ein Arbeitnehmer eines österreichischen Unternehmens, der vom Wohnsitz in Österreich in die Slowakei zur Arbeit „pendle", nicht in den Genuss der Berücksichtigung der an die Mutter ausbezahlten Familienbeihilfe komme, wenn überdies der Arbeitgeber in Österreich besteuert werde.

Dazu ist auszuführen:

Der Verfassungsgerichtshof hob mit dem Erkenntnis vom 19. 6. 2002, G 7/02 ua, VfSlg 16.562 = JBl 2003, 505, die Wortfolge „und mindert nicht dessen Unterhaltsanspruch" in § 12a FamLAG auf (BGBl I 2002/152; ausführlich dazu Gitschthaler, Familienbeihilfe, Kindesunterhalt und der Oberste Gerichtshof in: ÖJZ 2003/51, 821 ff). Seither wird in ständiger Rechtsprechung der nach der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen und den Bedürfnissen des Unterhaltsberechtigten wie bisher zu bemessende Geldunterhalt im Interesse der gebotenen steuerlichen Entlastung von Unterhaltsschuldnern im Falle der getrennten Haushaltsführung in verfassungskonformer Auslegung des § 140 ABGB um jenen Teil des Kinderabsetzbetrags und der Familienbeihilfe gekürzt, der die steuerliche Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen bezweckt (3 Ob 141/02k = SZ 2002/161; RIS-Justiz RS0117023). Der über Transferleistungen herzustellende Ausgleich ist jedoch nur notwendig, soweit er nicht über das Steuerrecht hergestellt werden kann (RIS-Justiz RS0117023 [T6]).

Beginnend mit der Entscheidung 6 Ob 108/02d sprach der Oberste Gerichtshof aus, dass die im Rahmen der Unterhaltsbemessung im Sinn der Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofs vom 27. 6. 2001, B 1285/00 (VfSlg 16.226 = JBl 2001, 781) und vom 19. 6. 2002, G 7/02, gebotene steuerliche Entlastung dann nicht zu erfolgen hat, wenn der Unterhaltsschuldner nicht steuerpflichtig ist. Dies betraf in 6 Ob 108/02d einen Angestellten der internationalen Atomenergiebehörde (IAEO). In der Entscheidung 2 Ob 86/02i setzte der Oberste Gerichtshof diese Rechtsprechung für einen in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Vater fort (vgl auch 7 Ob 60/04f). In jener Entscheidung führte der Oberste Gerichtshof unter anderem aus:

Nach den Ausführungen des Verfassungsgerichtshofs kann kein Zweifel daran bestehen, dass sich die Familienbeihilfe nur in jenen Fällen unterhaltsmindernd auswirken kann, in denen sie neben ihrem Zweck, grundsätzlich den betreuenden Elternteil zu entlasten, auch der steuerlichen Entlastung des steuerpflichtigen Unterhaltsschuldners zu dienen hat. Eine Anrechnung der Familienbeihilfe ist daher nur dann und insoweit erforderlich, als überhaupt eine steuerliche Entlastung verfassungsrechtlich geboten ist."

Diese Entscheidung wurde von Gitschthaler (aaO 833) mit dem Hinweis kritisiert, man müsse berücksichtigen, welcher Steuerleistung der Vater in Deutschland unterliege. Eine Bezugnahme lediglich auf österreichische Verhältnisse erscheine „insbesondere unter europarechtlichen Gesichtspunkten" fraglich. Auch Schwimann/Kolmasch (Unterhaltsrecht4 104 f) führen unter Hinweis auf diese Entscheidung (sowie die weiteren Entscheidungen 6 Ob 43/03x und 7 Ob 207/03x) aus, dass im Fall von Personen, „für die das europarechtliche Diskriminierungsverbot" gelte, diese Rechtsansicht „zweifellos bedenklich" sei. In solchen Fällen müsse geprüft werden, ob die österreichische Unterhaltspflicht im Wohnsitzstaat des Unterhaltsschuldners steuerlich ausreichend berücksichtigt werde.

Der vorliegende Fall unterscheidet sich von den bisher entschiedenen zwar dadurch, dass der Vater seinen Wohnsitz in Österreich hat und hier daher auch grundsätzlich persönlich steuerpflichtig wäre (siehe hiezu auch Mitteilung des Finanzamts ***** „zur einkommensteuerrechtlichen Situation" des Vaters in ON U26). Der Grundsatz, dass unbeschränkt Steuerpflichtige mit ihrem gesamten Einkommen der Einkommensteuer unterliegen, erfährt jedoch insbesondere auch durch die Anwendbarkeit von Doppelbesteuerungsabkommen Einschränkungen, die die einzelnen Einkünfte einem der beiden Vertragsstaaten zur Besteuerung zuweisen und damit das Besteuerungsrecht des anderen Staats beschränken (Doralt/Ruppe, Grundriss des österreichischen Steuerrechts I9 Rz 33). Ein Doppelbesteuerungsabkommen soll lediglich verhindern, dass ein und dieselben Einkünfte in beiden Staaten zur Gänze besteuert bleiben (VwGH 98/15/0202 ua). Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten soll grundsätzlich eine Besteuerung erreicht werden, wie sie auch bei rein innerstaatlichen Sachverhalten vorgenommen wird (VwGH 2004/15/0051). Demgegenüber soll ein Doppelbesteuerungsabkommen etwa nicht gewährleisten, dass die Steuern, die von dem Steuerpflichtigen in dem einen Staat erhoben werden, nicht höher sind als diejenigen, die von ihm in dem anderen Staat erhoben werden: Der Zweck ist daher die Verhinderung der Doppelbesteuerung, nicht aber die Gewährleistung gleich hoher Steuersätze (VwGH 98/15/0202 mit Hinweis auf EuGH 12. 5. 1998, Rs C-336/96, Gilly Rn 46).

Auf den Kläger ist das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Republik Österreich und der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik, das auch im Verhältnis zur Slowakischen Republik weiter gilt (BGBl 1979/34; Notenwechsel BGBl 1994/1046) anwendbar. Die Besteuerung von Entgelten aus unselbständiger Arbeit ist in Art 15 des Abkommens geregelt. Art 23 Abs 2 des Abkommens (Vermeidung der Doppelbesteuerung) regelt für eine in der Republik Österreich ansässige Person die Festsetzung der Steuer. Bezieht eine in der Republik Österreich ansässige Person Einkünfte und dürfen diese Einkünfte nach dem Doppelbesteuerungsabkommen in der Slowakischen Republik besteuert werden, so nimmt die Republik Österreich gemäß § 23 Abs 2 lit a DBA diese Einkünfte von der Besteuerung aus. Gemäß Art 24 Abs 1 DBA dürfen Staatsangehörige eines Vertragsstaats im anderen Vertragsstaat keiner Besteuerung oder damit zusammenhängenden Verpflichtung unterworfen werden, die anders oder belastender ist als die Besteuerung und die damit zusammenhängenden Verpflichtungen, denen Staatsangehörige des anderen Staats unter gleichen Verhältnissen unterworfen sind oder unterworfen werden können.

Der Revisionsrekurswerber wird jedoch als Unterhaltsschuldner nicht anders behandelt als jeder andere Unterhaltsschuldner unter den gleichen Voraussetzungen. Der Wegfall der Anrechnung der Familienbeihilfe als unterhaltsmindernd korrespondiert mit dem Umstand, dass die Einkommensteuerpflicht des Vaters in Österreich wegen des anzuwendenden DBA derart eingeschränkt ist, dass sie im Inland faktisch nicht besteht. Der Revisionsrekurswerber ist damit unterhaltsrechtlich nicht anders gestellt als jeder andere, aus rechtlichen Gründen in Österreich nicht steuerpflichtige Unterhaltsschuldner, sodass eine Entlastung im Sinne der dargestellten Judikatur nicht geboten ist.

Der Umstand, dass der Revisionsrekurswerber in Österreich allenfalls indirekte Steuern (etwa Umsatzsteuer) zu zahlen hat, spielt keine Rolle, weil die vom Verfassungsgerichtshof geforderte steuerliche Entlastung dem Einkommen (und damit der Einkommensteuerbelastung) des Unterhaltspflichtigen gelten soll. Der vom Verfassungsgerichtshof intendierte Ausgleich kann darüber hinaus nur gegenüber Leistungen des Unterhaltsschuldners selbst erfolgen, sodass auch dem Umstand, dass der Arbeitgeber des Unterhaltsschuldners in Österreich Körperschaftssteuer abführen mag, keine Bedeutung zukommt.

(Sonstige) europarechtliche Bedenken dahingehend, dass dem Rechtsmittelwerber im konkreten Anlassfall aus seiner grenzüberschreitenden Beschäftigung insgesamt Nachteile erwachsen, wurden nicht aufgezeigt und releviert.

Dem Revisionsrekurs war daher nicht Folge zu geben.

Der Revisionsrekurswerber hat die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels gemäß § 78 Abs 1 AußStrG selbst zu tragen

Textnummer

E92594

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0080OB00090.09G.1022.000

Im RIS seit

21.11.2009

Zuletzt aktualisiert am

19.10.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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