Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §13 Abs5;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde des am 1. Dezember 1964 geborenen D H in Wien, vertreten durch Dr. Günther Sulan, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Biberstraße 10/9, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 28. November 1996, Zl. SD 794/96, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 28. November 1996 wurde der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Bangladesh, gemäß § 17 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen.
Der Beschwerdeführer halte sich seit 1990 in Österreich auf und habe Sichtvermerke bis 30. Juli 1993 erhalten. Da er sich vom 1. Oktober 1992 bis 4. April 1993 ohne Sichtvermerk im Bundesgebiet aufgehalten habe, sei er zwischenzeitig wegen unrechtmäßigen Aufenthaltes bestraft worden. Der von ihm deutlich verspätet am 12. November 1993 gestellte Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung sei mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 22. Juni 1994 zurückgewiesen worden. Mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 18. Jänner 1996 sei die Berufung abgewiesen worden. Aus der daraufhin erhobenen Verwaltungsgerichtshofbeschwerde sei für den Beschwerdeführer nichts zu gewinnen, weil auch sie ihm keine Aufenthaltsberechtigung zu verschaffen vermocht habe. Ein neuerlich gestellter Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung sei am 25. März 1996 ebenfalls abgewiesen worden; diese Abweisung sei am 17. April 1996 in Rechtskraft erwachsen.
Da kein Zweifel bestehe, dass sich der Beschwerdeführer unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, lägen die Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 erster Halbsatz FrG vor. In einem solchen Fall sei die Ausweisung zu verfügen, sofern dem nicht § 19 leg. cit. entgegenstehe. Was die Zulässigkeit der Ausweisung im Grund des § 19 leg. cit. betreffe, so sei von keiner relevanten Integration des Beschwerdeführers auszugehen gewesen, weil für deren Beurteilung nur der legale Aufenthalt herangezogen werden könne. Der Beschwerdeführer habe im Bundesgebiet keine Familienangehörigen. Die von ihm geltend gemachte "Freundschaft" mit einer österreichischen Staatsbürgerin stehe nicht unter dem Schutz des § 19 FrG, weil der Beschwerdeführer nicht einmal behauptet habe, mit ihr in Lebensgemeinschaft zu leben. (Selbst wenn der Beschwerdeführer in der Zwischenzeit seine Absicht, die Freundin zu ehelichen, verwirklicht haben sollte, wäre der Eingriff in sein Familienleben jedenfalls zur Verteidigung eines geordneten Fremdenwesens, somit zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele, dringend geboten.) Einem geordneten Fremdenwesen komme ein hoher Stellenwert zu. Der Beschwerdeführer habe ungeachtet der abschlägig ergangenen Bescheide der Aufenthaltsbehörden das Bundesgebiet nicht verlassen. Eine weitere Tolerierung des illegalen Aufenthaltes erscheine daher nicht vertretbar.
Die in der Berufung vom 12. Juni 1996 vertretene Rechtsauffassung, dass der Bescheid vom 18. Jänner 1996 noch nicht in Rechtskraft erwachsen wäre, weil der Beschwerdeführer dagegen eine Verwaltungsgerichtshofbeschwerde eingebracht hätte, könne nicht beigepflichtet werden, weil die Erhebung einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde nichts an der Rechtskraft des Bescheides zu ändern vermöge.
Der Beschwerdeführer vertrete weiters die Ansicht, dass er berechtigt wäre, seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung im Inland einzubringen. Dazu sei zu bemerken, dass die Beurteilung dieser Frage in die Zuständigkeit der Aufenthaltsbehörde falle und es nicht Aufgabe der Ausweisungsbehörde sei, die Gründe, die für die Abweisung des Antrages auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung maßgeblich gewesen seien, zu überprüfen. Die Tatsache, von der die Ausweisungsbehörde auszugehen habe, sei, dass der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung von der zuständigen Behörde rechtskräftig abgewiesen worden sei.
2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab (Beschluss vom 10. Juni 1997, B 198/97).
Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und begehrt aus diesem Grund die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.
II.
1. Zunächst ist festzuhalten, dass dem angefochtenen Bescheid nach den wiedergegebenen unbestrittenen Sachverhaltsfeststellungen kein Bescheid zu Grunde liegt, mit dem die Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung (§ 6 AufG) versagt oder mit der Verlust einer Aufenthaltsbewilligung (§ 8 AufG) verfügt wurde; die Übergangsbestimmung des § 114 Abs. 5 des Fremdengesetzes 1997, BGBl. I Nr. 75, kommt im vorliegenden Beschwerdefall daher nicht zum Tragen. Dass der Beschwerdeführer, dessen Aufenthaltsberechtigung unbestritten am 30. Juli 1993 geendet hatte, am 12. November 1993 (nach dem Vorbringen in der Beschwerde: am 8. November 1993) einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung (unter sinngemäßer Anwendung der für die Verlängerung von Bewilligungen geltenden Vorschriften - vgl. § 13 Abs. 1 Auf G) gestellt hat und dieser rechtskräftig abgewiesen wurde, vermag an dieser Beurteilung nichts zu ändern, weil der Antrag (unbestritten) verspätet gestellt wurde. Auf die Umstände der Versäumung der rechtzeitigen Antragstellung kommt es nicht an.
Zwar sind nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung von Fremden, die sich seit vielen Jahren bzw. sogar seit der Geburt rechtmäßig in Österreich aufgehalten haben, und die aus welchem Grund auch immer über keine Aufenthaltsberechtigung (mehr) verfügen, im Fall relativ geringfügiger Versäumung der Frist zur Antragstellung dennoch als rechtzeitig gestellte Anträge auf Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung (die vom Inland aus gestellt werden können) zu werten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Juli 1997, Zl. 95/18/1118, mwH). Diese Rechtsprechung versagt aber im vorliegenden Fall, treffen doch auf den Beschwerdeführer die dargestellten sachverhaltsmäßigen Voraussetzungen deswegen nicht zu, weil sein rechtmäßiger Aufenthalt nach den unbestrittenen maßgeblichen Feststellungen lediglich knapp drei Jahre gedauert hatte.
Vor dem Hintergrund des Gesagten kann somit der Verwaltungsgerichtshof nicht erkennen, dass die Auffassung der belangten Behörde, im Beschwerdefall sei die Voraussetzung für die Ausweisung gemäß § 17 Abs. 1 erster Halbsatz FrG erfüllt, rechtswidrig wäre.
2.1. Aus dem Blickwinkel des § 19 FrG führt der Beschwerdeführer gegen den angefochtenen Bescheid ins Treffen, dass er bisher unbescholten sei; die Rechtsansicht der belangten Behörde, dass nur Zeiträume des legalen Aufenthaltes im Bundesgebiet für die Beurteilung der Integration heranzuziehen wären, sei unrichtig; seine Eheschließung (mit einer Österreicherin) sei unbeachtet geblieben.
2.2. Auch dieses Vorbringen führt die Beschwerde nicht zum Erfolg. Zwar ist der Beschwerde einzuräumen, dass im Hinblick auf die Dauer des Aufenthaltes des Beschwerdeführers in Österreich - ungeachtet der Unrechtmäßigkeit dieses Aufenthaltes seit Ablauf der zuletzt erteilten Aufenthaltsberechtigung - mit der vorliegenden Ausweisung ein Eingriff in dessen Privatleben verbunden ist. Die belangte Behörde hat aber zutreffend auf den hohen Stellenwert hingewiesen, der dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) zukommt (vgl. aus der hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 4. September 1997, Zl. 97/18/0373, mwH). Dieses maßgebliche öffentliche Interesse hat der Beschwerdeführer durch seinen unrechtmäßigen Aufenthalt in Österreich in der Dauer von etwa drei Jahren und vier Monaten gravierend verletzt. Weiters fällt - wie im angefochtenen Bescheid zutreffend festgehalten - zu Ungunsten des Beschwerdeführers ins Gewicht, dass er seinen unberechtigten Aufenthalt auch in Anbetracht der rechtskräftigen Abweisung seines Antrages auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nicht beendet hat. Das somit sehr gewichtige öffentliche Interesse an der Ausreise des Beschwerdeführers wird durch die von ihm geltend gemachten persönlichen Interessen nicht aufgewogen. Die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Eheschließung mit einer österreichischen Staatsbürgerin erweist sich als eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unzulässige Neuerung: Nach den vom Verwaltungsgerichtshof unter Einbeziehung der Verfahrensparteien durchgeführten Ermittlungen ist die Mitteilung des Beschwerdeführers über seine am 25. November 1996 mit einer österreichischen Staatsbürgerin erfolgte Eheschließung bei der (erstinstanzlichen) Behörde am 11. Dezember 1996 zwischen 12.00 Uhr und 13.00 Uhr eingelangt, während die Zustellung des angefochtenen Bescheides an den Beschwerdeführer bereits am 11. Dezember 1996 zwischen 11.00 Uhr und 11.30 Uhr erfolgt ist.
Dem liegt zu Grunde, dass laut Mitteilung der belangten Behörde vom 13. November 2000 externe Schriftstücke - wie etwa Eingaben von Rechtsanwälten - von der Post erfahrungsgemäß im Zeitraum zwischen 12.00 und 13.00 Uhr, direkt an das Fremdenpolizeiliche Büro zugestellt werden; dies könne auch für die vorliegende Eingabe des Beschwerdeführers mit hoher Wahrscheinlichkeit festgestellt werden. Dazu brachte der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom 27. November 2000 unter Hinweis auf das Ende des Parteienverkehrs im Fremdenpolizeilichen Büro um 12.00 Uhr und den Umstand, dass ab diesem Zeitpunkt ein Großteil der Abteilungen unbesetzt sei, vor, die Darstellung der belangten Behörde sei unglaubwürdig. Diese Umstände lassen jedoch den von der belangten Behörde dargelegten Ablauf der Zustellung externer Schriftstücke nicht als unplausibel erscheinen, weil weder das Ende des Parteienverkehrs um 12.00 Uhr noch das Unbesetztsein von Abteilungen ab diesem Zeitpunkt gegen die Zustellung von Schriftstücken durch die Post an die Behörde während der verbleibenden Amtsstunden spricht.
3. Da nach dem Gesagten die behauptete Rechtswidrigkeit nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
4. Von der vom Beschwerdeführer beantragten Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG in der Fassung BGBl. I Nr. 88/1997 abgesehen werden.
5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 18. Dezember 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1997180393.X00Im RIS seit
13.03.2001