Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Spenling und Hon.-Prof. Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Eva Pant und AR Angelika Neuhauser als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Silvia K*****, vertreten durch Dr. Ruth E. Hütthaler-Brandauer, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagte Partei Stadt Wien, Wiener Krankenanstaltenverbund, 1090 Wien, Währinger Gürtel 18-20, vertreten durch Dr. Peter Rudeck, Dr. Gerhard Schlager, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung (Streitwert 5.000 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 20. Februar 2009, GZ 9 Ra 13/09m-12, mit dem infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 8. September 2008, GZ 28 Cga 46/08a-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie insgesamt unter Einschluss des bereits abgewiesenen Begehrens der Feststellung von 35 offenen Arbeitstagen an Urlaubsanspruch zu lauten haben:
Das Klagebegehren, es werde festgestellt, dass der klagenden Partei gegenüber der beklagten Partei zum Ende des Jahres 2007 ein offener Urlaubsanspruch von 105 Arbeitstagen unverfallen zusteht, wird abgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.198,44 EUR (darin enthalten 199,74 EUR an USt und 7,34 EUR an Barauslagen) bestimmten Kosten des erstgerichtlichen Verfahrens und die mit 652,32 EUR (darin enthalten 108,72 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit 447,98 EUR (darin 74,66 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die seit 1983 bei der Beklagten beschäftigte Klägerin, der die Eigenschaft einer begünstigten Behinderten im Sinne des BEinstG zukommt, hatte per 31. 12. 2005 einen Resturlaubsanspruch von 61 Arbeitstagen (Urlaubsjahre 2004, 2005). Über Antrag der Klägerin vereinbarten die Streitteile für die Zeit vom 13. Februar 2006 bis 31. Oktober 2007 gemäß § 34 Abs 1 des Gesetzes über das Dienstrecht der Vertragsbediensteten der Gemeinde Wien (Vertragsbedienstetenordnung 1995 - VBO 1995; im Folgenden VBO) einen Karenzurlaub. Über weiteren Antrag der Klägerin wurde die Verlängerung dieses Karenzurlaubs bis 30. 11. 2007 vereinbart.
Bereits ab September 2004 bis zum 12. 2. 2006 war die Klägerin krank, ebenso ab 27. 12. 2007. In der Zeit von 1. 11. 2005 bis 31. 10. 2007 hatte sie eine befristete Invaliditätspension, die dann in weiterer Folge über den 31. 10. 2007 als Anspruch auf eine unbefristete Invaliditätspension anerkannt wurde.
Die Klägerin begehrte vorweg die Feststellung von 70 offenen Urlaubstagen und danach von 105 offenen Urlaubstagen per Ende 2007. Sie stützt dies darauf, dass aufgrund der Krankenstände und der befristeten Pensionierung ihr Urlaub nicht konsumiert worden sei.
Die Beklagte bestritt und beantragte die Klageabweisung. Sie stützte dies darauf, dass der Urlaubsanspruch einerseits gemäß § 25 Abs 3 VBO für die Jahre 2004 und 2005 verfallen sei und dies auf den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Karenzurlaub zurückzuführen sei. Der aufrechte aliquote Anspruch für die außerhalb der Karenzierung verbleibende Arbeitszeit von 9 Urlaubstagen per Ende 2007 sei nicht strittig.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren in einem Ausmaß von 70 offenen Arbeitstagen per 31. 12. 2007 statt und wies das darüber hinausgehende Mehrbegehren von weiteren 35 Arbeitstagen (rechtskräftig) ab. Es stützte dies rechtlich zusammengefasst darauf, dass ein aliquoter Urlaubsanspruch für die Jahre 2006 und 2007 von zusammen 9 Arbeitstagen entsprechend § 23 Abs 6, § 34 VBO zustehe. Darüber hinaus gebühre der Klägerin aber auch noch der Urlaubsanspruch für die Jahre 2004 und 2005. Zwar sehe § 25 Abs 3 VBO einen Verfall des Urlaubsanspruchs vor, wenn der Vertragsbedienstete den Erholungsurlaub nicht bis zum 31. 12. des dem Urlaubsjahr folgenden Kalenderjahres verbraucht habe. Jedoch habe der Oberste Gerichtshof zu 8 Ob 41/05w (wenngleich zum § 60 des Tiroler L-VBG) ausgeführt, dass der Ablauf der Verjährung durch Krankenstände verhindert werde. Dem sei der Fall einer befristeten Invaliditätspension gleichzuhalten.
Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der Beklagten nicht Folge. Es setzte sich sehr ausführlich mit der durch Art 21 B-VG vorgegebenen Kompetenzverteilung im Rahmen des Dienstvertragsrechts der Bediensteten der Länder auseinander, insbesondere auch mit der dazu vorliegenden Lehre und dem Schrifttum. Im Wesentlichen schloss es sich der Ansicht von Spielbüchler (Vertragsrecht, Arbeitsvertragsrecht und Vertragsbedienstetenrecht in FS Strasser 1993, 341 ff) an, wonach die allgemeinen zivilrechtlichen Regelungen unberührt bleiben, soweit das Land nicht besondere Regelungen im Rahmen des Dienstvertragsrechts treffe. Auch Thienel (Arbeits- und Vertragsbedienstetenrecht in der Kompetenzverteilung, DRdA 1994, 222) habe ausgeführt, dass die allgemeinen zivilrechtlichen Regelungen weder durch die Arbeitsrechtskompetenz noch durch die inhaltsgleiche Dienstrechtskompetenz verdrängt würden. Dies gelte hier für die Regelungen der §§ 1494 ff ABGB über die Hemmung der Verjährung bzw deren analoge Anwendung auf Verfallsfristen, und zwar auch nach der B-VG-Novelle 1999.
Da die VBO keine Regelung über die Hemmung bzw Unterbrechung der Verfallsfristen hinsichtlich des Erholungsurlaubs kenne, es sich aber bei dieser Frage um eine ganz allgemeine Regelung handle, seien die Bestimmungen des ABGB heranzuziehen. Entsprechend der Vorentscheidung zu 8 ObA 41/05w sei davon auszugehen, dass der Urlaub während eines langdauernden Krankenstands nicht verfalle, und zwar auch dann, wenn Karenzurlaub vereinbart sei. Zu berücksichtigen sei dabei auch, dass die vereinbarte Karenzierung ja auch eine Folge des Bezugs der Invaliditätspension sei.
Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht als zulässig, da eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage der Hemmung des Urlaubsverfalls nach der VBO nicht bestehe und dieser Frage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen im klagsabweisenden Sinne abzuändern; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.
Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grunde zulässig und auch berechtigt.
Nach § 23 VBO hat der Vertragsbedienstete Anspruch auf einen jährlichen Erholungsurlaub, wobei das Urlaubsjahr das jeweilige Kalenderjahr ist. Dieser Anspruch erhöht sich je nach der Dauer der Gesamtdienstzeit von vorweg 30 Werktagen bis auf 36 Werktagen und wird noch weiter durch Zusatzurlaube für versehrte Vertragsbedienstete angehoben.
§ 25 Abs 3 VBO lautet in der hier noch anzuwendenden Fassung vor der Novelle LGBl 20/2009 wie folgt:
„Der Anspruch auf den jährlichen Erholungsurlaub verfällt, wenn der Vertragsbedienstete den Erholungsurlaub nicht bis zum 31. Dezember des dem Urlaubsjahr folgenden Kalenderjahres verbraucht hat. Hat der Vertragsbedienstete eine Eltern-Karenz gemäß § 31 bis 31b oder gemäß § 32 oder eine Pflegefreistellung gegen Entfall der Bezüge gemäß § 37a in Anspruch genommen, wird der Verfallstermin um jenen Zeitraum hinausgeschoben, um den die Eltern-Karenz die Summe der Eltern-Karenzen oder die Summe aus Eltern-Karenz und Pflegefreistellung gegen Entfall der Bezüge 10 Monate übersteigt."
In den §§ 30a ff finden sich so dann Regelungen über ein sogenanntes Freijahr (§ 30a VBO), ein Freiquartal (§ 30b VBO) und die Eltern-Karenz (§§ 31 ff VBO) sowie eine nicht näher eingeschränkte Möglichkeit auf Karenzurlaub nach § 34 VBO. Danach ist dem Vertragsbediensteten auf Antrag Karenzurlaub gegen Entfall der Bezüge zu gewähren, wenn keine wichtigen dienstlichen Interessen entgegenstehen. In diesem Zusammenhang ist unter anderem auch festgehalten, dass der Karenzurlaub durch ein Beschäftigungsverbot gemäß § 3 MSchG oder eine Elternkarenz vorzeitig endet.
Mit der Novelle LGBl Nr 20/2009 (erst ab 1. 1. 2010 in Kraft) wurde § 25 Abs 3 VBO dahin geändert, dass der erste Satz durch folgende Sätze ersetzt wurde:
„Der Erholungsurlaub ist nach Möglichkeit in dem Urlaubsjahr zu verbrauchen, in dem der Anspruch auf ihn entstanden ist. Der Anspruch auf jährlichen Erholungsurlaub verfällt, wenn der Vertragsbedienstete seinen Erholungsurlaub nicht bis zum 31. Dezember des zweiten dem Urlaubsjahr folgenden Kalenderjahres verbraucht hat; dies gilt auch, wenn dem Vertragsbediensteten ein Verbrauch des Erholungsurlaubes bis zu diesem Zeitpunkt nicht möglich war."
Letztlich ist noch zu erwähnen, dass die Beklagte nach § 42 Abs 2 Z 2 VBO berechtigt ist, Vertragsbedienstete zu kündigen, wenn sie für die Erfüllung ihrer Dienstpflichten gesundheitlich ungeeignet werden.
Auch schon nach der alten noch anzuwendenden Fassung der VBO ist ersichtlich, dass der Gesetzgeber für verschiedene Karenzfälle eine ausdrückliche Regelung dafür getroffen hat, wie die Karenzierung den Verfall des offenen Erholungsurlaubs hindert. In dieser Aufzählung ist aber die Karenz nach § 34 VBO nicht enthalten. Damit ist aber auch davon auszugehen, dass der Gesetzgeber für diesen Fall der Karenz eben gerade kein Hinausschieben des Verfallstermins vorsehen wollte. Im Hinblick auf diese Regelungen des Landesgesetzgebers kommt aber ein Heranziehen der allgemeinen Regelungen des ABGB über die Hemmung von Verjährungs- und Verfallsfristen nicht in Betracht. Anders als in der zu 8 Ob 41/05w (= DRdA 2006/31 Ziehensack) entschiedenen Fallkonstellation ist auch keine dahingehende Anordnung des Landesgesetzgebers ersichtlich.
Dass die Klägerin in dem Zeitraum Februar 2006 bis November 2007 keinen Urlaub konsumiert hat, liegt an der Karenzierung und nicht daran, dass sie während dieser Zeit auch krank gewesen ist. Kommt doch bei einer Karenzierung, bei der keinerlei Arbeitspflicht besteht, eine Urlaubsvereinbarung schon im Ansatz nicht in Betracht. Dabei ist auch zu bedenken, dass dann, wenn keine Karenzierung vereinbart worden wäre, die Beklagte wohl im Hinblick auf die anzunehmende Dienstunfähigkeit eine Kündigung hätte vornehmen können.
Da also die vereinbarte Karenz nach § 34 VBO kein Hinausschieben des Verfallstermins bewirkt, waren die Urlaubsansprüche aus den Jahren 2004 und 2005 Ende 2007 bereits verfallen (allgemein in diesem Sinne auch VwGH 22. 4. 2009 Zl 2008/12/0071 zu § 69 BDG 1979). Dass der Anspruch auf neue Urlaubstage offen war, ist nicht strittig, sodass insoweit auch kein rechtliches Interesse an einer Feststellung besteht. Insgesamt war daher das Klagebegehren zur Gänze abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 2 ASGG, 50 und 41 ZPO.
Textnummer
E92595European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:008OBA00024.09A.1022.000Im RIS seit
21.11.2009Zuletzt aktualisiert am
26.11.2010