TE OGH 2009/10/28 7Ob68/09i

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Veröffentlicht am 28.10.2009
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl.-Ing. Dr. Reinhard Z*****, vertreten durch Neumayer, Walter & Haslinger Rechtsanwälte-Partnerschaft in Wien, gegen die beklagte Partei U***** AG, *****, vertreten durch Mag. Martin Paar und Mag. Hermann Zwanzger, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung, über die Revision der beklagten Partei gegen das mit Beschluss vom 16. März 2009, GZ 4 R 119/08m-24, berichtigte Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 31. Oktober 2008, GZ 4 R 119/08m-20, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 31. März 2008, GZ 39 Cg 76/06d-14, infolge Berufung der beklagten Partei bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 744,43 EUR (darin enthalten 124,07 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger schloss bei der Beklagten für den Zeitraum vom 1. 8. 1998 bis 1. 8. 2008 einen Rechtsschutzversicherungsvertrag ab, dem die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutz-Versicherung (ARB 1998) zugrunde gelegt wurden. Deren Artikel 6.7.3 lautet:

„Genießen mehrere Versicherungsnehmer zur Wahrnehmung ihrer rechtlichen Interessen Versicherungsschutz aus einem oder mehreren Versicherungsverträgen und sind ihre Interessen aufgrund der gleichen oder einer gleichartigen Ursache gegen den/die selben Gegner gerichtet, ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung vorerst auf die außergerichtliche Wahrnehmung der rechtlichen Interessen der Versicherungsnehmer und die Führung notwendiger Musterprozesse durch von ihm ausgewählte Rechtsvertreter zu beschränken.

Wenn oder sobald die Versicherungsnehmer durch diese Maßnahmen nicht ausreichend gegen einen Verlust ihrer Ansprüche, insbesondere durch drohende Verjährung, geschützt sind, übernimmt der Versicherer darüber hinaus die Kosten für Gemeinschaftsklagen oder sonstige gemeinschaftliche Formen außergerichtlicher und gerichtlicher Interessenwahrnehmungen durch von ihm ausgewählte Rechtsvertreter."

Artikel 8 (Obliegenheiten) ARB 1998 (im Folgenden ARB) enthält unter anderem folgende Bestimmung:

„1. Verlangt der Versicherungsnehmer Versicherungsschutz, ist er verpflichtet,

...

1.5.3 soweit seine Interessen nicht unbillig, insbesondere durch drohende Verjährung beeinträchtigt werden, vor der gerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen die Rechtskraft eines Strafverfahrens oder eines anderen Verfahrens abzuwarten, das tatsächliche oder rechtliche Bedeutung für den beabsichtigten Rechtsstreit haben kann, oder vorerst nur einen Teil der Ansprüche geltend zu machen und die Geltendmachung der verbleibenden Ansprüche bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Teilanspruch zurückzustellen."

Der Kläger hatte bei einem Wertpapierdienstleistungsunternehmen (Kurzbezeichnung A*****) 20.211,15 EUR investiert. Infolge Insolvenz des Unternehmens wurde er - wie viele andere Anleger auch - geschädigt. Er begehrte mit seinen Hauptbegehren (auf zwei nachträglich erhobene Eventualbegehren ist hier nicht mehr einzugehen) im Wesentlichen Rechtsschutzdeckung bei freier Anwaltswahl für die gerichtliche Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen als Privatbeteiligter in einem Strafverfahren gegen Organe von A***** und in einem Amtshaftungsprozess gegen die Republik Österreich, der er Versäumnisse der Finanzmarktaufsicht vorwirft sowie die Feststellung, dass die Vereinbarung der Beschränkung der freien Anwaltswahl in Artikel 6.7.3 ARB rechtsunwirksam sei. Diese Bestimmung der ARB schränke das in Artikel 4 der Richtlinie 87/344/EWG (Rechtsschutzversicherungs- Richtlinie) vom 22. 6. 1987 postulierte und durch § 158k VersVG in Österreich umgesetzte Recht des Versicherungsnehmers auf freie Anwaltswahl unzulässig ein und sei daher unbeachtlich.

Die Beklagte beantragte Klagsabweisung. Der Fall A***** sei ein klassischer Massenschaden. Massenschäden seien bei Einführung der Rechtsschutzversicherungs-Richtlinie und des die Richtlinie umsetzenden § 158k VersVG größtenteils unbekannt gewesen, nicht bedacht und nicht geregelt worden. Artikel 6.7.3 ARB verstoße daher nicht gegen die Richtlinie und § 158k VersVG, zumal die beanstandete Klausel wegen der Kosteneinsparung im Interesse der Versicherungsnehmer geboten sei und den Versicherungsnehmern Vorteile bringe. Da mittlerweile verschiedene Musterprozesse gegen die Republik Österreich geführt würden, sei der Deckungsanspruch nach Artikel 8.1.5.3 ARB 1998 im Sinn der dort normierten Wartepflicht nicht fällig.

Zu letzterem Einwand erwiderte der Kläger, die Beklagte habe ihm bisher keine Informationen über Musterprozesse erteilt.

Das Erstgericht gab dem Hauptbegehren (Rechtsschutzdeckung bei freier Anwaltswahl in zwei Gerichtsverfahren und Feststellung der Rechtsunwirksamkeit der Vereinbarung der Beschränkung der freien Anwaltswahl in Artikel 6.7.3 ARB 1998) statt. Es könne nicht festgestellt werden, dass die Beklagte den Kläger über die beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien anhängigen Haftungsprozesse geschädigter A*****-Anleger näher informiert habe. Die Massenschadensklausel Artikel 6.7.3 ARB widerspreche dem nach § 158p VersVG einseitig zwingenden § 158k VersVG, durch den der in Artikel 4 der Rechtsschutzversicherungs-Richtlinie vorgegebene Grundsatz der freien Anwaltswahl des Versicherungsnehmers im österreichischen Recht umgesetzt worden sei, weshalb sich die Beklagte darauf nicht berufen könne. Schon deshalb sei eine Verpflichtung des Klägers, irgendwelche andere - nicht von seinem frei gewählten Vertreter geführten - Verfahren abwarten zu müssen, zu verneinen.

Das Berufungsgericht bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung. Wie schon das Erstgericht vertrat es mit eingehender Begründung die Rechtsansicht, die Verweigerung der Rechtsschutzdeckung bei freier Anwaltswahl für die vom Kläger angestrebten Gerichtsverfahren unter Berufung auf die „Massenschadensklausel" des Artikels 6.7.3 ARB verstoße gegen § 158k VersVG. Der Einwand der mangelnden Fälligkeit aufgrund der den Kläger treffenden Wartepflicht nach Artikel 8.1.5.3 ARB sei unberechtigt. Die Warteobliegenheit stehe unter der Voraussetzung, dass die Interessen des Versicherungsnehmers nicht unnötig beeinträchtigt würden. Die Beklagte könne sich daher auf die Wartepflicht nur dann berufen, wenn sie den Kläger über jene Verfahren so weit aufkläre, dass dieser überprüfen könne, ob seine Interessen ausreichend gewahrt seien. Daran änderten auch allenfalls anhängige Musterverfahren nichts, weil die Beklagte dem Kläger keinerlei Informationen über solche Prozesse erteilt habe. Auch der von der Beklagten erstmals in der Berufung erhobene Einwand des Fehlens eines rechtlichen Interesses an der Feststellung der Unwirksamkeit der Vereinbarung der Beschränkung der freien Anwaltswahl in Artikel 6.7.3 ARB sei nicht berechtigt. Eine Feststellungsklage sei überall dort zuzulassen, wo mit der Leistungsklage nur einzelne, aus einem Dauerschuldverhältnis resultierende Ansprüche geltend gemacht werden könnten und das Begehren auf Feststellung darüber hinaus die rechtlichen Beziehungen zwischen den Parteien klarstelle und das Bestehen und den Umfang eines Anspruchs determiniere. Nur dann, wenn der Leistungsanspruch den Feststellungsanspruch zur Gänze ausschöpfe, komme eine Feststellung nicht mehr in Betracht. Gerade bei der vorhandenen komplexen Verflechtung des Schadensfalls A***** könne aus Sicht des Klägers nicht ausgeschlossen werden, dass er weitere Prozesse aufgrund seiner Veranlagung anstrengen werde. Ebenso sei ein neuer Massenschaden denkbar. Es bestehe daher das Bedürfnis des Klägers, das Recht auf freie Anwaltswahl für seinen Versicherungsvertrag ein für alle Mal zu klären.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 4.000 EUR, nicht aber 20.000 EUR übersteige und dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil die Frage, ob die Massenschadensklausel in unzulässiger Weise von § 158k Abs 1 VersVG abweiche, vom Obersten Gerichtshof bisher noch nicht zu beurteilen gewesen sei.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Beklagten, die Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend macht und beantragt, die Urteile der Vorinstanzen in klagsabweisendem Sinn abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt in der Revisionsbeantwortung, dem Rechtsmittel seiner Prozessgegnerin keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zwar zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.

Als Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wird von der Revisionswerberin gerügt, dass das Gericht zweiter Instanz das Berufungsverfahren nicht bis zur Entscheidung des Obersten Gerichtshofs in dem von einem anderen „A*****-Geschädigten" gegen seinen Rechtsschutzversicherer angestrengten Verfahren (7 Ob 26/08m), zumindest aber bis zum Vorliegen der Vorabenscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) über die diesem im genannten Verfahren vorgelegten Fragen unterbrochen hat. Auch dort bildet zwar die Frage der Richtlinienkonformität des Artikels 6.7.3 ARB 1998 den zentralen Streitpunkt. Die schon aus prozessökonomischen Gründen an sich berechtigte Mängelrüge der Beklagten ist aber insofern obsolet, als der Oberste Gerichtshof mit Beschluss vom 29. 4. 2009 das vorliegende Revisionsverfahren bis zur Entscheidung des EuGH über den vom Obersten Gerichtshof am 23. 4. 2008 in der Rechtssache 7 Ob 26/08m gemäß Artikel 234 EG gestellten Antrag auf Vorabentscheidung unterbrochen hat. Diese Vorabentscheidung liegt nunmehr vor. Im deshalb von Amts wegen fortzusetzenden Revisionsverfahren ist, wie dies mit dem Unterbrechungsantrag vom Beklagten angestrebt wurde, auf die Vorabentscheidung Bedacht zu nehmen.

Dem EuGH wurde folgende Frage (Nr 1) zur Vorabentscheidung vorgelegt: „Ist Artikel 4 (1) der Richtlinie 87/344/EWG ... dahin auszulegen, dass ihm eine in Allgemeinen Versicherungsbedingungen eines Rechtsschutzversicherers enthaltene Klausel, die den Versicherer in Versicherungsfällen, in denen eine größere Anzahl von Versicherungsnehmern durch dasselbe Ereignis (etwa die Insolvenz eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens) geschädigt wird, zur Auswahl eines Rechtsvertreters berechtigt und damit das Recht des einzelnen Versicherungsnehmers auf freie Anwaltswahl beschränkt (sogenannte 'Massenschadensklausel'), widerspricht?"

Der EuGH hat diese Frage wie folgt beantwortet:

„Art 4 Abs 1 Buchst. a der Richtlinie 87/344/EWG des Rates vom 22. Juni 1987 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Rechtsschutzversicherung ist dahin auszulegen, dass der Rechtsschutzversicherer sich in dem Fall, dass eine größere Anzahl von Versicherungsnehmern durch dasselbe Ereignis geschädigt ist, nicht das Recht vorbehalten kann, selbst den Rechtsvertreter aller betroffenen Versicherungsnehmer auszuwählen."

Damit steht für den Obersten Gerichtshof als letztinstanzliches Gericht auch für den vorliegenden „Parallelfall" bindend fest (vgl Schwarze in Schwarze, EU-Kommentar, Art 234 EGV Rn 66), dass - wie der Kläger behauptet hat - Artikel 6.7.3 ARB das in Artikel 4 der Rechtsschutzversicherungs-Richtlinie postulierte und durch § 158k VersVG in Österreich umgesetzte Recht des Versicherungsnehmers auf freie Anwaltswahl unzulässig einschränkt und daher unbeachtlich ist. Auf die umfangreichen Ausführungen, mit denen die Revisionswerberin ihre gegenteilige Rechtsansicht begründet, ist daher nicht mehr einzugehen. Die Beklagte hat ihre Rechtsmeinung, sie könne dem Kläger die begehrte Rechtsschutzdeckung seiner Schadenersatzansprüche durch den von ihm frei gewählten Rechtsanwalt versagen, eben auf Artikel 6.7.3 ARB gestützt. Da die Vorabentscheidung des EuGH die Rechtsansicht des Klägers, diese Bestimmung sei rechtsunwirksam, bestätigt, haben die Vorinstanzen den Hauptbegehren auf Rechtsschutzdeckung und Feststellung der Rechtsunwirksamkeit der Vereinbarung der Beschränkung der freien Anwaltswahl in Artikel 6.7.3 ARB ohne Rechtsirrtum Folge gegeben. Denn auch die beiden weiteren dagegen in der Revision noch aufrecht erhaltenen Einwände sind nicht stichthältig.

Die Revisionswerberin hält daran fest, dass die begehrte Rechtsschutzdeckung für die Privatbeteiligung des Klägers im Strafverfahren gegen Organe der A***** und für seine Klageführung gegen die Republik Österreich im Hinblick auf eine den Kläger treffende Wartepflicht gemäß Artikel 8.1.5.3 ARB nicht zu Recht bestehe. Das Klagebegehren sei aufgrund bereits anhängiger Musterprozesse, deren Ausgang abzuwarten sei, noch nicht fällig. Zumindest ein weiteres Verfahren eines durch den nunmehrigen Klagevertreter ebenfalls vertretenen A*****-Geschädigten gegen die Republik Österreich sei gerichtsanhängig. Dass im vorliegenden Fall Ansprüche verjähren könnten und daraus ein Schaden erwachsen würde, habe der Kläger nicht behauptet. Ungeachtet dessen habe die Beklagte als Rechtsschutzversicherer ohnehin dafür Sorge zu tragen, dass dem Versicherungsnehmer aus der Warteverpflichtung kein Schaden entstehe. Das unter bestimmten Voraussetzungen gebotene Abwarten anderer Verfahren ermögliche es dem einzelnen Versicherungsnehmer gerade in kompliziert gelagerten Fällen, mit der Versicherungssumme, die die Kostendeckung durch den Versicherer nach oben begrenze, das Auslangen zu finden. Zufolge der die Interessen der Versicherten wahrenden Warteverpflichtung sei das Klagebegehren angesichts anhängiger Musterprozesse mangels Fälligkeit abzuweisen.

Diesen Ausführungen stehen die Argumente des Berufungsgerichts entgegen, das richtig darauf hingewiesen hat, dass eine Warteverpflichtung im Sinn des Artikels 8.1.5.3 ARB hier schon deshalb nicht in Betracht kommt, weil nach der ausdrücklich getroffenen Negativfeststellung gerade nicht feststeht, dass der Kläger über Musterprozesse von der Beklagten informiert wurde. Da für den Kläger ein Verjährungsverzicht durch den Schädiger nicht erzwingbar ist, muss ihm jedenfalls zugestanden werden, verjährungshindernde Handlungen (insbesondere die Einbringung von Schadenersatzklagen) vorzunehmen, um dieser Gefahr zu begegnen. Es trifft zu, dass es zur Vermeidung einer - insbesondere eine unnötige Kostenbelastung bedeutenden - Mehrgleisigkeit angezeigt sein kann, ein Verfahren bis zur Beendigung eines „Musterprozesses" zu unterbrechen. Die Beklagte hat aber keinen Umstand behauptet, geschweige denn bewiesen, dass jene Rechtshandlungen, für die der Kläger jetzt Rechtsschutzdeckung begehrt, im Hinblick auf Hinweise und Absprachen im Zusammenhang mit anderen Verfahren unterbleiben hätten können. Der Einwand, das Begehren des Klägers auf Rechtsschutzdeckung sei wegen einer Warteverpflichtung im Sinn des Art 8.1.5.3 ARB nicht fällig, geht daher ins Leere.

Schließlich vertritt die Beklagte - wie (erstmals) in der Berufung - auch in der Revision die Meinung, dem Kläger mangle es am rechtlichen Interesse an der Feststellung der Unwirksamkeit der Bestimmung des Artikels 6.7.3 ARB. Damit strebe der Kläger lediglich die Klärung einer abstrakten Rechtsfrage an. Angesichts der Subsidiarität der Feststellungsklage gegenüber der Leistungsklage und aufgrund der (vom Kläger bereits in Anspruch genommenen) Möglichkeit, auf Leistung zu klagen, sei ein konkretes Feststellungsinteresse jedenfalls nicht (mehr) gegeben. Weshalb aus Sicht des Klägers nicht ausgeschlossen werden könne, dass dieser aufgrund der Veranlagung auch noch andere Prozesse anstrengen werde, sei nicht ersichtlich. Die bloß abstrakte Möglichkeit eines weiteren Massenschadens reiche für ein Rechtsschutzinteresse am Feststellungsbegehren nicht aus.

Es trifft zu, dass abstrakte Rechtsfragen, denen kein gegenwärtig in der Wirklichkeit existierender Sachverhalt zugrunde liegt oder solche, die sich in der Feststellung einer dem Gesetzeswortlaut entsprechenden Rechtslage erschöpfen, nicht urteilsmäßig feststellungsfähig sind (Fasching in Fasching/Konecny² III § 228 ZPO Rz 62). Nur die konkrete Möglichkeit des Eintritts von Leistungsverpflichtungen (hier aus dem Versicherungsvertrag) stellt eine ausreichende Interessengrundlage für ein Feststellungsbegehren dar, während die bloße theoretische Möglichkeit der Entstehung von Ansprüchen zur Begründung des Feststellungsinteresses nach § 228 ZPO nicht ausreicht (vgl 7 Ob 4/05x mwN; RIS-Justiz RS0038949). Die Revisionswerberin übersieht aber einerseits, dass es bei der begehrten Feststellung betreffend Artikel 6.7.3 ARB nicht um eine abstrakte rechtliche Qualifikation geht, sondern dass diese Bestimmung dem zwischen den Parteien bestandenen Versicherungsverhältnis zugrunde gelegt wurde und daher in jedem einschlägigen Versicherungsfall wieder einen Streitpunkt darstellen könnte. Andererseits ist es im Hinblick auf die notorischen Turbulenzen in der Causa A***** durchaus naheliegend, dass der Kläger (etwa als Privatbeteiligter) zu weiteren vom Versicherungsschutz umfassten Rechtshandlungen veranlasst werden könnte. Die von ihm begehrte Feststellung ist daher (ebenso wie die die beiden bereits anhängigen Fälle betreffenden Begehren auf Rechtsschutzdeckung, die im Übrigen auch Feststellungsbegehren sind) konkret geeignet, eine streitverhindernde Rechtswirkung zwischen den Parteien des vorliegenden Rechtsstreits zu entfalten (vgl RIS-Justiz RS0039080). Demnach hat das Berufungsgericht das rechtliche Interesse des Klägers an der von ihm begehrten Feststellung zutreffend bejaht.

Da die angefochtene Entscheidung einer rechtlichen Überprüfung in jeder Hinsicht standhält, muss die Revision erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41 und 50 ZPO.

Textnummer

E92552

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0070OB00068.09I.1028.000

Im RIS seit

27.11.2009

Zuletzt aktualisiert am

21.01.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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