C1 425769-1/2012/3E
BESCHLUSS
Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin MMag. Dr. Fischer-Szilagyi als Vorsitzende und den Richter Mag. Marth als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX, StA. Afghanistan, gesetzlich vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Baden, vom 26.03.2012 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 29.02.2012, Zl. 11 08.482-BAT, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
Die Beschwerde wird gemäß § 63 Abs. 5 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF, als unzulässig zurückgewiesen.
BEGRÜNDUNG:
Der minderjährige Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, hat sein Heimatland verlassen, ist illegal in die Republik Österreich eingereist und hat am 06.08.2011 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.
Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Polizeiinspektion EAST West am 07.08.2011 begründete der Beschwerdeführer im Beisein eines Rechtberaters als gesetzlicher Vertreter seine Flucht im Wesentlichen mit drohender Verfolgung durch seinen Onkel väterlicherseits, der mit den Taliban zusammenarbeite.
Am 08.08.2011 wurde der Verwaltungsakt zuständigkeitshalber der Erstaufnahmestelle Ost übermittelt und der Beschwerdeführer am folgenden Tag der Betreuungsstelle Ost zugewiesen.
Mit Ausfolgung der Aufenthaltsberechtigungskarte gemäß § 51 Asylgesetz 2005 (AsylG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, am 19.08.2011 wurde das Verfahren des Beschwerdeführers zugelassen.
Am 05.10.2011 wurde der Asylakt zur Durchführung des weiteren Asylverfahrens an die Außenstelle Traiskirchen übermittelt.
Bei der Einvernahme durch das Bundesasylamt, Außenstelle Traiskirchen, am 31.01.2012 wurde der Beschwerdeführer im Beisein des im Zulassungsverfahren zugewiesenen Rechtsberaters zu seinen Fluchtgründen befragt.
Mit angefochtenem Bescheid vom 29.02.2012 wurde der Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen und ihm der Status des Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchteil I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchteil II.) und ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 07.03.2013 erteilt (Spruchteil III.).
Mit Verfahrensanordnung vom 09.03.2012 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 66 Abs. 1 AsylG eine juristische Person als Rechtsberater zur Seite gestellt.
Die Verfahrensanordnung vom 09.03.2012 sowie der Bescheid vom 29.02.2012 wurden der mit der Rechtsberatung beauftragten juristischen Person am 14.03.2012 zugestellt.
Am 26.03.2012 wurde von der mit der Rechtsberatung des Beschwerdeführers betrauten juristischen Person Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 29.02.2012 eingebracht und dieser hinsichtlich seines Spruchteiles I. angefochten.
Der Asylgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 63 Abs. 5 AVG ist die Berufung von der Partei binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Die Frist beginnt für jede Partei mit der an sie erfolgten Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Bescheides, im Fall bloß mündlicher Verkündung mit dieser.
Gemäß § 21 AVG und § 1 Zustellgesetz (ZustG), BGBl. Nr. 200/1982 idgF, sind Zustellungen nach dem ZustG vorzunehmen.
Gemäß § 5 ZustG ist die Zustellung von der Behörde zu verfügen, deren Dokument zugestellt werden soll. Die Zustellverfügung hat den Empfänger möglichst eindeutig zu bezeichnen und die für die Zustellung erforderlichen sonstigen Angaben zu enthalten.
Unterlaufen im Verfahren der Zustellung Mängel, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist (§ 7 ZustG).
"Empfänger" ist nach § 2 Z 1 die von der Behörde in der Zustellverfügung (§ 5) namentlich bezeichnete Person, in deren Verfügungsgewalt das zuzustellende Dokument gelangen soll. Bezeichnet die Behörde daher (irrtümlich) eine falsche Person als "Empfänger", so ist dies ein Mangel, der nicht nach § 7 ZustG etwa dadurch heilen kann, dass das Schriftstück jener Person zukommt, die richtigerweise als Empfänger zu bezeichnen gewesen wäre.
Gemäß § 16 Abs. 3 AsylG ist ein mündiger Minderjähriger, dessen Interessen von seinem gesetzlichen Vertreter nicht wahrgenommen werden können, berechtigt, Anträge zu stellen und einzubringen. Gesetzlicher Vertreter für Verfahren nach diesem Bundesgesetz ist mit Einbringung des Antrags auf internationalen Schutz (§ 17 Abs. 2) der Rechtsberater (§ 64) in der Erstaufnahmestelle, nach Zulassung des Verfahrens und nach Zuweisung an eine Betreuungsstelle der örtlich zuständige Jugendwohlfahrtsträger jenes Bundeslandes, in dem der Minderjährige einer Betreuungsstelle zugewiesen wurde. Widerspricht der Rechtsberater (§ 64) vor der ersten Einvernahme im Zulassungsverfahren einer erfolgten Befragung (§ 19 Abs. 1) eines mündigen Minderjährigen, ist diese in seinem Beisein zu wiederholen.
Entzieht sich der mündige Minderjährige dem Verfahren (§ 24 Abs. 1) oder lässt sich aus anderen Gründen nach Abs. 3 kein gesetzlicher Vertreter bestimmen, ist der Jugendwohlfahrtsträger, dem die gesetzliche Vertretung zuletzt zukam, gesetzlicher Vertreter bis nach Abs. 3 wieder ein gesetzlicher Vertreter bestimmt wurde. Hatte im bisherigen Verfahren nur der Rechtsberater (§ 64) die gesetzliche Vertretung inne, bleibt dieser gesetzlicher Vertreter, bis die gesetzliche Vertretung nach Abs. 3 erstmals einem Jugendwohlfahrtsträger zufällt (§ 16 Abs. 4 AsylG).
Gemäß § 64 Abs. 4 AsylG legt das Bundesasylamt für jede Erstaufnahmestelle die Zuständigkeit der Rechtsberater je nach Einbringung des Antrages fest. Die Übertragung der Aufgaben an einen anderen Rechtsberater kann im Einzelfall und nur mit Zustimmung dieses Beraters erfolgen. Ist eine juristische Person mit der Besorgung der Rechtsberatung im Zulassungsverfahren betraut, haben der Asylgerichtshof in den Fällen des § 16 Abs. 3 und 5 und das Bundesasylamt, auch wenn dem Rechtsberater zuzustellen ist, lediglich der juristischen Person zuzustellen.
Ist der Antrag voraussichtlich nicht zurückzuweisen, ist das Verfahren zuzulassen, soweit das Verfahren nicht vor Zulassung inhaltlich entschieden wird. Die Zulassung erfolgt durch Ausfolgung einer Aufenthaltsberechtigungskarte (§ 51); eines Bescheides bedarf es dann nicht. Die Zulassung steht einer späteren zurückweisenden Entscheidung nicht entgegen (§ 28 Abs. 1 AsylG).
Gemäß § 1 Z 4 Grundversorgungsgesetz - Bund 2005 (GVG-B 2005), BGBl. I Nr. 405/1991 idgF, ist eine Betreuungsstelle jede außerhalb einer Erstaufnahmestelle gelegene Unterbringung, in der die Versorgung der Grundbedürfnisse eines Asylwerbers faktisch gewährleistet wird.
Eine Betreuungseinrichtung ist a) jede Betreuungsstelle (Z 4) und b) jede Erstaufnahmestelle soweit in dieser die Versorgung der Grundbedürfnisse von Asylwerbern, in deren Verfahren noch keine Zulassungsentscheidung getroffen wurde, faktisch gewährleistet wird (§ 1 Z 5 GVG-B 2005).
Gemäß § 66 Abs. 1 AsylG ist in einem Beschwerdeverfahren vor dem Asylgerichtshof gegen zurück- oder abweisende Entscheidungen über Anträge auf internationalen Schutz, die keine Folgeanträge sind, einem Asylwerber kostenlos ein Rechtsberater amtswegig zur Seite zu stellen. Darüber hat das Bundesasylamt den Asylwerber mittels Verfahrensanordnung zu informieren und den bestellten Rechtsberater oder die betraute juristische Person davon in Kenntnis zu setzen.
Nach Abs. 2 dieser Bestimmung unterstützen und beraten Rechtsberater Asylwerber beim Einbringen einer Beschwerde gemäß Abs. 1 und im Beschwerdeverfahren vor dem Asylgerichtshof, sowie bei der Beischaffung eines Dolmetschers. Rechtsberater haben den Beratenen jedenfalls die Erfolgsaussicht ihrer Beschwerde darzulegen und gegebenenfalls Rückkehrberatung zu veranlassen.
Der Beschwerdeführer ist nach eigenen Angaben am XXXX geboren und demzufolge mündiger Minderjähriger. Dem ist die belangte Behörde nicht entgegengetreten. Vielmehr ergibt sich aus der Zustellverfügung vom 09.03.2012, dass die Behörde die Zustellung des Bescheides an den gesetzlichen Vertreter des Beschwerdeführers beabsichtigt hat.
Bereits bei der Erstbefragung am 07.08.2011 war der Rechtsberater (§ 64 AsylG) des Beschwerdeführers als dessen gesetzlicher Vertreter anwesend. Auch nach Zulassung des Verfahrens durch Ausfolgung der Aufenthaltsberechtigungskarte (§ 51 AsylG) am 19.08.2011 wurde der Beschwerdeführer bei der Einvernahme durch das Bundesasylamt am 31.01.2012 richtigerweise (§ 19 Abs. 5 letzter Satz AsylG) im Beisein seines Rechtsberaters aus dem Zulassungsverfahren als gesetzlicher Vertreter zu seinen Fluchtgründen befragt.
Für den Übergang der gesetzlichen Vertretung auf den örtlich zuständigen Jugendwohlfahrtsträger wäre neben der Zulassung des Verfahrens auch die Zuweisung an eine Betreuungsstelle erforderlich gewesen. Die Betreuungsstellen West bzw. Ost, denen der Beschwerdeführer zugewiesen wurde, sind allerdings keine Betreuungsstellen im Sinne der Bestimmung des § 16 Asylgesetz 2005 sondern lediglich sonstige Betreuungseinrichtungen, zumal es sich bei diesen um innerhalb der Erstaufnahmestellen gelegene Unterbringungen handelt (vgl. § 1 Z 4 und 5 GVG-B 2005).
Gemäß § 16 Abs. 4 AsylG ist daher der Rechtsberater im Zulassungsverfahren (§ 64) der gesetzliche Vertreter des Beschwerdeführers geblieben. Eine Übertragung der Aufgaben dieses Rechtsberaters an einen anderen Rechtsberater im Sinne von § 64 Abs. 4 AsylG ist dem Akt nicht zu entnehmen.
Der angefochtene Bescheid wurde gemäß der Zustellverfügung vom 09.03.2012 am 14.03.2012 der ARGE Rechtsberatung zugestellt, die nicht als Rechtsberater gemäß § 64 AsylG bestellt war. Die Erledigung wurde daher nicht dem gesetzlichen Vertreter des Beschwerdeführers zugestellt und war der Empfänger nach Aktenlage sowie aufgrund der ausdrücklichen Bezeichnung als "gesetzlicher Vertreter" auch offenkundig nicht vom gesetzlichen Vertreter bevollmächtigt. Wie sich aus der eingebrachten Beschwerde ergibt, ist vielmehr auch die ARGE Rechtsberatung davon ausgegangen, selbst gesetzlicher Vertreter des Beschwerdeführers zu sein.
Im Übrigen ist festzuhalten, dass die Verfahrensanordnung betreffend die amtswegige Beigebung als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Asylgerichtshof der ARGE Rechtsberatung erst zeitgleich mit dem angefochtenen Bescheid zugestellt wurde. Eine Information des Beschwerdeführers im Sinne von § 66 Abs. 1 AsylG ist dem Akt nicht zu entnehmen. Unbeachtlich des Zeitpunktes, zu dem der beschwerdeführenden Partei allenfalls wirksam ein Rechtsberater gemäß § 66 AsylG zur Seite gestellt wurde, kommt einem solchen Rechtsberater jedenfalls alleine aufgrund der genannten Bestimmung noch keine Zustellvollmacht zu und ist dieser aufgrund des Wortlautes von § 16 Abs. 3 und 4 auch nicht gesetzlicher Vertreter des mündigen minderjährigen Asylwerbers.
Da der Bescheid des Bundesasylamtes sohin nicht rechtswirksam erlassen worden ist, richtet sich die gegenständliche Beschwerde gegen eine Erledigung, die kein tauglicher Anfechtungsgegenstand für eine Beschwerde ist. Im Ergebnis kann daher dahingestellt bleiben, ob die mit der Rechtsberatung betraute juristische Person hinsichtlich der Einbringung dieser Beschwerde überhaupt vertretungsbefugt war.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Gemäß § 41 Abs. 7 AsylG konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden. Das Verfahren war gemäß der Bestimmung des § 23 Abs. 1 Asylgerichtshofgesetz, BGBl. I Nr. 4/2008 idgF, zu führen.