TE AsylGH Erkenntnis 2012/10/23 E6 429443-1/2012

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Veröffentlicht am 23.10.2012
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Spruch

E6 429.443-1/2012-6E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Habersack, als Vorsitzenden und die Richterin Dr. Kloibmüller, als Beisitzerin über die Beschwerde des XXXX, StA. Jordanien, vertreten durch RAe Kocher & Bucher, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 06.09.2012, Zl. 12 01.120-BAG, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid des Bundesasylamtes behoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

 

I.1. Der Beschwerdeführer, ein jordanischer Staatsangehöriger, reiste am 24.01.2012 in Österreich ein, stellte am 25.01.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde am 27.01.2012 von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes des SPK Schwechat erstbefragt.

 

Im Wesentlichen führte der Beschwerdeführer im Rahmen dieser Befragung aus, dass er sich im Jahr 2006 in Kuwait habe taufen lassen, da in Jordanien die Taufe für Moslems, welche zum Christentum übertreten würden, strafbar sei. Nach der Rückkehr nach Jordanien im Jahr 2009 habe er seine neue Religion heimlich ausgeübt. Der Beschwerdeführer habe auch die Kirche besucht und sei missionarisch tätig gewesen. Dabei habe er seinen Freund XXXX, der gemeinsam mit dem Beschwerdeführer nach Österreich gereist sei, zu einem Wechsel zum Christentum bewogen.

 

Am 18.01.2012 habe der Beschwerdeführer einen anonymen Anruf erhalten, wonach er innerhalb von 24 Stunden zum Islam zurückkehren müsse, ansonsten er getötet werden würde. Auch sein Freund XXXX habe einen ähnlichen Drohanruf erhalten und seien dessen Geschäft bzw. Auto beschädigt worden.

 

Zudem sei der Beschwerdeführer von seinem Vater telefonisch mit dem Umbringen bedroht worden, da er Schande über die Familie bringen würde.

 

Unmittelbar nach diesen Vorfällen hätten der Beschwerdeführer und sein Freund das Land verlassen.

 

Am 13.03.2012 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesasylamt niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er im Wesentlichen an, er könne seine Kreditkarten nicht mehr verwenden, was darauf hindeuten würde, dass rechtliche Schritte gegen ihn in Jordanien eingeleitet worden seien. Wenn nämlich in Jordanien Klage wegen Apostasie eingebracht werde, würden automatisch alle Verträge dieser Person oder von ihr getätigte Unterschriften für nichtig erklärt werden. Bei der Bank habe man ihm für die Kartensperre - auf seine Nachfrage hin - keinen konkreten Grund genannt.

 

In Jordanien sei der Beschwerdeführer als Beamter bei UNRWA tätig gewesen und sei nach wie vor dort angestellt.

 

Der Beschwerdeführer sei von seiner Familie islamisch erzogen worden. An der Universität sei er erstmals mit dem Christentum in Berührung gekommen und habe der Beschwerdeführer begonnen, sich näher damit auseinanderzusetzten. Er sei schließlich zu der Überzeugung gelangt, dass das Christentum die richtige Religion für ihn sei und habe nach einer Möglichkeit gesucht, sich taufen zu lassen, was in Jordanien aufgrund der Gesetzeslage nicht möglich gewesen sei. Als sich der Beschwerdeführer im Jahr 2006 aus beruflichen Gründen in Kuwait aufgehalten habe, habe er eine Christin namens XXXX kennengelernt, die ihn zu einer Kirche namens XXXX gebracht habe. Der Verantwortliche dieser Kirche sei Pastor XXXX gewesen. Er habe in der Kirche auch XXXX kennengelernt, den Begründer und Generaldirektor von XXXX. Nachdem sich diese beiden Personen überzeugt hätten, dass der Beschwerdeführer tatsächlich zum Christentum übertreten wolle, sei er am XXXX heimlich getauft worden. Ende 2009 sei der Beschwerdeführer nach Jordanien zurückgekehrt, wo er einige Leute dazu bewegen habe können, zum Christentum zu konvertieren. Der Beschwerdeführer habe eine Stelle bei der UNRWA erhalten und habe dort ebenfalls Missionarstätigkeiten durchgeführt.

 

Am 18.01.2012 habe der Beschwerdeführer gegen ein Uhr nachmittags einen Drohanruf erhalten. Auch sein Freund XXXX habe denselben Anruf erhalten. Die Väter der beiden hätten ebenfalls von ihren Tätigkeiten in Zusammenhang mit dem Christentum erfahren und seien äußerst wütend gewesen.

 

Der Beschwerdeführer und sein Freund XXXX hätten aus diesen Gründen am 19.01.2012 Jordanien verlassen.

 

Mit Schreiben vom 14.03.2012 gab der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers eine Stellungnahme zur Situation von Konvertiten in Jordanien ab.

 

Mit Schreiben vom 30.03.2012 richtete das Bundesasylamt eine Anfrage an die Staatendokumentation.

 

Am 16.08.2012 langte eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation beim Bundesasylamt ein, welche dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers am 21.08.2012 zur Stellungnahme übermittelt wurde.

 

Mit Schreiben vom 03.09.2012 langte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers betreffend die Anfragebeantwortung beim Bundesasylamt ein. Demnach sei hinsichtlich der Situation von Konvertiten auf einen veralteten Bericht des US Department of State verwiesen und der aktuelle Bericht für den Zeitraum 2011 völlig außer Acht gelassen worden. Zudem stünden die Ausführungen des Polizeiattachés, Konvertiten fielen nicht mehr in die Zuständigkeit der Scharia-Gerichte, in eindeutigem Widerspruch zu weitgehend unstrittigen Tatsachen in Jordanien und zu den unbedenklichen Berichten des USDOS. Zudem würden die Antworten hinsichtlich der Ausreisemöglichkeit und der innerstaatlichen Fluchtalternative jeglicher Begründung entbehren und werde diesbezüglich beantragt, der Österreichischen Botschaft Amman ergänzende Fragen vorzulegen.

 

In Anbetracht der offenkundigen Mangelhaftigkeit der Beantwortung der erwähnten Fragen durch den Polizeiattaché seien auch die übrigen Antworten desselben durch das Bundesasylamt zu hinterfragen und keinesfalls in der derzeitigen Form der Entscheidung des Bundesasylamtes zugrunde zu legen.

 

I.2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 06.09.2012, Zl. 12 01.120-BAG, wurde der Antrag auf internationalen Schutz in Spruchteil I unter Berufung auf § 3 Abs. 1 iVm

 

§ 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen; in Spruchteil II wurde gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Jordanien abgewiesen; in Spruchpunkt III wurde der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Jordanien ausgewiesen.

 

Beweiswürdigend wurde vom Bundesasylamt ausgeführt, dass es dem Beschwerdeführer nicht möglich gewesen sei, das Vorliegen wohlbegründeter Furcht iSd GFK glaubhaft zu machen. Seine Darstellung der Konversion stelle sich im Wesentlichen zwar glaubhaft dar, aber aufgrund der vorliegenden Anfragebeantwortung sei daraus keinesfalls ableitbar, dass dem Beschwerdeführer deshalb eine asylrelevante Verfolgung drohen würde. Insgesamt lasse sich weder aus den Stellungnahmen, noch aus den Unterlagen der Staatendokumentation eine systematische Verfolgung von Konvertiten in Jordanien ableiten. Soweit daraus Animositäten zu entnehmen seien, sei auszuführen, dass diese nicht derart hinreichend schwerwiegend seien, um die asylrelevante Schwelle zu überschreiten.

 

I.3. Gegen diesen dem rechtsfreundlichen Vertreter des Beschwerdeführers am 07.09.2012 ordnungsgemäß zugestellten Bescheid wurde am 20.09.2012 fristgerecht Beschwerde erhoben.

 

Begründend wurde ausgeführt, dass entgegen den Ausführungen des Bundesasylamtes Jordanien einen Abfall vom Islam nicht nur nicht anerkennen, sondern sehr wohl verbieten und ablehnen würde, indem es auch die entsprechende Verfolgung durch Scharia-Gerichte dulde. Die Anfragebeantwortung vom 14.08.2012 sei nicht geeignet, die Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers einzuschätzen und seien bereits in der Stellungnahme vom 31.08.2012 die diesbezüglichen Mängel ausführlich und substantiiert gerügt worden, was im angefochtenen Bescheid jedoch völlig außer Acht gelassen worden sei.

 

II. Der Asylgerichtshof hat in nichtöffentlicher Sitzung erwogen:

 

II.1. Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem vorliegenden Verwaltungsakt des Beschwerdeführers.

 

II.2. Rechtlich ergibt sich Folgendes:

 

II.2.1. Gemäß § 9 Abs. 1 AsylGHG, BGBl. I Nr. 4/2008 in der geltenden Fassung entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten, soweit eine Entscheidung durch einen Einzelrichter oder Kammersenat nicht bundesgesetzlich vorgesehen ist. Gemäß § 60 Abs. 3 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide nach den §§ 4 und 5 AsylG 2005 und nach § 68 AVG durch Einzelrichter. Gemäß § 42 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof bei Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung oder Rechtsfragen, die sich in einer erheblichen Anzahl von anhängigen oder in naher Zukunft zu erwartender Verfahren stellt, sowie gemäß § 11 Abs. 4 AsylGHG, wenn im zuständigen Senat kein Entscheidungsentwurf die Zustimmung des Senates findet durch einen Kammersenat. Im vorliegenden Verfahren liegen weder die Voraussetzungen für eine Entscheidung durch einen Einzelrichter noch die für eine Entscheidung durch den Kammersenat vor.

 

Gemäß § 23 Abs. 1 AsylGHG sind, soweit sich aus dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

II.2.2. Gemäß § 18 AsylG 2005 haben die Asylbehörden in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen durch Fragestellung oder in anderer geeigneter Weise darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Bescheinigungsmittel auch von Amts wegen beizuschaffen. Diese Rechtsnorm stellt eine Konkretisierung der aus § 37 AVG i.V.m. § 39 Abs. 2 leg. cit. hervorgehenden Verpflichtung einer Verwaltungsbehörde, den maßgeblichen Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln und festzustellen, dar.

 

Gemäß § 45 Abs. 3 AVG ist den Parteien Gelegenheit zu geben, vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis zu erlangen und dazu Stellung zu nehmen. Den Parteien ist das Ergebnis der behördlichen Beweisaufnahme in förmlicher Weise zur Kenntnis zu bringen und ausdrücklich unter Setzung einer angemessenen Frist Gelegenheit zu geben, zu diesen Ergebnissen Stellung zu nehmen (VwGH 05.09.1995, Zl. 95/08/0002). Gegenstand des Parteiengehörs sind sämtliche Ergebnisse der Beweisaufnahme. Auch soweit die Behörde bestimmte Tatsachen als offenkundig behandelt, ist dies der Partei bekannt zu geben (VwGH 17.10.1995, Zl. 94/08/0269). Gemäß der Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 27.02.2003, Zl. 2000/18/0040) ist die Verletzung des Parteiengehörs zwar saniert, wenn im Bescheid die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens dargelegt werden und die Partei die Möglichkeit hat, in ihrer Berufung dagegen Stellung zu nehmen - Voraussetzung einer solchen Sanierung ist aber, dass in der erstinstanzlichen Bescheidbegründung tatsächlich alle Beweisergebnisse dargelegt werden, da ansonsten der Asylgerichtshof das Parteiengehör einräumen müsste (VwGH 25.03.2004, Zl. 2003/07/0062).

 

II.2.3. Gemäß § 66 Abs. 2 AVG kann die Berufungsbehörde, so der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen.

 

Gemäß Abs. 3 leg. cit. kann die Berufungsbehörde jedoch die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme auch selbst durchführen, wenn hiermit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 21. November 2002, 2002/20/0315, zur Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG durch den Unabhängigen Bundesasylsenat ausgeführt (ein zwar auf das AsylG 1997 bezogenes Erkenntnis, welches jedoch - wie die folgenden - weiterhin aufgrund der herausgearbeiteten Grundsätze und mangels diesbezüglicher Änderung der Rechtslage relevant bleibt):

 

"Im Berufungsverfahren vor der belangten Behörde ist gemäß § 23 AsylG und Art. II Abs. 2 Z 43a EGVG (unter anderem) § 66 AVG anzuwenden. Nunmehr wurde durch den oben zitierten § 23 AsylGHG das AVG, und damit mangels anderslautenden Bestimmungen im B-VG, VwGG und AsylG 2005 auch § 66 AVG für anwendbar erklärt. Zu den allgemein im Verfahren vor dem Asylgerichtshof anzuwendenden Vorschriften vergleiche das hg. Erkenntnis vom 12.08.2008, C5 251.212-0/2008.

 

Nach § 66 Abs. 1 AVG in der Fassung BGBl. I Nr. 158/1998 hat die Berufungsbehörde notwendige Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens durch eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde durchführen zu lassen oder selbst vorzunehmen. Außer dem in § 66 Abs. 2 AVG erwähnten Fall hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, gemäß § 66 Abs. 4 AVG immer in der Sache selbst zu entscheiden (vgl. dazu unter dem besonderen Gesichtspunkt der Auslegung der Entscheidungsbefugnis der belangten Behörde im abgekürzten Berufungsverfahren nach § 32 AsylG 1997 die Ausführungen im Erkenntnis des VwGH vom 23. Juli 1998, Zl. 98/20/0175, Slg. Nr. 14.945/A, die mehrfach vergleichend auf § 66 Abs. 2 AVG Bezug nehmen; zu diesem Erkenntnis siehe auch Wiederin, ZUV 2000/1, 20 f).

 

Gemäß § 66 Absatz 2 AVG kann die Berufungsbehörde den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen, wenn der der Berufungsbehörde vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint. Gemäß § 66 Absatz 3 AVG kann die Berufungsbehörde jedoch die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme auch selbst durchführen, wenn hiermit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist (...) (Thienel, Das Verfahren der Verwaltungssenate2 [1992] 127 f), dessen Ausführungen sich insoweit allerdings nicht auf § 66 Absatz 3 AVG, sondern auf die "im § 39 AVG normierten Ermessensdeterminanten" beziehen, vertritt dazu die Ansicht, die Zurückweisung durch einen unabhängigen Verwaltungssenat werde ¿regelmäßig jedenfalls den Geboten der Raschheit und Kostenersparnis zuwiderlaufen' und ¿unnötigen Verwaltungsaufwand' verursachen."

 

Nach Ausführungen zur Frage der Anwendbarkeit des § 66 Abs. 2 AVG außerhalb des abgekürzten Berufungsverfahrens mit dem Ergebnis, dass von einer generellen Unzulässigkeit der Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG nicht auszugehen sei, setzt der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 21. November 2002, 2002/20/0315, fort wie folgt:

 

"In diese Richtung gehen auch die Gesetzesmaterialen zu § 38 Asylgesetz (RV 686 BlgNR 20. GP 30), weil diese ausdrücklich die Geltung des AVG für das Verfahren vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat betonen und daran anschließend hervorheben, dass die Möglichkeit der ¿Zurückverweisung' durch § 32 Asylgesetz ¿erweitert' worden sei, was in Bezug auf Berufungsverfahren vor der belangten Behörde, in denen § 32 Asylgesetz nicht anzuwenden ist, eine positive Anknüpfung an die in § 66 Absatz 2 AVG vorgesehene Zurückverweisungsmöglichkeit bedeutet (...).

 

Der Verwaltungsgerichthof hat im Erkenntnis vom 27. April 1989, Slg. 12.917/A, aus einer in den Verwaltungsvorschriften angeordneten zwingenden und ohne Ausnahme bestehenden Verpflichtung zur Durchführung einer Berufungsverhandlung trotz Fehlens einer ausdrücklichen Ausnahme hinsichtlich der Geltung des § 66 Abs. 2 AVG die Unanwendbarkeit dieser Bestimmung in einem solchen Berufungsverfahren gefolgert. Das steht aber zu der hier - für das Verfahren vor der belangten Behörde - zu Grunde gelegten gegenteiligen Auffassung schon deshalb nicht im Widerspruch, weil eine derartige uneingeschränkte Verhandlungspflicht für den Unabhängigen Bundesasylsenat nicht besteht. (...) Die Berufungsbehörde darf eine kassatorische Entscheidung nicht bei jeder Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes, sondern nur dann treffen, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint. Die Berufungsbehörde hat dabei zunächst in rechtlicher Gebundenheit zu beurteilen, ob angesichts der Ergänzungsbedürftigkeit des ihr vorliegenden Sachverhaltes die Durchführung einer mündlichen Verhandlung als ¿unvermeidlich erscheint'. Für die Frage der Unvermeidlichkeit einer mündlichen Verhandlung im Sinne des § 66 Abs. 2 AVG ist es aber unerheblich, ob eine kontradiktorische Verhandlung oder nur eine Vernehmung erforderlich ist (vgl. etwa das Erkenntnis vom 14. März 2001, 2000/08/0200; zum Begriff ¿mündliche Verhandlung' iSd § 66 Abs. 2 AVG siehe auch die Nachweise im Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2000/20/0084)."

 

Nach grundsätzlichen Bejahung der Frage der Anwendbarkeit des § 66 Abs. 2 AVG durch den Unabhängigen Bundesasylsenat führte der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 21.11.2002, Zl.2002/20/0315 zur Frage der Gesetzmäßigkeit der Ermessensübung im Sinne des § 66 Abs. 2 und 3 AVG noch Folgendes aus:

 

"Der Gesetzgeber hat in Asylsachen ein zweiinstanzliches Verfahren (mit nachgeordneter Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts) eingerichtet, wobei der belangten Behörde die Rolle einer ¿obersten Berufungsbehörde' zukommt (Art. 129c Abs. 1 B-VG). In diesem Verfahren hat bereits das Bundesasylamt den gesamten für die Entscheidung über den Asylantrag relevanten Sachverhalt zu ermitteln und es ist gemäß § 27 Abs. 1 AsylG grundsätzlich verpflichtet, den Asylwerber dazu persönlich zu vernehmen. Diese Anordnungen des Gesetzgebers würden aber unterlaufen, wenn es wegen des Unterbleibens eines Ermittlungsverfahrens in erster Instanz zu einer Verlagerung nahezu des gesamten Verfahrens vor die Berufungsbehörde käme und die Einrichtung von zwei Entscheidungsinstanzen damit zur bloßen Formsache würde. Es ist nicht im Sinne des Gesetzes, wenn die Berufungsbehörde, statt ihre (umfassende) Kontrollbefugnis wahrnehmen zu können, jene Behörde ist, die erstmals den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ermittelt und einer Beurteilung unterzieht..."

 

Schließlich hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 21.11.2002, 2000/20/0084, zur Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG durch den Unabhängigen Bundesasylsenat ausgeführt:

 

"In der Abstandnahme von der durch § 66 Abs. 3 AVG der Berufungsbehörde eingeräumten Möglichkeit, die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme selbst durchzuführen, wenn hiermit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist, kann im vorliegenden Fall keine Ermessensfehler gelegen sein. Es trifft zwar zu, dass durch die mit der Kassation verbundene Eröffnung eines zweiten Instanzenzuges das Verfahren insgesamt verlängert werden kann. Dieser von Rohrböck (Das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl [1999] 492) offenbar verkannten Überlegung wurde in dem Vorerkenntnis vom 23. Juli 1998 bei der Deutung der Vorschriften über das abgekürzte Berufungsverfahren nach § 32 AsylG erhebliche Bedeutung beigemessen (Wiederin, ZUV 2000/1, 20f). Im vorliegenden Fall geht es aber nicht um die Auslegung von Sondervorschriften über ein abgekürztes, der besonders raschen Verfahrensbeendigung dienendes Berufungsverfahren, sondern um die Interpretation des § 66 AVG außerhalb eines solchen Verfahrens.

 

Diesbezüglich ist zunächst auf die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, E 381f zu § 66 AVG, wiedergegebene Rechtsprechung zu verweisen, wonach es gemäß § 66 Abs. 3 AVG nicht auf das Gesamtverfahren, sondern nur auf die Ersparnis an Zeit und Kosten für die konkrete Amtshandlung ankommt. Unter diesem Gesichtspunkt wurde eine rechtswidrige Ausübung des Ermessens durch eine auf § 66 Abs. 2 AVG gestützte Entscheidung schon dann nicht angenommen, wenn die beteiligten Behörden ihren Sitz am selben Ort hatten (Erkenntnis vom 29. Jänner 1987, 86/08/0243).

 

Bei der Abwägung der für und gegen eine Entscheidung gemäß § 66 Abs. 2 AVG sprechenden Gesichtspunkte muss nämlich auch berücksichtigt werden, dass das Asylverfahren nicht nur möglichst kurz sein soll. Zur Sicherung seiner Qualität hat der Gesetzgeber einen Instanzenzug vorgesehen, der zur belangten Behörde und somit zu einer gerichtsähnlichen, unparteilichen und unabhängigen Instanz als besonderem Garanten eines fairen Asylverfahrens führt (vgl. bereits das Erkenntnis vom 16. April 2002, 99/20/0430). Die der belangten Behörde in dieser Funktion schon nach der Verfassung zukommende Rolle einer ¿obersten Berufungsbehörde' (Art. 129c 1 B-VG) wird aber ausgehöhlt und die Einräumung eines Instanzenzuges zur bloßen Formsache degradiert, wenn sich das Asylverfahren einem eininstanzlichen Verfahren vor der Berufungsbehörde nähert, weil es das Bundesasylamt ablehnt, auf das Vorbringen sachgerecht einzugehen und brauchbare Ermittlungsergebnisse in Bezug auf die Verhältnisse im Herkunftsstaat in das Verfahren einzuführen."

 

In Erkenntnis vom 17.10.2006, 2005/20/0459, hat der VwGH betont, dass eine Behebung nach § 66 Abs. 2 AVG nur zulässig ist, wenn eine weitere Verhandlung/Einvernahme erforderlich ist, was nicht der Fall wäre, wenn die Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens durch schriftliches Parteiengehör saniert hätten werden können.

 

II.2.4. Der Verwaltungsgerichtshof hat nun zusammengefasst unter Zugrundelegung der alten Rechtslage vor dem 01.07.2008 und damit vor der Novelle des Bundesverfassungsgesetz BGBl I 2008/2, dem Asylgerichtshofeinrichtungsgesetz BGBl I 2008/4 mit dem ein Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) erlassen und unter anderem das AsylG 2005 (AsylG 2005) geändert wurde in verschiedenen Erkenntnissen betont, dass eine umfangreiche und detaillierte Erhebung des relevanten Sachverhaltes durch die Behörde erster Instanz durchzuführen ist. Diese Überlegungen müssen umso mehr gelten, als nunmehr durch Einrichtung des Asylgerichtshofes dieser als zweite und letzte Instanz entscheidet. Gegen Entscheidungen des Asylgerichtshofes kann - anders als dies bis zum 30.06.2008 in Bezug auf Bescheide des Unabhängigen Bundesasylsenates möglich war - keine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Damit ist offenkundig, dass es zur Sicherung der Qualität des Rechtsschutzes im Instanzenzug in Hinblick auf die neue Rechtslage umso notwendiger ist, bereits im erstinstanzlichen Verfahren auf das Vorbringen sachgerecht einzugehen und brauchbare Ermittlungsergebnisse zu finden.

 

Wie sich aus der detailliert oben ausgeführten Judikatur des Verwaltungsgerichtshof in seiner bisherigen Rechtsprechung ergibt, war in Asylsachen ein zweiinstanzliches Verfahren (mit nachgeordneter Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts) eingerichtet; dabei kam dem Unabhängigen Bundesasylsenat - einer gerichtsähnlichen, unparteilichen und unabhängigen Instanz als besonderem Garanten eines fairen Asylverfahrens - die Rolle einer "obersten Berufungsbehörde" zu (Art. 129 c Abs. 1 B-VG idF vor Art. 1 Z 5 BG BGBl. I 100/2005).

 

Art. 129 c B-VG idF des Art. 1 Z 28 BVG BGBl. I 2/2008 spricht nicht mehr vom Unabhängigen Bundesasylsenat als der "oberste[n] Berufungsbehörde", sondern richtet den Asylgerichtshof als Gericht ein, das nach Erschöpfung des Instanzenzuges (ua.) "über Bescheide der Verwaltungsbehörden in Asylsachen" erkennt. Der Asylgerichtshof sieht keinen Grund anzunehmen, dass sich die dargestellte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht auf die neue Verfassungsrechtslage übertragen ließe, kann doch von einer Behörde, die - verfassungsrechtlich vorgesehen - "nach Erschöpfung des Instanzenzuges" zu erkennen hat, nicht gesagt werden, sie habe in dieser Hinsicht nicht (mindestens) dieselbe Stellung wie eine oberste Berufungsbehörde. Es liegt weiterhin nicht im Sinne des Gesetzes, wenn es dieses Gericht ist, das erstmals den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ermittelt und beurteilt, sodass es seine umfassende Kontrollbefugnis nicht wahrnehmen kann. Eine ernsthafte Prüfung des Antrages soll nicht erst beim Asylgerichtshof beginnen und zugleich enden, sieht man von der beschränkten Kontrolle seiner Entscheidung durch den Verfassungsgerichtshof ab. Es liegt nicht im Sinne des Gesetzes, wenn es der Asylgerichtshof ist, der erstmals den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ermittelt und beurteilt, sodass dieser seine umfassende Kontrollbefugnis nicht wahrnehmen kann. Dies kann auch bei Bedachtnahme auf eine mögliche Verlängerung des Gesamtverfahrens dafür sprechen, nach § 66 Abs. 2 AVG vorzugehen.

 

II.3.1. Das Kernvorbringen des Beschwerdeführers bestand im vorliegenden Fall darin, dass er Im Jahr 2006 in Kuwait zum Christentum konvertiert sei und ihm aus diesem Grund in Jordanien eine asylrelevante Verfolgung drohe. Dieses Vorbringen wurde vom Beschwerdeführer durch die Vorlage eines Taufzeugnisses untermauert. Nach der Rückkehr nach Jordanien im Jahr 2009 habe der Beschwerdeführer bis unmittelbar vor seiner Ausreise im Jänner 2012 offenbar ungestört gelebt und gearbeitet, wobei er seinen christlichen Glauben im Geheimen ausgeübt habe.

 

Das Bundesasylamt ging im angefochtenen Bescheid davon aus, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Konversion glaubhaft sei, ohne diesbezüglich konkrete Feststellungen zu treffen und zu begründen, weshalb es zu dieser Überzeugung gelangt sei.

 

Nach Ansicht des Asylgerichtshofes hat es das Bundesasylamt unterlassen, Ermittlungen zur behaupteten Konversion bzw. Taufe des Beschwerdeführers sowie insbesondere zum religiösen Vorleben des Beschwerdeführers und zu seinem familiären Hintergrund zu veranlassen, zumal der Beschwerdeführer vorgebracht habe, dass er streng moslemisch erzogen und von seinem Vater mit dem Umbringen bedroht worden sei. Es wäre sohin erforderlich gewesen, auch diesbezüglich näherer Ermittlungen, insbesondere zur Familie des Beschwerdeführers und deren religiösem Hintergrund zu veranlassen, zumal die bisherigen Ermittlungen des Bundesasylamtes zur Frage der Bedrohung des Beschwerdeführers durch seine Familie kein Ergebnis

gebracht haben (Punkt 2 Anfragebeantwortung AS 188: "... konnte

nicht zweifelsfrei überprüft werden").

 

Ebenso wurde es vom Bundesasylamt unterlassen, die behauptete berufliche Tätigkeit des Beschwerdeführers bei UNRWA und sein damit im Zusammenhang stehendes Vorbringen - der Beschwerdeführer habe sich im Rahmen dieser Tätigkeit in Jordanien "missionarisch" betätigt - einer Überprüfung zuzuführen.

 

Sofern der Beschwerdeführer darauf hinweist, dass er aufgrund einer Klage wegen Apostasie sämtliche Bürgerrechte verliere, wovon auch in der Anfragebeantwortung die Rede ist, und er seine Kreditkarten nicht mehr verwenden könne, weil diese gesperrt worden seien, was darauf hindeuten könne, dass gegen ihn bereits rechtliche Schritte eingeleitet worden seien, wird auch dieser Umstand vom Bundesasylamt in keinster Weise berücksichtigt. Jedoch ist es für die Beurteilung einer asylrelevanten Verfolgungsgefahr des Beschwerdeführers unerlässlich, auch Ermittlungen dahingehend anzustellen, ob die Kreditkarten des Beschwerdeführers tatsächlich gesperrt wurden, bzw. aus welchem Grund dies geschehen ist und wäre es am Bundesasylamt gelegen, den Beschwerdeführer damit zu beauftragen, entsprechende Bestätigungen seiner Bank vorzulegen.

 

II.3.2. Im Wesentlichen stützte sich das Bundesasylamt in der Begründung des angefochtenen Bescheides darauf, dass aus der vorliegenden Anfragebeantwortung keine asylrelevante Verfolgung der Person des Beschwerdeführers ableitbar sei. Diese Schlussfolgerung erweist sich jedoch mangels einer nachvollziehbaren Beweiswürdigung als nicht zur Abweisung des Antrages des Beschwerdeführers tragfähig und wurde nach Ansicht des Asylgerichtshofes der entscheidungswesentliche Sachverhalt für die Beurteilung der (Un)Glaubwürdigkeit vom Bundesasylamt nicht ausreichend schlüssig ermittelt.

 

Wie in der Beschwerde bzw. der Stellungnahme vom 31.08.2012 dargestellt, geht aus den Ausführungen des Polizeiattachés und den zur Verfügung stehenden Länderfeststellungen hinsichtlich der Zuständigkeit der Scharia Gerichte für Konvertiten ein eindeutiger Widerspruch hervor. Das Bundesasylamt setzt sich damit jedoch nicht näher auseinander, sondern folgt offensichtlich ungeprüft und ohne auf die vom rechtsfreundlichen Vertreter des Beschwerdeführers zu Recht aufgezeigten Widersprüche einzugehen, den Ausführungen des Polizeiattachés, wonach Konvertiten nicht mehr in die Zuständigkeit der Scharia Gerichte fallen würden, ohne jedoch schlüssig darzulegen, warum es scheinbar davon ausgeht, dass den Berichten des US Department of State, die zum gegenteiligen Ergebnis gelangen, kein Glauben zu schenken war.

 

Der rechtsfreundliche Vertreter des Beschwerdeführers ist weiters im Recht, wenn er in der Stellungnahme darauf hinweist, dass laut Punkt 4 und Punkt 11 der Anfragebeantwortung Konvertiten mit keinerlei Folgen bzw. Sanktionen von Seiten des Staates zu rechnen hätten, während unter Punkt 3 davon die Rede ist, dass jeder eine Klage gegen Apostaten bei einem islamischen Gericht einbringen könne und eine entsprechende Verurteilung mit Entzug der bürgerlichen Rechte einschließlich der Annullierung von Heiraten und dem Entzug des Sorgerechtes für die Kinder verbunden sei. Auch mit diesem Widerspruch setzt sich das Bundesasylamt in keinster Weise auseinander, sondern geht pauschal davon aus, dass eine Verfolgungsgefahr nicht erkennbar sei, obwohl ebenfalls unter Punkt 3 der Anfragebeantwortung davon die Rede ist, dass Muslime, die zu anderen Religionen konvertieren, unter anderem auch mit Bedrohung und Misshandlung durch Regierungsbeamte konfrontiert seien.

 

Sogar in den vom Bundesasylamt selbst herangezogenen Länderfeststellungen wird davon berichtet, dass Scharia Gerichte weiterhin Apostasie Prozesse gegen Konvertiten führen. Zudem sei die Konversion vom Islam nach islamischen Recht nicht erlaubt und riskiere jeder Konvertit aus diesem Grund den Verlust seiner Bürgerrechte.

 

Wie das Bundesasylamt dennoch pauschal davon ausgehen kann, dass Konvertiten in Jordanien keine (asylrelevante) Verfolgung drohe, kann aufgrund der obigen Ausführungen keinesfalls nachvollzogen werden.

 

Überdies ist hinsichtlich der Anfragebeantwortung festzuhalten, dass darin (zum Teil) sämtliche Quellenangaben fehlen und auch nichts über die Art und Weise der Nachforschungen ausgeführt wird bzw., worauf der Beschwerdeführer in zutreffender Weise hinweist, die Ausführungen auf nicht aktuellem Berichtsmaterial beruhen. Damit entzieht sich das Beweismittel jedoch einer objektiven Kontrolle darauf, ob es überhaupt geeignet ist, die Angaben des Beschwerdeführers zu widerlegen.

 

II.3.3. Im fortgesetzten Verfahren wird das Bundesasylamt zu ermitteln und eindeutige, einander nicht widersprechende Feststellungen darüber zu treffen haben, ob Konvertiten in Jordanien tatsächlich vor ein Scharia Gericht gestellt werden, ob jeder Bürger berechtigt ist, eine entsprechende Anklage wegen Apostasie zu bewirken und insbesondere, mit welchen Konsequenzen der Beschwerdeführer zu rechnen hat, falls es tatsächlich zu einer Anklage durch ein Scharia Gericht und in weiterer Folge zu einer Verurteilung kommen würde.

 

Ebenfalls werden Feststellungen darüber zu treffen sein, welche Möglichkeiten es in Jordanien für Konvertiten gibt, ihre neu angenommene Religion auch tatsächlich auszuüben.

 

Dabei wird sich das Bundesasylamt auch mit den vom rechtsfreundlichen Vertreter des Beschwerdeführers vorgelegten Berichten und aufgezeigten Widersprüchen auseinanderzusetzten haben, auf der Grundlage dieser Ermittlungen, konkrete Feststellungen zu treffen und diese auch einer entsprechenden, vor allem schlüssigen und nachvollziehbaren Beweiswürdigung zu unterziehen haben.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 22.10.2002, Zl. 2001/01/0406 ausgeführt, dass der Grundsatz der freien Beweiswürdigung nicht bedeutet, dass die Behörde von einander widersprechenden Beweisergebnissen einige herausgreifen, andere aber ohne Begründung nicht erwähnen dürfte. Die oben dargestellte Aktenlage hätte daher das Bundesasylamt veranlassen müssen, in der Begründung des angefochtenen Bescheids, soll diese dem Gesetz entsprechen, zu den einander widersprechenden Beweisergebnissen im Einzelnen Stellung zu nehmen und schlüssig darzulegen, was sie veranlasst hat, dem einen Beweismittel mehr Vertrauen entgegenzubringen als dem anderen (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze2, I (1998), E 70 und 71 zu § 45 AVG zitierte Judikatur, sowie VwGH vom 22.05.2001, Zl. 2000/01/0253).

 

Im Besonderen hätte das Bundesasylamt demnach auf die das Vorbringen bzw. die Unterlagen eingehen, diese allenfalls überprüfen und das dabei gewonnene Ergebnis argumentativ verarbeiten müssen. Demgegenüber hat sich das Bundesasylamt mit zahlreichen Vorbringensteilen offenkundig überhaupt nicht auseinander gesetzt.

 

Der Beschwerde ist daher insofern zuzustimmen, als die (Länder)feststellungen im Zusammenhang mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers unter dem Aspekt der Situation von Konvertiten in Jordanien unzureichend geblieben sind.

 

II.4. Es wären dem Bundesasylamt daher verschiedene Möglichkeiten offen gestanden - und diese auch notwendig gewesen -, objektiv durch entsprechende Ermittlungsschritte nach entsprechender Zustimmung durch den Beschwerdeführer dessen Angaben zu überprüfen und wird dies nun auch vorzunehmen sein.

 

Der angefochtene Bescheid stützt sich zusammengefasst darauf, dass keine asylrelevante Verfolgung gegeben sei. Die entsprechende Begründung erweist sich jedoch mangels einer schlüssigen Beweiswürdigung als nicht zur Abweisung des Antrages des Beschwerdeführers tragfähig und wurde nach Ansicht des Asylgerichtshofes der entscheidungswesentliche Sachverhalt für die Beurteilung einer asylrelevanten Gefährdungssituation aus einem der in der GFK genannten Gründe nicht ausreichend ermittelt.

 

Ohne Nachholung der hier aufgezeigten und für die Prüfung notwendigen Tatsachenerhebungen kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Sachverhalt entsprechend entscheidungsrelevant ermittelt wurde. Anschließend wird das Bundesasylamt eine neuerliche Befragung und Würdigung des Vorbringens unter Berücksichtigung auch der in der gegenständlichen Beschwerde getroffenen Ausführungen als Teil des Verfahrensaktes unter Zugrundelegung aktueller und entscheidungsrelevanter Feststellungen, die in weiterer Folge dem nunmehrigen Beschwerdeführer unter Beachtung des Parteiengehörs zur Kenntnis zu bringen sein werden, im fortgesetzten Verfahren nachzuholen haben und wird erst danach die Feststellung des asylrechtlich relevanten Sachverhaltes möglich sein.

 

II.5. Der Verwaltungsgerichtshof verlangt in seiner Rechtsprechung eine ganzheitliche Würdigung des individuellen Vorbringens eines Asylwerbers unter dem Gesichtspunkt der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers und der objektiven Wahrscheinlichkeit seines Vorbringens, wobei letzteres eine Auseinandersetzung mit aktuellen und auf objektiv nachvollziehbaren Quellen beruhenden Länderfeststellungen verlangt (vgl. VwGH 26.11.2003, Zl. 2003/20/0389).

 

Wie oben dargestellt, kann es nicht Sache der Beschwerdeinstanz sein, die im gegenständlichen Fall dazu erforderlichen - jedoch im Verfahren vor dem Bundesasylamt wesentlich mangelhaft gebliebenen - Ermittlungen nachzuholen, um dadurch erst zu den erforderlichen Entscheidungsgrundlagen zu gelangen und würde es darüber hinaus, sofern der Asylgerichtshof diese Vorgangsweise wählen würde, (mindestens) einer mündlichen Verhandlung nur zur Erörterung der Ermittlungsergebnisse bedürfen.

 

Ausgehend von diesen Überlegungen war im vorliegenden Fall das dem Asylgerichtshof gem. § 66 Abs. 2 und 3 AVG eingeräumte Ermessen im Sinne einer kassatorischen Entscheidung zu üben. Besondere Gesichtspunkte, die aus der Sicht des Beschwerdeführers gegen eine Kassation des Bescheides des Bundesasylamtes sprechen würden, sind im vorliegenden Fall nicht erkennbar.

 

II.6. Die Rechtssache war daher spruchgemäß an das Bundesasylamt zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Das Bundesasylamt wird im fortzusetzenden Verfahren die dargestellten Mängel zu verbessern haben.

Schlagworte
Ermittlungspflicht, Kassation, Konversion, mangelnde Sachverhaltsfeststellung, Religion, wesentlicher Verfahrensmangel
Zuletzt aktualisiert am
13.11.2012
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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