TE AsylGH Erkenntnis 2012/10/24 D1 426926-1/2012

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Veröffentlicht am 24.10.2012
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Spruch

D1 426926-1/2012/7E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. STRACKER als Vorsitzenden und den Richter Mag. KANHÄUSER als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX, StA. Weißrussland, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 15.05.2012, Zl. 11 12.638-BAE, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 25.09.2012 zu Recht erkannt:

 

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Text

Entscheidungsgründe:

 

I. 1. Der Beschwerdeführer, ein weißrussischer Staatsangehöriger, gelangte am 22.10.2011 in das österreichische Bundesgebiet und brachte am selben Tag einen Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz ein.

 

Im Zuge der am selben Tag stattgefundenen Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab er an, seit Juli 2010 die Weißrussische Volksfront (BNF) zu unterstützen, indem er an Kundgebungen teilgenommen und Flugblätter verteilt habe. Am 23.05.2011 sei es zu einer Hausdurchsuchung gekommen, wo er geschlagen und im Anschluss für drei Monate eingesperrt worden sei. Nach seiner Entlassung am 23.08.2011 habe er unterschreiben müssen, dass er die Stadt nicht verlasse. Da ihn im November 2011 eine Gerichtsverhandlung erwartet habe, sei er gemeinsam mit seiner Ehegattin geflüchtet. Bei einer Rückkehr befürchte er eingesperrt zu werden.

 

2. Am 24.10.2011 verfügte das Bundesasylamt, dass dem Beschwerdeführer eine Aufenthaltsberechtigungskarte gemäß § 51 AsylG 2005 zukomme und damit auch gleichzeitig die Zulassung des Verfahrens.

 

3. Am 28.03.2012 wurde der Beschwerdeführer durch eine Organwalterin des Bundesasylamtes, Außenstelle Eisenstadt, niederschriftlich befragt. Dabei gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, dass er sich vom 25.08.2011 bis zu seiner Ausreise am 20.10.2011 bei einer Freundin aufgehalten habe. Einen Auslandsreisepass habe er nie einen gehabt, sein Inlandsreisepass und eine Schachtel mit weiteren Dokumenten sei im Zuge einer am 23.05.2011 durchgeführten Hausdurchsuchung beschlagnahmt worden. Alles habe im Juli 2010 begonnen. Damals habe er einige junge Männer von der Weißrussischen Volksfront kennengelernt und Gefallen an ihren Ideen gefunden. Daher habe er beschlossen, seinen Protest gegen die Machthabenden durch das Verteilen von Flugblättern auszudrücken. Die Flugblätter habe er ein bis zwei Mal monatlich von Kurieren bekommen. Diese seien von der Partei Beloruski Narodni Front (Weißrussische Volksfront) gekommen. Er selbst sei nicht Mitglied dieser Partei gewesen. Das Verteilen der Flugblätter sei lediglich Ausdruck seiner Lebenseinstellung gewesen, da er mit seinem Handeln die Menschen zum Denken anregen gewollt habe. Einmal wöchentlich habe er die Flugblätter verteilt. Am 19.12.2010 habe es eine Protestversammlung von ca. 150 bis 170 Personen gegen die Wahl des Präsidenten Lukaschenko am Freiheitsplatz gegeben. Diese sei zunächst ruhig verlaufen, bis eine Sondereinheit namens OMON gekommen sei. Er habe Schläge bekommen, sei in einen Bus gezerrt und zur Polizeistation gebracht worden. Dort sei ihm Beleidigung des Präsidenten vorgeworfen worden und nachdem er "bereut" habe, sei er zu einer dreitätigen Anhaltung und zu einer Geldstrafe von 5000 Rubel verurteilt worden. Nach seiner Freilassung habe er seine politische Tätigkeit fortgesetzt, weil er gesehen habe, dass seine Tätigkeiten gewirkt hätten. Am Abend des 23.05.2011 seien drei Männer vor der Tür gestanden, wobei sich einer als Major des staatlichen Sicherheitsdienstes vorgestellt habe. Dieser habe ihn gefragt, ob er verbotene Literatur besitze, die gegen den Präsidenten gerichtet sei. Er habe dies verneint, woraufhin die beiden anderen Männer die Wohnung durchsucht hätten. Dabei seien die Flugblätter in einem Sack unter dem Sofa gefunden und der Vorfall in einem Protokoll aufgenommen worden. Anschließend habe man ihn in ein Gefängnis gebracht und über ihn die Untersuchungshaft verhängt. In der Haft habe man ihn gedemütigt und misshandelt. Auf Anraten seines Anwaltes, der ihn nur einmal und zwar am 01.07.2011 im Gefängnis besucht habe, habe er vor den Beamten ein Geständnis abgelegt und nachdem er unterschrieben habe, dass er das Land nicht verlassen werde, sei er am 23.08.2011 wieder freigelassen worden. Anschließend sei er nachhause gegangen, wo er alles seiner Frau erzählt und gleichzeitig von dieser erfahren habe, dass der Rechtsanwalt mitgeteilt habe, dass die Hauptverhandlung im November 2011 stattfinden würde. Anschließend seien sie zu einer Freundin seiner Frau gefahren, wo sie bis zur Ausreise versteckt in einem Kinderzimmer gelebt hätten. Im Falle einer Rückkehr befürchte er festgenommen und umgebracht zu werden.

 

4. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 15.05.2012, Zl. 11 12.638-BAE, wurde der Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers vom 22.10.2011 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, (Spruchpunkt I.) abgewiesen. Gleichzeitig wurde der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Weißrussland gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt II.). Unter einem wurde der Beschwerdeführer gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Weißrussland ausgewiesen (Spruchpunkt III).

 

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer die Behauptung, er habe Flugblätter verteilt, nur allgemein in den Raum gestellt habe, ohne dies belegen oder glaubhaft machen zu können. Auch hege das Bundesasylamt Zweifel an der Glaubwürdigkeit seines Vorbringens, weil er den jetzigen Führer der Partei nicht angeben habe können. Hinzu komme, dass auch die Teilnahme an der Versammlung am 19.12.2010 bezweifelt werde, da er nicht angeben habe können, wer die (drei) vortragenden Personen bei der Versammlung gewesen seien. Es sei auch nicht nachvollziehbar gewesen, warum er nach seiner dreimonatigen Haft, wo er massiven Übergriffen ausgesetzt worden sei, keinen Arzt aufgesucht habe. Soweit er behauptet habe, dass er aufgrund der erlittenen Übergriffe am rechten Ellbogen operiert worden sei, würden auch diese Angaben im Widerspruch zu einem von ihm vorgelegten ambulanten Bericht vom 30.11.2011 stehen, wonach der Beschwerdeführer angeblich vor einem Monat gestürzt sei. Aufgrund dieser Ungereimtheiten komme das Bundesasylamt daher zur Ansicht, dass es sich um eine einstudierte Fluchtgeschichte handle.

 

5. Gegen diesen dem Beschwerdeführer am 16.05.2012 rechtswirksam zugestellten Bescheid wurde am 23.05.2012 fristgerecht die verfahrensgegenständliche Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhoben.

 

6. Am 25.09.2012 fand eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Asylgerichtshof statt. Im Rahmen dieser Verhandlung wurden - nach ausführlicher Erörterung des Vorbringens - auch die im Verfahren herangezogenen Erkenntnisquellen zur Kenntnis gebracht.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Auf Grundlage des Verwaltungsaktes der belangten Behörde, des Inhaltes des Beschwerdeschriftsatzes, der vor dem Asylgerichtshof durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und der in diesem Verfahren vorgelegten Beweismittel sowie der herangezogenen Hintergrundberichte zur Lage in Weißrussland wird seitens des Asylgerichtshofes Folgendes festgestellt:

 

Der Beschwerdeführer ist weißrussischer Staatsangehöriger und beantragte am 22.10.2011 internationalen Schutz.

 

Im Juli 2010 begann der Beschwerdeführer seinen Protest gegen die Machthabenden durch das wöchentliche Verteilen von Flugblättern der Partei Beloruski Narodni Front (Weißrussische Volksfront) auszudrücken, welche er ein bis zwei Mal monatlich von Kurieren bekam. Am 19.12.2010 gab es eine Protestversammlung von ca. 150 bis 170 Personen gegen die Wahl des Präsidenten Lukaschenko am Freiheitsplatz. Diese ist zunächst ruhig verlaufen, bis eine Sondereinheit (OMON) den Beschwerdeführer geschlagen, in einen Bus gezerrt und zur Polizeistation gebracht hat. Dort wurde ihm Beleidigung des Präsidenten vorgeworfen und dieser - nachdem er "bereut" hatte - zunächst zu einer dreitätigen Anhaltung sowie zu einer Geldstrafe von 5000 Rubel verurteilt.

 

Nach seiner Freilassung hat der Beschwerdeführer seine politische Tätigkeit als Ausdruck seiner Lebenseinstellung fortgesetzt, weil er gesehen hat, dass seine Tätigkeiten etwas bewirkt haben. Am Abend des 23.05.2011 standen drei Männer des staatlichen Sicherheitsdienstes vor der Tür und fanden nach einer Durchsuchung der Wohnung die Flugblätter in einem Sack unter dem Sofa. Nachdem über den Vorfall ein Protokoll aufgenommen wurde, brachte man den Beschwerdeführer in das Gefängnis in der XXXX, wo über ihn die Untersuchungshaft verhängt wurde. In der Haft wurde er gedemütigt und misshandelt. Auf Anraten seines Anwaltes hat er vor den Beamten ein Geständnis abgelegt und nachdem er unterschrieben hat, das Land nicht zu verlassen, wurde er am 23.08.2011 freigelassen. Anschließend ging er nachhause, wo er von seiner Frau erfahren hat, dass sein Fall im November 2011 verhandelt wird. Danach zog der Beschwerdeführer gemeinsam mit seiner Ehefrau in die Wohnung einer Freundin, wo sie bis zur Ausreise am 20.10.2011 versteckt in einem Kinderzimmer gelebt haben.

 

Der Beschwerdeführer hält sich gemeinsam mit seiner ebenfalls am 22.10.2011 eingereisten Ehegattin (D1 426924) seit seiner Antragseinbringung auf internationalen Schutz am 22.10.2011 durchgehend im österreichischen Bundesgebiet auf.

 

Zur aktuellen politischen und menschenrechtlichen Situation in Weißrussland werden folgende Feststellungen getroffen:

 

Innenpolitik

 

August 2012

 

Der bisherige Amtsinhaber Lukaschenko war am 19. Dezember 2010 für eine vierte Amtszeit wiedergewählt worden. Er hatte die Abstimmung nach offiziellen Angaben mit knapp 80% haushoch gewonnen. Die Opposition und tausende Demonstranten warfen ihm allerdings Wahlbetrug vor. Auch international stieß die Abstimmung auf Kritik. Nur Stunden nach der Wahl wurden fast alle Gegenkandidaten Lukaschenkos und Hunderte Oppositionelle festgenommen. Zum neuen Ministerpräsidenten hat Lukaschenko seinen langjährigen Verbündeten Michail Mjasnikowitsch ernannt.

 

(DiePresse.com: Weißrussland: Neuer Regierungschef ernannt, 28.12.2010;

 

 

http://diepresse.com/home/politik/aussenpolitik/621689/Weissrussland_Neuer-Regierungschef-ernannt)

 

Weißrusslands Regierung hat den schwedischen Botschafter wegen seiner Kontakte zu Oppositionellen ausgewiesen. Auslöser dafür war möglicherweise auch eine Aktion einer schwedischen Werbefirma, die jüngst mit einer Aktion für Aufsehen gesorgt hatte, als diese von einem Kleinflugzeug Teddybären mit kleinen Fallschirmen über Weißrussland abwerfen ließ, die Protestlosungen beispielsweise zur Lage der Menschenrechte in der ehemaligen Sowjetrepublik trugen. Mit dieser Invasion der Teddybären sollte die oppositionelle Nachrichtenwebseite Charter97 unterstützt werden. Wegen des Vorfalls wurden zwei Menschen inhaftiert und der weißrussische Luftwaffenchef und der oberste Grenzhüter des Landes von Lukaschenko entlassen.

 

(derStandard.at: Weißrussland weist schwedischen Botschafter aus, 3.8.2012;

 

 

http://derstandard.at/1343743847595/Weissrussland-weist-schwedischen-Botschafter-aus)

 

Von einer Gewaltenteilung kann in Weißrussland nicht gesprochen werden. Dekrete des Präsidenten gehen in der Verfassungswirklichkeit Gesetzen vor und werden mit großer Häufigkeit (durchschnittlich über 500 Dekrete pro Jahr) verabschiedet, obwohl die Verfassung sie nur für Ausnahmefälle vorsieht. Die Regierung (Ministerrat) hat ihre Entscheidungsmöglichkeiten in wichtigen Fragen weitgehend an die Präsidialverwaltung verloren und kann nicht als eigenständiges Machtzentrum angesehen werden. Das Verfassungsgericht kann nicht als unabhängig bezeichnet werden, insbesondere wenn es Entscheidungen zu fällen hat, die für den Präsidenten von wesentlicher Bedeutung sind. Der Präsident ernennt die Verfassungsrichter, wobei er gemäß Verfassung über sechs Richter allein entscheiden kann, während die übrigen sechs Richter die Zustimmung des Oberhauses der Nationalversammlung (Rat der Republik) benötigen.

 

(Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik

 

Weißrussland, Stand: Jänner 2012, 28.1.2012)

 

Die Europäische Union hat gegen Weißrusslands Präsident Alexander Lukaschenko und weitere 157 Vertreter seiner Staatsführung Einreiseverbote erlassen. Die Außenminister der EU-Staaten beschlossen in Brüssel zudem, die Konten der weißrussischen Regierungsvertreter einzufrieren. Weißrussische Menschenrechtler kritisierten neue harte Maßnahmen gegen zwei Oppositionelle. Die Europäische Union reagierte mit ihren Entscheidungen auf die anhaltende Unterdrückung der Opposition in Weißrussland. Gegen 41 weitere Mitglieder der weißrussischen Führung bestehen zudem Sanktionen aus der Vergangenheit weiter.

 

(DiePresse.com: EU-Sanktionen gegen Lukaschenko und Co., 31.1.2011;

 

 

http://diepresse.com/home/politik/aussenpolitik/630000/EUSanktionen-gegen-Lukaschenkound-Co)

 

Gewalttätige Ausschreitungen der Ordnungskräfte am Wahlabend des 19.12.2010 gegen Demonstranten und die zwischenzeitliche Festnahme von über 700 Personen leiteten eine Repressionswelle gegen Opposition, unabhängige Medien und Zivilgesellschaft ein. Derzeit gibt es immer noch politische Gefangene. Die EU fordert weiterhin ihre Freilassung und Rehabilitierung. (Auswärtiges Amt: Länder, Reisen, Sicherheit: Belarus - Innenpolitik, Stand März 2012; http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Belarus/Innenpolitik_node.html)

 

Russland fängt seinen westlichen Nachbarn und Pufferstaat zur EU finanziell auf und stützt ihn mit Milliardengeldern. Gleichzeitig wird damit das politische Überleben des weißrussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko gesichert. Lukaschenko jedoch hat sich damit noch weiter in die Abhängigkeit Moskaus manövriert. Seit der brutalen Niederschlagung der Proteste gegen die Wahlfälschungen im Dezember 2010 ist das Verhältnis mit dem Westen abgekühlt. Seither aber ist auch die Wirtschaft an den Rand des Abgrundes geraten. Der IWF erwartet für das Jahr 2011 ganze 65,3 Prozent Inflation.

 

(DiePresse.com: Energiewirtschaft: Moskau fängt Weißrussland auf, 27.11.2011;

 

 

http://diepresse.com/home/wirtschaft/international/712135/Energiewirtschaft_Moskaufaengt-Weissrussland-auf)

 

Eine "Regierungspartei" im eigentlichen Sinn gibt es in Belarus nicht. Mehr als 95 Prozent der Abgeordneten des belarussischen Parlaments sind parteilos. Im November 2007 wurde die "Pro-Lukaschenko-Sammlungsbewegung" "Belaja Rus" gegründet, die sich nach ihrem Statut in eine Partei umwandeln könnte, was jedoch bisher nicht geschehen ist. Die Arbeit der Opposition, die bis zu den Präsidentschaftswahlen 2010 nur - und zudem begrenzt - im außerparlamentarischen Bereich wirken konnte, wurde durch die Verhaftungswellen seit dem 19. Dezember 2010 weitgehend lahm gelegt.

 

(Auswärtiges Amt: Länder, Reisen, Sicherheit: Belarus - Innenpolitik, Stand März 2012)

 

Der autoritäre weißrussische Präsident Alexander Lukaschenko hat zwei prominente Oppositionelle vorzeitig aus der Haft entlassen. Der Ex-Präsidentschaftskandidat Andrej Sannikow und der Oppositionelle Dmitri Bondarenko waren im Dezember 2010 nach Protesten gegen Lukaschenko verurteilt worden. Beide Männer kehrten am Sonntag zu ihren Familien zurück. Er werde seinen politischen Kampf fortsetzen, sagte der 58-jährige Sannikow nach Angaben der unabhängigen Agentur Belapan. Dutzende Menschen empfingen Sannikow in Minsk mit lautem Jubel und Rosen.

 

(derStandard.at: Lukaschenko lenkt im Streit um Oppositionelle ein, 15.4.2012;

 

 

http://derstandard.at/1334368975051/Lukaschenko-lenkt-im-Streit-um-Oppositionelle-ein)

 

Rechtsschutz

 

Die Verfassung gewährt die Unabhängigkeit der Justiz, doch die Regierung und Lukaschenko respektierte dies nicht in der Praxis. Korruption, Ineffizienz und politische Einmischung waren in der Justiz weit verbreitet. Es gab Hinweise, dass Staatsanwälte und Gerichte Personen aufgrund falscher und politisch motivierter Anklagen verurteilten und dass die Exekutive und örtliche Behörden das Ergebnis der Prozesse diktierten. Die Macht der Staatsanwälte war unverhältnismäßig, exzessiv und im Vergleich zu Verteidigern unausgewogen. Insbesondere Verteidigern von angeklagten Menschenrechtsaktivisten bzw. Oppositionspolitikern und dgl. wurde seitens des Justizministeriums Informationsverzerrung hinsichtlich der eingeleiteten Untersuchungen, ihres Gesundheitszustandes und der Zustände in den Haftanstalten vorgeworfen. Die Drohung des Verlusts der Rechtsanwaltslizenz wurde seitens der Behörde immer wieder vorgebracht.

 

(U.S. Department of State: Country Report on Human Rights Practices for 2011 - Belarus, May 2012;

http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?dynamic_load_id=186331#

 

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Aufgrund rechtsstaatlicher Defizite, u.a. der aktiven Einflussnahme der Regierung auf die Rechtsprechung, wurden in der Vergangenheit Strafprozesse zur Verfolgung politisch missliebiger Personen genutzt, um sie einzuschüchtern oder politisch zu neutralisieren. Nach dem Wahlgesetz sind Personen, die strafrechtlich verurteilt wurden, nicht mehr wählbar. Auf diese Weise können grundsätzlich auch führende Oppositionspolitiker von Wahlen oder sonstiger politischer Aktivität ausgeschlossen werden. Staatliche Repressionen gegenüber Angehörigen eines politischen Gegners oder Gesuchten oder sonstigen Personen, die diesem nahe stehen, werden nicht praktiziert.

 

(Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik

 

Weißrussland, Stand: Jänner 2012, 28.1.2012)

 

Belarus ist der einzige europäische Staat, in dem noch die Todesstrafe vollstreckt wird.

 

(Auswärtiges Amt: Länder, Reisen, Sicherheit: Belarus - Innenpolitik, Stand März 2012)

 

Nichtregierungsorganisationen

 

Die wenigen vorhandenen Menschenrechtsorganisationen, z.B. das belarussische "Helsinki- Komitee" und die NRO "Vjasna" werden z.T. massiv Behinderungen ausgesetzt und von staatlichen Behörden mit der Schließung bedroht. Ein seit dem 01.01.2006 geltendes Gesetz stellt die Tätigkeit in nicht-registrierten Organisationen zwar unter Strafe, die Behörden machen jedoch bisher selten Gebrauch von dieser Norm und dulden offiziell noch die Tätigkeiten in diesen Vereinigungen/Organisationen. Faktisch unterliegen ehrenamtliche Mitarbeiter bei diesen Organisationen aber durchaus erheblichen Nachteilen, - so wurden beispielsweise Fälle von Entlassungen aus staatlichen Betrieben bekannt, die ganzoffensichtlich das ehrenamtliche Engagement bei Menschenrechtsorganisationen zum Hintergrund hatten.

 

(Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik

 

Weißrussland, Stand: Jänner 2012, 28.1.2012)

 

Trotz feindlicher Einstellung seitens der Behörden und grundsätzlich geringer Kooperation, gab es einige aktive nationale Nichtregierungsorganisationen. Drei davon, das weißrussische Helsinkikomitee, das Menschenrechtszentrum und ein Zentrum für rechtmäßige Umwandlung, blieben offiziell registriert. Eine weitere Anzahl von unterschiedlichen nichtregistrierten NGO's setzten ihre Aktivitäten, trotz zahlreicher Schikanierungen seitens offizieller Stellen, fort. Schikanen erfahren allerdings alle aktiven NGO's, wobei ständige Durchsuchungen von Büros und Drohungen bezüglich des Entzugs der Registrierung und ähnliches zum Standardrepertoire der staatlichen Repressionsmaßnahmen gehören. Es gibt eine bestehende Kommission über Menschenrechte im Unterhaus des Parlaments, allerdings war sie in ihrer Arbeit wenig effektiv.

 

(U.S. Department of State: Country Report on Human Rights Practices for 2011 - Belarus, May 2012)

 

Menschenrechte

 

Durch die Verfassung werden die Meinungsfreiheit (Art. 33), die Versammlungs-, Demonstrations- und Streikfreiheit (Art. 35) sowie die Vereinigungsfreiheit (Art. 36) explizit geschützt. Weißrussland hat weiters u.a. auch den ¿Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte von 1966, das Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe von 1984 ratifiziert. Belarus ist weiterhin nicht Mitglied des Europarates und hat die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten von 1950 nicht unterzeichnet.

 

(Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik

 

Weißrussland, Stand: Jänner 2012, 28.1.2012)

 

Am 17. Juni äußerte der UN-Menschenrechtsrat Besorgnis über die Lage in Belarus. Er verurteilte die Menschenrechtsverletzungen nach den Wahlen im Dezember 2010 und forderte die Regierung nachdrücklich auf, umfassend mit den UN-Menschenrechtsorganen zusammenzuarbeiten, internationale Beobachter zuzulassen und sie nicht in ihrer Arbeit zu behindern, festzunehmen oder auszuweisen. Die Beziehungen zur EU verschlechterten sich. Am 10. Oktober kündigte der Rat der Europäischen Union an, das Einreiseverbot für Personen, die für die Verletzung internationaler Wahlstandards und für das harte Vorgehen gegen die Zivilgesellschaft verantwortlich waren, bis zum 31. Oktober 2012 zu verlängern. (Amnesty International: Amnesty Report 2012 Belarus, 24.5.2012;

http://www.amnesty.de/jahresbericht/2012/belarus?destination=suche%3Fwordsadvanced%3D%26country%3D72%26topic%3D%26node_type%3Dai_annual_report%26fro m_month%3D3%26from_year%3D2012%26to_month%3D5%26to_year%3D2012%26searc

 

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Regierungsbehörden begingen weiterhin ernsthafte Menschenrechtsverletzungen. Insbesondere nach den Dezemberprotesten 2010 wurden Büros von zahlreichen Menschenrechts-organisationen wiederholt von Sicherheitsbehörden durchsucht und Material beschlagnahmt. Es kam zu Fällen der Gewaltanwendung der Sicherheitsbehörden gegenüber Gefangenen und Demonstranten, willkürliche Verhaftungen aus politischen Gründen wurden vorgenommen. Auf internationalen Druck hin wurden mittlerweile wieder einige politische Gefangene frei gelassen oder wurden unter Hausarrest gestellt.

 

(Human Rights Watch: World Report 2012: Belarus, Jan. 2012; http://www.hrw.org/world-

 

report-2012/world-report-2012-belarus)

 

Presse- und Meinungsfreiheit

 

Es existiert eine auflagenschwache unabhängige bzw. nicht staatliche Presse, die regelmäßig kritisch über die politische Führung des Landes berichtet. Auf sie wird punktuell Druck ausgeübt (u.a. Computer- und Materialbeschlagnahmung, Redaktionsdurchsuchungen, wirtschaftliche Diskriminierung durch Nichtaufnahme ins staatliche Vertriebsnetz). Der Zugang zu Fernsehen und Rundfunk ist Oppositionspolitikern weitgehend verschlossen. Unabhängige Fernsehsender gibt es nicht. Jedoch ist der Empfang von Satellitensendern über Kabelanbieter oder Direktempfang möglich.

 

(Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik

 

Weißrussland, Stand: Jänner 2012, 28.1.2012)

 

Die Meinungs- und Pressefreiheit sind gesetzlich gewährleistet, werden von der Regierung in der Praxis jedoch nicht respektiert. Öffentlich geäußerte Kritik an der Regierung führt zu Repressalien, politische Treffen werden durch Behörden gefilmt, andere Schikanen kommen vor. Öffentliche Kritik an der Regierung durch Angehörige von Medienunternehmen kann zu massivem staatlichem Eingreifen führen. Das Informationsministerium kann ohne gerichtliche Verfügung für Zeitungen und Zeitschriften ein dreimonatiges Erscheinungsverbot aussprechen.

 

(U.S. Department of State: Country Report on Human Rights Practices for 2011 - Belarus, May 2012)

 

Opposition

 

Die Opposition kann sich lediglich innerhalb enger, von Gesetzen und Präsidialdekreten gesteckter Grenzen betätigen. Verschiedene administrative Auflagen stellen überdies eine permanente Bedrohung für die Existenz der personal- und finanzschwachen Parteien und Vereinigungen dar. Auch Neugründungen scheitern vor allem an der erforderlichen Registrierung durch das Justizministerium. Das allgegenwärtige Komitee für Staatssicherheit (KGB) betreibt eine umfassende Beobachtung der Opposition. Seit Januar 2006 können Oppositionelle, die Kontakt zum Ausland pflegen, wegen "Diskreditierung der Republik Weißrussland" bis zu zwei Jahre inhaftiert werden. Die Teilnahme an Aktivitäten nicht registrierter Organisationen/Vereinigungen kann mit Strafen von bis zu drei Jahren Haft belegt werden.

 

(Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik

 

Weißrussland, Stand: Jänner 2012, 28.1.2012)

 

Die Behörden behinderten und schikanierten regelmäßig Aktivitäten unabhängiger politischer Parteien und Aktivisten. Vielen Parteien wurde der legale Status verwehrt bzw. wird seitens der Regierung deren Recht sich zu organisieren, an Wahlen teilzunehmen oder Veranstaltungen abzuhalten immer wieder verwehrt. Regelmäßig kam es wegen Mindervergehen zu Verwarnungen von Parteien, wobei Suspendierungen bis zu sechs Monaten und nach der 2. Verwarnung sogar eine gänzliche Auflösung derselben drohten. Nur Oppositionsparteien die loyal zur Regierung stehen konnten uneingeschränkt aktiv sein.

 

(U.S. Department of State: Country Report on Human Rights Practices for 2011 - Belarus, May 2012)

 

Die Einschränkungen für öffentliche Versammlungen jeder Art wurden im Lauf des Jahres 2011 weiter verschärft. Am 3. Oktober billigte das Parlament Änderungen am Gesetz über öffentliche Versammlungen. Danach benötigt jede geplante öffentliche Zusammenkunft eine offizielle Genehmigung. Die Organisatoren müssen angeben, aus welchen Quellen die Mittel zur Finanzierung der Versammlung stammen, und sie dürfen erst dann für ihre Veranstaltung werben, wenn die offizielle Genehmigung vorliegt, das heißt mitunter erst fünf Tage vorher. Die Befugnisse der Polizeikräfte wurden ausgeweitet. Sie dürfen bei Versammlungen Audio- und Videoaufzeichnungen machen, die Zahl der Teilnehmer begrenzen und Leibesvisitationen durchführen. (Amnesty International: Amnesty Report 2012 Belarus, 24.5.2012)

 

Korruption

 

Es gibt in der Gesetzgebung zahlreiche Bestimmungen gegen Korruption und einen verpflichtenden Antikorruptionsaktionsplan für alle Regierungseinrichtungen. Alle neuen Gesetze unterliegen einem sog. "kriminologischen Test" der Generalstaatsanwalt, wobei jedes Gesetz auf mögliche Bestechungstatbestände geprüft wird. Nichtsdestotrotz ist die Macht der Bürokraten wirtschaftliche Aktivitäten zu regulieren eine ergiebige Quelle an Möglichkeiten von Erpressung und Wucher. Korruption gibt es auch in staatlichen Bereichen, die grundsätzlich kostenlos zur Verfügung stehen, wie dem Gesundheits- und Bildungssektor. Die Verfolgung von Korruption blieb selektiv und auf niedere Bürokraten beschränkt, insbesondere als die Justiz sich als willfähriges Organ der Exekutive präsentierte.

 

(Freedom House: Nations in Transit 2012, Belarus, 6.6.2012;

 

http://www.freedomhouse.org/report/nations-transit/2012/belarus)

 

Obwohl amtliche Korruption ein Straftatbestand ist gab es weiterhin Berichte über Korruption im öffentlichen Dienst. Die Mehrheit solcher Fälle waren Annahme von Bestechungsgeldern, Betrug und Amtsmissbrauch. Das wahre Ausmaß an Korruption konnte aber durch die Abwesenheit einer unabhängigen Justiz, professioneller Gesetzesvollstreckung und einer unabhängigen Presse nicht beziffert werden. Es gab zwar Anklagen wegen Korruption, doch schienen viele davon selektiv und politisch motiviert gewesen zu sein. Versuche die Korruption in den Griff zu bekommen, endeten mit der Verhaftung eines führenden Staatsanwaltes.

 

(U.S. Department of State: Country Report on Human Rights Practices for 2011 - Belarus, May 2012)

 

Sicherheitsbehörden

 

Die Sicherheitsbehörden, wie das Innenministerium und das Komitee für Staatliche Sicherheit, unterliegen keiner effektiven unabhängigen (parlamentarischen oder sonstigen) Kontrolle. Sie unterstehen teilweise unmittelbar der Präsidialgewalt. Die Sicherheitsorgane werden für die gezielte Einschüchterung politischer Gegner - vor allem bei nicht genehmigten Demonstrationen- instrumentalisiert. Ein Gesetz, das Präsident Lukaschenko derzeit zur Unterschrift vorliegt, räumt dem KGB darüber hinaus ausnahmezustandsähnliche Rechte ein, wie z.B. das uneingeschränkte Betreten von Wohnungen und die Anwendung von Waffengewalt ohne anschließende Untersuchung von Todesfällen. Die Justiz trägt nicht zur Mäßigung der Sicherheitsorgane bei. Im Gegenteil, das System der staatlich geleiteten Repression und Einschüchterung wird aktiv unterstützt. Aufgrund fehlender Unabhängigkeit in politischen Prozessen fallen in der Praxis keine Entscheidungen gegen staatliche Behörden.

 

(Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik

 

Weißrussland, Stand: Jänner 2012, 28.1.2012)

 

Abgesehen von der Polizei können auch der KGB, die Finanz und der präsidiale Sicherheitsdienst polizeiliche Funktionen ausführen. Der Präsident kann alle Sicherheitsorgane unter sein Kommando stellen. Straflosigkeit im Bereich des Personals der Gesetzesvollstreckung blieb weiterhin ein Problem. Jeder hat zwar das Recht Polizeiübergriffe der Staatsanwaltschaft zu melden, jedoch kam es dabei selten zu eingeleiteten Strafverfahren.

 

(U.S. Department of State: Country Report on Human Rights Practices for 2011 - Belarus, May 2012)

 

Die Sicherheitsbehörden, wie das Innenministerium und das Komitee für Staatliche Sicherheit, unterliegen keiner effektiven unabhängigen (parlamentarischen oder sonstigen) Kontrolle. Sie unterstehen teilweise unmittelbar der Präsidialgewalt. Die Sicherheitsorgane werden für die gezielte Einschüchterung politischer Gegner - vor allem bei nicht genehmigten Demonstrationen- instrumentalisiert. Die Verfassung von 1996 verbietet Folter und andere Arten unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung. Menschenrechtsaktivisten und Anwälte sowie unabhängige belarussischen Medien berichteten demgegenüber mehrfach, dass Untersuchungsbehörden durch physischen und psychischen Druck versuchen, Geständnisse zu erzwingen. Bei Festnahmen und Vernehmungen durch die Miliz kommt es in Einzelfällen auch zu schweren körperlichen Übergriffen. Die dafür Verantwortlichen innerhalb der Sicherheitskräfte müssen kaum mit Verfolgung rechnen. Auch haben nach dem 19.12.2010 politische Häftlingen bzw. ihre Angehörigen vereinzelt über Misshandlungen in den Haftanstalten und Straflagern berichtet.

 

Belarus ist der einzige europäische Staat, in dem die Todesstrafe nicht nur verhängt, sondern auch vollstreckt wird. Im Jahr 2010 wurden 2 Personen hingerichtet, im Jahr 2011 bis einschließlich Oktober 2 weitere Menschen. Es kann davon ausgegangen werden, dass alle Todesurteile in der Regel durch höhere Instanzen bestätigt und dann auch vollstreckt werden.

 

(Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik

 

Weißrussland, Stand: Jänner 2012, 28.1.2012)

 

Straflosigkeit im Bereich des Personals der Gesetzesvollstreckung blieb weiterhin ein Problem. Jeder hat zwar das Recht Polizeiübergriffe der Staatsanwaltschaft zu melden, jedoch kam es dabei selten zu eingeleiteten Strafverfahren.

 

(U.S. Department of State: Country Report on Human Rights Practices for 2011 - Belarus, May 2012)

 

Militär

 

Es gibt eine gesetzliche Wehrpflicht für alle Männer im Alter zwischen 18 und 27 Jahren. Die Dauer des Wehrdienstes von 12 bis 18 Monaten richtet sich nach der abgeschlossenen Ausbildung (z.B. Hochschulstudium) des Wehrpflichtigen. Aufgrund des Bedarfs der Streitkräfte werden nicht alle gemusterten Personen auch zum Wehrdienst herangezogen. Der Anteil der vom Wehrdienst zurückgestellten jungen Männer ist zwischen zwei und drei Mal größer als der der tatsächlich Einberufenen.

 

Die Verweigerung des Wehrdienstes ist bis auf wenige Ausnahmen faktisch nicht möglich. In der breiten Öffentlichkeit wird der Dienst in den Streitkräften, bei den Truppen des Ministeriums des Innern und den Grenztruppen als Ehrendienst angesehen, den ein junger Mann nicht verweigern kann. Lehnt ein Wehrpflichtiger aus religiösen Gründen den Wehrdienst mit der Waffe ab, besteht die Möglichkeit, ihn ohne Waffe in speziellen Einheiten abzuleisten.

 

(Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik

 

Weißrussland, Stand: Jänner 2012, 28.1.2012)

 

Haftbedingungen

 

Die Haftbedingungen blieben hart und durch Überbelegung gekennzeichnet und stellten in vielen Fällen eine Bedrohung für Leib und Leben dar. Es mangelte an adäquater Nahrung, Medizin, warmer Kleidung, Hygiene und Schlafmöglichkeiten. Infolgedessen waren Tuberkulose, Lungenentzündung und andere ansteckende Krankheiten weit verbreitet. Gefangene, die sich über Missstände beschwerten, mussten mit Erniedrigungen, Todesdrohungen, Erpressungen oder anderen Formen der Bestrafung rechnen. Dabei wurden Beschwerden über inhumane Behandlung und Zustände in den Gefängnissen an Vorgesetzte bzw. übergeordnete Stellen selten bis gar nicht weitergeleitet und oft mit disziplinären Maßnahmen bestraft.

 

Die Behörden erlaubten keine unabhängigen Kontrollen der Gefängnisanstalten. Es gab auch keine Berichte über Kontrollen der Haftbedingungen durch einheimische oder internationale Menschenrechtsgruppen, unabhängige Medien oder das Internationale Komitee des Roten Kreuzes.

 

(U.S. Department of State: Country Report on Human Rights Practices for 2011 - Belarus, May 2012)

 

Politische Häftlinge werden in Gefängnissen und Straflagern Schikanen ausgesetzt. So wird auf gesundheitliche Leiden bei der Arbeits- und Aufgabenverteilung keine Rücksicht genommen, einige der Gefangenen müssen ihre Haft ganz oder teilweise Isolationshaft verbringen. Auch der Kontakt zu Anwälten und Familienangehörigen wird eingeschränkt oder zeitweilig ganz verwehrt. Obwohl in den letzten Jahren Anstrengungen zur Verbesserung der Gesundheitsfürsorge unternommen wurden, kann in der Regel nur eine medizinische Grundversorgung gewährleistet werden. Bei der Prävention und Bekämpfung von Tuberkulosefällen konnte in den Haftanstalten eine nachweisliche Verbesserung der vorher teilweise dramatischen Situation erreicht werden.

 

(Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik

 

Weißrussland, Stand: Jänner 2012, 28.1.2012)

 

Religion

 

Die Freiheit der Religion und von Glaubensgemeinschaften ist zwar laut Verfassung und Gesetz garantiert, jedoch gibt es Gesetze und auch eine Politik, die diese einschränken können. Dabei kam es zu einer Bevorzugung der weißrussisch orthodoxen Kirche gegenüber anderen Religionsgemeinschaften, die oftmals auch als "Sekten" bezeichnet wurden. Insbesondere wurden die Möglichkeiten religiöser Gruppen zur religiösen Erziehung und zur Einfuhr und Verteilung religiöser Literatur stark eingeschränkt.

 

(U.S. Department of State: International Religious Freedom Report for 2011, Belarus, July

 

2012;

http://www.state.gov/j/drl/rls/irf/religiousfreedom/index.htm?dlid=192787#wrapper)

 

Religionsgemeinschaften in verschiedenen Teilen des Landes wurden von Behörden aufgesucht, bedroht und verwarnt, nachdem sie Gottesdienste abgehalten hatten, die von Behörden als illegal eingestuft wurden. Obwohl das neue Verwaltungsstrafrecht 2010 keine Strafen mehr für Aktivitäten nicht registrierter Religionsgemeinschaften vorsieht, kommt es weiterhin zu Bestrafungen nach Paragraph 23, 24. Dieser besagt, dass Massenveranstaltungen oder Demonstrationen nur nach vorheriger Genehmigung lokaler Behörden durchgeführt werden dürfen.

 

(Forum 18: Belarus: Raids, threats, warnings for religious meetings, 27.2.2012;

 

http://www.forum18.org/Archive.php?article_id=1672)

 

Minderheiten

 

Minderheiten wie Polen, Ukrainer, Juden, Roma und die (sehr wenigen) Deutschen haben Verbände gebildet und können sich soweit frei äußern und betätigen, wie dies in belarussischen nicht staatlichen Organisationen generell möglich ist, d.h. Registrierung bei den staatlichen Stellen und keine Oppositionsarbeit. Spannungen zwischen Belarussen, Russen und den anderen Volksgruppen bestehen praktisch nicht. Es gibt keine Anzeichen für sich abzeichnende systematische Menschenrechtsverletzungen gegen Angehörige nationaler, ethnischer, rassischer oder religiöser Minderheiten.

 

(Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik

 

Weißrussland, Stand: Jänner 2012, 28.1.2012)

 

Soziale Gruppen

 

Diskriminierung aufgrund der Rasse, des Geschlechts, der Sprache oder des sozialen Status sind aufgrund gesetzlicher Bestimmungen verboten. Gewalt gegen Frauen blieb ein signifikantes Problem. Auch die Bereitschaft der Frauen solche Fälle zu melden hielt sich aus Furcht vor Repressalien und sozialer Stigmatisierung in Grenzen. Laut Innenministerium gab es 119 registrierte Fälle von Vergewaltigung, 16 Prozent weniger als 2010. NGO's betrieben Kriseninterventionszentren vornehmlich in Minsk, jedoch werden diese vom Staat kaum unterstützt und mit geringen finanziellen Mitteln ausgestattet.

 

(U.S. Department of State: Country Report on Human Rights Practices for 2011 - Belarus, May 2012)

 

Homosexuelle

 

Homosexualität ist seit März 1994 legal und wird nicht strafrechtlich verfolgt, jedoch bestehen gesellschaftliche Diskriminierungen und Anfeindungen gegenüber der LGBT- Gemeinschaft. Mitglieder der lokalen LGBT-NGO "Gay Belarus" wurden am Verteilen von Infomaterial gehindert durch vorsorgliche Festnahme für ein paar Stunden ohne weitere Anklage.

 

(U.S. Department of State: Country Report on Human Rights Practices for 2011 - Belarus, May 2012)

 

Rückkehr

 

Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist gewährleistet. Bedürftige Personen erhalten vom Staat geringe finanzielle Beihilfen, die jedoch das Existenzminimum selbst nach offiziellen Angaben nicht sichern. Hilfe der Familie oder (überwiegend ausländischer) humanitärer und religiöser Organisationen lindern Notlagen für diejenigen, die Zugang zu Hilfslieferungen und Anschluss an einen Familienverband haben. Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer existieren nicht. Eine staatliche Unterstützung bei der Reintegration gibt es nicht. Aufnahmeeinrichtungen für zurückkehrende unbegleitete Minderjährige fehlen.

 

(Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik

 

Weißrussland, Stand: Jänner 2012, 28.1.2012)

 

Bislang ist kein Fall bekannt geworden, in dem ein rückgeführter weißrussischer Staatsangehöriger aufgrund seines Asylgesuchs in Deutschland Repressionen ausgesetzt, festgenommen oder misshandelt worden wäre.

 

(Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik

 

Weißrussland, Stand: Juli 2010)

 

Gesundheitswesen

 

Die medizinische Versorgung erfolgt in erster Linie durch das kostenlose öffentliche Gesundheitssystem, das aber lediglich eine einfache Grundversorgung ermöglicht. Private Krankenversicherungen werden nicht angeboten. Eine über die Grundversorgung hinausgehende medizinische Betreuung wird individuell gegen Barzahlung vereinbart. Die medizinische Qualifikation, vor allem aber die technische Ausstattung der Krankenhäuser, ist sehr unterschiedlich und in ländlichen Gebieten mitunter sehr schwach entwickelt. Sie sichert aber in der Regel überlebensnotwendige Maßnahmen. Nachbehandlungen und Rehabilitierungsmaßnahmen erfolgen meist nicht. Medikamente und Operationsmittel müssen in den Krankenhäusern regelmäßig vom Patienten mitgebracht werden. In den Apotheken in Minsk und in den Gebietshauptstädten sind die wichtigsten, auch importierten Medikamente, in der Regel in ausreichendem Maß erhältlich.

 

(Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik

 

Weißrussland, Stand: Jänner 2012, 28.1.2012)

 

2. Beweiswürdigung:

 

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt der belangten Behörde und durch Einvernahme des Beschwerdeführers im Rahmen der öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung am 25.09.2012.

 

Die zur Herkunft des Beschwerdeführers getroffenen Feststellungen beruhen auf den glaubwürdigen Angaben des Beschwerdeführers und dem Umstand, dass bereits das Bundesasylamt von der weißrussischen Staatsbürgerschaft ausgegangen ist. Im gegenständlichen Verfahren sind auch keinerlei Anzeichen dafür hervorgekommen, wieso an diesen Angaben zu zweifeln sei.

 

Die obigen Länderfeststellungen zu Weißrussland entstammen den jeweils darunter genannten Informationsquellen diverser international anerkannter staatlicher und nichtstaatlicher Einrichtungen bzw. Organisationen. Die diesen zu Grunde liegenden aktuellen und unbedenklichen Berichte bieten ein in den Kernaussagen übereinstimmendes und widerspruchsfreies sowie inhaltlich ausgewogenes Gesamtbild, sodass für den erkennenden Senat kein Grund besteht, an der Richtigkeit dieser Situationsdarstellungen zu zweifeln.

 

Hinsichtlich der vorgebrachten Ausreisegründe wird Folgendes ausgeführt:

 

Unter Berücksichtigung der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach gerade der persönliche Eindruck, den das zur Entscheidung berufene Mitglied einer Berufungsbehörde im Rahmen der Berufungsverhandlung von dem Berufungswerber gewinnt, von größter Relevanz für die Beurteilung eines Vorbringens im Hinblick auf die Glaubwürdigkeit ist (vgl. z.B. VwGH 24.6.1999, Zl. 98/20/0435; 20.5.1999, Zl. 98/20/0505, u.v.a.m.), bleibt festzuhalten, dass der Beschwerdeführer in der öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem erkennenden Senat des Asylgerichtshofes einen persönlich glaubwürdigen und sehr überzeugenden Eindruck hinterlassen hat.

 

Seine lebensnahen und in allen Belangen detailreichen Schilderungen erscheinen plausibel und nachvollziehbar und sind mit den allgemeinen Verhältnissen in seinem Herkunftsstaat, die sich aus den oben angeführten Länderfeststellungen ergeben, vereinbar.

 

Entscheidend für die Annahme der Glaubwürdigkeit des Vorbringens erscheint nicht zuletzt auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer die im bekämpften Bescheid angedeuteten Unplausibilitäten im Rahmen der Beschwerdeverhandlung auszuräumen im Stande war und sichtlich bemüht schien, zur Klärung des maßgeblichen Sachverhaltes eigeninitiativ beizutragen.

 

Nach der ausführlichen Befragung des Beschwerdeführers in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Asylgerichtshof (und vor dem Hintergrund seiner Aussagen im Rahmen der Einvernahmen vor dem Bundesasylamt) geht der erkennende Senat somit davon aus, dass kein Grund besteht, an der Glaubwürdigkeit seiner Angaben zu zweifeln und wird das Vorbringen daher vollumfänglich der rechtlichen Würdigung zu Grunde gelegt.

 

3. Rechtlich folgt:

 

3.1. Gemäß § 28 Abs. 1 Asylgerichtshofgesetz - AsylGHG, BGBl. I Nr. 4/2008, tritt dieses Bundesgesetz mit 01.07.2008 in Kraft. Gleichzeitig tritt das Bundesgesetz über den Unabhängigen Bundesasylsenat - UBASG, BGBl. I Nr. 77/1997 in der Fassung BGBl. I. Nr. 100/2005, außer Kraft.

 

Gemäß § 23 Abs. 1 AsylGHG, BGBl. I Nr. 4/2008 in der Fassung BGBl. I Nr. 147/2008, sind soweit sich aus dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt. Gemäß § 23 Abs. 2 AsylGHG, BGBl. I Nr. 4/2008 in der Fassung BGBl. I Nr. 147/2008, sind die Erkenntnisse im Namen der Republik zu verkünden und auszufertigen.

 

Der Asylgerichtshof entscheidet gemäß Art. 129c Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 2/2008, in Verbindung mit § 61 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2009 in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 oder 3a leg. cit. vorgesehen ist, durch Einzelrichter über

 

1. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und

 

2. Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.

 

Gemäß § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz - AVG, BGBl. Nr. 51, hat die Berufungsbehörde außer in dem in Abs. 2 erwähnten Fall, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

Gemäß § 73 Abs. 1 Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, tritt dieses Bundesgesetz mit 01.01.2006 in Kraft. Das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 1997 - AsylG), BGBl. I Nr. 76, tritt mit Ausnahme des § 42 Abs. 1 mit Ablauf des 31.12.2005 außer Kraft (§ 73 Abs. 2 AsylG 2005).

 

Gegenständlicher Antrag auf internationalen Schutz wurde am 22.10.2011 gestellt, weshalb auf dieses Beschwerdeverfahren die Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, vollumfänglich anzuwenden sind.

 

3.2. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK), droht.

 

Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen. Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. z.B. VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011, 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131, 22.12.1999, Zl. 99/01/0334). Es kommt somit nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131). Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Erlassung der Entscheidung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233).

 

Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn

 

1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder

 

2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.

 

Die belangte Behörde geht in ihrem Bescheid nach Ansicht des zur Entscheidung berufenen Senates zusammenfassend zu Unrecht von der Unglaubwürdigkeit des erstatteten fluchtrelevanten Vorbringens aus.

 

Im gegenständlichen Fall ist es dem Beschwerdeführer vielmehr gelungen, aktuelle, individuell drohende Verfolgung glaubhaft zu machen. Dieser wird - gemäß seinen glaubwürdigen und den Feststellungen zu Grunde gelegten Aussagen - wegen des Verteilens von Flugblättern verdächtigt, der Opposition anzugehören und den Präsidenten beleidigt zu haben. Im Hinblick auf die getroffenen Feststellungen kann nicht in Zweifel gezogen werden, dass der Beschwerdeführer - trotz seiner Freilassung - auch weiterhin im Focus der staatlichen Sicherheitskräfte steht. Wie den Länderfeststellungen zu entnehmen bzw. notorisch bekannt ist, gestaltet sich das Vorgehen staatlicher Behörden gegen Oppositionelle sowie Personen, denen ein Naheverhältnis zu dieser Personengruppe unterstellt wird, willkürlich und mit Menschenrechtsverletzungen einhergehend. Gemäß den individuellen Feststellungen gehört der Beschwerdeführer gerade jenem Personenkreis an, dem von weißrussischer Seite die Unterstützung der Opposition attestiert wird.

 

Die (befürchtete) Verfolgung knüpft somit an die politische Gesinnung des Verfolgten vor dem Hintergrund der allgemeinen politischen Unzufriedenheit über den Ausgang der Präsidentenwahlen in seinem Heimatland an. Da der Beschwerdeführer bereits in der Vergangenheit festgenommen wurde, ist mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass die staatlichen Behörden dem Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr besondere Aufmerksamkeit widmen würden.

 

Eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 AsylG 2005 im weißrussischen Staatsgebiet ist schon aufgrund des Umstandes, dass im gegenständlichen Fall die Verfolgung von staatlichen Akteuren ausgeht, zu verneinen.

 

Im vorliegenden Fall ist daher zusammengefasst davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer aus wohlbegründeter Furcht vor ungerechtfertigten Eingriffen von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre (Leben, Gesundheit, Freiheit) aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes seines Herkunftsstaates zu bedienen.

 

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 ist die Entscheidung, mit der einem Fremden von Amts wegen oder auf Grund eines Antrages auf internationalen Schutz der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, mit der Feststellung zu verbinden, dass diesem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Anhaltung, asylrechtlich relevante Verfolgung, gesamte Staatsgebiet, politische Gesinnung
Zuletzt aktualisiert am
13.11.2012
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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