TE AsylGH Erkenntnis 2012/10/25 D18 418348-4/2012

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Veröffentlicht am 25.10.2012
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Spruch

D18 418348-4/2012/3E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin MMag. Dr. SCHNEIDER als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX, StA. Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 03. Oktober 2012, Zl. 12 09.030-EAST West, zu Recht erkannt:

 

I. Die Beschwerde wird, soweit sie sich gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides richtet, gemäß § 68 Abs. 1 AVG, BGBl. Nr. 51/1991 idF BGBl. Nr. 471/1995, abgewiesen.

 

II. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 38/2011, wird XXXX aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen. Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 ist die Durchführung der Ausweisung bis zum 25.12.2012 aufzuschieben.

Text

Entscheidungsgründe:

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

 

I.1. Die Beschwerdeführerin reiste am 04.10.2010 illegal gemeinsam mit ihrer Schwester (Beschwerdeführerin zu D18 418379-1/2011) und ihrem Neffen (Beschwerdeführer zu D18 418381-1/2011) in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag unter Vorlage ihrer russischen Geburtsurkunde ihren ersten Antrag auf internationalen Schutz. Sie gab an, den Namen XXXX zu führen, aus der Russischen Föderation zu stammen und am XXXX geboren zu sein.

 

I.2. In ihrer Erstbefragung nach Asylgesetz durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Polizeiinspektion Traiskirchen am 04.10.2010, gab die Beschwerdeführerin zusammengefasst an, ihr Mann sei 2008 mit anderen in den Wald gegangen, sie wisse nicht, warum er dies gemacht habe. Seither sei er nicht mehr zurückgekehrt und gelte als verschollen. Ab diesem Zeitpunkt wären wiederholt maskierte Männer zur Beschwerdeführerin gekommen, die sie bedroht und nach dem Aufenthaltsort ihres Mannes befragt hätten. Im September 2010 sei sie von maskierten Männern in den Wald gebracht worden, wo sie gezwungen worden wäre, sich selbst auszuziehen. Ihr sei gedroht worden, dass sie vergewaltigt werde, aufgrund ihres "körperlichen Mangels" habe man jedoch davon Abstand genommen. Sie habe aus Angst um ihr Leben beschlossen, den Herkunftsstaat zu verlassen. Hinsichtlich ihres Reiseweges aus dem Herkunftsstaat nach Österreich führte die Beschwerdeführerin aus, dass sie am 30.09.2010 zusammen mit ihrer Schwester und ihrem Neffen von einem Schlepper mit einem PKW von XXXX bis nach Brest gebracht worden wäre. Weiter seien sie versteckt auf der Ladefläche eines Sattelschleppers nach Österreich gelangt, über die Fahrtroute könne sie keinerlei Angaben tätigen. Sie sei vermutlich am 04.10.2010 in die EU eingereist, wo ihre Einreise in die EU erfolgte, sei ihr jedoch nicht bekannt.

 

Im Verfahren der Beschwerdeführerin wurden Konsultationen mit Ungarn, der Slowakei und Polen geführt, die mit keiner Zuständigkeit der genannten Staaten endeten.

 

I.3. Im Rahmen einer niederschriftlichen Einvernahme am 10.11.2010 vor dem Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle West, gab die Beschwerdeführerin zusammengefasst an, dass ihre Angaben, die sie vor der Polizeiinspektion Traiskirchen am 04.10.2010 getätigt habe, stimmen würden und sie diese nicht ergänzen wolle. Ihr Bruder, der seit sieben Jahren im Bundesgebiet wäre, habe in Österreich ebenfalls einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Ihr Bruder habe ihrer Mutter im Herkunftsstaat gelegentlich etwas Geld für Medikamente zukommen lassen, in Österreich sei die Beschwerdeführerin zwei Mal von ihrem Bruder besucht worden, dabei habe er auch Lebensmittel mitgebracht. Hinsichtlich ihrer Gesundheit gab sie an, dass sie Baldriantropfen nehme, ansonsten habe sie "nichts Ernstes". Sie habe vor zwei Jahren, also 2008, den Entschluss zur Ausreise getroffen. Vor ihrer Ausreise habe sie in XXXX gelebt und als XXXX ihren Lebensunterhalt verdient. Eine verheiratete Schwester und ihr Neffe würden nach wie vor im Herkunftsstaat leben. Ihre Angehörigen hätten im Herkunftsstaat keine Probleme mit der Polizei, dem Militär oder den staatlichen Organen gehabt. Sie selbst sei im Heimatland gequält worden. Unbekannte maskierte Männer hätten sie in einen Wald gebracht und hätten sie vergewaltigen wollen.

 

Da die Beschwerdeführerin ihre Furcht vor Verfolgung auf Eingriffe in ihre sexuelle Selbstbestimmung gründete, wurde ihr angeboten, dass sie von einem Organwalter desselben Geschlechts einvernommen werde. Die Beschwerdeführerin gab ausdrücklich an, dass dies nicht notwendig wäre und die Einvernahme fortgesetzt werden könne. Von der Beschwerdeführerin wurde zusammengefasst weiter betont, dass ihr die Vergewaltigung Ende August oder Anfang September 2010 nur angedroht worden wäre. Sie sei von den Männern beschimpft worden und ihr sei erklärt worden, dass sie alleine ohne Mann sei. Die Beschwerdeführerin sei ausgezogen worden, man habe sie jedoch nicht vergewaltigt, sondern freigelassen. Sie sei zurückgebracht worden, wo sie nur geweint habe und zu ihrer Schwester gegangen wäre, weil sie nicht hätte alleine sein können. Dann habe sie erfahren, dass ihre Schwester die Heimat verlassen wolle, woraufhin sie dieser erklärt habe, dass sie mitkomme.

 

I.4. Nach Zulassung des Verfahrens wurde die Beschwerdeführerin vor dem Bundesasylamt, Außenstelle Innsbruck, am 25.01.2011 erneut niederschriftlich einvernommen und gab zusammengefasst an, sie leide unter hohem Blutdruck, deshalb werde sie in den nächsten Tagen untersucht werden, im Herkunftsstaat habe sie gegen diese Beschwerden die Medikamente ihrer Mutter genommen. Für ihre Knochen habe sie in Österreich Medikamente erhalten, regelmäßig sei sie nicht in ärztlicher Behandlung und sei auch nie stationär im Krankenhaus gewesen. Sie könne in der Zwischenzeit keine weiteren Dokumente vorlegen. Sie sei im Dorf XXXX geboren, wo sie bei ihren Eltern aufgewachsen wäre. Ihr Vater sei 2001 und ihre Mutter 2009 verstorben. Die Beschwerdeführerin habe später bis zu ihrer Ausreise in einem Mietshaus im Bezirk XXXX gelebt. Ihre Familie hätte unter keinen finanziellen Schwierigkeiten gelitten und für russische Verhältnisse normal gelebt. Sie habe zwei Schwestern und zwei Brüder, wobei ein Bruder und eine Schwester in Österreich und ein Bruder und eine Schwester, die beide verheiratet wären und eigene Familien hätten, in ihrer Heimat leben würden. Sie habe im Herkunftsstaat Gelegenheitsarbeiten verrichtet, sei als XXXX tätig gewesen und habe ihre letzte Arbeitsstelle im September 2010 gekündigt. Ihren Ehemann habe sie traditionell am XXXX geheiratet, er habe sie im August 2008 verlassen. Eigentlich hätte sie bereits 2009 ausreisen wollen, da sie ständig nach ihrem Ehemann gefragt worden sei, es sei ihr jedoch erst am 30.09.2010 möglich gewesen, das Geld für die Ausreise aufzutreiben, die Kosten habe nämlich ihre Schwester übernommen. Ihr Inlandsreisepass sei in der Handtasche ihrer Schwester gewesen, die diese auf der Reise verloren hätte. Sie sei nach Österreich geflüchtet, da hier auch ihr Bruder aufhältig sei.

 

Nachdem sie von ihrem Ehemann im August 2008 verlassen worden wäre, sei sie immer wieder nach ihrem Ehegatten befragt worden. Sie sei bedroht worden, weil sie seinen Aufenthaltsort nicht gekannt hätte und ihr dies nicht geglaubt worden sei. Ihr Ehegatte habe sie zwei Mal im Jahr 2009 angerufen, in den Gesprächen hätte sie ihn gebeten, wieder nach Hause zu kommen. Er habe ihr mitgeteilt, dass er nicht heimkommen könne, da er sonst umgebracht werde. Ende August 2010 sei sie von vier Soldaten mitgenommen und in den Wald gebracht worden. Sie sei an einen Baum gestellt worden und man habe ihr gedroht, sie zu vergewaltigen und zu erschießen, falls sie den Aufenthaltsort ihres Ehegatten nicht preisgebe. Sie sei aufgefordert worden, sich auszuziehen und die Soldaten hätten Fotos mit ihrem Handy von ihr machen wollen. Sie sei von den Soldaten ausgezogen worden, habe sich aus Angst selbst weiter ausgezogen. Ihr sei von den Soldaten anschließend erklärt worden, dass dies eine Warnung gewesen sei und sie beim nächsten Mal nicht mehr davonkommen würde. Sie sei von den Soldaten wieder ins Auto gesetzt worden und in der Nähe ihres Hauses hätte man sie wieder freigelassen. Als sie erfahren hätte, dass ihre Schwester XXXX ebenfalls unter Problemen leide, hätten sie gemeinsam Geld für die Ausreise gesammelt und hätten am 30.09.2010 zusammen die Heimat verlassen. Weitere Anhaltungen ihrer Person habe es nicht gegeben, bei den anderen Malen sei sie lediglich nach ihrem Ehemann befragt worden. Wer die Männer, die sie aufgesucht hätten, gewesen wären, wisse sie nicht, sie hätten jedoch dieselbe Uniform getragen.

 

Sie habe sich bezüglich ihrer Probleme nie hilfesuchend an die Behörden gewandt und niemandem, nicht einmal ihrem Bruder, davon erzählt, da es ihr peinlich gewesen wäre. Ihre Schwester XXXX habe Probleme wegen deren Sohn XXXX. Welche Probleme dieser habe, wisse sie jedoch nicht. Der Gatte habe die Schwester ebenfalls verlassen, wann genau, wisse sie jedoch nicht. Sie habe selbst Probleme und beschäftige sich deshalb nicht mit Problemen anderer.

 

In Österreich sei sie in der Grundversorgung, verbringe den Tag mit ihrer Schwester und ihrem Neffen und versuche Deutsch zu lernen. Sie besuche zwei Mal pro Woche einen Deutschkurs, sei kein Mitglied eines Vereines oder einer Organisation. Sie sei in Österreich nie einer legalen Beschäftigung nachgegangen. Außer ihrem Bruder habe sie in Österreich keinerlei weitere nahe Bindungen. Ihr Bruder und sie würden sich gegenseitig besuchen. Ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis bestehe zu keiner Person in Österreich. Ihr Bruder Ramzan habe manchmal Lebensmittel gebracht, Geld habe sie von ihm jedoch nie erhalten. Ihre restlichen Verwandten würden alle in der Heimat leben.

 

Mit ihrem Ehemann habe sie seit der Heirat am XXXX bis August 2008 im gemeinsamen Haushalt gelebt. Sie habe ihren Ehemann nie als vermisst gemeldet, weil sie Angst gehabt habe. Vielleicht sei ihr Mann in den Wald gegangen und sie habe ihm keine Schwierigkeiten machen wollen. Zudem sei ihr von ihrer Schwiegermutter mitgeteilt worden, dass diese sich um die Angelegenheit kümmere und sie nichts sagen solle.

 

I.5. Das Bundesasylamt wies den Antrag auf internationalen Schutz mit Bescheid vom 25. Februar 2011, Zl. 10 09.233-BAI, bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (Asylgesetz) idgF. ab (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten im Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation ab (Spruchpunkt II.) und wies die Beschwerdeführerin gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation aus. In seiner Begründung stellte das Bundesasylamt die Identität und Nationalität der Beschwerdeführerin auf Grund der Vorlage von Identitätsdokumenten fest. In seiner Begründung traf das Bundesasylamt umfangreiche Länderfeststellungen zur Situation in Tschetschenien. Beweiswürdigend führte die belangte Behörde aus, dass die Angaben der Beschwerdeführerin den Voraussetzungen für die Glaubwürdigkeit eines Vorbringens nicht zu entsprechen vermochten, da deren Behauptungen unplausibel, nicht nachvollziehbar und widersprüchlich gewesen seien. Nicht glaubhaft sei überdies, dass die Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr in ihre Heimat in eine ausweglose Lage geraten würden, da sie über familiäre Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat verfüge. In rechtlicher Hinsicht gelangte das Bundesasylamt deshalb zu dem Ergebnis, dass kein Sachverhalt vorliege, der zur Zuerkennung des Status des Asylberechtigten führen könnte, ebenso wenig wie zur Gewährung von subsidiärem Schutz. Die Ausweisung der Beschwerdeführerin sei zulässig.

 

I.6. Gegen diesen Bescheid richtete sich die vorliegende, fristgerecht erhobene und zulässige Beschwerde, mit der dieser in vollem Umfang angefochten wurde. Gleichzeitig mit diesem Schreiben wurde die Vertretungsvollmacht zum ausgewiesenen Vertreter bekanntgegeben. Unrichtige und mangelhafte Beweiswürdigung sowie unrichtige Tatsachenfeststellungen aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung, mangelhafte und ergänzungsbedürftige Tatsachenfeststellungen sowie Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens, unrichtige Einschätzung der Gefährdungslage für die Beschwerdeführerin in der Russischen Föderation, unrichtige rechtliche Beurteilung sowie allfällige sonstige, nicht eindeutig zuzuordnende und zu typisierende Rechtswidrigkeiten und Rechtsfehler wurden moniert. Die besondere Verfolgungsexponiertheit der Beschwerdeführerin in Tschetschenien habe ihre Ursache darin, dass ihr Ehemann im Jahr 2008 zu den Kämpfern im bewaffneten Widerstand gegangen sei bzw. dies von ihr vermutet werde. Aufgrund des Wissensstandes über die allgemeine Lage in Tschetschenien sei davon auszugehen, dass tatsächlich Familienangehörige von Kämpfern gleichfalls in das Visier der tschetschenischen Sicherheitskräfte - der sogenannten Kadyrowski - geraten, welche bekannterweise mit grausamen Verfolgungsmethoden vorgehen würden. Aufgrund des Krieges in Tschetschenien, der zwar nicht offen, sondern verdeckt geführt werde, sei absolut plausibel und nachvollziehbar, dass die Beschwerdeführerin in das Visier der berüchtigten staatlichen Sicherheitskräfte, der sogenannten "Kadyrowski" gelangt wäre. Ehegattinnen von Rebellen seien in besonderer Weise von Verfolgungsmaßnahmen staatlicher Sicherheitskräfte bedroht, welche auch menschenrechtswidrige Praktiken und erhebliche, asylrelevante Eingriffsintensität mitumfassen würden. Selbst wenn die Beschwerdeführerin die von ihr geschilderten individuellen Verfolgungen und Eingriffe in ihre körperliche und sexuelle Unversehrtheit im Herkunftsstaat nicht erlitten hätte, wäre ihr die Flüchtlingseigenschaft dennoch zuzuerkennen, da sie sich aufgrund der Lage in Tschetschenien wohlbegründet fürchten müsse, in Zukunft das Opfer von asylerheblichen Verfolgungseingriffen - begangen durch staatliche Sicherheitskräfte - zu werden. Die belangte Behörde habe den insoweit maßgeblichen politischen und sich aus der allgemeinen Lage in Tschetschenien ergebenden Sachverhalt nicht entsprechend festgestellt oder richtig gewürdigt.

 

Ganz allgemein wurde festgehalten, dass das Bundesasylamt, Außenstelle Innsbruck, zu "Unglaubwürdigkeitseinschätzungen" auch bei derart schlüssigen, in sich stimmigen, detaillierten, lebensnahen, plausiblen und mit dem Kenntnisstand über die allgemeine Lage in Tschetschenien in Einklang stehenden Sachverhaltsdarstellungen der Beschwerdeführerin komme. Auch werde der Beschwerdeführerin die Glaubwürdigkeit versagt, obwohl sich ihre Schilderungen durchaus durch ausreichenden Detailreichtum und Detailgenauigkeit sowie Lebensnähe auszeichnen würden. Die von der belangten Behörde behaupteten Widersprüche seien "Fantasiegebilde" und überdies werde in der Beweiswürdigung auf einzelnen Worten herumgeritten. Die Beschwerdeführerin habe beispielsweise bei ihrer Befragung am 25.01.2011 zu ihren Fluchgründen deshalb nichts mehr über den Anschluss ihres Mannes zu den Rebellen im Jahr 2008 angegeben, weil sie vorausgesetzt habe, dass dieser Umstand der belangten Behörde bereits aufgrund ihrer Schilderung anlässlich ihrer Erstbefragung bekannt wäre. Wie es zur Hinzufügung des Wortes "vielleicht" bei der Antwort der Beschwerdeführerin auf die Frage, ob sie Angst behabt hätte, eine Vermisstenanzeige zu erstatten, weil ihr Mann in den Wald gegangen wäre, könne nicht mehr nachvollzogen werden. Damit hätte sie jedoch keinesfalls ausdrücken wollen, dass sie diese Tatsache nicht mit Sicherheit wisse. Das Wort "vielleicht" sei dahingehend zu deuten, dass die Beschwerdeführerin wirklich nicht wisse, ob ihr Mann tatsächlich kämpfe und sie auch glauben wolle, dass dies nicht der Fall sei.

 

Dass die Beschwerdeführerin bei ihrer Erst- und Zweitbefragung nicht explizit den Begriff "Soldat" verwendet habe, sei ohne Bedeutung, da für die Beschwerdeführerin maskierte Männer in Uniform stets Soldaten gewesen wären. Im Rahmen der Detailbefragung habe die Beschwerdeführerin hinsichtlich des im Wald stattgefundenen Eingriffs in ihre sexuelle Selbstbestimmung und Integrität angegeben, dass zwei Männer nicht maskiert gewesen wären, dies habe sich jedoch ausschließlich auf die Ereignisse im Wald bezogen. Zur Frage, ob die Beschwerdeführerin sich selbst entkleidet habe oder von den Männern ausgezogen worden wäre, sei festzuhalten, dass beides zutreffe. Es spreche in keiner Weise gegen, sondern vielmehr für die Glaubwürdigkeit der Beschwerdeführerin, dass sie im Rahmen der Einvernahme nun die Details der "Geschehnisse im Wald" und ihrer Schilderungen "an den Baum gestellt worden zu sein" dargelegt habe, zudem seien ihr in der Ersteinvernahme dazu keine Detailfragen gestellt worden. Hinsichtlich der Verneinung der Frage, ob sie in der Heimat Probleme mit den Behörden gehabt habe, sei anzumerken, dass man von der Beschwerdeführerin nicht verlangen könne, diese Frage zu verstehen und entsprechend zu beantworten. Es liege in der Natur der Sache, dass die Beschwerdeführerin den "Eingriff" in den drei Befragungen nicht vollkommen wortgleich geschildert habe, überdies habe sie sich geschämt, über die Details eines Sexualeingriffs zu sprechen. Die Beschwerdeführerin sei zudem bei einfachen Fragen bezüglich ihres Wohnortes und des Wohnortes von Verwandten durcheinandergekommen, da sie bei ihren behördlichen Einvernahmen unter starker psychischer und nervlicher Belastung gestanden sei. Aufgrund der schlüssigen, plausiblen und widerspruchsfreien Angaben der Beschwerdeführerin hätte die belangte Behörde diese als glaubwürdig einstufen müssen. Es sei glaubhaft, dass die Beschwerdeführerin als Ehegattin eines Mannes, der 2008 zu den Kämpfern in den Wald gegangen sei, seither zunächst wiederholt durch maskierte Männer zu Hause aufgesucht, bedroht und schließlich im September 2010 in den Wald gebracht worden wäre, wo man sie bedroht und ihr eine Vergewaltigung angedroht habe.

 

Die Beschwerdeführerin wäre zudem als alleinstehende Frau im Falle einer Abschiebung in besonderer Weise von der desolaten allgemeinen ökonomischen Situation in Tschetschenien betroffen. Es sei ihr in der Russischen Föderation auch keine Fluchtalternative außerhalb von Tschetschenien oder außerhalb der kaukasischen Region zur Verfügung gestanden, weil es sich im gegenständlichen Fall um eine staatliche Verfolgung handle, die überall in Russland stattfinden könne.

 

Die Beschwerdeführerin stelle deshalb die Anträge, ihr den Statuts einer asylberechtigten Person zuzuerkennen und ihre Flüchtlingseigenschaft festzustellen, in eventu der Beschwerdeführerin den Status einer subsidiär schutzberechtigten Person zuzuerkennen, in eventu festzustellen, dass der angefochtene Bescheid hinsichtlich sämtlicher Spruchpunkte gemäß § 66 Abs. 2 AVG behoben werde und die Asylsache an die belangte Behörde zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückzuverweisen, in eventu eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchzuführen sowie in eventu die Ausweisungsentscheidung dahingehend abzuändern, dass die Ausweisung der Beschwerdeführerin in die Russische Föderation auf Dauer unzulässig sei. Abschließend wurde darauf verwiesen, dass die Beschwerdeführerin angegeben habe, in Tschetschenien das Opfer eines Eingriffs in ihre sexuelle Selbstbestimmung geworden zu sein, sie sei jedoch nicht von einem Organwalter desselben Geschlechts einvernommen worden und es liege daher eine Verletzung des § 20 AsylG 2005 vor.

 

I.7. Der Asylgerichtshof wies mit Erkenntnis vom 13.02.2012, Zl. D18 418348-1/2011/3E, die Beschwerde gegen den Bescheid vom 25. Februar 2011 gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 und

 

§ 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 als unbegründet ab. Die Begründung des Erkenntnisses des Asylgerichtshofes vom 13.02.2012 wird der Vollständigkeit halber wie auch zum besseren Verständnis der verfahrensgegenständlichen Asylentscheidung wiedergegeben:

 

"Der erkennende Senat des Asylgerichtshofes kam nach gesamtheitlicher Würdigung wie das Bundesasylamt im bekämpften Bescheid zu dem Schluss, dass die Flucht begründenden Umstände der Beschwerdeführerin nicht glaubhaft sind und nicht den Tatsachen entsprechen sowie nicht den Anforderungen der Genfer Flüchtlingskonvention genügen. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin ist unglaubwürdig. Aus den im Folgenden detailliert dargelegten Widersprüchen und Ungereimtheiten sowie aufgrund der Steigerung ihres Vorbringens wird deutlich, dass die Fluchtgeschichte ein Konstrukt zur Asylerlangung darstellt und die Beschwerdeführerin lediglich aus asylfremden Motiven ihren Herkunftsstaat verlassen hat. Was die Fluchtgründe anbelangt, teilt der erkennende Senat damit die Ansicht der belangten Behörde, wenn sie den Fluchtschilderungen aufgrund von zahlreichen Ungereimtheiten und Widersprüchen in ihrem Vorbringen keine Glaubwürdigkeit zuerkannt hat.

 

Die belangte Behörde hat diesbezüglich völlig zu Recht ausgeführt, dass die Aussage der Beschwerdeführerin, wonach sie hinsichtlich des Reiseweges ab Brest nach Österreich faktisch keine Wahrnehmung gemacht habe, beweiswürdigend dahingehend gewertet wird, dass Reisende grundsätzlich Wahrnehmungen über ihre Reisebewegungen machen und die Aussagen der Beschwerdeführerin daher daraufhin deuten, dass sie ihren Reiseweg bewusst verschleiert. Auffallend erscheint in diesem Zusammenhang auch der Umstand, dass die Beschwerdeführerin behauptet, ihre Schwester habe auf der Reise nach Österreich ihre Handtasche verloren, in der sich sämtliche Reisepässe sowie angebliche weitere Unterlagen aller ausreisenden Familienmitglieder befunden hätten. Dass derartige Behauptungen zur Feststellung führen, dass die Beschwerdeführerin offensichtlich gewisse Umstände betreffend der Art und Weise ihrer Ausreise verheimlichen will und derartige Angaben zudem nicht geeignet sind, die persönliche Glaubwürdigkeit der Beschwerdeführerin zu bestärken, bedarf keiner weiteren Erörterung.

 

Zudem hat die Beschwerdeführerin hinsichtlich des Zeitpunktes, wann sie sich zur Ausreise entschieden hätte, absolut widersprüchliche Angaben getätigt. Anlässlich ihrer Einvernahme am 10.11.2010 gab sie bezüglich des Ausreiseentschlusses an, dass sie sich schon vor zwei Jahren, im Jahr 2008, dazu entschlossen hätte. Im Gegensatz dazu führte die Beschwerdeführerin in ihrer Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 25.01.2011 aus, dass sie eigentlich schon im Jahr 2009 ausreisen wollte, aber kein Geld gehabt hätte. Im Verlauf der weiteren Einvernahme vor dem Bundesasylamt gab die Beschwerdeführerin zu einem späteren Zeitpunkt wiederum im Widerspruch zu ihren bisherigen Angaben an, dass sie einen Tag nach der angedrohten Vergewaltigung (somit 2010) den Entschluss gefasst hätte, die Heimat zu verlassen.

 

Darüber hinaus konstatierte das Bundesasylamt in seinem Bescheid auch völlig zu Recht, dass die Beschwerdeführerin in keiner Weise nachvollziehbar zu erklären vermochte, warum sie überhaupt einer Verfolgung im Herkunftsstaat ausgesetzt war. Die Beschwerdeführerin hatte nämlich als auslösenden Grund für ihre Bedrohungen behauptet, dass ihr Ehemann 2008 vermutlich zu den Rebellen gegangen wäre und seither verschollen sei. Den diesbezüglichen Ausführungen in der Beschwerde, es sei aufgrund des Wissensstandes über die allgemeine Lage in Tschetschenien davon auszugehen, dass tatsächlich Familienangehörige von Kämpfern gleichfalls in das Visier der tschetschenischen Sicherheitskräfte - der sogenannten Kadyrowski - geraten, ist entgegenzuhalten, dass die Beschwerdeführerin lediglich vermute, dass sich ihr 2008 verschwundener Mann bei den Rebellen im Wald aufhalte. Völlig unplausibel erscheint in diesem Zusammenhang insbesondere auch die Schilderung der Beschwerdeführerin, sie habe von einer Vermisstenanzeige nach dem Verschwinden ihres Ehemannes lediglich deshalb abgesehen, weil sie vermute, dass er sich nunmehr bei den Rebellen aufhalte. Völlig unglaubwürdig behauptete die Beschwerdeführerin am Ende der Einvernahme vor dem Bundesasylamt erstmals, nachdem man sie erneut danach befragt hatte, warum sie ihren Ehemann nicht vermisst gemeldet habe, dass sich ihre Schwiegermutter darum hätte kümmern wollen. Bereits aufgrund dieses absolut unglaubwürdigen Grundes für die von der Beschwerdeführerin geschilderten Verfolgungshandlungen in Kombination mit dem Umstand, dass die Beschwerdeführerin im Laufe des Asylverfahrens unplausible und widersprüchliche Angaben hinsichtlich ihrer Ausreisegründe, die sie zudem massiv gesteigert hatte, tätigte, war das gesamte Fluchtvorbringen als unglaubwürdig zu werten.

 

Anlässlich der Erstbefragung vor der Polizeiinspektion Traiskirchen am 04.10.2010 gab die Beschwerdeführerin zu ihren Fluchtgründen nämlich an, dass ihr Ehegatte im Jahr 2008 in den "Wald" gegangen wäre, seit diesem Zeitpunkt nicht mehr zurückgekehrt wäre und als verschollen gelte. Im klaren Widerspruch dazu schilderte die Beschwerdeführerin bei ihrer Einvernahme vor dem Bundesasylamt, Außenstelle Innsbruck, am 25.01.2011, dass sie von ihrem Ehemann im August 2008 verlassen worden wäre, dieser sich jedoch zwei Mal im Jahr 2009 telefonisch bei ihr gemeldet hätte. Dieser habe auch gesagt, dass er nicht zurückkommen könne, weil er sonst umgebracht würde. Damit steigert sie aber eindeutig ihr Vorbringen im Versuch, diesem mehr Asylrelevanz zu geben. In derselben Einvernahme gab sie schließlich auch an, dass sie keine Vermisstenanzeige aufgegeben hätte, weil ihr Ehemann "vielleicht in den Wald" gegangen sei und sie ihm keine Schwierigkeiten hätte bereiten wollen. Völlig unglaubwürdig erscheint schließlich die Behauptung am Ende der Einvernahme am 25.01.2011, dass sie ihren Mann deshalb nicht als vermisst gemeldet habe, weil dies ihre Schwiegermutter hätte erledigen wollen.

 

In der Beschwerde versuchte der ausgewiesene Vertreter der Beschwerdeführerin die unterschiedlichen Angaben der Beschwerdeführerin damit zu erklären, dass sie bei ihrer Befragung am 25.01.2011 zu ihren Fluchtgründen deshalb nichts mehr über den Anschluss ihres Mannes zu den Rebellen im Jahr 2008 angegeben hätte, weil sie vorausgesetzt habe, dass dieser Umstand der belangten Behörde bereits aufgrund ihrer Schilderung anlässlich ihrer Erstbefragung bekannt wäre. Dieser Erklärungsversuch vermochte jedoch die entstandenen Widersprüche nicht nachvollziehbar aufzuklären. Insbesondere ist der Verweis in der Beschwerde, dass die Beschwerdeführerin mit ihrer Aussage in der Einvernahme vor dem Bundesasylamt, wonach ihr Ehemann "vielleicht in den Wald" gegangen wäre, dahin zu deuten sei, dass die Beschwerdeführerin wirklich nicht wisse, ob ihr Mann tatsächlich kämpfe und sie auch glauben wolle, dass dies nicht der Fall sei, als völlig unglaubwürdiger Erklärungsversuch zu werten.

 

Die Beschwerdeführerin hatte bei ihrer Erstbefragung ausgeführt, dass sie wiederholt von maskierten Männern bedroht und von diesen im September 2010 abgeholt worden wäre. Auch bei ihrer Ersteinvernahme am 10.11.2010 gab die Beschwerdeführerin an, dass sie von unbekannten maskierten Männern in den Wald gebracht worden wäre. Im eklatanten Widerspruch dazu hatte die Beschwerdeführerin in ihrer Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 25.01.2011 erstmals behauptet, sie wäre Ende August 2010 von vier Soldaten mitgenommen worden. Auf konkrete Frage gab die Beschwerdeführerin weiters an, dass die Personen, die sie befragt und in den Wald gebracht hätten, dieselbe Uniform getragen hätten, nur 2 Männer seien maskiert gewesen.

 

Der Versuch in der Beschwerde, die gegensätzlichen Angaben damit zu erklären, dass für die Beschwerdeführerin "maskierte Männer in Uniform" stets "Soldaten" gewesen wären, vermochte jedoch nicht zu überzeugen, da die Beschwerdeführerin in ihrer Erstbefragung und in ihrer Einvernahme am 10.11.2010 die Mitnahme durch "maskierte Männern" behauptete, eine Uniformierung dieser Personen, die als Soldaten bezeichnet wurden, wurde jedoch erstmals in der Einvernahme am 25.01.2011 behauptet. Ein weiterer Widerspruch ist in der Schilderung der Beschwerdeführerin festzustellen, dass sie bei ihrer Erstbefragung und bei ihrer Einvernahme am 11.10.2010 behauptet hatte, sie sei von maskierten Männern in den Wald gebracht worden, sie jedoch demgegenüber in ihrer Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 25.01.2011 angegeben hatte, es wären nur zwei von den Soldaten maskiert gewesen.

 

Die Behauptung in der Beschwerde, dass hinsichtlich der Frage, ob die Beschwerdeführerin sich selbst entkleidet habe oder von den Männern ausgezogen worden wäre, festzuhalten sei, dass beides zutreffe, kann aufgrund der absolut widersprüchlichen Schilderungen der Beschwerdeführerin kein Glaube geschenkt werden, weil bereits der gesamte Vorfall nicht geglaubt wird. Während die Beschwerdeführerin in ihrer Erstbefragung zudem angegeben hatte, sie sei unter Drohung gezwungen worden, sich selbst auszuziehen, hatte sie demgegenüber in ihrer Einvernahme am 11.10.2010 ausgeführt, sie wäre von den Männern ausgezogen worden. Im Widerspruch zu diesen Angaben hatte sie bei ihrer Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 25.01.2011 geschildert, dass die Soldaten angefangen hätten sie auszuziehen und sie sich aus Angst selbst "fast nackt ausgezogen" habe. Zudem wurde von der Beschwerdeführerin anlässlich ihrer Erstbefragung und ihrer Einvernahme am 11.10.2010 einzig eine angedrohte Vergewaltigung behauptet, im klaren Gegensatz dazu führte die Beschwerdeführerin anlässlich ihrer Einvernahme am 25.01.2011 erstmals aus, dass sie zuerst an einen Baum gestellt und sie mit Vergewaltigung sowie weiters mit dem Erschießen bedroht worden wäre.

 

Die belangte Behörde hatte bereits völlig zu Recht festgestellt, dass aufgrund der stufenweise geänderten und gesteigerten Angaben der Beschwerdeführerin zweifellos davon auszugehen ist, dass kein Asylwerber eine sich bietende Gelegenheit, ein zentral entscheidungsrelevantes Vorbringen zu erstatten, ungenützt verstreichen lässt, und dieser Umstand als eindeutiges Indiz für die Unglaubwürdigkeit des gesamten Fluchtvorbringens zu werten ist.

 

Hinsichtlich der Behauptung in der Beschwerde, wonach es in der Natur der Sache liege, dass die Beschwerdeführerin den "Eingriff" in den drei Befragungen nicht vollkommen wortgleich geschildert habe und sie sich überdies geschämt habe, über die Details eines Sexualeingriffs zu sprechen, ist darauf zu verweisen, dass die Beschwerdeführerin ausdrücklich darauf verzichtet hatte, von einer Organwalterin desselben Geschlechts einvernommen zu werden. Zudem können sie dadurch nicht die Widersprüche und die das gesteigerte Vorbringen erklären. In der Beschwerde führte der ausgewiesene Vertreter der Beschwerdeführerin zudem abschließend aus, dass die Beschwerdeführerin trotz ihrer Behauptung, in Tschetschenien das Opfer eines Eingriffs in ihre sexuelle Selbstbestimmung geworden zu sein, nicht von einem Organwalter desselben Geschlechts einvernommen wurde und daher eine Verletzung gemäß § 20 AsylG 2005 vorliege. Dieser Behauptung ist jedoch erneut klar entgegenzuhalten, dass der Beschwerdeführerin aufgrund ihres vorgebrachten (angedrohten) Eingriffs in ihre sexuelle Selbstbestimmung die Einvernahme durch einen Organwalter desselben Geschlechts angeboten worden war. Die Beschwerdeführerin gab jedoch dezidiert an, dass dies nicht notwendig wäre und die Einvernahme fortgesetzt werden solle. Die Beschwerdeführerin hat in diesem Zusammenhang zudem eindeutig betont, dass ihr lediglich mit Vergewaltigung gedroht worden sei. Entgegen der Ausführung in der Beschwerde liegt daher im gegenständlichen Fall keine Verletzung gemäß § 20 AsylG 2005 vor.

 

Wie die belangte Behörde völlig zu Recht hervorgehoben hatte, verneinte die Beschwerdeführerin bei ihrer Einvernahme am 10.11.2010 die Frage, ob sie in ihrem Herkunftsstaat je Probleme mit der Polizei, dem Militär oder den staatlichen Organen hätte. Auch in ihrer Einvernahme am 25.01.2011 hatte die Beschwerdeführerin nahezu alle Standardfragen nach asylrelevanten Problemen im Herkunftsstaat, insbesondere die Frage, ob sie in ihrer Heimat je Probleme mit Behörden gehabt hätte, verneint. Diese dem Fluchtvorbringen der Beschwerdeführerin klar widersprechenden Antworten konnte der ausgewiesene Vertreter in der Beschwerde mit der Behauptung, man könne von der Beschwerdeführerin nicht verlangen, diese Fragen zu verstehen und entsprechend zu beantworten, in keiner Weise glaubhaft aufklären. Diesbezüglich ist darauf zu verweisen, dass die Einvernahmen der Beschwerdeführerin durch eine Dolmetscherin in der Sprache Russisch erfolgt war, keinerlei Verständigungsschwierigkeiten von der Beschwerdeführerin behauptet wurden und von der Beschwerdeführerin auch nach Rückübersetzung keinerlei Änderungen ihrer Angaben verlangt worden waren.

 

Die Beschwerdeführerin schilderte auch das Verhalten der Männer bzw. der Soldaten bei ihrer Mitnahme unterschiedlich. In ihrer Erstbefragung behauptete sie, die Männer hätten aufgrund eines körperlichen Mangels der Beschwerdeführerin von ihr Abstand genommen und in ihrer Ersteinvernahme am 10.11.2010 gab sie an, dass sie nicht vergewaltigt worden, freigelassen und wieder zurückgebracht worden wäre. Im Widerspruch dazu hatte die Beschwerdeführerin bei ihrer Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 25.01.2011 ausgeführt, die Soldaten hätten vermutlich Mitleid mit der Beschwerdeführerin gehabt und hätten deshalb keine Fotos von ihr gemacht. Diesbezüglich ist darauf zu verweisen, dass die Beschwerdeführerin weder in der Erstbefragung noch in ihrer Einvernahme am 10.11.2010 behauptet hatte, dass die Männer Fotoaufnahmen von ihr hätten machen wollen. Außerdem gab die Beschwerdeführerin in dieser Einvernahme erstmals an, sie sei von den Soldaten darauf aufmerksam gemacht worden, dass es sich hierbei um eine Warnung handle. Anhand dieser gegensätzlichen Schilderungen der Beschwerdeführerin geht eindeutig hervor, dass sie sich in den Kernaussagen ihres Fluchtvorbringens selbst widersprochen hat. Wie bereits die Behörde völlig zurecht feststellte, kann nach allgemeiner Lebenserfahrung davon ausgegangen werden, dass die Angaben einer Person, die sich bereits in den Kernaussagen selbst widerspricht und die den Asylantrag begründenden Sachverhalte unterschiedlich schildert, auch hinsichtlich des weiteren behaupteten Sachverhalts nicht den Tatsachen entspricht.

 

Neben den vorzitierten widersprüchlichen Angaben ist zudem darauf zu verweisen, dass auch weitere Ungereimtheiten und Widersprüche im Vorbringen der Beschwerdeführerin die Feststellung der Unglaubwürdigkeit ihres Fluchtvorbringens untermauert haben. Sie hatte überdies auch zu ihrer im Herkunftsstaat lebenden Schwester XXXX und ihrem Neffen XXXX gegensätzliche Angaben getätigt. Während sie bei ihrer erstmaligen Datenaufnahme angegeben hatte, ihre Schwester XXXX wohne in XXXX, hatte sie demgegenüber bei ihrer Ersteinvernahme geschildert, dass sich ihre Schwester und ein Neffe im Bezirk XXXX aufhalten würden, ihr jedoch die genaue Anschrift nicht bekannt sei. Im groben Widerspruch dazu gab die Beschwerdeführerin bei ihrer Datenaufnahme während der Einvernahme am 25.01.2011 an, dass ihre Schwester XXXX im Bezirk XXXX lebe, Näheres wäre ihr unbekannt. Ihr Neffe XXXX wohne im Bezirk XXXX. Wiederum im Widerspruch zu ihren bisherigen Angaben gab die Beschwerdeführerin im Verlauf ihrer Einvernahme jedoch plötzlich an, ihr Neffe und seine Familie würden im Haus der verstorbenen Mutter der Beschwerdeführerin wohnen.

 

Die Angaben der Beschwerdeführerin waren - wie bereits die belangte Behörde festgestellt hatte - vage, wenig detailreich, oberflächlich und widersprüchlich und ist in einer Gesamtbetrachtung das Fluchtvorbringen als absolut nicht nachvollziehbar und daher auch als unglaubwürdig einzustufen. Überdies widerspricht es jeglicher Lebenserfahrung, dass die gemeinsam ausgereiste Schwester der Beschwerdeführerin keinerlei Informationen über die genauen Fluchtgründe ihrer eigenen Schwester (der nunmehrigen Beschwerdeführerin) angeben kann und umgekehrt. Dies obwohl die Schwester im Verfahren angab, dass die Beschwerdeführerin bei der Mitnahme des Sohnes anwesend gewesen sei.

 

Im Ergebnis konnte die Beschwerdeführerin individuelle konkrete Verfolgungsgründe aufgrund der taxativ aufgezählten Gründe in der Genfer Flüchtlingskonvention in der Vergangenheit ebenso wenig wie eine aktuelle individuelle Verfolgungsgefahr glaubhaft machen. Nachdem es der Beschwerdeführerin nicht gelungen ist, ihr Vorbringen glaubhaft zu machen, ist auch nicht zu befürchten, dass die Beschwerdeführerin bei Rückkehr einer besonderen Aufmerksamkeit seitens russischer oder tschetschenischer Einheiten ausgesetzt sein würde.

 

Dem Verweis in der Beschwerde, wonach die Beschwerdeführerin bei einfachen Fragen bezüglich ihres Wohnortes und des Wohnortes von Verwandten durcheinandergekommen sei, da sie bei ihren behördlichen Einvernahmen unter starker psychischer und nervlicher Belastung gestanden sei, ist klar entgegenzuhalten, dass im Verwaltungsakt der Beschwerdeführerin keine medizinischen Befunde vorzufinden sind, die bei der Beschwerdeführerin psychische Probleme attestieren und diese eine gewisse Vorsicht bei der Beurteilung ihrer Aussagen erforderlich machen würden. Es ist überdies festzuhalten, dass die Widersprüche im gegenständlichen Fall nicht bloße Details, sondern gewissermaßen die "Eckpfeiler" der Fluchtgründe betreffen, sodass eine behauptete starke psychische und nervliche Belastung nicht Ursache für eine derartige Häufung von Divergenzen in den Aussagen sein kann.

 

Aus den Länderberichten lässt sich keine asylrelevante Gruppenverfolgung aller ethnischen Tschetschenen in der Russischen Föderation ableiten. Darüber hinaus leben mehrere Familienangehörige der Beschwerdeführerin (unbehelligt) in der Russischen Föderation. Eine allgemeine Gefährdung von allen Rückkehrern wegen des Faktums ihrer Rückkehr lässt sich aus den Quellen ebensowenig folgern wie die systematische Verfolgung aller tschetschenischen Volksgruppenangehörigen (vgl. ebenfalls VwGH 28.05.2009, 2008/19/1031).

 

Zusammenfassend kann angesichts des Fehlens jeglicher schriftlicher Beweismittel sowie den völlig vage, unplausibel und detailarm gebliebenen Fluchtschilderungen der Beschwerdeführerin der belangten Behörde nicht entgegen getreten werden, wenn sie von der Unglaubwürdigkeit der behaupteten Fluchtgründe ausgegangen ist. Die Feststellungen der Unglaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens der Beschwerdeführerin konnte diese - vertreten durch ihren rechtsfreundlichen Vertreter - auch in ihrer Beschwerde nicht widerlegen. Damit drängt sich vielmehr der Schluss auf, dass die Beschwerdeführerin das Land aus asylfremden Motiven verlassen hat, um zu ihrem Bruder nach Österreich zu gelangen.

 

Zur gesundheitlichen Situation der Beschwerdeführerin wird Folgendes ausgeführt:

 

Die Beschwerdeführerin hatte im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme am 10.11.2010 vor dem Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle West, hinsichtlich ihres Gesundheitszustandes angegeben, dass sie Baldriantropfen nehme, ansonsten habe sie "nichts Ernstes". Hinsichtlich ihrer Behauptungen wurde lediglich ein Labormedizinischer Befundbericht vom 02.11.2010 jedoch keinerlei ärztliche Stellungnahmen in Vorlage gebracht. Bei ihrer Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 25.01.2011 gab sie schließlich an, sie leide unter hohem Blutdruck, weshalb sie in den nächsten Tagen untersucht werde. Sie behauptete lediglich, dass sie Medikamente zur Vorbeugung einer Migräne sowie schmerzstillende und entzündungshemmende Medikamente aufgrund von Knochenschmerzen einnehme. Ausdrücklich wurde von ihr angeführt, dass sie bereits im Herkunftsstaat gegen diese Beschwerden die Medikamente ihrer Mutter genommen hatte. Auch für ihre Knochen habe sie in Österreich Medikamente erhalten, sie gab jedoch ausdrücklich an, dass sie nicht regelmäßig in ärztlicher Behandlung sei und auch nie stationär im Krankenhaus gewesen wäre.

 

Anhand der Angaben der Beschwerdeführerin ergibt sich bereits, dass sie weder an einer schweren körperlichen oder ansteckenden Krankheit noch an einer psychischen Störung leidet. Aufgrund der Tatsache, dass die Beschwerdeführerin überdies bis dato keinerlei ärztliche Unterlagen über ihren Gesundheitszustand in Vorlage gebracht hat, konnte abgesehen vom behaupteten Bluthochdruck und der angeblichen Knochenschmerzen festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin an keiner außergewöhnlichen oder gar lebensbedrohlichen Krankheit leidet, die gegen eine Rücküberstellung in die Russische Föderation spricht.

 

Sollte die Beschwerdeführerin bei einer Rückkehr dennoch medizinische Versorgung aufgrund psychischer Probleme bzw. Beschwerden benötigen, wird ihr diese - den Länderfeststellungen zur Medizinischen Versorgung in der Russischen Föderation folgend - in ihrem Herkunftsland jedenfalls zuteil werden.

 

Der erkennende Senat kommt daher zu dem Schluss, dass die Erkrankungen der Beschwerdeführerin jedenfalls keine lebensbedrohliche Krankheit darstellen und in der Heimat ebenso wie allfällige Folgeerkrankungen behandelbar wären und somit auch nicht dazu führen, dass bei einer Rücküberstellung in die Russische Föderation eine Verletzung des Art. 3 EMRK gegeben wäre."

 

Rechtlich folgerte der Asylgerichtshof daraus, dass die Voraussetzungen für eine aktuelle Verfolgungsgefahr iSd. Genfer Flüchtlingskonvention nicht gegeben seien und auch kein Abschiebungshindernis iSd. Art. 3 EMRK vorliege. Hinsichtlich der verfügten Ausweisungsentscheidung verneinte der Asylgerichtshof, dass eine besondere Schutzwürdigkeit des Familienlebens der Beschwerdeführerin in Österreich vorliege, da sich zwar im Bundesgebiet auch ihre Schwester und deren Sohn befinden, diese jedoch ebenfalls Asylwerber seien, deren Aufenthalt sich lediglich auf ein auf das Asylverfahren beschränktes Aufenthaltsrecht nach dem Asylgesetz gestützt habe und die mit Erkenntnis vom selben Tag ebenfalls ausgewiesen worden seien.

 

Das Erkenntnis erwuchs durch Zustellung am 17. Februar 2012 in Rechtskraft.

 

I.8. Mit Eingabe vom 02.03.2012 stellte die Beschwerdeführerin (ebenso wie ihre Schwester und ihr Neffe) durch ihren ausgewiesenen Vertreter gemäß § 71 AVG beim Asylgerichtshof einen Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand betreffend die Versäumung der Möglichkeit, während der Anhängigkeit des Beschwerdeverfahrens beim Asylgerichtshof neue Tatsachen und Beweismittel vorzubringen bzw. vorzulegen und erstattete zudem Beschwerdeergänzung samt Urkundenvorlage. Im Wesentlichen war der Wiedereinsetzungsantrag gleichlautend mit dem mit Eingabe vom 02.03.2012 an das Bundesasylamt, Außenstelle Innsbruck, gestellten Antrag auf Wiederaufnahme gemäß § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG.

 

I.9. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 22.03.2012 wurde dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 AVG nicht stattgegeben.

 

Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass es sich bei der vom Vertreter vorgebrachten Fristversäumnis, nämlich der Versäumnis der Vorlage von Beweismitteln, Gutachten und Unterlagen vor Entscheidung der Behörde, nicht um die Versäumung einer verfahrensrechtlichen Frist handle, welche aber erst die Grundlage einer Bewilligung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand § 71 AVG darstelle.

 

I.10. Mit Eingabe vom 02.03.2012 an das Bundesasylamt, Außenstelle Innsbruck, stellte die Beschwerdeführerin ebenso wie ihre Schwester und ihr Neffe durch ihren ausgewiesenen Vertreter einen Antrag auf Wiederaufnahme gemäß § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG betreffend ihre Asylverfahren, die mit Entscheidungen des Asylgerichtshofes vom 13.02.2012 (zugestellt am 17.02.2012) negativ entschieden worden waren.

 

I.11. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 28.03.2012 wurde auch der Wiederaufnahmeantrag gemäß § 69 Abs. 1 Z 2 AVG abgewiesen.

 

Begründend wurde zusammengefast ausgeführt, dass die Beschwerdeführer ihren Wiederaufnahmeantrag iSd § 69 Abs. 1 Z 2 AVG insbesondere auf die Behauptung stützten, der Bruder der Beschwerdeführerin namens XXXX habe erst am 21.02.2012 den ausgewiesenen Vertreter der Beschwerdeführerin in einem Vier-Augen-Gespräch darüber informiert, dass der ältere Sohn ihrer Schwester im Herkunftsstaat Verfolgungen ausgesetzt sei. Die zusammen mit dem Antrag auf Wiederaufnahme übermittelten Unterlagen bzw. das im Wiederaufnahmeantrag geltend gemachte völlig unglaubwürdige Vorbringen durch den ausgewiesenen Vertreter würde - selbst bei Erfüllen der formalen Voraussetzungen für die Zulässigkeit eines solchen Antrages - den inhaltlichen Anforderungen an ein Wiederaufnahmebegehren nicht genüge tun. Der Beschwerdeführerin sei es jedenfalls nicht gelungen, neu hervorgekommene Tatsachen oder Beweismittel vorzulegen, die entscheidungsrelevante Umstände derartig betreffen, dass sie, wären sie seinerzeit berücksichtigt worden, voraussichtlich zu einer anderen als der tatsächlich getroffenen Entscheidung geführt hätten und daher auch im wieder aufgenommenen Verfahren führen würden

 

I.12. Die Beschwerdeführerin stellte am 18.07.2012 - ebenso wie ihre Familienangehörigen - den gegenständlichen 2. Antrag auf internationalen Schutz.

 

Zu diesem zweiten Antrag auf internationalen Schutz führte die Beschwerdeführerin bei ihrer Erstbefragung am 18.07.2012 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Wesentlichen aus, sie habe keine Beschwerden oder Krankheiten, die sie an der Erstbefragung hindern oder das Asylverfahren in der Folge beeinträchtigen. Sie habe Österreich nicht verlassen. Sie stelle den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz deshalb, weil sie Angst habe, nach Hause zurückzukehren. Es gehe ihr hier besser und sie wolle lieber sterben als nach Hause zu fahren. Sie besuche einen Psychologen und habe auch über ihre Probleme Befunde. Sie leide an Unfruchtbarkeit und gynäkologischen Problemen, über die sie im Herkunftsstaat noch keine Kenntnis gehabt hätte, sondern erst von ihrem Hausarzt Ende 2011 erfahren hätte.

 

Am 25.07.2012 wurde eine Email einer gerichtlich beeideten Dolmetscherin für die russische Sprache, XXXX sowie Vertrauensperson der Beschwerdeführer, übermittelt, in welcher insbesondere die Integration der Beschwerdeführerin und ihrer Familienangehörigen hervorgehoben wurde.

 

I.13. In der am 25.07.2012 vor der Erstaufnahmestelle West durchgeführten Einvernahme schilderte die Beschwerdeführerin zusammengefasst, dass sie nicht mehr von Dr. Mory vertreten werde. Die Beschwerdeführerin habe Angst,heimzufahren, wie sie bereits erzählt habe. Seit rechtkräftigem Abschluss des Vorverfahrens hätten sie Österreich nicht verlassen und es gebe keine Änderung im Privat- und Familienleben. Seit Rechtskraft ihres ersten Verfahrens habe sie über keine Vorfälle im Heimatland Kenntnis erlangt, die sie persönlich betreffen. Der Bruder der Beschwerdeführerin lebe seit neun Jahren in Österreich und die Beschwerdeführerin lebe mit ihrer Schwester zusammen in einem Zimmer.

 

Am 26.07.2012 langte ein Unterstützungsschreiben hinsichtlich der Beschwerdeführerin und ihren Familienangehörigen beim Bundesasylamt ein.

 

I.14. Am 22.8.2012 wurde die Beschwerdeführerin erneut vor dem Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle West, einvernommen und führte insbesondere aus, sie habe vor zwei Wochen mit ihrer Schwester telefoniert und sei darüber informiert worden, dass eine Nachbarin zu ihr Kontakt aufnehmen wolle. Diese Nachbarin habe ihr in einem Telefon darüber berichtet, dass neben ihrem Haus diverse seltsame Leute aufhältig seien, die nach ihrem Ehemann fragen würden und es seien bereits die Fenster (des Hauses) eingeschlagen worden. Diese Leute hätten auch die Nachbarin nach der Beschwerdeführerin gefragt. Gesundheitlich gehe es ihr sehr schlecht. Sie müsse jede Woche einen Psychologen besuchen und gehe jede Woche zu einem Psychotherapeuten und rund ein oder zwei Mal im Monat zu einem anderen Psychotherapeuten. Am 30.8.2012 habe sie noch einen wichtigen Termin beim Psychotherapeuten im Krankenhaus. Sie habe Deutschkurse besucht und finde die A1-Prüfung im November statt, danach wolle sie die A2-Prüfung machen. Da die Sprachlehrerin auf Urlaub sei, könne sie keine Bestätigungen vorlegen. Sie ersuche nur darum, in Österreich bleiben zu können; sie bitte nicht um einen positiven Bescheid, aber sie würde gerne in Österreich leben dürfen.

 

Der anwesende Rechtsberater beantragte eine medizinische Abklärung des gesundheitlichen Zustandes.

 

I.15. Am 01.08.2012 wurde der Beschwerdeführerin durch Mitteilung gem. § 29 Abs. 3 Z. 4 AsylG 2005 zur Kenntnis gebracht, dass beabsichtigt ist, ihren Antrag auf internationalen Schutz aufgrund entschiedener Sache gem. § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen.

 

Hinsichtlich der Beschwerdeführerin wurden zahlreiche Unterlagen in Vorlage gebracht, wovon insbesondere folgende aktuelle Unterlagen im Detail anzuführen sind:

 

Ambulanter Arztbrief des Krankenhauses vom 25.05.2012 und vom 22.06.2012 mit der Diagnose "F 43.1 Posttraumatische Belastungsstörung, Verd. Auf Spannungskopfschmerz, Hypoplastische Genitale mit schwerer Amenorrhoe",

 

Psychotherapeutische Stellungnahme, erstellt am 27.08.2012, vom Caritasprojekt SOTIRIA, wonach die Beschwerdeführerin an einer posttraumatischen Belastungsstörung leidet (ICD 10 - F 43.1) und in ambulanter Behandlung auf der Abteilung für Psychiatrie steht, zudem wurde die Integration und der Besuch eines Deutschkurses bestätigt,

 

Ärztliches Zeugnis vom 28.08.2012, wonach die Beschwerdeführerin unter einer angeborenen Missbildung der Hirnanhangdrüse leidet, die Beschwerdeführerin seit Mai 2011 an der psychiatrischen Ambulanz des KH wegen posttraumatischen Belastungsstörungen in Behandlung stehend diese lebenslang täglich die Injektion eines Wachstumshormons und engmaschige Kontrollen des Hormonhaushaltes benötigt.

 

Email vom 31.8.2012 der Vertrauensperson mit mit Internetartikel über das Selbstmordattentat am 06.08.2012 in XXXX und der Vorankündigung, dass medizinische Befunde der Beschwerdeführer vorgelegt werden und der Information, dass die Beschwerdeführerin wegen heftiger Bauchschmerzen mit der Rettung ins Krankenhaus eingeliefert und stationär aufgenommen worden wäre.

 

weitere ärztliche Befunde aus 2011

 

Am 04.09.2012 wurde ein psychiatrischer Konsiliarbefund des Krankenhauses hinsichtlich der Beschwerdeführerin vom 31.08.2012 übermittelt, in dem die bisherigen Diagnosen erneut festgestellt wurden und ausgeführt wurde, dass sich die Beschwerdeführerin derzeit zur Abklärung einer Synkope auf der HNO-Abteilung befindet.

 

Am 21.09.2012 langte ein stationärer Kurzbrief des XXXX vom 11.09.2012 ein, in dem der Aufenthalt der Beschwerdeführerin vom 30.08.2012 bis 11.09.2012 bestätigt wurde und die Diagnosen "Vertigo, Synkopie, bek. Partielle Hypophysenvorderlappeninsuffizienz (ACTH und HGH), sek. NNR-Insuffizienz, Osteopenie, beh. Hypotyreose, hypoplast. Genitale und schwerer Amenorrhoe, postraumatische Belastungsstörung uned Panzytopenie" gestellt wurden.

 

I.16. Mit angefochtenen Bescheid vom 03. Oktober 2012, Zl. 12 09.030-EAST West, wurde dieser zweite Antrag auf internationalen Schutz der Beschwerdeführerin gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und die Beschwerdeführerin gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen. Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass der von der Beschwerdeführerin geschilderte Verfolgungsgrund bereits im Vorverfahren rechtskräftig als unglaubwürdig qualifiziert worden sei. Es könne kein neuer entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt werden, da die Begründung ihres neuerlichen Asylantrages nicht ausreiche, einen neuen, gegenüber dem früheren Asylantrag wesentlich geänderten entscheidungsrelevanten Sachverhalt entstehen zu lassen. Da die medizinische Grundversorgung in der Russischen Föderation gegeben sei und auch hier keine berücksichtigungswürdige Abänderung seit Rechtskraft vom 17.02.2012 vorliege, könne im gegenständlichen Fall von krankheitsbedingten Abschiebehindernissen unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 EMRK nicht gesprochen werden.

 

Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung sei festzustellen, dass den privaten Interessen der Beschwerdeführerin an einem weiteren Aufenthalt in Österreich im Rahmen einer Interessensabwägung ein wesentlich geringerer Stellenwert zukomme als den öffentlichen Interessen an einer Beendigung des Aufenthaltes im Bundesgebiet, weshalb ihre Ausweisung aus Österreich in die Russische Föderation für zulässig erachtet werde.

 

I.17. Gegen diesen Bescheid und die Bescheide ihrer Familienangehörigen richtet sich die fristgerechte Beschwerde, in welcher dieser wegen grober Verfahrensfehler, mangelhafter Beweiswürdigung und falscher rechtlicher Beurteilung bekämpft wird. Nach Wiederholung des Fluchtvorbringens wurde moniert, dass der Beschwerdeführerin zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens die Länderfeststellungen zum Herkunftsstaat zur Kenntnis gebracht worden wären, weshalb eine Verletzung des Rechts auf Parteiengehör gemäß § 45 Abs. 3 AVG erfolgt sei. Ebenfalls seien die Ermittlungspflichten gemäß § 18 AsylG 2005 verletzt worden, weil keine Ermittlungen hinsichtlich der Ereignisse seit 13.02.2012 getätigt worden wären. Obwohl die Beschwerdeführerin vorgebracht hätte, dass nach einem Selbstmordattentat am 06.08.2012 in der Nachbarschaft in XXXX unbekannte Männer nach ihr und ihrem verschollenen Ehemann gesucht hätten und die Fenster des Hauses eingeschlagen hätten, habe es die belangte Behörde unterlassen, nach Details, Ort- oder Zeitangaben nachzufragen. Das Bundesasylamt habe auch die am 31.08.2012 mittels Email von der Vertrauensperson übermittelten Länderberichte vom Russischen ins Deutsche übersetzen sollen, die sich auf das Selbstmordattentat in XXXX beziehen. Zudem habe es die belangte Behörde gänzlich unterlassen, Fragen durch Anleitung und Belehrung näher zu erläutern, weshalb die Manuduktionspflicht gemäß § 13a AVG verletzt worden wäre. Die Beweiswürdigung und die Bescheidbegründung hinsichtlich der verfolgungsrelevanten Ereignisse nach dem 13.02.2012 seien mangelhaft. Auszugsweise wurden Berichte aus 2010 zitiert, wonach auch Familienangehörigen von vermeintlichen Rebellen Verfolgung drohe und wurde in weiteren Berichten über das Selbstmordattentat in XXXX vom 06.08.2012 berichtet, bei dem drei Sicherheitsbeamte und ein Zivilist getötet wurde.

 

Weiters wurde darauf verwiesen, dass sich der psychische Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin zwischenzeitig sehr verschlechtert habe. Das von der Beschwerdeführerin vorgebrachte Ereignis, nämlich die Durchsuchung ihres Hauses und das Fragen und Suchen nach ihrer Person, habe sich zeitlich im August 2012 ereignet und sei sohin nach Rechtskraft des Bescheides entstanden und komme dem Vorbringen zumindest ein "glaubhafter Kern" zu. Daher habe sich der wesentliche Sachverhalt seit dem für die Prüfung gemäß § 68 AVG entscheidenden Datum derart verändert, dass die Behörde zu einer neuerlichen Sachentscheidung verpflichtet sei. Hinsichtlich ihrer Ausweisung werde darauf verwiesen, dass die Beschwerdeführerin auf gutem Niveau Deutsch spreche, über eine Einstellungszusage verfüge, ein Antrag beim AMS auf Beschäftigungsbewilligung gestellt worden wäre und sich auch ihr Bruder in Österreich niedergelassen habe, der sich um sie kümmere, wodurch ein persönliches (Fürsorge) und finanzielles (Rechtsanwaltskosten) Abhängigkeitsverhältnis zu ihrem Bruder entstanden sei. Beantragt werde, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, ein amtsärztliches Gutachten einzuholen und der Beschwerde stattzugeben und das Verfahren zur Durchführung eines inhaltlichen Verfahrens an das Bundesasylamt zu verweisen.

 

Zusammen mit der Beschwerde wurde hinsichtlich der Beschwerdeführerin eine Bestätigung des Krankenhauses vom 05.10.2012 über den ambulanten Untersuchungstermin am 09.11.2012 sowie eine Bestätigung vom 09.10.2012 und vom 11.10.2012 über die stationäre Behandlung der Beschwerdeführerin seit 05.10.2012 samt Bestätigung der bisherigen Diagnosen übermittelt. Ebenfalls wurde ein Schreiben vom XXXX vom 09.10.2012 übermittelt, mit dem der Antrag gestellt wurde, die Beschwerdeführerin als XXXX einstellen zu dürfen.

 

Am 15.10.2012 langte eine Bestätigung der Abteilung Psychiatrie und Psychotherapie des Krankenhauses vom 12.10.2012 ein, mit welcher dargelegt wurde, dass sich die Beschwerdeführerin seit 05.10.2012 mit den Diagnosen "PTB F43.1 und partielle Hypophysenvorderlappeninsuffizienz (Gonadotropine ACTH und HGH)" in stationärer Behandlung befindet. Es wurde festgehalten, dass sich die Beschwerdeführerin am 11.10.2012 in der Nacht aus der Station entfernt hatte und nach Äußerung von suizidalen Äußerungen bei akuter Selbstgefährdung untergebracht wurde.

 

Mit Eingabe vom 19.10.2012 wurde hinsichtlich der Beschwerdeführerin ein psychiatrisches Gutachten im Auftrag des Bezirksgerichts zur Überprüfung der Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Unterbringung der Beschwerdeführerin vom 15.10.2012 übermittelt, in dem die Krankengeschichte der Beschwerdeführerin zusammengefasst wiedergegeben wurde und dargestellt wurde, dass sie in der Nacht vom 11.10. im Nachthemd zurück in die Klinik gebracht wurde, nachdem sie geplant habe, ins Wasser zu gehen. Daher wurde sie in der Klinik untergebracht. Bei der Beschwerdeführerin bestehe akute Suizidalität und es liegen deutliche Hinweise auf backflashartige Erlebenszustände vor. Laut Gutachten leide die Beschwerdeführerin unter einer psychiatrischen Erkrankung im Sinne des Unterbringungsgesetzes und müsse aus Sicht des Gutachters die Unterbringung zumindest für die nächsten sechs Wochen aufrecht erhalten bleiben.

 

II. Der Asylgerichtshof hat durch die zuständige Einzelrichterin gemäß § 61 Abs. 3 Z 1 lit. c und Z 2 AsylG 2005 erwogen:

 

II.1. Gemäß § 73 Abs. 1 Asylgesetz 2005 idgF ist das AsylG 2005 am 01.01.2006 in Kraft getreten; es ist gemäß § 75 Abs. 1 AsylG auf alle Verfahren anzuwenden, die am 31.12.2005 noch nicht anhängig waren.

 

Gemäß Art. 129c Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, idgF, iVm. § 61 Abs. 1 Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, in der geltenden Fassung entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 oder 3a leg. cit. vorgesehen ist, durch Einzelrichter über

 

Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und

 

Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.

 

Durch Einzelrichter/Einzelrichterin entscheidet der Asylgerichtshof gemäß § 61 Abs. 3 Z 1 AsylG 2005 ausnahmslos über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide

 

wegen Drittstaatssicherheit gem. § 4 leg. cit.;

 

wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gem. § 5 leg. cit. sowie

 

wegen entschiedener Sache gem. § 68 Abs. 1 AVG.

 

Im vorliegenden Fall handelt es sich um ein Rechtsmittelverfahren gegen einen zurückweisenden Bescheid wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG. Daher ist das Verfahren der Beschwerdeführerin nach den Bestimmungen des AsylG 2005 durch den zuständigen Richter des Asylgerichtshofes als Einzelrichter zu führen.

Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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