Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*****, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Pfeifer, Dr. Keckeis, Dr. Fiel, Dr. Scheidbach OEG in Feldkirch, gegen die beklagten Parteien 1. D*****, 2. G*****, vertreten durch Mag. Alexander Wirth, Rechtsanwalt in Feldkirch, wegen 80.548,32 EUR sA und Feststellung (Revisionsinteresse 34.726,63 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 3. August 2009, GZ 2 R 146/09a-104, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO). Der Antrag auf Zuspruch der Kosten der Revisionsbeantwortung wird gemäß § 508a Abs 2 Satz 2 ZPO abgewiesen.
Text
Begründung:
Die B 203 zwischen Hohenems und Lustenau verläuft im Unfallbereich annähernd in Nord-Süd-Richtung über mehrere 100 m völlig gerade. Sie weist im Unfallbereich zwei Fahrstreifen auf. Bei Straßenkilometer 7,9 mündet von Nordwesten her in einem Winkel von ca 45 Grad die Anhängestraße in die Bundesstraße ein.
Die Klägerin als Lenkerin eines Pkw beabsichtigte, von Süden kommend, nach links in die Anhängestraße einzubiegen. Das Abbiegemanöver der Klägerin erfolgte zu früh, und zwar mehr als 8 m links von der gedachten Kreuzungsmitte. Die Klägerin bog etwa 12 m vor der Unfallstelle nach links ab und spurte 8 m vor der Unfallstelle in den Fahrstreifen für den Gegenverkehr. Auf diesem Fahrstreifen kam der Erstbeklagte als Lenker eines Pkw mit einer Geschwindigkeit von 108 km/h entgegen. Im Unfallbereich betrug die erlaubte Höchstgeschwindigkeit 80 km/h. Aufgrund der wechselseitigen Wahrnehmung leiteten beide Lenker ein Bremsmanöver ein, sodass die Kollisionsgeschwindigkeit des Beklagtenfahrzeugs 81 km/h betrug. Das Klagsfahrzeug hielt im Zuge des Abbiegemanövers eine Geschwindigkeit von etwa 22 km/h ein; aufgrund des eingeleiteten Bremsmanövers betrug die Kollisionsgeschwindigkeit des Klagsfahrzeugs etwa 2 km/h. Das Berufungsgericht nahm eine Verschuldensteilung im Verhältnis von 1 : 2 zu Lasten der Klägerin vor. Es warf der Klägerin einen Verstoß gegen die §§ 7, 11, 12, 13 und 20 StVO sowie eine Vorrangverletzung und dem Erstbeklagten eine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 28 km/h vor.
Die außerordentliche Revision der Klägerin wendet sich gegen diese Verschuldensteilung und meint, die (schon vom Erstgericht vorgenommene) Verschuldensteilung von 1 : 1 sei angebracht.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist unzulässig.
Der Revisionswerberin ist zuzugeben, dass der Klägerin bei einer Bremsausgangsgeschwindigkeit von 22 km/h keine (absolut oder relativ) überhöhte Geschwindigkeit und somit kein Verstoß gegen § 20 StVO vorgeworfen werden kann. Das Fahrmanöver der Klägerin ist auch nicht unter den Gesichtspunkten des Rechtsfahrgebots (§ 7 StVO), eines Fahrstreifenwechsels (§ 11 StVO) oder des allenfalls unrichtigen Einordnens für einen beabsichtigten Linksabbiegevorgang (§ 12 Abs 1 StVO) zu beurteilen. Der Klägerin ist vielmehr ein Vorrangverstoß gemäß § 19 Abs 5 StVO vorzuwerfen, der nach den Feststellungen auch dadurch unfallkausal wurde, dass die Klägerin gegen § 13 Abs 2 StVO verstoßen hat, weil sie in ihrem Fahrstreifen nicht bis unmittelbar vor die Kreuzungsmitte vorgefahren ist.
Mit dieser Korrektur der rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichts ist aber für die Revisionswerberin nichts gewonnen. Die Frage der Verschuldensteilung bildet nämlich nur dann eine erhebliche Rechtsfrage gemäß § 502 Abs 1 ZPO, wenn dem Berufungsgericht eine krasse Verkennung der Rechtslage vorzuwerfen wäre (RIS-Justiz RS0042405 [T15]). Eine solche liegt nicht vor. Der Vorrangverletzung der Klägerin steht eine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 28 km/h oder 35 % gegenüber. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Verschuldensteilung 1 : 2 zu Lasten der Klägerin bewegt sich durchaus im Rahmen der Rechtsprechung (vgl RIS-Justiz RS0027276 [T8, T10, T18]; Danzl, EKHG8 § 11 E 138). Soweit sich die Revision auf die „sehr schlechten Sichtverhältnisse" beruft, ist ihr zwar zuzugestehen, dass es dunkel und neblig (Nebelschwaden) war und es keine künstliche Beleuchtung gab. Das Erstgericht hat aber eine Negativfeststellung dazu getroffen, welche Auswirkungen diese Umstände auf die wechselseitige Erkennbarkeit hatten und welche Sicht den Lenkern zur Verfügung stand. Der Revisionswerberin ist somit der sie treffende Beweis (RIS-Justiz RS0022783) einer schlechten Sicht als verschuldenserhöhendes Element auf Seiten der Beklagten nicht gelungen.
Anmerkung
E925192Ob196.09aEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:0020OB00196.09A.1029.000Zuletzt aktualisiert am
11.01.2010