Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Gabriele Griehsel und Mag. Edgar Wojta als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Silvia Z*****, Zimmermädchen, *****, vertreten durch Dr. Sabine Berger, Rechtsanwältin in Salzburg, gegen die beklagte Partei Matthias A***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Alois Schneider, Rechtsanwalt in Rattenberg, wegen 2.157,61 EUR sA, über die Revision (Revisionsinteresse 420 EUR) der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 11. Februar 2009, GZ 12 Ra 6/09b-21, womit das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 8. Oktober 2008, GZ 17 Cga 65/08a-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass die Entscheidungen der Vorinstanzen einschließlich der in Rechtskraft erwachsenen Teile zu lauten haben:
„1. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei den Betrag von 840 EUR samt 11,19 % Zinsen seit 1. 3. 2008 binnen 14 Tagen zu zahlen.
2. Das Mehrbegehren auf Bezahlung eines weiteren Betrages von 1.317,61 EUR samt 11,19 % Zinsen seit 1. 3. 2008 wird abgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 369,27 EUR (darin 51,33 EUR USt und 61,23 EUR Barauslagen) anteilig bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 379,80 EUR (darin 63,30 EUR USt) anteilig bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen."
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 225,07 EUR (darin 37,51 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin war seit 3. 12. 2007 als Zimmermädchen im Hotelbetrieb der Beklagten beschäftigt. Im Revisionsverfahren ist nicht mehr strittig, dass das Dienstverhältnis durch unberechtigten vorzeitigen Austritt der Klägerin am 29. 2. 2008 endete. Nach rechtskräftiger Abweisung eines Teilbegehrens von 1.317,61 EUR sA (für aliquote Sonderzahlungen, Kündigungsentschädigung samt Sonderzahlungen und Urlaubsersatzleistung) und rechtskräftiger Teilzuerkennung eines Betrags von 420 EUR sA ist Gegenstand des Revisionsverfahrens nur noch der Teilbetrag von 420 EUR sA aus dem Titel des Monatslohns für Februar 2008. Im Arbeitsvertrag hatten die Streitteile nämlich eine Konventionalstrafe in Höhe eines Monatsbruttolohns für den Fall vereinbart, dass die Arbeitnehmerin ohne wichtigen Grund vorzeitig austritt. Im Vertrag ist ferner festgehalten, dass die Konventionalstrafe bei der Endabrechnung abgezogen werden kann.
Davon machte die Beklagte Gebrauch, indem sie mit der Konventionalstrafenforderung gegen den der Klägerin zustehenden Monatslohn für Februar 2008 aufrechnete.
Die Klägerin brachte vor, dass gemäß § 293 Abs 3 zweiter Fall EO die Aufrechnung gegen den der Exekution entzogenen Teil der Lohnforderung der Klägerin unzulässig sei, weil ein rechtlicher Zusammenhang zwischen den Entgeltansprüchen der Klägerin und einer Schadenersatzforderung der Beklagten nicht bestanden habe. Im Übrigen müsse das richterliche Mäßigungsrecht dazu führen, eine allenfalls geschuldete Konventionalstrafe auf Null zu ermäßigen.
Dem hielt die Beklagte entgegen, dass die Aufrechnung im vorliegenden Fall zulässig sei.
Das Erstgericht gab dem auf Zahlung des Monatslohns für Februar 2008 gerichteten Klagebegehren mit einem Teilbetrag von 420 EUR statt. Es vertrat die Rechtsauffassung, dass die von der Klägerin geschuldete Konventionalstrafe im rechtlichen Zusammenhang mit ihrem Entgeltanspruch stehe und daher entsprechend der Ausnahme des § 293 Abs 3 zweiter Fall EO eine Aufrechnung auch gegen sonst der Pfändung nicht unterliegende Lohnansprüche zulässig sei. Da die Klägerin aber nur teilzeitbeschäftigt gewesen sei, Sorgepflichten für zwei Kinder und Schulden in Höhe von 9.000 EUR habe und für ihre Wohnung einen monatlichen Zins von 500 EUR zu leisten habe, sei die Konventionalstrafe gemäß § 1336 Abs 2 ABGB auf die Hälfte des einbehaltenen Betrags, somit 420 EUR, zu mäßigen.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Der Zweck des § 293 EO bestehe in der Verhinderung der Umgehung der Pfändungsbeschränkungen. Schadenersatzansprüche aus Verletzungen des Dienstvertrags seien als den Entgeltansprüchen konnex zu erachten. Der rechtliche Zusammenhang sei im vorliegenden Fall besonders deswegen zu bejahen, weil die Verpflichtung zur Bezahlung der Konventionalstrafe Bestandteil des zwischen den Parteien abgeschlossenen Arbeitsvertrags sei. Die von der Beklagten vorgenommene Aufrechnung erweise sich daher als vom Ausnahmetatbestand des § 293 Abs 3 zweiter Fall EO umfasst und sei daher rechtmäßig. Die Mäßigung der Konventionalstrafe auf die Hälfte sei angemessen. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die Revision zulässig sei, weil keine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zur Frage vorgefunden werden könne, ob eine in einem Arbeitsvertrag vereinbarte Konventionalstrafe in einem rechtlichen Zusammenhang mit den Entgeltforderungen des Arbeitnehmers iSd § 293 Abs 3 EO stehe.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass der Klägerin weitere 420 EUR sA zugesprochen werden.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig; sie ist auch berechtigt.
Vorweg ist darauf hinzuweisen, dass das Widerspruchsrecht des Dienstnehmers nach § 7 DHG einer Aufrechnung des Dienstgebers nicht entgegensteht, wenn, wie im vorliegenden Fall, die Aufrechnungserklärung erst nach Ende des Dienstverhältnisses erfolgt; dass sich die Aufrechnung gegen während des aufrechten Dienstverhältnisses entstandene Ansprüche des Dienstnehmers richtet, ist dabei kein Hindernis mehr (RIS-Justiz RS0055197; Kerschner DHG2 § 7 Rz 23).
Gemäß § 1162a ABGB kann der Dienstgeber, wenn der Dienstnehmer ohne wichtigen Grund vorzeitig austritt, Schadenersatz wegen Nichterfüllung des Vertrags verlangen. Diese Pflicht des Dienstnehmers kann durch eine Konventionalstrafe gesichert werden (RIS-Justiz RS0028153; SZ 56/75; Spenling in KBB2 § 1162a ABGB Rz 3), was die Parteien des Arbeitsvertrags hier getan haben. Die Pauschalierung enthebt den Arbeitgeber zwar seiner Verpflichtung zum Nachweis eines Schadenseintritts, doch kann kein Zweifel daran bestehen, dass der Anspruch ein solcher auf Schadenersatz ist (RIS-Justiz RS0028153). Gemäß § 293 Abs 3 EO ist die Aufrechnung gegen den der Exekution entzogenen Teil der Forderung, abgesehen von den Fällen, wo nach bereits bestehenden Vorschriften Abzüge ohne Beschränkung auf den der Exekution unterliegenden Teil gestattet sind, nur zulässig zur Einbringung eines Vorschusses (erster Fall), einer im rechtlichen Zusammenhang stehenden Gegenforderung (zweiter Fall), oder einer Schadenersatzforderung, wenn der Schaden vorsätzlich zugefügt wurde (dritter Fall).
Der dritte Fall scheidet hier schon deshalb aus, weil der vorsätzlich bewirkte Eintritt eines Schadens weder behauptet wurde, noch hervorgekommen ist. Nach überzeugend begründeter Lehre (Resch in Burgstaller/Deixler-Hübner EO-Kommentar § 293 Rz 21; Zechner Forderungsexekution 209 f) regelt die Ausnahmebestimmung des § 293 Abs 3 dritter Fall EO die Aufrechnungsmöglichkeit mit Schadenersatzansprüchen keineswegs abschließend, sondern bezieht sich nur auf vorsätzliche Schadenszufügung, deren Ersatz auch ohne rechtlichen Zusammenhang privilegiert ist. Die weiteren Erörterungen haben sich daher darauf zu konzentrieren, ob hier die Ausnahme des zweiten Falls gegeben ist oder nicht.
Die ältere Rechtsprechung hat Konnexität (und damit Aufrechenbarkeit) zwischen Schadenersatzansprüchen des Arbeitgebers wegen Dienstvertragsverletzung und Lohnanspruch des Arbeitnehmers bejaht (siehe Kerschner DHG2 § 7 Rz 11). Hingegen vertritt die neuere ständige Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0003873; RS0003888; RS0003908) im Anschluss an Krejci („Zur Kompensation von Entgeltforderungen des Arbeitnehmers mit Arbeitgeberansprüchen auf Schadenersatz" in ZAS 1980, 163, 174 ff) und Spielbüchler (Entgeltsicherung 90 ff) eine enge Interpretation der Konnexität. Danach besteht zwischen Schadenersatzanspruch des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer und dessen Entgeltansprüchen kein ausreichender Konnex (Kerschner DHG § 7 Rz 11; Zechner Forderungsexekution 208 ff; Neumayr in ZellKomm § 293 EO Rz 4). Insbesondere wurde ausgesprochen, dass das von der Rechtsprechung als Merkmal des rechtlichen Zusammenhangs herausgearbeitete Kriterium des einheitlichen Vertrags bzw des einheitlichen Rechtsverhältnisses durch das Bestehen eines Dienstverhältnisses, somit eines Dauerschuldverhältnisses, allein nicht immer verwirklicht wird, sodass nur solche Gegenforderungen des Arbeitgebers unter Außerachtlassung des Pfändungsschutzes aufrechenbar sind, die einen unmittelbaren und engen Sachbezug zum Entgeltanspruch haben (SZ 56/70; SZ 56/150).
Da, wie oben dargestellt, der durch eine Konventionalstrafe gesicherte Anspruch der Beklagten auf Schadenersatz gründet, ist - mangels eines ausnahmsweise auch bei Schadenersatzforderungen denkbaren engen Zusammenhangs (s Neumayr aaO; Resch in Burgstaller/Deixler-Hübner EO-Kommentar § 293 Rz 21) - die Konnexität iSd § 293 Abs 3 zweiter Fall EO und damit die erweiterte Aufrechnungsmöglichkeit zu verneinen. Allein der Umstand, dass die Pauschalierung des Schadenersatzes dem Arbeitsvertrag entspringt, reicht nicht aus, um den erforderlichen engen Zusammenhang zu begründen. Die Berufung auf Krejci (ZAS 1980, 174 ff) vermag nicht zu überzeugen: Dieser Autor gibt nämlich zunächst nur den damaligen Stand der Rechtsprechung wieder um dann zu dem - von der vorzitierten Rechtsprechung übernommenen - Schluss zu kommen, dass Ansprüche auf Schadenersatz weitgehend nicht dem Konnexitätsbegriff unterfallen (ZAS 1980, 178). Auch Resch (in Burgstaller/Deixler-Hübner EO-Kommentar § 293 Rz 19) führt die Auffassung, dass die Aufrechnung zwischen offenem Lohn und Schadenersatz wegen vorzeitiger Arbeitseinstellung zulässig sein soll, ausschließlich auf die Entscheidungen Arb 6641 und Arb 6786 (jeweils aus dem Jahre 1957) zurück. Zutreffend verweist Zechner (Forderungsexekution, 209) aber darauf, dass diese Entscheidungen wegen des jetzt herrschenden engen Verständnisses rechtlicher Konnexität nicht mehr aktuell sind.
Zusammenfassend ergibt sich daher, dass die Beklagte mangels rechtlichen Zusammenhangs nicht berechtigt war, mit einer - wenn auch durch Konventionalstrafenvereinbarung gesicherten - Schadenersatzforderung wegen unberechtigten vorzeitigen Austritts der Klägerin gegen deren Lohnanspruch aufzurechnen.
Dem Klagebegehren war daher im Umfang des gesamten, auf den Monat Februar 2008 entfallenden Lohnanspruchs der Klägerin stattzugeben. Auch hinsichtlich des nunmehr zuerkannten Mehrbetrags gilt, dass gemäß § 49a erster Satz ASGG der dort festgelegte gesetzliche (höhere) Zinssatz ohne weitere Behauptungen begehrt werden kann. Es wäre Sache der Beklagten gewesen, Behauptungen darüber aufzustellen, warum dieser Zinssatz hier nicht zustehe (RIS-Justiz RS0116030 [T3]), was jedoch unterblieben ist, sodass das Zinsenbegehren von 11,19 % pa berechtigt ist.
Der Kostenzuspruch hinsichtlich der Verfahren erster und zweiter Instanz gründet sich auf § 43 Abs 1 ZPO. Im Verfahren erster Instanz ist die Klägerin von begehrten 2.157,61 EUR sA nur mit 840 EUR sA, somit 39 % durchgedrungen. Die mit 61 % obsiegende Beklagte hat daher gemäß § 43 Abs 1 erster Satz ZPO Anspruch auf Ersatz von 22 % der ihr angefallenen Vertretungskosten und gemäß § 43 Abs 1 dritter Satz ZPO auf Ersatz von 61 % der ihr erwachsenen Barauslagen. Demgegenüber hat die Klägerin Anspruch auf Ersatz von 39 % ihrer Barauslagen. Wie schon vom Erstgericht zutreffend dargelegt, war der Schriftsatz der Beklagten vom 6. 8. 2008, ON 10, nicht notwendig und ist daher nicht zu honorieren. Die Vertretungskosten der Beklagten im Verfahren erster Instanz betragen 1.400,18 EUR (darin 233,36 EUR USt), 22 % davon ergeben 308,04 EUR (darin 51,33 EUR USt). Die Barauslagen auf Beklagtenseite betragen 156 EUR, 61 % davon sind 95,16 EUR, 39 % der von der Klägerin getragenen Barauslagen von gesamt 87 EUR ergeben 33,93 EUR, daraus folgt ein Differenzanspruch der Beklagten von 61,23 EUR.
Im Berufungsverfahren ist die Klägerin mit 420 EUR von - damals noch - begehrten 724,98 EUR, somit 58 % durchgedrungen. Daraus erfolgt gemäß § 43 Abs 1 erster Satz ZPO ein Anspruch auf Ersatz von 16 % der Vertretungskosten (Barauslagen sind im Berufungsverfahren auf keiner Seite angefallen). Die tarifmäßigen Kosten der Klägerin für die Berufung betragen 327,41 EUR (darin 54,57 EUR USt), 16 % davon ergeben 52,39 EUR (darin 8,73 EUR USt). Dazu kommen gemäß § 41 ZPO iVm § 50 ZPO die Kosten der Berufungsbeantwortung der Klägerin, die damit voll durchgedrungen ist. Diese betragen 327,41 EUR (darin 54,57 EUR USt). Der Gesamtkostenanspruch der Klägerin aus dem Berufungsverfahren beläuft sich somit auf 379,80 EUR (darin 63,30 EUR USt). Der Zuspruch der Revisionskosten an die Klägerin gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
Textnummer
E92273European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:009OBA00050.09G.1029.000Im RIS seit
28.11.2009Zuletzt aktualisiert am
07.10.2011