TE OGH 2009/10/29 9Ob48/09p

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Veröffentlicht am 29.10.2009
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling, Dr. Hradil und Dr. Hopf sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Heidemarie B*****, Pensionistin, *****, vertreten durch Dr. Wolfgang Leitner ua, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Leopold J*****, Pensionist, *****, vertreten durch Pitzal & Partner Rechtsanwälte OG, Wien, wegen 464.069,56 EUR sA, über die Revision (Revisionsinteresse 181.570 EUR) der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 20. März 2009, GZ 11 R 39/06w-359, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 30. Jänner 2006, GZ 5 Cg 81/99i-298, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass die Entscheidungen der Vorinstanzen einschließlich der unangefochten gebliebenen und daher in Rechtskraft erwachsenen Teile zu lauten haben:

„1. Die Klageforderung von 464.069,56 EUR besteht mit 129.988,25 EUR zu Recht.

2. Die Gegenforderungen in Höhe von insgesamt 191.457,50 EUR bestehen nicht zu Recht.

3. Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin 129.988,25 EUR samt 4 % Zinsen aus 402.445,15 EUR vom 4. 3. 1997 bis 1. 12. 2003, aus 132.565,49 EUR vom 2. 12. 2003 bis 23. 9. 2004 und aus 129.988,25 EUR seit 24. 9. 2004 binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen.

4. Das Mehrbegehren, der Beklagte sei schuldig, der Klägerin weitere 334.081,31 EUR samt 4 % Zinsen zu bezahlen, wird ebenso abgewiesen, wie das Begehren auf Zahlung von 4 % Zinsen aus 129.988,25 EUR, soweit sich dieses auf Zeiten vor dem 4. 3. 1997 bezieht."

Die Klägerin ist schuldig, dem Beklagten die mit 2.353,86 EUR (darin 392,31 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Die Kostenaussprüche der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Berufungsgericht wird die Fällung einer neuen Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz aufgetragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist das einzige Kind des am 20. 8. 1993 unter Hinterlassung einer letztwilligen Verfügung (Testament zugunsten des Beklagten) verstorbenen Gerhard H*****. Dieser hatte in den letzten Jahren vor seinem Tod den Wunsch, dem Beklagten sein gesamtes Vermögen zukommen zu lassen. Im Revisionsverfahren des zweiten Rechtsgangs ist unbestritten, dass der Beklagte zu Lebzeiten vom späteren Erblasser Geschenke im Wert von 19.300.000 ATS erhalten hat; darin ist auch die Schenkung eines Sparbuchs mit einer Einlage von 5.500.000 ATS enthalten. Mit dem Realisat aus diesem Sparbuch deckte der Beklagte einen Kredit ab, den er aufgenommen hatte, um den Kaufpreis für vom späteren Erblasser erworbene Liegenschaften begleichen zu können. Diese Liegenschaften fielen in der Folge mangels Verbücherung des Eigentumsrechts des Beklagten in die Verlassenschaft und wurden zugunsten der Pflichtteilsforderung der Klägerin versteigert.

Die Klägerin begehrt als Pflichtteilsberechtigte die Anrechnung sämtlicher dem Beklagten gegenüber erfolgten Schenkungen und Zahlung, soweit die Verlassenschaftsaktiva zur Begleichung des Pflichtteilsanspruchs nicht ausreichten. Unstrittig ist nunmehr, dass auch bei der Einrechnung von Schenkungen Verfahrenskosten, Verlassenschaftskuratorskosten, Begräbniskosten und Stromkosten im Gesamtbetrag von 236.407,83 EUR abzuziehen sind, dass die Verlassenschaftsaktiva 1.852,42 EUR betrugen und von einem der Klägerin allenfalls zustehenden Pflichtteilsergänzungsanspruch 269.879,66 EUR an Versteigerungserlös sowie 2.577,24 EUR für eine vom Beklagten vorgenommene Aufrechnung abzuziehen sind.

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur noch, ob die seinerzeit erfolgte Schenkung eines Sparbuchs mit einem Einlagestand von 5,5 Mio ATS, welche zur Abdeckung von Schulden des Beklagten verwendet wurden, gemäß § 951 erster Satz ABGB zur Deckung des Pflichtteilsbetrags heranzuziehen ist, bzw ob der Beklagte die geschenkte Sache unredlicherweise aus seinem Besitz gelassen hat (§ 952 ABGB).

Aufgrund des Aufhebungsbeschlusses des Obersten Gerichtshofs vom 25. November 2008 (9 Ob 57/07h) traf das Berufungsgericht eine neue Entscheidung. Es vertrat darin die Rechtsauffassung, dass der Beklagte auch mit dem Wert der seinerzeitigen Sparbuchschenkung in Höhe von 5,5 Mio ATS hafte. Der Beschenkte besitze den Wert der geschenkten Sache dann noch, wenn er aufgrund des Geschenks noch in Besitz eines Vermögensvorteils sei (EvBl 1973/143; NZ 1995, 300; 1 Ob 1592/95). Dies sei hier der Fall, weil der Beklagte mit dem geschenkten Geldbetrag eine Kreditschuld beglichen habe. Damit sei der Wert des Geldgeschenks weiterhin in seinem Vermögen vorhanden. Zu Recht habe daher auch das Erstgericht diese Schenkung bei der Ermittlung des Schenkungspflichtteils berücksichtigt. Dem Zuspruch von 311.558,25 EUR legte das Berufungsgericht folgende Rechnung zugrunde: Der Gesamtwert anzurechnender Geschenke habe 19.300.000 ATS betragen, dies seien 1.402.585,70 EUR. Davon seien - unstrittig - 236.407,83 EUR in Abzug zu bringen, dazu kommen die Verlassenschaftsaktiva von 1.852,42 EUR, sodass die Pflichtteilsbemessungsgrundlage 1.168.030,29 EUR betrage. Der Pflichtteil der Klägerin als einzig gesetzlicher Erbin ergebe somit 584.015,15 EUR, davon seien der Versteigerungserlös von 269.879,66 EUR sowie die aufgerechnete Gegenforderung von 2.577,24 EUR in Abzug zu bringen, sodass der Klägerin 311.558,25 EUR zuzusprechen seien. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die Revision nicht zulässig ist.

Lediglich insoweit, als mit dem angefochtenen Urteil ein Mehrbetrag von 181.570 EUR sA zugesprochen wurde, richtet sich dagegen die Revision des Beklagten aus dem Grund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit einem entsprechenden Abänderungsantrag; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruch des Berufungsgerichts zulässig, weil, soweit ersichtlich, in der zu §§ 951, 952 ABGB ergangenen Judikatur das Problem noch nicht behandelt wurde, das sich stellt, wenn der Beschenkte mit einem Geldgeschenk eigene Schulden beglichen hat. Die Revision ist auch berechtigt.

Der Beklagte wendet sich gegen die Rechtsauffassung, dass das Sparbuchgeschenk, welches er selbst mit 363.140 EUR bewertet, in die Pflichtteilsergänzung einzubeziehen sei. Der Wert sei im Vermögen des Beklagten, der mit dem Sparbuchrealisat Schulden getilgt habe, nicht mehr vorhanden. Der Verbrauch des Geldgeschenks sei auch redlich erfolgt, sodass eine Anrechnung nicht mehr in Frage komme.

Der Beschenkte haftet dem verkürzten Noterben grundsätzlich mit der geschenkten Sache, das heißt mit der vorhandenen Bereicherung (1 Ob 1592/95; 7 Ob 595/93 = SZ 67/50; 2 Ob 578/93 = NZ 1995, 300 ua). Der Umfang der Haftung des gutgläubigen Empfängers einer unentgeltlichen Leistung entspricht jener des Beschenkten im Falle des Widerrufs der Schenkung gemäß §§ 947, 949 ABGB. In diesem Sinne liegt eine Bereicherung vor, wenn der Leistungsempfänger aufgrund des Geschenks noch im Besitz eines Vermögensvorteils ist. Ist der Gegenstand der unentgeltlichen Leistung bei Fortbestehen der Gutgläubigkeit des Empfängers verbraucht worden, dem gutgläubigen Empfänger in irgendeiner Weise entzogen oder von demselben unentgeltlich weggegeben worden, so ist eine Bereicherung nicht mehr vorhanden. Hat der Empfänger mit der ihm zugewendeten Geldsumme und unter Verwendung dieser Geldsumme neben eigenem Geld eine Sache angeschafft, die er noch besitzt, dann ist er insoweit bereichert, als er bei der Anschaffung eigenes Geld ersparte (RIS-Justiz RS0018841). Die Anwendbarkeit der Grundsätze der §§ 947 ff (Widerruf wegen Undanks) führt daher dazu, dass auch auf die Bestimmung des § 949 ABGB insoweit abzustellen ist, als der Beschenkte - Redlichkeit vorausgesetzt - zur Deckung des Pflichtteilsanspruchs nur insoweit beizutragen hat, als von den Geschenken in Natur oder Werte noch etwas vorhanden ist. Stanzl (in Klang IV/1, 624) lehrt, dass das in der Natur Vorhandene, nicht aber, was verbraucht oder vernichtet wurde, zurückgegeben werden muss. Der Beschenkte habe daher nur die vorhandene Bereicherung herauszugeben. Eine solche liege vor, wenn der Beschenkte aufgrund des Geschenks noch im Besitz eines Vermögensvorteils ist. Durch das Geschenk sollte der Beschenkte bereichert und dadurch in die Lage versetzt werden, über seine eigenen Verhältnisse zu leben. Habe er dies getan, so sei er in diesem Umfang nicht rückgabepflichtig. Entsprechendes gelte bei Geldschenkungen.

Die oben zitierte Judikatur bezog sich ausschließlich auf Sachverhalte, wo das Geschenk in Natur noch vorhanden war oder aber darum angeschaffte reale Vermögenswerte vorhanden waren, die um den Erlös des Geschenks angeschafft worden waren. Im hier vorliegenden Fall hat der Beklagte das Geldgeschenk (in Gestalt eines Sparbuchs) - übrigens mit Wissen und Willen des Geschenkgebers - dafür verwendet, eigene Schulden zu tilgen. Wenngleich in der Rechtsprechung anerkannt ist, dass es sich beim Pflichtteilsergänzungsanspruch gegenüber einem Geschenknehmer nicht um einen Anspruch auf Herausgabe der Sache, sondern nur dessen Geldwerts handelt, kann doch nicht übersehen werden, dass der Wille des Gesetzgebers dahin geht, nur denjenigen redlichen Beschenkten zu belangen, der noch „im Besitz" des Geschenks bzw der darum angeschafften Sachen steht. Hingegen kann dem Gesetzgeber nicht zugesonnen werden, die redliche Verwendung eines Geldgeschenks durch den Geschenknehmer zur Abdeckung von Schulden als konstant vorhanden bleibenden Vermögensvorteil zu sehen. Sonst würde nämlich ein Geschenknehmer, der mit dem Geschenk Schulden bezahlt hat, ohne sachliche Rechtfertigung schlechter gestellt als ein solcher, der seine Sache veräußert, verloren etc hat. Der Wegfall von Schulden durch Tilgung mit dem erhaltenen Geschenk ist daher nicht dem Besitz der geschenkten Sache oder ihres Werts im Sinne des § 952 ABGB, sondern deren Verbrauch gleichzuhalten.

Unredlichkeit im Sinn des § 952 ABGB liegt etwa dann vor, wenn der Beschenkte mit der Verkürzung von Noterben rechnen musste, wobei leichte Fahrlässigkeit genügt, oder die Zuwendung überhaupt der Verletzung von Pflichtteilsansprüchen diente (Bollenberger in KBB² § 952 Rz 2 mit weiteren Judikaturzitaten). Entsprechend den im Aufhebungsbeschluss 9 Ob 57/07h enthaltenen Auftrag hat das Berufungsgericht die Frage der Redlichkeit bzw Unredlichkeit des Verbrauchs des Geldgeschenks mit den Parteien in der Berufungsverhandlung ausdrücklich erörtert. Die klagende Partei brachte zu diesem Thema lediglich vor, dass „der Beklagte die Verträge mit dem nahe der Geschäftsunfähigkeit befindlichen Gerhard H***** bewusst zu seinem Vorteil gestaltet habe, weshalb er schlechtgläubig gewesen sei" (AS 299 in Band VIII). Abgesehen davon, dass eine Geschäftsunfähigkeit des späteren Erblassers bereits wirksam verneint wurde, ist aus diesem Vorbringen kein relevanter Unredlichkeitstatbestand abzuleiten. Der von der Klägerin in ihrer Revisionsbeantwortung erhobene Einwand, dass der Beklagte den Pflichtteilsanspruch der Klägerin durch eine Vielzahl von Maßnahmen zu kürzen und zu unterlaufen getrachtet habe, ist als unzulässige Neuerung unbeachtlich.

Der Beklagte ist daher so zu stellen, wie wenn er das ihm geschenkte Geld verbraucht hätte, mangels erwiesener Unredlichkeit ist grundsätzlich von seiner Redlichkeit auszugehen (Kralik in Ehrenzweig, Privatrecht IV³, 308). Die Schenkung über 5,5 Mio ATS an den Beklagten hat daher bei der Ermittlung des Schenkungspflichtteils außer Betracht zu bleiben. Zieht man daher den vom Beklagten als zu viel errechneten Betrag von 363.140 EUR von der Pflichtteilsbemessungsgrundlage ab, ist auch der Zuspruch an die Klägerin jedenfalls um den im Revisionsantrag begehrten Betrag von 181.570 EUR sA zu mindern, was sich auch im Zuspruch der (gestaffelten) Zinsen auswirkt.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Übertragung der den Vorinstanzen betreffenden Kostenentscheidungen an das Berufungsgericht ergibt sich aus einem Größenschluss aus § 510 Abs 1 letzter Satz ZPO. Wenn der Oberste Gerichtshof sogar die Entscheidung der Hauptsache dem Berufungsgericht übertragen kann, sofern die dafür erforderlichen eingehenden Berechnungen einen Zeitaufwand erfordern, der dem Höchstgericht nicht zugemutet werden soll, muss dies um so mehr für die Kostenfrage gelten, zumal sich auch aus den Rechtsmittelbeschränkungen der ZPO (§§ 519 Abs 1, 528 Abs 2 Z 3) ergibt, dass der Oberste Gerichtshof grundsätzlich nicht mit Kostenfragen belastet werden soll (1 Ob 1/09t in RIS-Justiz RS0124588). Im vorliegenden Fall ergibt sich die Notwendigkeit eingehender Berechnungen unter anderem daraus, dass Klagsänderungen vorgenommen wurden, somit verschiedene Verfahrensabschnitte zu bilden sind und der Akt insgesamt acht umfangreiche Bände umfasst.

Textnummer

E92511

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0090OB00048.09P.1029.000

Im RIS seit

28.11.2009

Zuletzt aktualisiert am

31.01.2013
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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