Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AufG 1992 §6 Abs2 impl;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 99/19/0059Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hanslik, über die Beschwerden 1. der 1984 geborenen J K und
2. der 1983 geborenen M K, beide in L/Polen, beide vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres je vom 19. Februar 1999, 1. Zl. 114.947/7-III/11/98 und 2. Zl. 114.947/6-III/11/99, jeweils betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführerinnen Aufwendungen in der Höhe von jeweils S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerinnen beantragten jeweils am 26. August 1997 (bei der Niederlassungsbehörde erster Instanz jeweils eingelangt am 3. September 1997), die erstmalige Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zum Zwecke der Familiengemeinschaft mit ihrem in Österreich lebenden Vater.
Diese gemäß § 112 FrG 1997 nach Inkrafttreten des Fremdengesetzes 1997 als solche auf Erteilung von Erstniederlassungsbewilligungen gewerteten Anträge wurden mit Bescheiden des Landeshauptmannes von Wien vom 7. Juli 1998 gemäß § 10 Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetzes 1997 (FrG 1997) abgewiesen. Die Beschwerdeführerinnen erhoben Berufung.
Mit den angefochtenen gleich lautenden Bescheiden vom 19. Februar 1999 wies der Bundesminister für Inneres diese Berufungen gemäß §§ 21 Abs. 1 bis 3 und 113 Abs. 10 FrG 1997 ab.
Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe der bezughabenden Gesetzesstellen aus, aus § 21 Abs. 1 bis 3 FrG 1997 gehe eindeutig hervor, dass der Familiennachzug ausschließlich auf Ehegatten und deren minderjährige Kinder vor Vollendung des 14. Lebensjahres beschränkt sei. Es stehe fest, dass die Beschwerdeführerinnen in ihrem Antragsformular als Aufenthaltszweck "Familiengemeinschaft mit Fremden", und zwar mit ihrem in Österreich lebenden Vater, angegeben haben. Die Beschwerdeführerinnen seien jedoch bereits über 14 Jahre alt und es treffe der Aufenthaltszweck nicht mehr zu. Unbeschadet des Vorbringens in den Berufungen stelle die belangte Behörde fest, dass es sich hiebei um eine gesetzliche Bestimmung handle, die in den Fällen der Beschwerdeführerinnen eindeutig anzuwenden sei.
Aus der Aktenlage sei ersichtlich, dass der Vater der Beschwerdeführerinnen im österreichischen Bundesgebiet aufhältig sei. Es habe sohin eine Abwägung der öffentlichen Interessen gegenüber den privaten Interessen zu erfolgen. Nach Wiedergabe des § 8 Abs. 1 und 3 FrG 1997 führte die belangte Behörde weiters aus, dieser "Abwägung" sei zu entnehmen, dass den öffentlichen Interessen gegenüber den privaten Interessen absolute Priorität eingeräumt werden müsse, weil der vorgegebene Aufenthaltszweck keinesfalls zutreffen könne. Aus diesem Grund seien die Anträge der Beschwerdeführerinnen auf Erteilung von Erstniederlassungsbewilligungen - auch wenn dadurch in ihr Privatleben eingegriffen werde - abzuweisen gewesen und sei dies auch ausschlaggebend dafür gewesen, dass die Ermessensentscheidung der belangten Behörde zu Ungunsten der Beschwerdeführerinnen ausgefallen sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen ihres persönlichen, sachlichen und rechtlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Beschwerden in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Mit Erkenntnis vom 19. Juni 2000, G 16/00, hob der Verfassungsgerichtshof in § 21 Abs. 3 FrG die Wortfolge "vor Vollendung des 14. Lebensjahres" als verfassungswidrig auf. Er sprach aus, dass diese Aufhebung mit Ablauf des 31. Dezember 2000 in Kraft trete (vgl. die Kundmachung des Bundeskanzlers, BGBl. I Nr. 66/2000). Eine Ausdehnung der Anlassfallwirkung auf beim Verwaltungsgerichtshof anhängige Beschwerdeverfahren nahm der Verfassungsgerichtshof in diesem Erkenntnis nicht vor.
Der gegenständliche Beschwerdefall ist nicht Anlassfall des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 19. Juni 2000. Der Verwaltungsgerichtshof hatte vorliegendenfalls daher § 21 Abs. 3 FrG 1997 in seiner Fassung vor Inkrafttreten der Aufhebung der oben zitierten Wortfolge durch den Verfassungsgerichtshof anzuwenden (Art. 140 Abs. 7 B-VG).
Die Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin bringt vor, die Rechtsansicht der belangten Behörde, wonach ein Familiennachzug im Rahmen der Quotenpflicht nur dann möglich sei, wenn im Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheids das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet gewesen war, sei verfehlt und liefere einen Antragsteller dem Ermessen der Behörde hinsichtlich des Zeitpunktes der Entscheidung "ausnahmslos" aus. § 21 Abs. 3 FrG 1997 lasse eine Auslegung zu, wonach der maßgebliche Zeitpunkt der Vollendung des 14. Lebensjahres "die Antragstellung, die Protokollierung, Bescheiderlassung erster Instanz oder sodann die Einbringung der Berufung sei.
Mit diesem Vorbringen zeigt die Erstbeschwerdeführerin keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
Der Verwaltungsgerichtshof hat im hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1999, Zlen. 99/19/0052 bis 0055, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, Folgendes ausgeführt:
Wenn in dieser Bestimmung (gemeint: § 21 Abs. 3 FrG 1997) davon die Rede ist, dass der Familiennachzug auf die Kinder vor Vollendung des 14. Lebensjahres beschränkt ist, so ist damit klar zum Ausdruck gebracht, dass eine Bewilligung (nur darauf, nicht etwa auf den tatsächlichen Nachzug kann es ankommen) des Familiennachzuges nach dieser Bestimmung nur im Zeitpunkt der Bescheiderlassung unmündigen Kindern erteilt werden kann.
Das Abstellen auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Bescheiderlassung ist demnach - so die weiteren Ausführungen des Erkenntnisses - nicht als unsachlich zu erkennen, ist doch für die Entscheidung, ob einem Fremden die Zuwanderung zu gestatten ist oder nicht, die persönliche Situation (hier: das Alter) des Fremden im Entscheidungszeitpunkt wichtiger als jene im Antragszeitpunkt. Der Umstand, dass ein vor Erreichen der Mündigkeit gestellter Antrag gemäß § 21 Abs. 3 FrG 1997 bloß deshalb nicht bewilligt werden kann, weil sich die Entscheidung darüber bis zur Erreichung des 14. Lebensjahres des Antragstellers verzögert hat, wäre allerdings außerhalb des Anwendungsbereiches des § 113 Abs. 10 FrG 1997 bei einer im Rahmen der Quote gemäß § 19 Abs. 5 FrG 1997 zu treffenden Ermessensentscheidung entsprechend zu berücksichtigen (vgl. für den Fall der Erreichung der Volljährigkeit während des Niederlassungsverfahrens auch das hg. Erkenntnis vom 11. Juni 1999, Zl. 98/19/0236).
Die belangte Behörde hat es - in Verkennung der Rechtslage - unterlassen zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 113 Abs. 10 FrG 1997 vorliegen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat im hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1999, Zlen. 98/19/0225, 0226, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, ausgeführt, dass ausgehend vom Zweck des § 113 Abs. 10 FrG 1997 die dort umschriebene Voraussetzung, "dass der Nachzug bislang bloß deshalb unterblieben ist, weil eine Bewilligung gemäß der Verordnung nach § 2 des Aufenthaltsgesetzes nicht zur Verfügung stand", dahin zu interpretieren ist, dass sie im Fall einer Antragstellung vor Inkrafttreten des FrG 1997 nur dann fehlt, wenn der Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 3 Abs. 1 Z. 2 AufG ein Ausschließungsgrund im Sinne des § 5 Abs. 1 AufG entgegenstand, also auch unter der Geltungsdauer des Aufenthaltsgesetzes in Wahrheit gar kein Anspruch auf Familiennachzug bestand.
Maßgebend für die Frage, ob die Voraussetzungen des § 113 Abs. 10 FrG 1997 vorliegen, ist daher nicht ein bestimmtes Verhalten oder die hinter einem solchen Verhalten stehende Motivation der Aufenthaltsbehörde (für die Nichterteilung einer Aufenthaltsbewilligung), sondern allein die Frage, ob während der Geltungsdauer des Aufenthaltsgesetzes dem Anspruch auf Familiennachzug gemäß § 3 Abs. 1 Z. 2 AufG ein Versagungsgrund im Sinne des § 5 Abs. 1 AufG entgegenstand. Hiezu sind bei der Beurteilung der Frage, ob § 113 Abs. 10 FrG 1997 angewendet werden kann, von der Niederlassungsbehörde die entsprechenden Feststellungen zu treffen.
In Verkennung der oben dargestellten Rechtslage unterließ es die belangte Behörde Feststellungen darüber zu treffen, ob im Falle der Beschwerdeführerinnen zwischen ihrer Antragstellung und dem 1. Jänner 1998 ein Versagungsgrund im Sinne des § 5 Abs. 1 AufG vorlag.
Verneinendenfalls wäre auf die Beschwerdeführerinnen die Übergangsbestimmung des § 113 Abs. 10 FrG 1997 anzuwenden gewesen. Sie wären dann berechtigt gewesen, ihren Anspruch auf Familiennachzug gemäß § 20 Abs. 1 FrG 1997 im Rahmen der gemäß § 113 Abs. 10 FrG 1997 festgelegten Quoten durchzusetzen. Ein Raum für eine Ermessensübung der belangten Behörde hinsichtlich der Erteilung der Niederlassungsbewilligungen bestünde diesfalls nicht.
Schon aus dieser Erwägung leiden die angefochtenen Bescheide an Rechtswidrigkeit des Inhaltes.
Im Übrigen wäre auch bei Verneinung der Anwendbarkeit der Bestimmung des § 113 Abs. 10 FrG 1997 eine Prüfung der Anträge unter dem Gesichtspunkt des § 19 Abs. 5 FrG 1997 geboten gewesen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. Juni 1999 , Zl. 99/19/0236).
Die angefochtenen Bescheide waren daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 19. Dezember 2000
Schlagworte
Maßgebende Rechtslage maßgebender SachverhaltEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1999190058.X00Im RIS seit
02.05.2001