TE OGH 2009/10/29 2Ob129/09y

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Veröffentlicht am 29.10.2009
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K*****, vertreten durch Achammer Mennel Welte Achammer Kaufmann Rechtsanwälte GmbH in Feldkirch, gegen die beklagten Parteien 1. R*****, 2. G*****, beide vertreten durch Mag. Matthias Kucera, Rechtsanwalt in Hard, wegen 175.900 EUR sA (Revisionsinteresse 33.560 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 27. April 2009, GZ 3 R 31/09x-195, womit das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 8. Dezember 2008, GZ 8 Cg 1/02b-188, in der Hauptsache bestätigt wurde, beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

1. Die Parteibezeichnung der zweitbeklagten Partei wird von „I*****" auf „G*****" berichtigt.

2. Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden abgeändert, sodass sie einschließlich der rechtskräftigen Teile zu lauten haben wie folgt:

„Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, dem Kläger 175.900 EUR samt 4 % Zinsen aus 5.000 EUR vom 3. 5. 2002 bis 26. 11. 2004, aus 10.000 EUR vom 27. 11. 2004 bis 17. 5. 2006, aus 50.000 EUR vom 18. 5. 2006 bis 18. 10. 2006, aus 72.776,73 EUR vom 19. 10. 2006 bis 10. 10. 2008 und aus 175.900 EUR seit 11. 10. 2008 sowie die mit 42.819,60 EUR (darin 5.329,68 EUR USt und 10.841,50 EUR Barauslagen) bestimmten Prozesskosten erster und zweiter Instanz binnen 14 Tagen zu bezahlen."

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, dem Kläger die mit 3.363,01 EUR (darin 346,37 EUR USt und 1.284,80 EUR Pauschalgebühr) bestimmten Kosten der Revision binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Zu 1.:

Die I***** wurde im Jahr 2004 als übertragende Gesellschaft mit der G***** als übernehmender Gesellschaft verschmolzen (vgl FN *****, FN *****). Die Voraussetzungen für die Berichtigung der Parteienbezeichnung nach § 235 Abs 5 ZPO liegen vor (RIS-Justiz RS0035114 [T5]; RS0112924 [T4]; RS0039530 [T5]).

Zu 2.:

Der Kläger wurde bei einem Verkehrsunfall am 1. Oktober 2000 schwer verletzt. Den Erstbeklagten trifft das Alleinverschulden am Unfall. Die Zweitbeklagte ist Gesamtrechtsnachfolgerin des Haftpflichtversicherers des Kraftfahrzeugs des Erstbeklagten. Bis zum Unfall war der Kläger als selbständiger Tischler ohne Mitarbeiter tätig.

Mit der am 28. Dezember 2001 eingebrachten Klage begehrte der Kläger Schadenersatz aus dem Verkehrsunfall in Höhe von 380.310,57 S, worin Schadenersatz für Verdienstentgang nicht enthalten war. Weiters begehrte er die Feststellung der Haftung der Beklagten für alle künftigen kausalen Schäden aus dem Verkehrsunfall, die Zweitbeklagte bis zur Höhe der Haftungssumme aufgrund des Versicherungsvertrags. In der mündlichen Streitverhandlung vom 3. Mai 2002 dehnte der Kläger das Klagebegehren unter anderem um 5.000 EUR für Verdienstentgang aus. In der mündlichen Streitverhandlung vom 26. November 2004 dehnte der Kläger das Verdienstentgangsbegehren (bis 31. Dezember 2002) auf 10.000 EUR aus. Am 17. Mai 2006 dehnte der Kläger das Verdienstentgangsbegehren auf 50.000 EUR aus. In der Streitverhandlung vom 18. Oktober 2006 anerkannten die Beklagten das Feststellungsbegehren, sodass die Erstrichterin in dieser Streitverhandlung das stattgebende Teilanerkenntnisurteil über das Feststellungsbegehren verkündete. In derselben Streitverhandlung dehnte der Kläger sein Verdienstentgangsbegehren auf 72.776,73 EUR aus. In der mündlichen Streitverhandlung vom 10. Oktober 2008 dehnte der Kläger sein Verdienstentgangsbegehren (bis Ende 2005) auf 175.900 EUR aus.

Die Beklagten wandten Verjährung ein.

Im Revisionsverfahren ist nur mehr der geltend gemachte Verdienstentgang für das Jahr 2001 streitgegenständlich.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit 142.340 EUR samt gestaffelten Zinsen statt und wies das Mehrbegehren von 33.560 EUR sA ab. Es traf folgende Feststellungen:

Der (deutsche) Kläger erwirtschaftete in den Jahren 2001 bis 2003 in seinem Tischlereibetrieb Verluste. Diese Verluste führten zu Steuergutschriften bei der Ehegattin, da eine gemeinsame Veranlagung vorgenommen wurde. Aufgrund des Splittingtarifs führten die negativen Einkünfte des Klägers zu einer Steuerrückerstattung (Lohnsteuer) bei seiner Ehegattin in den Jahren 2001 bis 2004. Ursache für diese Steuergutschrift der Ehegattin waren die vermögensrechtlichen Nachteile des Klägers, die aufgrund der gemeinsamen Veranlagung aufgrund des Ehegattensplittings den Ehegatten gemeinsam zugekommen sind. Die Steuergutschriften betrugen in den Jahren 2001 bis 2004 insgesamt 17.678,09 EUR. Werden diese Steuergutschriften der Ehegattin des Klägers berücksichtigt, so lag der Nettoverdienstentgang des Klägers in den Jahren 2001 bis 2005 bei 103.830,58 EUR.

Ginge man davon aus, dass dem Kläger für das Jahr 2001 ein Verdienstentgang von nur 10.000 EUR zustünde, so läge der gesamte Nettoverdienstentgang des Klägers bei Berücksichtigung der Steuergutschrift zu Gunsten seiner Ehegattin bei 85.137,01 EUR. Unter der Voraussetzung, dass dem Kläger dieser Verdienstentgang im Jahr 2008 zuflösse, läge der Bruttoverdienstentgang bei Anrechnung der Steuergutschrift bei 175.900 EUR. Würde man den Verdienstentgang für das Jahr 2001 mit 10.000 EUR festsetzen, beliefe sich der Bruttoverdienstentgang für die Jahre 2001 bis 2005 unter Berücksichtigung der Steuergutschrift für die Ehegattin des Klägers auf 142.340 EUR.

In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Ansicht, die Verdienstentgangsansprüche für das Jahr 2001 seien über den Betrag von 10.000 EUR hinaus (nämlich im Betrag von 33.560 EUR sA), der schon vor der Ausdehnung am 17. Mai 2006 geltend gemacht worden sei, verjährt.

Das Berufungsgericht gab der gegen den abweisenden Teil des erstgerichtlichen Urteils gerichteten Berufung des Klägers nicht Folge und ließ die Revision nicht zu. Es führte in rechtlicher Hinsicht Folgendes aus: Damit die mit dem Primärschaden am Unfallstag begonnene Verjährungsfrist hinsichtlich des Verdienstentgangs unterbrochen hätte werden können, hätte der Kläger mit seiner Klage auch eine Feststellungsklage betreffend den Verdienstentgang erheben müssen. In der gegenständlichen Feststellungsklage sei aber keine Rede davon, dass sich das Feststellungsbegehren auch auf den Verdienstentgangsschaden erstrecken sollte. Auch später im Verfahren sei das Feststellungsbegehren nicht auf Verdienstentgangsschäden gestützt worden. Die Unterbrechungswirkung des erhobenen Feststellungsbegehrens trete für ein später, nach Ablauf der Verjährungsfrist erhobenes Leistungsbegehren nur dann ein, wenn der im Leistungsbegehren geltend gemachte Anspruch (hier Verdienstentgang) mit jenem dem Feststellungsbegehren zu Grunde liegenden Anspruch ident sei. Da hier das Feststellungsbegehren von den Tatsachenbehauptungen her niemals auf Verdienstentgangsschäden gestützt gewesen sei, liege hier eine derartige Identität des Anspruchs nicht vor. Das Feststellungsbegehren und das darüber ergangene Anerkenntnisurteil habe daher auf die Verjährung der geltend gemachten Verdienstentgangsansprüche keinen Einfluss. Aufgrund der erst sukzessive während des Verfahrens ausgedehnten Verdienstentgangsansprüche seien diese (im Betrag über 10.000 EUR) verjährt.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinne einer vollständigen Klagsstattgebung abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagten, denen vom Obersten Gerichtshof die Erstattung einer Revisionsbeantwortung freigestellt wurde, beantragen in dieser, die Revision mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist wegen Verkennung der Rechtslage durch das Berufungsgericht zulässig und berechtigt.

Der Revisionswerber bringt im Wesentlichen vor, sein Feststellungsbegehren und auch das Feststellungsurteil umfassten auch den geltend gemachten Verdienstentgang, da nach dem Feststellungsurteil die Beklagten dem Kläger für alle künftigen kausalen Schäden aus dem Verkehrsunfall zu haften hätten. Eine Einschränkung der Feststellungswirkung auf einzelne bestimmte Ansprüche ergebe sich aus dem Spruch des Urteils nicht. Das Feststellungsbegehren und das Feststellungsurteil hätten daher auch Einfluss auf die Verjährung der geltend gemachten Verdienstentgangsansprüche. Diese seien daher (für das Jahr 2001) nicht verjährt.

Diesen Ausführungen ist beizupflichten: Bei Haftungsprozessen aus Schadensereignissen, insbesondere aus Verkehrsunfällen, sind Begehren auf Feststellung der Haftung der Beklagten für alle künftigen kausalen Schäden aus dem Schadensereignis die Regel. Eine Einschränkung des Begehrens dahingehend, dass nur für bestimmte Schäden die Haftung der Beklagten festgestellt werde, wurde auch im vorliegenden Fall nicht vorgenommen.

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist von diesem vielmehr umfassend formulierten Feststellungsbegehren bzw Feststellungsurteil auch der durch den Unfall verursachte Verdienstentgang des Klägers umfasst. Die vom Berufungsgericht angeführten Fälle der nicht vorhandenen Anspruchsidentität zwischen Feststellungsbegehren und nachfolgend geltend gemachtem Leistungsanspruch treffen daher den vorliegenden Fall nicht.

Nach ständiger Rechtsprechung reicht ein ganz allgemein gehaltenes Feststellungsbegehren über die Haftung für alle künftigen Schäden aus einem Schadensereignis für eine Unterbrechungswirkung für sämtliche unfallkausalen Schäden aus (SZ 39/19; 8 Ob 31/85; 2 Ob 13/96; 2 Ob 33/09f ua).

Durch die Einbringung der Feststellungsklage (der später stattgegeben wurde) wurde die Verjährung aller in diesem Zeitpunkt zukünftigen Schadenersatzansprüche unterbrochen (RIS-Justiz RS0034771 [T1]).

Bei einem selbständigen Unternehmer wie im vorliegenden Fall wird der Verdienstentgang - wovon auch die Parteien und die Vorinstanzen ausgegangen sind - in der Regel nach Kalenderjahren berechnet. Der Verdienstentgangsanspruch für ein Kalenderjahr kann somit nicht vor dessen Ablauf fällig werden. Der hier noch strittige Anspruch für das Jahr 2001 war im Klagszeitpunkt (28. Dezember 2001) daher ein „zukünftiger" (RIS-Justiz RS0034771), „noch nicht bezifferbarer" (9 Ob 69/00p) bzw „noch nicht fälliger" (1 Ob 100/02s; RIS-Justiz RS0034286) Anspruch und deshalb von der Unterbrechungswirkung des Feststellungsbegehrens erfasst. Eine Klagsausdehnung auf später fällig werdende Beträge ist nicht erforderlich (RIS-Justiz RS0034771 [T5]). Die Unterbrechung der Verjährung endet erst mit Zustellung des dem Feststellungsbegehren stattgebenden Urteils (RIS-Justiz RS0034771 [T6]).

Der vom Berufungsgericht zitierten Gegenmeinung von M. Bydlinski in Rummel, ABGB3 § 1497 Rz 7a und 10 aE, ist nicht zu folgen: Der Feststellungskläger kümmert sich im Gegensatz zu einem untätigen Gläubiger um sein Recht, weshalb von einer unbegründbaren Privilegierung des Feststellungsklägers durch die Rechtsprechung gegenüber demjenigen, der noch gar keine gerichtlichen Schritte gesetzt hat, keine Rede sein kann. Im Fall einer bereits eingebrachten Feststellungsklage und danach eintretenden Schäden fehlt es auch an einer den Rechtsfrieden störenden Überraschung des - in seiner Erwartung bisher immer bestätigten, nun aber enttäuschten - Schuldners durch einen plötzlich tätig werdenden Gläubiger, die den Schuldner als schutzwürdig erscheinen ließe (vgl F. Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts 168 f).

Im vorliegenden Fall wurde das Feststellungsanerkenntnisurteil durch Verkündung gegenüber den anwesenden Prozessparteien am 18. Oktober 2006 wirksam (§ 416 Abs 3 ZPO). Die Ausdehnung auf den zuletzt geltend gemachten Betrag von 175.900 EUR erfolgte nur knapp zwei Jahre später, nämlich am 10. Oktober 2008.

Somit ist der für 2001 geltend gemachte Verdienstentgangsanspruch, auch soweit er 10.000 EUR übersteigt, nicht verjährt.

Die Kostenentscheidung für das erstinstanzliche Verfahren gründet sich auf § 41 ZPO, für das Rechtsmittelverfahren auf die §§ 50, 41 ZPO. Für die Kostenentscheidung erster Instanz wurden die aus der Entscheidung des Berufungsgerichts bekannten Erwägungen zum Kostenrekurs der Beklagten (Honorierung einzelner Schriftsätze) mit einer Ausnahme zugrundegelegt: Für die Berufungsbeantwortung im vorigen Rechtsgang gebührt gemäß § 23 Abs 9 iVm Abs 5 RATG der vierfache Einheitssatz. Bei den zweitinstanzlichen Kosten wurden die Kosten der Beklagten für den überwiegend berechtigten Kostenrekurs abgezogen. Für die Berufung im nunmehrigen Rechtsmittelverfahren gebührt mangels abgehaltener Berufungsverhandlung gemäß § 23 Abs 9 RATG nur der dreifache Einheitssatz.

Textnummer

E92514

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0020OB00129.09Y.1029.000

Im RIS seit

28.11.2009

Zuletzt aktualisiert am

31.01.2013
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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