Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden und durch die Hofrätinnen/Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. Roch und Dr. Tarmann-Prentner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gerhild E*****, vertreten durch Dr. Ralph Forcher, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei Michaela R*****, vertreten durch Hauer-Puchleitner-Majer Rechtsanwälte OEG in Gleisdorf, wegen Zivilteilung (Streitwert: 50.000 EUR) über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 7. Mai 2009, GZ 2 R 65/09k-22, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Text
Begründung:
Die Vorinstanzen verneinten einen Anspruch der Klägerin auf Zivilteilung einer Liegenschaft wegen Vorliegens eines Teilungshindernisses aufgrund des dem Vater der Klägerin und Großvater der Beklagten zustehenden Vorausvermächtnisses in Form der Weiterbenützung der dort gelegenen Ehewohnung.
Rechtliche Beurteilung
Das Urteil des Berufungsgerichts enthält zwar keinen (ausdrücklichen) Bewertungsausspruch für das auf Zivilteilung einer Liegenschaft gerichtete Klagebegehren, doch wird in der rechtlichen Beurteilung auf den dreifachen Einheitswert hingewiesen, wonach der Wert des Entscheidungsgegenstands jedenfalls 20.000 EUR übersteigt; bei dieser Sachlage erübrigt sich ein Ergänzungsauftrag zur Nachholung des Bewertungsausspruchs (vgl 5 Ob 498/97i; vgl ferner 5 Ob 98/09m; RIS-Justiz RS0042429 [T12]; RS0042390; RS0043046 [T2]).
Die außerordentlich Revision ist allerdings unzulässig, weil die Klägerin keine erhebliche Rechtsfrage geltend macht:
1. Gemäß § 830 ABGB kann jeder Teilhaber einer Eigentumsgemeinschaft die Aufhebung der Gemeinschaft begehren, jedoch nicht zur Unzeit oder zum Nachteil der Übrigen. Unzeit ist ein objektiver, außerhalb der Beteiligten bestehender und aus der Beschaffenheit der Sache resultierender Umstand, der die Teilung zum gegebenen Zeitpunkt unzweckmäßig und für beide Teile schädlich macht (Gamerith in Rummel³ § 830 ABGB Rz 6; 2 Ob 53/97a mwN = EvBl 1998/165, 739 = NZ 1998, 402 = EFSlg 87.266). Es muss sich dabei um einen vorübergehenden Umstand handeln, der in absehbarer Zeit wegfallen wird oder beseitigt werden kann (Egglmeier/Gruber/Sprohar in Schwimann³ § 830 ABGB Rz 61 mwN). Vorübergehend ist ein Zustand, dessen Ende für einen nicht allzu fernen Zeitpunkt absehbar ist, weil er entweder entfällt oder beseitigt werden kann (Gamerith aaO Rz 6; 1 Ob 521/96 = SZ 69/169 vgl RIS-Justiz RS0013287; RS0013280).
2. Dass das aus dem gesetzlichen Vorausvermächtnis erfließende Recht des erblasserischen Ehegatten, die Ehewohnung im bisherigen Umfang weiterbenützen zu dürfen, nach den Umständen des zu beurteilenden Falls das einer Teilung der Liegenschaft entgegenstehende Hindernis der Unzeit verwirklichen kann, hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen (6 Ob 233/04i = SZ 2004/179 = EvBl 2005/100, 457 = NZ 2005/47, 199 [Mondel] = JBl 2005, 511 = MietSlg 56.058 = MietSlg 56.067).
3. Dem Vorausvermächtnis (§ 758 ABGB) ihres Vaters, in der Ehewohnung weiter wohnen zu dürfen, hält die Klägerin die Subsidiarität dieses Rechts entgegen und beruft sich darauf, ihr Vater bewohne die Liegenschaft aufgrund einer mit ihr nach dem Tod der Mutter abgeschlossenen Benützungsvereinbarung bzw aufgrund eines bei der späteren Übereignung von Liegenschaftsanteilen an seine Enkelin, die Beklagte (= Tochter der Klägerin), eingeräumten dinglichen Rechts, nämlich eines Ausgedinges. Dabei verkennt die Klägerin den Subsidiaritätscharakter des Vorausvermächtnisses:
Das gesetzliche Vorausvermächtnis des Wohnungsrechts des Ehegatten ist im Verhältnis zu den erbrechtlichen Sonderregelungen über die Wohnung subsidiär. Dasselbe gilt, wenn der überlebende Ehegatte Erbe des Eigentümers jener Liegenschaft ist, auf der sich die Ehewohnung befunden hat, oder er die Wohnung schon bisher zum Teil aus eigenem Recht (Eigentum) bewohnen konnte und eine derartige Berechtigung im Übrigen mit dem Tod des bisher berechtigten Ehegatten kraft Erbrechts erwirbt (vgl 6 Ob 184/99y = SZ 72/174; 3 Ob 516/92 = JBl 1992, 646 = wobl 1993/37, 54 = SZ 65/67 = EFSlg 68.974 = MietSlg 44.040; RIS-Justiz RS0012820). Keine diese Voraussetzungen lag nach dem Ableben der Mutter der Klägerin vor. Eine - nach dem Erbfall - allenfalls zwischen der Klägerin und ihrem Vater abgeschlossene Benützungsvereinbarung, die nach dem Vorbringen der Klägerin mit Umbauarbeiten in Zusammenhang gestanden sein soll, beseitigt daher gegebenenfalls nicht per se die Ansprüche aus dem gesetzlichen Voraus.
Soweit sich die Klägerin auf das ihrem Vater von der Beklagten eingeräumte Ausgedinge beruft, übersieht sie, dass dieses - nur den ideellen Anteil der Beklagten belastende (vgl dazu RIS-Justiz RS0060365) - Recht nach dem festgestellten Vertragswortlaut gerade kein Wohnungsrecht beinhaltet (vgl dazu RIS-Justiz RS0011833; RS0060362), sodass auch daraus ein Entfall des gesetzlichen Vorausvermächtnisses infolge seiner Subisidiarität nicht abgeleitet werden kann.
4. In der Entscheidung 6 Ob 132/97y (= SZ 70/122 = JBl 1997, 721 = EFSlg 84.322) hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, der gesetzliche Voraus der Witwe, in der ehelichen Wohnung weiter wohnen zu dürfen, setze entsprechende Rechte des Erblassers an der Wohnung als Grundlage des Vermächtnisses voraus (Nachlasszugehörigkeit). Wenn der Erblasser nur Miteigentümer der Liegenschaft gewesen sei, auf der sich die Ehewohnung befunden habe, und er die Wohnung nur aufgrund einer Benützungsregelung unter Miteigentümern benützt habe, könne die Witwe der Teilungsklage der Miteigentümer nicht das gesetzliche Vorausvermächtnis als Teilungshindernis entgegenhalten. Mit dieser Rechtsansicht stehen die Entscheidungen der Vorinstanzen nicht in Widerspruch, weil hier die Erblasserin und ihr Gatte - gemeinsam und allein - Miteigentümer der Liegenschaft waren, während der Entscheidung 6 Ob 132/97y ein Sachverhalt zugrunde lag, nach welchem (nur) der Erblasser (und nicht auch dessen Gattin) - zum Zeitpunkt dessen Ablebens - lediglich Miteigentümer war und die Benützung der Ehewohnung (bereits zur Zeit des Todes des Mannes nur) aufgrund einer Benützungsvereinbarung mit dem weiteren Miteigentümer erfolgte.
5. Der Klägerin ist einzuräumen, dass nach der Entscheidung 6 Ob 233/04i (= SZ 70/122 = JBl 1997, 721) aus dem gesetzlichen Voraus des Wohnrechts nicht zwingend und jedenfalls, sondern (nur) nach dem dort „zu beurteilenden Fall" ein Teilungshindernis abzuleiten war. Die Bejahung eines Teilungshindernisses auch im vorliegenden Fall kann aber nicht als aufzugreifende, weil unvertretbare Einzelfallbeurteilung erkannt werden, hat doch der auf der Liegenschaft seine Wohnbedürfnisse deckende, am 7. Jänner 1923 geborene Vater der Klägerin bereits ein fortgeschrittenes Alter erreicht (vgl 3 Ob 626/76; 7 Ob 603/83; RIS-Justiz RS0013277). Unter diesem Gesichtspunkt kann auch das auf den Liegenschaftsanteilen der Beklagten lastende Ausgedinge, auf welche sich diese ebenfalls berufen hat (S 3 in ON 11), als Teilungshindernis erkannt werden, fehlt doch angesichts des Inhalts des zugrunde gelegenen Vertrags jeglicher Anhaltspunkt für eine vorrangig unter dem Gesichtspunkt einer Verhinderung der Liegenschaftsteilung übernommenen Verpflichtung.
6. Soweit die Klägerin unter dem Titel der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens aufgrund vermeintlich unrichtiger rechtlichen Beurteilung der Vorinstanzen unterbliebene Beweisaufnahmen zum Abschluss einer Benützungsvereinbarung zwischen ihr und ihrem Vater (Gatte der Erblasserin) reklamiert, ist sie auf deren mangelnde rechtliche Relevanz zu verweisen (s oben Punkt 3.).
Der Standpunkt der Klägerin, es wären auch zu Umbau und Umgestaltung der Liegenschaft Beweisaufnahmen erforderlich gewesen, weil diese Baumaßnahmen den „Untergang" der früheren Ehewohnung dokumentiert hätten, ist verfehlt. Der Umfang der Ehewohnung richtet sich nämlich nach den tatsächlichen Verhältnissen zum Zeitpunkt des Todes (hier:) der Erblasserin und es kann dann auch eine Liegenschaft mit einem Haus „Ehewohnung" im Sinn des § 758 ABGB sein (7 Ob 561/93 = NZ 1994, 83 = SZ 66/102; 1 Ob 2364/96w mwN = NZ 1998, 60; Welser in Rummel³, § 758 ABGB Rz 7a). Nach den Feststellungen des Erstgerichts „hatte sich die Ehewohnung verteilt über das ganze Haus befunden" (Ersturteil S 5 f), sodass schon aus diesem Grund im Haus gegebenenfalls stattgefundene Umbaumaßnahmen nicht zum Untergang des ohnehin das gesamte Objekt umfassenden gesetzlichen Voraus führen konnten.
Soweit die Klägerin zum vermeintlichen Verzicht ihres Vaters auf seine Ansprüche aus dem Vorausvermächtnis (aus rechtlichen Erwägungen) weitergehende Beweisaufnahme für erforderlich erachtet, kann dem ebenfalls nicht gefolgt werden. Die Klägerin hat diesen Verzicht vor dem Erstgericht allein darauf gestützt, dass ihr Vater sein Vorausvermächtnis im Abhandlungsverfahren nicht geltend gemacht habe (S 3 in ON 14), wozu das Erstgericht entsprechende Feststellungen getroffen hat (Ersturteil S 6). Ein (rechtlicher) Feststellungsmangel liegt insoweit nicht vor. Im Übrigen begründet schon unmittelbar der auf § 758 ABGB beruhende Anspruch auf den gesetzlichen Voraus gegebenenfalls das Teilungshindernis, sodass dafür eine ausdrückliche Berufung darauf im Verlassenschaftsverfahren oder eine Rechtseinräumung durch den Belasteten nicht erforderlich ist (6 Ob 233/04i = SZ 70/122 = JBl 1997, 721). Schließlich stellt die Verneinung eines Verzichts auf das Vorausvermächtnis aufgrund der aktenkundigen Gestion des Vaters der Klägerin im Verlassenschaftsverfahren eine nicht aufzugreifende Einzelfallbeurteilung dar (vgl RIS-Justiz RS0014190; RS0014420).
7. Die unter dem Titel der Aktenwidrigkeit (hilfsweise als Nichtigkeit) geltend gemachten (rechtlichen) Mängel der Tatsachengrundlage betreffen wiederum die von der Klägerin in ihrer Bedeutung rechtlich unrichtig bewertete Benützungsvereinbarung (s dazu oben Punkt 3.) sowie den vermeintlichen Verzicht (s dazu oben Punkt 6.).
8. Schließlich verneint die Klägerin - allerdings nicht im Rahmen der Zulassungsbeschwerde (vgl dazu auch RIS-Justiz RS0043644 [insb T3 und T4]) - die mangelnde Legitimation der Beklagten zur Geltendmachung des dem Gatten der Erblasserin (Vater der Klägerin, Großvater der Beklagten) zustehenden Vorausvermächtnisses als Teilungshindernis, und zwar ausschließlich mit der Begründung, den Voraus könne nur der Gatte der Erblasserin geltend machen. Dass dieser Einwand unzutreffend ist, folgt bereits aus der nun schon mehrfach zitierten Entscheidung 6 Ob 233/04i (= SZ 70/122 = JBl 1997, 721). Weitere - gegebenfalls selbstständige und daher nicht ohne Geltendmachung aufzugreifende (vgl dazu RIS-Justiz RS0043338; 5 Ob 193/08f mwN; 5 Ob 148/07m mwN; Zechner in Fasching/Konecny2 IV/1 § 503 ZPO Rz 189 f mwN) - Gründe, welche gegen die Legitimation der Beklagten sprechen könnte, zeigt die Klägerin nicht auf.
Mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision der Klägerin somit zurückzuweisen.
Textnummer
E92555European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:0050OB00125.09G.1110.000Im RIS seit
10.12.2009Zuletzt aktualisiert am
25.09.2012