Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Tarmann-Prentner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. D***** R*****, vertreten durch Dr. Franz Terp, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei M***** H***** F***** B*****, vertreten durch Dr. Ernst Blasl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Herausgabe, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 24. März 2009, GZ 41 R 177/08w-11, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Der Kläger „verkaufte" dem Beklagten im Jahr 2000 einen Gastwirtschaftsbetrieb samt Inventar und Mietrechten. Bei Vertragsabschluss leistete der Beklagte eine Barzahlung, der vereinbarte Restkaufpreis war in 84 gleichen Monatsraten jeweils zum Ersten der Folgemonate zu bezahlen. Für den Fall des Verzugs mit drei auch nicht aufeinanderfolgenden Monatsraten war der Kläger vereinbarungsgemäß berechtigt, den Vertrag „nach Setzung einer Nachfrist von 14 Tagen" für aufgelöst zu erklären und die Rückstellung des Kaufgegenstands zu verlangen. Im Fall eines Rücktritts sollten alle vom Beklagten bis dahin bezahlten Beträge als Pachtschilling gelten.
Der Beklagte bezahlte in der Folge bis November 2005 insgesamt 64 der vereinbarten 84 Monatsraten, danach stellte er die Zahlungen an den Kläger ein.
Im Juni 2006 forderte der Kläger den Beklagten mit Schreiben seines rechtsfreundlichen Vertreters zur Nachzahlung der offenen Raten samt anteiliger Mehrwertsteuer und anwaltlichen Interventionskosten binnen 14 Tagen auf, „andernfalls der Kaufvertrag vom 17. April 2000 für aufgelöst erklärt wird". Der Beklagte bestritt im Antwortschreiben seines Vertreters eine weitere Zahlungspflicht, da er bereits viel mehr als den wahren Wert des Kaufgegenstands bezahlt habe. Einem „allfälligen" Auflösungsbegehren sehe er mit Gelassenheit entgegen.
Der Kläger unternahm daraufhin keine weiteren Schritte. Im Dezember 2006 „verkaufte" der Beklagte „das Anlagevermögen und die Mietrechte" der Gastwirtschaft einer Gastronomiebetriebs-GmbH und war danach nur mehr als Arbeitnehmer im Lokal beschäftigt.
Im Juni 2007 wurde über das Vermögen des Beklagten das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet. Der Kläger meldete eine Konkursforderung von 35.000 EUR, bezeichnet als „Restbeträge von Kaufvertrag, Teilkaution, Zinsen und Rechtsanwalt" an, die der Beklagte zur Gänze anerkannte. Der im Oktober 2007 geschlossene Zahlungsplan über eine Quote von 10,8 % der Forderungen, zahlbar in 14 Halbjahresraten ab April 2008, wurde rechtskräftig bestätigt.
In seiner Klage vom 3. April 2008 begehrt der Kläger die Übergabe des seinerzeit verkauften Gastwirtschaftsbetriebs samt Inventar mit der Begründung, der gegenüber dem Beklagten im Schreiben vom 21. Juni 2006 ausgesprochene Rücktritt vom Kaufvertrag sei mangels Zahlung des offenen Ratenrückstands innerhalb der gesetzten Nachfrist wirksam geworden.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die völlige Untätigkeit des Klägers nach Verstreichen der im Juni 2006 gesetzten Nachfrist und die Anmeldung (auch) der Restkaufpreisforderung im Schuldenregulierungsverfahren des Beklagten könnten nach den gegebenen Umständen nur als Verzicht auf das Rücktrittsrecht verstanden werden. Davon abgesehen müsse ein Herausgabebegehren auch an der fehlenden Gewahrsame des Beklagten scheitern.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers keine Folge. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige, und erklärte die ordentliche Revision mangels der gesetzlichen Voraussetzungen für nicht zulässig. Dem Schreiben vom 21. Juni 2006 sei überhaupt kein wirksamer Vertragsrücktritt des Klägers zu entnehmen, dagegen spreche auch sein nachfolgendes Verhalten. Durch die Anmeldung der Restkaufpreisforderung im Schuldenregulierungsverfahren werde zwar ein Rücktrittsanspruch nach § 918 ABGB noch nicht konsumiert, der bestätigte Zahlungsplan wirke aber wie ein gerichtlicher Vergleich als neuer Rechtsgrund, der nunmehr einen Vertragsrücktritt wegen Verletzung der früheren Vereinbarung ausschließe.
In seinen Ausführungen zur Zulässigkeit der außerordentlichen Revision wendet sich der Kläger lediglich gegen die Beurteilung der Vorinstanzen, er habe im Juni 2006 keinen wirksamen Vertragsrücktritt erklärt. Diese Ansicht sei „derart unrichtig", dass aus Gründen der Rechtssicherheit eine Anrufung des Obersten Gerichtshofs zulässig sein müsse. Die im Aufforderungsschreiben des Klägers gebrauchte Formulierung lasse entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts keinen Zweifel darüber aufkommen, dass der Vertragsrücktritt damit nicht nur angekündigt, sondern bereits (bedingt) erklärt wurde.
Rechtliche Beurteilung
Mit diesen Ausführungen lässt sich die Zulässigkeit der Revision jedoch nicht erfolgreich begründen.
Die Auslegung von Erklärungen und Verhaltensweisen eines Vertragsteils hängt immer von den Umständen des Einzelfalls ab und könnte, wie auch der Revisionswerber erkennt, nur dann eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO darstellen, wenn wegen einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis vorläge. Diese Voraussetzung ist beispielsweise erfüllt, wenn die Interpretation mit Sprachregeln, allgemeinen Erkenntnissätzen oder gesetzlichen Auslegungsregeln in unversöhnlichem Widerspruch steht, aber nicht schon dann, wenn alternativ auch eine andere Auslegung vertretbar gewesen wäre (RIS-Justiz RS0044298, insb [T46]; RS0042871 ua; Rummel in Rummel, ABGB3 § 914 Rz 24 mwN).
Wenn das Berufungsgericht die im Aufforderungsschreiben des Klägers verwendete konkrete Formulierung als sprachlich zweideutig beurteilt hat, weil sie nach dem maßgeblichen Gesichtspunkt des Empfängerhorizonts als auflösend bedingter Vertragsrücktritt, aber genauso auch nur als Androhung eines Rücktritts für den Fall des fruchtlosen Verstreichens der Nachfrist aufgefasst werden konnte, hat es den nach § 914 ABGB vorgegebenen Rahmen der gesetzlichen Auslegung keineswegs verlassen.
Ist die Ermittlung der Bedeutung einer Erklärung ohne eindeutiges Ergebnis geblieben, kommt aber die Unklarheitenregel des § 915 Abs 2 ABGB zum Tragen (Rummel aaO § 915 Rz 4), sodass im Zweifel die für den Erklärenden nachteiligere Auslegung zu Grunde zu legen ist. Dieses Ergebnis entsprach im konkreten Fall offenkundig auch dem tatsächlichen Verständnis des Erklärungsempfängers, hat doch der Beklagte in seinem Antwortschreiben erklärt, einem „allfälligen" Auflösungsbegehren „gelassen entgegen" zu sehen.
Die Ansicht des Revisionswerbers, das Berufungsgericht habe entgegen § 918 ABGB für die Wirksamkeit des Vertragsrücktritts noch zusätzlich ein aktives Betreiben der Rückabwicklung verlangt, beruht offenbar auf einem Missverständnis, weil die Untätigkeit des Klägers vom Berufungsgericht keineswegs als anspruchsvernichtende Tatsache beurteilt, sondern lediglich als stützendes Argument für die objektive Auslegung der schriftlichen Willenserklärung herangezogen wurde. Auch mit diesem Argument des Revisionswerbers wird daher keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt.
Gegen die Rechtsansicht der Vorinstanzen, wonach die materiellrechtlichen Wirkungen des rechtskräftigen Zahlungsplans im Verfahren zu berücksichtigen waren und der Wirksamkeit eines erst nach Beendigung des Schuldenregulierungsverfahrens mit der Klage erklärten Vertragsrücktritts entgegenstehen, wendet sich der Revisionswerber nicht.
Die Revision war daher wegen Fehlens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO als unzulässig zurückzuweisen.
Textnummer
E92578European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:0060OB00099.09S.1112.000Im RIS seit
12.12.2009Zuletzt aktualisiert am
20.09.2012