TE OGH 2009/11/16 9ObA59/09f

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Veröffentlicht am 16.11.2009
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Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Glawischnig und die fachkundigen Laienrichter Mag. Paul Kunsky und AR Angelika Neuhauser als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Reinhold U*****, vertreten durch Dr. Susanne Kuen, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei O***** GmbH, *****, vertreten durch Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 114.000 EUR sA, über die Rekurse beider Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 24. Februar 2009, GZ 11 Ra 95/08g-17, mit dem das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 15. Mai 2008, GZ 16 Cga 96/07a-13, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Beiden Rekursen wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens vor dem Obersten Gerichtshof sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der Kläger war aufgrund eines mit der O***** Aktiengesellschaft abgeschlossenen Tankstellen-Pachtvertrags ab 1. 11. 2001 mit der selbständigen Führung des Tankstellenunternehmens in *****, betraut. Die Beklagte ist Gesamtrechtsnachfolgerin der O***** Aktiengesellschaft. Der Kläger war für die Beklagte bzw deren Rechtsvorgängerin als Handelsvertreter (Verkauf von Treibstoffen und Folgemarktprodukten bzw -dienstleistungen) tätig. Daneben betrieb er auch einen Tankstellenshop und führte ein Waschgeschäft.

Der am 16./30. 10. 2001 geschlossene Tankstellenpachtvertrag hat folgenden wesentlichen Inhalt:

„I. Verpachtung der Tankstelle

(...)

2.) Vertragszweck, Betriebspflicht des Pächters, Verbot der Überlassung an Dritte:

Der Pächter soll, ohne zur persönlichen Dienstleistung verpflichtet und ohne mit der Zuführung von Kunden betraut zu sein, die Tankstelle als selbständiger Unternehmer eigenverantwortlich als Selbstbedienungsanlage betreiben. Der Verkauf von Treibstoffen, Ofenheizöl und Schmierstoffen erfolgt ausschließlich im Agenturverhältnis, demnach im Namen und für Rechnung der O*****. Verwandte Mineralölerzeugnisse (wie Bremsflüssigkeit) aus dem Angebot der O***** werden vom Pächter als Eigenhändler, demnach im eigenen Namen und für eigene Rechnung vertrieben. Gleiches gilt auch für Pflegemittel, Spezialitäten und Shop-Artikel, welche der Pächter zur Wahrung eines einheitlichen Warensortiments an der Tankstelle der O***** führen soll und bei den von ihr empfohlenen Lieferanten beziehen kann, sowie auch für Dienstleistungen, wie Wagenpflege, Ölwechsel etc. Der Pächter wird die Tankstelle während der zulässigen Betriebszeiten offenhalten und sachgerecht mit entsprechendem Personal betreiben sowie die Interessen der O***** nach besten Kräften wahrnehmen und alles unterlassen, was dem Ansehen der O***** und der von ihr verwendeten Marken sowie den bei ihren Tankstellen geführten Waren nachteilig sein kann. Betriebsurlaube und Sperrtage dürfen nur mit Zustimmung der Verpächterin festgelegt werden. Diese stimmt bis auf weiteres einer Einschränkung der Tankstellenöffnungszeit wie folgt zu: 06:00 - 22:00 Uhr. Der Pächter hat jedoch gesetzliche Verkaufsbeschränkungen durch Öffnungszeitenbestimmungen betreffend Waren, welche nicht zu den Kleinhandelsnebenrechten des Tankstellengewerbes gemäß § 279 Abs 2 GewO 1994 gehören, sowie bei gastronomischen Leistungen die gesetzlich oder behördlich angeordneten Sperrzeiten und jedenfalls allfällige behördliche Betriebszeitenregelungen, insbesondere für Wasch- und Servicetätigkeiten, zu beachten. (...)

3.) Vertragsdauer und vorzeitige Vertragsauflösung:

3.1. Dieser Vertrag wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen und kann vom Pächter oder der O***** unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 3 Monaten zu jedem Jahresquartalsende (31. 03., 30. 06., 30. 09. und 31. 12.) mittels eingeschriebenen Briefes aufgekündigt werden. Ab dem Beginn des 4. Vertragsjahres verlängert sich die Kündigungsfrist auf 6 Monate. Kündigungstermin ist jedoch jeweils der Letzte eines Kalendermonats.

3.2. Die O***** ist jederzeit zur fristlosen Auflösung des Vertrages berechtigt, wenn

(...)

3.2.2. der Pächter eine Zahlungs- oder Sicherstellungsverpflichtung aus diesem Vertrag oder anderen Verträgen mit der Verpächterin nicht einhält;

3.2.3. der Pächter gegen die Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Führung der Tankstelle oder zur Wahrung der Interessen der Verpächterin verstößt;

(...)

3.2.7. der Pächter seine Vertrauenswürdigkeit verliert, insbesondere bei strafgerichtlicher Verurteilung oder wiederholten Verwaltungsübertretungen;

(...)

4. Pachtzins:

4.1. Der Pächter hat für Tankstellennettoumsätze, das sind vom Kunden vereinnahmte Entgelte abzüglich MWSt., ausgenommen Umsätze mit jenen Waren, die der Pächter direkt von O***** bezieht, einen umsatzabhängigen Monatspachtzins wie folgt zu entrichten:

Shopumsätze 10 % vom Umsatz,

Lose (Brief-, Rubbellose und dgl)

2 % vom Umsatz,

Waschgeschäft 15 % vom Umsatz,

Gastronomieumsätze 14 % vom Umsatz,

Tabakwaren, soferne diese zulässigerweise

verkauft werden dürfen 5 % vom Umsatz;

Reifenumsätze sowie Umsätze aus Serviceleistungen, Autobahn-Vignette und Telefon-Wertkarten sind pachtzinsfrei.

Die Umsatzpacht hat jedoch mindestens (Mindestumsatzpachtzins), wertgesichert,

für das Jahr 2002 für das Shop-Geschäft

ATS 315.000,--

für das Waschgeschäft ATS 115.900,--

für die Gastronomie ATS 152.500,--

ab dem 01. 01. 2003 für das

Shopgeschäft ATS 315.000,--

für das Waschgeschäft ATS 133.000,--

für die Gastronomie ATS 175.000,--

(...)

Sämtliche Pachtzinse sind ab 01. 11. 2001 zuzüglich MWSt: zu entrichten.

4.2. Die Umsatzpachtzinsabrechnung ist detailliert nach den in Punkt 4.1. angeführten Umsatzgruppen der Verpächterin bis zum 10. eines jeden Folgemonats pünktlich zuzuleiten. Die Zahlung des umsatzabhängigen und fixen Pachtzinses hat bis spätestens 15. des jeweiligen Abrechnungsmonats zu erfolgen.

(...)

4.4. Der Pachtzins deckt lediglich die mit dem Bestand des Objektes verbundenen Steuern und Abgaben. Alle aus dem Betrieb des Pachtverhältnisses entstehenden Betriebskosten, Steuern und Abgaben und sonstigen Aufwendungen hat der Pächter aus eigenem zu tragen.

(...)

4.6. Die Aufrechnung von Gegenforderungen gegen den Pachtzins wird einvernehmlich ausgeschlossen.

4.7. Der Pächter ermöglicht der Verpächterin die Einhebung der monatlichen Pachtzahlungen im Bankeinzugsverfahren und verpflichtet sich, unverzüglich die erforderlichen Aufträge an das einvernehmlich bestimmte Kreditinstitut zu erteilen und stets für eine ausreichende Deckung des Kontos zu sorgen.

4.8. Der Pächter bestellt für alle Ansprüche der Verpächterin auf pünktliche Bezahlung des umsatzabhängigen und fixen Pachtzinses, aber auch für allfällige Schadenersatzansprüche aus diesem Pachtverhältnis eine Bankbürgschaft im Betrag von ATS 1.200.000,--, welche während der gesamten Dauer des Pachtvertrages und bis zu 3 Monate danach aufrecht zu erhalten ist. Für den Fall, dass diese Sicherheit während der Vertragsdauer ganz oder teilweise aufgebraucht wird bzw wegfällt, hat der Pächter für die rechtzeitige Stellung einer neuer Sicherheit in der vorangeführten Höhe zu sorgen.

(...)

II. Warenvertrieb

7. Verkauf von Agenturwaren:

7.1. Der Pächter übernimmt den Verkauf von Treibstoffen, Ofenheizöl und Schmierstoffen im Namen und für Rechnung von O*****. Diese Agenturwaren bleiben daher bis zum Verkauf oder bis zur Entnahme für den Eigenverbrauch im Eigentum der O***** und haben zu den von O***** jeweils vorgeschriebenen Preisen und nur gegen Barzahlung, von O***** ausgegebenen Gutscheinen oder unter Benützung von ihr zugelassener Scheck- bzw Kreditkarten zu erfolgen. Gibt der Pächter dennoch ausnahmsweise Agenturwaren auf Kredit ab, so ist er wie bei der Entnahme für den Eigenverbrauch verpflichtet, den Gegenwert der entnommenen Ware unverzüglich bar einzuzahlen und trägt er allein das aus der Kreditgewährung entstehende Risiko (Delkredere). Er haftet der O***** gegenüber für jeden daraus entstehenden Schaden. Vorausbestellungen zu festen Preisen dürfen nicht angenommen werden.

7.2. Gelder und Gutscheine gehen mit der Übernahme durch den Pächter in das Eigentum der O***** über. Sie sind sicher und gesondert zu verwahren und auf Weisung jederzeit an O***** abzuführen. Der Pächter haftet für jeden Verlust, es sei denn, er weist nach, dass daran weder ihn noch diejenigen Personen, deren er sich bei der Ausübung seiner Tätigkeit bedient, ein Verschulden trifft.

(...)

8. Vergütung für Agenturware:

8.1. Als Entgelt für den Vertrieb von Agenturwaren erhält der Pächter für verkaufte oder im Eigenverbrauch bezogene Treibstoffe, Ofenheizöle und Schmierstoffe eine Vergütung, die im Rahmen der branchenüblichen Tankstellenvergütung von der O***** jeweils in angemessener Weise festgesetzt wird. 50 % der Vergütung entfallen auf verwaltende Tätigkeiten.

8.2. Derzeit erhält der Pächter folgende Vergütungen:

Für Vergaserkraftstoffe und Dieselkraftstoffe bis zu einer verkauften Kalenderjahresmenge

von 1.000.000 Liter ATS 36,-- pro 100 Liter,

+ Sondervergütung von ATS 10,-- pro 100 Liter, *)

von 1.000.001 bis 1.500.000 Liter ATS 36,-- pro 100 Liter,

von 1.500.001 bis 3.000.000 Liter ATS 26,-- pro 100 Liter,

über 3.000.000 Liter ATS 22,-- pro 100 Liter,

*) die Sondervergütung wird bis auf weiteres geleistet.

für Heizöl extra leicht ATS 23,-- pro 100 Liter.

Für Schmierstoffe rechnet sich die Nettovergütung aus dem jeweiligen Unterschied zwischen dem Nettoeinstandspreis und dem Nettoverkaufspreis gemäß jeweils gültiger O*****-Preisliste.

Zu den vorgenannten Vergütungen zahlt die O***** die MWSt.

8.3. Die Abrechnung der Vergütung für Treibstoff-Umsätze wird wie folgt vorgenommen:

Der Pächter erhält auf seinen Vergütungsanspruch einen monatlichen Akontobetrag von ATS 25.000,-- zuzüglich USt, zahlbar jeweils bis 5. eines jeden Monats durch Überweisung auf das Pächterkonto. In den Agenturabrechnungen wird bei allen Treibstoffen eine Teilvergütung von ATS 22,-- je 100 Liter, zuzüglich USt, berücksichtigt. Bis jeweils spätestens Ende April erfolgt bezüglich der Vergütung eine Jahresabrechnung aufgrund der im Vorjahr vom Verpächter tatsächlich verkauften oder eigenverbrauchten Treibstoffe.

Forderungen der O***** aus Jahresabrechnungen sowie der Endabrechnung sind sofort zur Zahlung fällig. Differenzbeträge zu Gunsten des Pächters werden während der laufenden Geschäftsbeziehung bzw zum Saldenausgleich mit Gutschriften beglichen.

(...)

8.5. Die dem Pächter zustehende Vergütung gemäß Punkt 8.3. kann von den vereinnahmten Geldern abgezogen werden, soweit der O***** nicht anerkannte oder gerichtlich zugesprochene Forderungen, sei es aus diesem Vertrag oder anderen Rechtstiteln, gegen den Pächter zustehen oder die Vergütungen nicht abgetreten, verpfändet oder gepfändet wurden.

9. Eigenhandel:

9.1. Sonstiges Waren- und Leistungsangebot:

Alle anderen an der Tankstelle verkauften Waren, ausgenommen Agenturwaren, werden vom Pächter in seinem Namen und auf seine Rechnung verkauft. Dies gilt auch für Dienstleistungen, die von ihm an der Tankstelle erbracht werden.

9.2. Es sind ausschließlich Schmierstoffen verwandte Spezialitäten (Bremsflüssigkeit, Frostschutz etc) der Marke 'O*****' zu verwenden.

(...)

9.7. Der Pächter wird sein Warenangebot auf das bei vergleichbaren Tankstellen der O***** übliche Sortiment ausrichten und die diesbezüglichen Richtlinien der O***** beachten.

10. Anlieferung von Waren:

(...)

10.3. Der Pächter trägt von der ordnungsgemäßen Anlieferung ab das Risiko der Lagerung, bei Agenturwaren jedoch nur, soweit er nicht nachweist, dass an dem Verlust oder der Beschädigung der Waren ihn und diejenigen Personen, deren er sich bei der Ausübung seiner Tätigkeit bedient, kein Verschulden trifft (...).

11. Gemeinsame Bestimmungen betreffend Agentur- und Eigenhandelswaren:

(...)

11.3. Eine Aufrechnung oder Zurückbehaltung ist der O***** gegenüber, ausgenommen für anerkannte oder gerichtlich zugesprochene Forderungen, auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses ausgeschlossen.

(...)

III. Allgemeine Bestimmungen

(...)"

Die Selbstbedienungstankstelle die im Grenzbereich von Österreich zu Deutschland liegt, war cirka eineinhalb Jahre vor der Übernahme durch den Kläger erneuert worden. Im Zug des Umbaus wurden ein Shop und eine Bistro-Einheit eingebaut. Der Kläger übernahm zu Beginn seiner Tätigkeit an der Tankstelle einzelne Lieferscheinkunden, baute diese aber kontinuierlich ab. Von Anfang an traten Kassafehlbestände auf, deren Ursache während der Jahre nicht geklärt werden konnte.

Der vom Kläger am Vortag verkaufte Treibstoff wurde im jeweiligen Gegenwert von der Beklagten bereits am nächsten Tag vom Konto des Klägers abgebucht. Cirka 30 bis 40 % der Kunden zahlten mittels Bankomatkarten, Kreditkarten, O*****-Routexkarten oder Routexkarten anderer Betreiber. Bei Bezahlung mit Kreditkarte wurde dem Kläger der entsprechende Betrag spätestens acht Tage nach Bezahlung gutgebucht, bei Bezahlung mittels Bankomatkarte innerhalb von cirka zwei Tagen. Bei Routexkarten wird dem Kartenbesitzer direkt vom Kartenbetreiber der Betrag in Rechnung gestellt.

Von Herbst 2005 bis Juni/Juli 2006 kam es infolge von Straßenumbauarbeiten zu Behinderungen in der Zufahrt zur Tankstelle. Ob es in dieser Zeit zu Umsatzrückgängen kam, ist nicht feststellbar.

Über die Öffnungszeiten der Tankstelle konnte der Kläger nicht frei entscheiden, diese wurden ihm ebenso wie die Treibstoffpreise von der Beklagten vorgegeben. Die Beförderungskosten für den Treibstoff zur Tankstelle des Klägers trug ebenso wie die Lagerkosten die Beklagte. Der Kläger trug lediglich die Betriebskosten (Energie, Stromkosten, Reinigungskosten, Entsorgungskosten). Das Risiko für die Betriebsanlage trug die Beklagte. Auch für Mangelhaftigkeit des Treibstoffs hätte diese einzustehen gehabt.

Im Jahr 2004 wurden die Tanks an der Tankstelle des Klägers erweitert, weil die bisherige Lagerkapazität nicht ausreichend war und mehrmals - insbesondere an den Wochenenden - kein Treibstoff mehr vorhanden war. Während der cirka drei Monate dauernden Arbeiten war der Verkauf insoweit eingeschränkt, als er nur an zwei doppelten anstelle von vier doppelten Zapfsäulen möglich war.

Nach Übernahme der Tankstelle konnte der Kläger die Umsätze, vor allem im Gastronomie- und Shopbereich maßgeblich steigern. Insbesondere im Gastronomiebereich erwirtschaftete er überdurchschnittliche Umsätze. Bis April 2006 führte der Kläger den Shop und das Bistro eigenständig auf eigene Rechnung. Am 30. 3./10. 4. 2006 schlossen die Streitteile einen Franchise-Vertrag als Ergänzung zum Tankstellenunternehmensvertrag ab. Diesem Vertragsabschluss war eine Informationsveranstaltung vorangegangen bei der das Franchisesystem vorgestellt wurde. Bei dieser wurde dem Kläger zugesichert, dass er keinen Nachteil durch dieses neue System habe. Auch die einzelnen Area-Manager der Beklagten empfahlen den Tankstellenpächtern, darunter auch dem Kläger, den Franchise-Vertrag zu unterschreiben. Dass von der Beklagten auf den Kläger in irgendeiner Form Druck oder Zwang ausgeübt worden wäre, den Vertrag zu unterschreiben, kann nicht festgestellt werden. Die Beklagte wünschte zwar, dass möglichst viele Tankstellenpächter den Vertrag unterfertigen, es wurde allerdings auch darauf hingewiesen, dass die Nichtunterfertigung für den einzelnen Pächter keinen Nachteil bedeuten werde.

Aus diesem Franchise-Vertrag ergeben sich für den Kläger neben der Verpflichtung zur Entrichtung der Franchisegebühr unter anderem folgende Verpflichtungen:

„8. Leistungen und Pflichten des V***** Franchise-Partners

8.1. Der V***** Franchise-Partner anerkennt, dass das einheitliche Auftreten und die Identität und der Ruf des V***** Franchise-Systems eine grundsätzliche Voraussetzung für den wirtschaftlichen Erfolg aller Beteiligten ist. Der V***** Franchise-Partner verpflichtet sich deshalb, die im V***** Franchise-Handbuch definierten Standards einzuhalten, sowie alles zu unternehmen, um die Qualität, die Umsetzung des V***** Konzepts und den Erfolg des V***** Franchise-Systems zu fördern und die Erfüllung seiner Pflichten nicht zu gefährden.

8.2. Der V***** Franchise-Partner hat insbesondere nachfolgende im V***** Franchise-Handbuch einschließlich der dazu gehörenden Know-how Dokumentationen und dem V***** Partner-Net näher beschriebenen Pflichten:

I. Die Führung des V***** Standorts entsprechend diesem Vertrag und den Standards des V***** Franchise-Systems;

...

V. die Produkte des V***** Sortiments und des V***** Angebots nur bei der O***** oder von der O***** empfohlenen Lieferanten zu beziehen, sofern Lieferfähigkeit besteht, um dadurch ein einheitliches Erscheinungsbild und einheitliches V***** Sortiment und V***** Angebot auf dem V***** Standort sowie eine effiziente und zeitgerechte Belieferung zu gewährleisten;

VI. die Führung des V***** Standorts in sauberer und zweckmäßiger Weise entsprechend den von der O***** aufgestellten Qualitäts- und Sauberkeitsstandards, -praktiken und -verfahren des V***** Konzepts;

VII. die Beachtung der von der O***** bestimmten Höchstpreise für das V***** Sortiment und das V***** Angebot."

Durch die Einführung des Franchise-Systems war dem Kläger eine freie Preiskalkulation nicht mehr möglich, die Preise wurden vielmehr von der Beklagten in das System der Tankstellen eingespielt. Darüber hinaus wurde dem Kläger ein (verbindliches) Warensortiment vorgegeben, unter dem sich auch verderbliche Güter befanden, für deren Entsorgung der Kläger sorgen musste, wenn er sie nicht verkaufen konnte. Auch die Lieferanten wurden von der Beklagten vorgegeben. Die Qualität des Shops wurde von den Area-Managern der Beklagten und Mystery-Shoppern überprüft. Dass das Franchise-System unerprobt oder mangelhaft gewesen wäre, kann nicht festgestellt werden.

Der Kläger erzielte vom 1. 11. 2001 bis 31. 12. 2001 Umsatzerlöse in Höhe von 1.329.757,52 ATS, davon an Provisionserlösen aus Agentur 129.932,06 ATS. In diesen beiden Monaten des Jahres 2001 musste der Kläger hohe Investitionen tätigen, sodass er in diesem Jahr laut Gewinn- und Verlustrechnung einen Bilanzverlust in Höhe von 66.517,24 ATS verzeichnete.

In den Jahren 2002 bis 2006 erzielte der Kläger folgende Umsatzerlöse:

2002: 669.679,17 EUR

darunter Provisionserlöse aus Agentur: 88.323,26 EUR

2003: 768.441,70 EUR

darunter Provisionserlöse aus Agentur: 92.062,37 EUR

2004: 752.800,-- EUR

darunter Provisionserlöse aus Agentur: 91.100,-- EUR

2005: 728.264,98 EUR

darunter Provisionserlöse aus Agentur: 93.283,03 EUR

2006: 687.241,94 EUR

darunter Provisionserlöse aus Agentur: 80.822,34 EUR

Die Gewinn- und Verlustrechnungen weisen für die einzelnen Jahre folgenden Gewinn bzw Verlust aus:

2002: Bilanzgewinn 3.118,27 EUR

2003: Bilanzgewinn 14.563,67 EUR

2004: Bilanzgewinn 36.600,-- EUR

2005: Bilanzgewinn 24.519,28 EUR

2006: Bilanzgewinn 851,75 EUR

Der Kläger betrieb die Tankstelle immer in Doppelbesetzung; an den Wochenenden arbeiteten in den Stoßzeiten immer drei Personen an der Tankstelle. Durch die Steigerung der Umsätze im Gastro- und Shopbereich benötigte der Kläger in diesem Bereich auch vermehrt Personal. Im Durchschnitt beschäftigte der Kläger sechs bis sieben Angestellte (inkl Lehrlinge, Teilzeitarbeitskräfte und der Gattin des Klägers). Zusätzlich arbeitete auch der Kläger an der Tankstelle mit, dies mit einer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von cirka 60 Stunden. Der Personalaufwand des Klägers betrug in den Monaten November und Dezember 2001 268.880,89 ATS. In den Jahren 2002 bis 2006 hatte der Kläger folgenden Personalaufwand:

2002: 132.981,90 EUR

2003: 158.640,45 EUR

2004: 140.300,-- EUR

2005: 153.994,81 EUR

2006: 172.760,42 EUR

Ende 2003 lag bei der vom Kläger betriebenen Tankstelle eine Überschuldung in Höhe von etwa 60.000 EUR vor. Dies war aufgrund der Umsatzstärke allerdings nicht besorgniserregend. Als konkrete Maßnahme zur Senkung der Schulden wurde eine Optimierung der Personalkosten angestrebt, die im Jahr 2004 ebenso wie eine Reduktion der Privatentnahmen des Klägers erreicht wurde.

Erste Zahlungsschwierigkeiten des Klägers gegenüber der Beklagten traten im Herbst 2005 auf; es kam zu Liquiditätsengpässen, insbesondere konnten einzelne Bankeinzüge nicht durchgeführt werden. Die Zahlungsschwierigkeiten verstärkten sich ab Juli 2006. Der Kläger wurde von der Beklagten mündlich und mit Schreiben vom 31. 8. 2006 auch schriftlich ermahnt. In diesem Schreiben wurde dem Kläger auch die Vertragsauflösung angedroht. Per 31. 8. 2006 betrug der offene Saldo 97.933,73 EUR. Im September entschloss sich der Kläger, einen Privatkredit in Höhe von 42.500 EUR aufzunehmen und dieses Geld in das Betriebskonto einzuzahlen. Dies führte zu einer kurzfristigen Verbesserung der finanziellen Situation im September 2006.

Mit Schreiben der Beklagten vom 27. 9. 2006 wurde der Kläger aufgefordert, die Bankbürgschaft von 100.207,40 EUR auf 140.000 EUR zu erhöhen, widrigenfalls ihm die fristlose Vertragsauflösung drohe. Die Bank des Klägers weigerte sich allerdings, die Bankgarantie zu erhöhen. Mit Schreiben vom 1. 12. 2006 forderte die Beklagte den Kläger auf, den zu diesem Zeitpunkt offenen Saldo von 54.329,79 EUR bis spätestens 7. 12. 2006 zu bezahlen, widrigenfalls neuerlich eine fristlose Vertragsauflösung angedroht werde. Der Kläger bot darauf der Beklagten Ratenzahlung an. Zwischen ihm, dem zuständigen Area-Manager und der Hausbank des Klägers wurde mündlich eine Ratenzahlungsvereinbarung abgesprochen. Da die Bank des Klägers eine Zahlungsgarantie nicht abgeben konnte, sondern nur der Dauerauftrag der Beklagten vorrangig erledigt worden wäre, löste die Beklagte nach Ablauf der dem Kläger gesetzten Zahlungsfrist (bis 7. 12. 2006) am 10. 12. 2006 den Tankstellenpachtvertrag fristlos auf.

Der Kläger begehrte von der Beklagten 114.000 EUR sA. Infolge der schuldhaften vorzeitigen Auflösung des Tankstellenunternehmensvertrags durch die Beklagte stehe ihm ein Ausgleichsanspruch in dieser Höhe zu. Die Beklagte habe ihre nebenvertraglichen Schutz- und Sorgfaltspflichten laufend verletzt und insbesondere das Risiko aus dem Treibstoffabsatz unzulässigerweise auf den Kläger überwälzt sowie ein unerprobtes Franchise-System eingeführt. Trotz Aufforderung durch den Kläger habe die Beklagte keine Maßnahmen gesetzt, die wirtschaftliche Situation des Klägers zu verbessern. Dieser habe gegenüber der Beklagten weder ein rechtswidriges Verhalten noch ein grob fahrlässiges Verhalten gesetzt.

Überdies warf der Kläger der Beklagten vor, die Vertragsbeziehung in kartellrechtswidriger Weise gestaltet und gegen Art 81 EGV verstoßen zu haben. Die Beklagte habe wesentliche Risiken des Treibstoffvertriebs, nämlich einen Großteil der damit verbundenen Betriebskosten sowie das Finanzierungsrisiko im Bereich des bargeldlosen Zahlungsverkehrs, insbesondere mit Tankkartenkunden auf ihn überwälzt. Eine kartellrechtswidrige mittelbare Überwälzung der Investitionskosten stelle auch dar, dass der Kläger der Beklagten Bestandzins für die Tankstellennebengewerbe habe bezahlen müssen, diese Räumlichkeiten aus der Sicht des Umsatzes jedoch vorrangig dem Treibstoffvertrieb der Beklagten gedient haben. Die Beklagte könne sich somit nicht auf das „Handelsvertreterprivileg" berufen.

Hilfsweise stützte der Kläger das Klagebegehren auch auf die Verdienstlichkeit im Bereich des Vertriebs von Folgemarktprodukten bzw -dienstleistungen. Letztlich wendete der Kläger ein, dass der Servicestationsbetrieb überhaupt nicht gewinnbringend führbar gewesen sei.

Die Beklagte bestritt, beantragte Klageabweisung und wendete ein, dass sie das Vertragsverhältnis mit dem Kläger infolge dessen schuldhafter Verletzung der vertraglichen Zahlungs- und Sicherstellungsverpflichtungen aufgelöst habe. Dem Kläger stehe daher ein Ausgleichsanspruch nicht zu. Überdies fehle es an der Verdienstlichkeit des Klägers. Die behaupteten Wettbewerbsbeschränkungen des Art 81 EGV seien im vorliegenden Fall nicht anwendbar. Nach ständiger Rechtsprechung trage der Unternehmenspächter das Unternehmensrisiko selbst, das allgemeine wirtschaftliche Risiko des verpachteten Unternehmens liege daher beim Pächter. Das Franchise-System sei ausreichend erprobt und für einen Vermögensschaden des Klägers nicht ursächlich gewesen. Überdies habe es sich um eine freie unternehmerische Entscheidung des Klägers gehandelt, den Franchise-Vertrag mit der Beklagten abzuschließen. Die schlechte wirtschaftliche Situation der Tankstelle - die sehr wohl gewinnbringend führbar gewesen sei - sei auf überhöhte Privatentnahmen, hohe Zinsbelastung sowie auf überhöhte Personalkosten und Kfz-Kosten zurückzuführen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Über den eingangs zusammengefasst wiedergegebenen Sachverhalt hinaus traf es umfangreiche Feststellungen über die Gründe für die schlechte wirtschaftliche Situation der Tankstelle sowie die zusammenfassende Feststellung „die gegenständliche Tankstelle ist gewinnbringend zu führen. Es kann ein jährlicher Gewinn von ca 40.000 EUR erwirtschaftet werden".

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den von ihm festgestellten Sachverhalt dahin, dass die Beklagte den Vertrag iSd § 22 Abs 2 Z 3 HVertrG berechtigterweise vorzeitig aufgelöst habe. Das einen wichtigen Grund darstellende Verhalten des Handelsvertreters entfalte seine ausgleichsschädigende Wirkung aber nur, wenn es schuldhaft gesetzt werde. Dabei sei der Ausgleichsanspruchswerber dafür beweispflichtig, dass er an der Erfüllung seiner vertragsmäßigen Verbindlichkeiten ohne sein Verschulden verhindert gewesen sei. Gerade diesen Beweis des Mangels an Verschulden habe der Kläger vorliegend nicht erbringen können. Nach den Feststellungen sei die Tankstelle unter Berücksichtigung der erzielten Umsätze und Rahmenbedingungen wirtschaftlich führbar gewesen. Dem Kläger seien allerdings verfehlte unternehmerische Dispositionen, wie überhöhte Personalkosten, erhöhte Kfz-Kosten und Zinsbelastungen sowie überhöhte Privatentnahmen vorzuwerfen, die sich negativ auf das Betriebsergebnis ausgewirkt haben. Auch sei der Beklagten keine Treupflichtverletzung durch Einführung eines unerprobten Franchise-Systems vorzuwerfen. Insgesamt liege die Ursache der Zahlungsstockungen des Klägers nicht in kartellrechtswidrigem Verhalten oder sonstigen Vertragsverletzungen der Beklagten begründet, sondern in falschen unternehmerischen Entscheidungen des Klägers.

Das Berufungsgericht hob über Berufung des Klägers das Ersturteil auf, verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Es ließ den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zu. Es erachtete den vom Kläger geltend gemachten Berufungsgrund der Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens als gegeben. Der Kläger habe zum Beweis dafür, dass die Tankstelle im Jahr 2006 unter wirtschaftlich vernünftigen Bedingungen nicht mehr gewinnbringend zu führen gewesen sei, die Einholung eines Gutachtens aus dem Fach der Betriebswirtschaftslehre beantragt. Das Erstgericht habe unter Hinweis auf die von ihm als nachvollziehbar erachteten Ausführungen von Zeugen festgestellt, dass die Tankstelle gewinnbringend zu führen gewesen sei und ein jährlicher Gewinn von cirka 40.000 EUR hätte erwirtschaftet werden können. Den zum Beweis der gegenteiligen Behauptung gestellten Gutachtensantrag des Klägers habe es abgewiesen. Dabei handle es sich um unzulässige vorgreifende Beweiswürdigung. Das Berufungsgericht behandelte die Tatsachen- und Beweisrüge in Hinblick auf die Berechtigung der Mängelrüge nicht.

Seine rechtliche Beurteilung lässt sich wie folgt zusammenfassen:

Die Anwendbarkeit des Handelsvertretergesetzes (HVertrG) auf Tankstellenunternehmens- bzw Tankstellenpachtverträge sei vom Obersten Gerichtshof bereits mehrfach grundsätzlich bejaht worden. Gemäß § 24 Abs 3 Z 2 HVertrG bestehe der dem Handelsvertreter nach Beendigung des Vertragsverhältnisses unter den Voraussetzungen des § 24 Abs 1 bis 3 HVertrG gebührende Ausgleichsanspruch dann nicht, „wenn der Unternehmer das Vertragsverhältnis wegen eines schuldhaften, einen wichtigen Grund nach § 22 leg cit darstellenden Verhaltens des Handelsvertreters gekündigt oder vorzeitig aufgelöst habe". Zutreffend habe bereits das Erstgericht ausgeführt, dass als genereller Maßstab für das Vorhandensein eines wichtigen Auflösungsgrundes Vertragsverletzungen anzusehen seien, die bei Zielschuldverhältnissen zum Rücktritt nach § 918 Abs 1 und § 920 erster Satz ABGB berechtigen; ferner Verhaltensweisen, die nach den für bestimmte Dauerschuldverhältnisse normierten Beendigungstatbeständen eine fristlose Auflösung gestatten und Umstände, die eine Berufung auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage zuließen. Für Handelsvertreter seien als Richtschnur die in § 22 HVertrG (demonstrativ) aufgezählten Gründe maßgeblich, die - wie hier - einzelvertraglich erweitert bzw ergänzt werden könnten. Nach § 22 Abs 2 Z 3 HVertrG sei als wichtiger Grund, der den Unternehmer zur vorzeitigen Lösung des Vertragsverhältnisses berechtige, insbesondere anzusehen, wenn der Handelsvertreter andere wesentliche Vertragsbestimmungen verletze. Es gelte selbstverständlich auch hier das allgemeine Prinzip, dass der Auflösungsgrund der Vertragsverletzung nur dann vorliege, wenn die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses dem anderen Teil nicht zugemutet werden könne. Die Rechtsansicht des Erstgerichts, dass die Beklagte wegen Verstoßes des Klägers gegen die vertraglich vereinbarte Zahlungs- und Sicherstellungsverpflichtung zur vorzeitigen Vertragsauflösung berechtigt gewesen sei, sei - unter Zugrundelegung des festgestellten Sachverhalts - nicht zu beanstanden. Gerade die regelmäßige Abfuhr des Verkaufserlöses für Agenturwaren gehöre zu den zentralen Vertragspflichten eines Tankstellenpächters. Sei ein Verschulden überhaupt erst Voraussetzung dafür, dass eine vorzeitige Auflösung begründet sei, wie zB bei Verletzung wesentlicher Vertragsbestimmungen durch den Handelsvertreter gemäß § 22 Abs 2 Z 3 HVertrG, müsse der die vorzeitige Auflösung Erklärende lediglich das Vorliegen einer wesentlichen Vertragsverletzung behaupten und beweisen. In der Folge liege es dann wegen der Beweislastumkehr des § 1298 ABGB am Gekündigten zu behaupten und zu beweisen, dass ihn an der Nichteinhaltung der vertraglichen Bestimmungen kein Verschulden treffe. Damit wolle das Gesetz verhindern, dass der Gläubiger, für den Umstände aus der Sphäre des Schuldners nicht durchschaubar seien, in Beweisnotstand gerate. Nach ständiger Rechtsprechung setze die außerordentliche Aufkündigung nach § 22 HVertrG nicht immer ein Verschulden des anderen Vertragsteils voraus. Wolle in einem solchen Fall - und nur darauf ziele die vom Berufungswerber ergangene Rechtsprechung ab - allerdings ein aus wichtigem Grund das Vertragsverhältnis auflösender Unternehmer keinen Ausgleich nach § 24 HVertrG zahlen, müsse er das Vorliegen des wichtigen Grundes und - wenn ein Verschulden des Handelsvertreters für die Begründetheit einer vorzeitigen Auflösung grundsätzlich nicht erforderlich sei - im konkreten Fall auch das Verschulden behaupten und beweisen. Bereits im erstinstanzlichen Verfahren habe der Kläger zur Behauptung, dass ihn an der Vertragsverletzung kein Verschulden treffe, vorgebracht, dass die Vertragsverletzungen nämlich die Zahlungsfristüberschreitung sowie die Nichterbringung der erweiterten Bankgarantie, auf die schlechte wirtschaftliche Ertragslage des Unternehmens zurückzuführen seien, die wiederum die Beklagte durch Verletzung ihrer vertraglichen Schutz- und Sorgfaltspflichten zu vertreten habe.

Den Kläger treffe hier dann kein Verschulden an den genannten Vertragsverstößen, wenn die Änderungen des ursprünglichen Vertragsverhältnisses durch Abschluss des Franchise-Vertrags insofern von entscheidender Bedeutung für die wirtschaftliche Entwicklung des Tankstellenunternehmens gewesen seien, als unter den neuen Bedingungen des Franchise-Systems das Tankstellenunternehmen des Klägers nicht mehr gewinnbringend zu führen gewesen sei. Den Kläger treffe dann ein Verschulden an den bereits mehrmals genannten Vertragsverletzungen, wenn die Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage auf Umstände zurückzuführen sei, die von ihm durch Setzung geeigneter Maßnahmen beeinflusst hätten werden können, wie Personalkosten, Zinsenaufwand, Privatentnahmen, Lebensversicherungsprämien etc; nicht aber wenn die Vertragsverletzung ihre Ursache in den durch den Franchise-Vertrag bedingten geänderten Umständen oder in Umständen, die in der Sphäre keiner der Parteien gelegen sind (zB geringere Treibstoffabsätze), hatten, der Kläger also zuletzt zwar zahlungswillig, aber aus nicht von ihm zu verantwortenden Gründen nicht mehr zahlungsfähig gewesen sei.

Die Frage, ob dem Kläger die Unternehmereigenschaft iSd Art 81 EGV zukomme und die abgeschlossenen Verträge wegen der Festpreisbindung, der Vorgabe des Warensortiments und der Lieferantenbindung gegen das EG-Wettbewerbsrecht verstoßen, brauche schon deshalb nicht näher untersucht werden, weil mangels zwischenstaatlicher Auswirkungen der gegenständlichen Vereinbarung zwischen den Streitteilen die Anwendbarkeit dieser Bestimmung ausgeschlossen sei. Abgesehen davon wirke der Verstoß eines Vertrags gegen das EG-Kartellverbot zwar absolut und habe grundsätzlich ex tunc die Unwirksamkeit zur Folge. Dies gelte aber nicht für die gesamte Vereinbarung, sondern nur für diejenigen Teile, die entweder selbst unmittelbar vom Verbot des Art 81 Abs 1 EG erfasst seien oder sich von den, von diesem Verbot erfassten Teilen nicht sinnvoll abtrennen lassen. Nur wenn sich eine gemeinschaftsrechtswidrige Vertragsklausel vom restlichen Vertragswerk nicht trennen lasse, trete Gesamtnichtigkeit ein. Die Klauseln, die den Kläger seiner Ansicht nach in unzulässiger Weise in seiner unternehmerischen Entscheidungsfreiheit eingeschränkt haben, wären dann allenfalls nichtig und hätten ihn berechtigt, den Treibstoff zu anderen Preisen zu verkaufen, ein anderes Warensortiment zu führen und Waren von anderen Lieferanten zu kaufen. Allfällige Kartellrechtsverletzungen haben daher keinen Einfluss auf die Zahlungsstockungen und Vertragsverletzungen des Klägers gehabt.

Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof ließ das Berufungsgericht zu, weil seine Rechtsansicht zur Beweislastumkehr des § 1298 ABGB im Fall der vorzeitigen Auflösung des Vertrags wegen Verletzung wesentlicher Vertragsbestimmungen durch den Handelsvertreter gemäß § 22 Abs 2 Z 3 HVertrG (möglicherweise) der jüngst ergangenen Entscheidung zu 8 ObA 45/08p widerspreche. Im Übrigen habe der Oberste Gerichtshof, soweit ersichtlich zur Frage der Anwendbarkeit des Art 81 EGV auf Tankstellenpachtverträge noch nicht Stellung genommen.

Gegen diesen Beschluss richten sich der Rekurs des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, „den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Ersturteil dahin abzuändern", dass der Ausgleichsanspruch als dem Grunde nach zu Recht bestehend erachtet werde sowie der Rekurs der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das Ersturteil wiederherzustellen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Beide Rekurse sind im Hinblick auf die vom Obersten Gerichtshof noch nicht behandelte Frage der Anwendbarkeit des Art 81 EGV auf „Tankstellenpächter" zulässig. Sie sind aber nicht berechtigt.

1. Zum Rekurs des Klägers:

Der Rechtsmittelwerber releviert zusammengefasst die Anwendbarkeit des Art 81 EG und der vertikalen EG-Gruppenfreistellungs-Verordnung (EG) Nr 2790/1999 auf den hier zur Beurteilung stehenden Fall als Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung und vertritt im Wesentlichen die Rechtsansicht, dass bei Bejahung der Kartellrechtswidrigkeit des zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Vertrags eine wirksame Vertragspflicht des Klägers insbesondere zur Abfuhr der Treibstofferlöse nicht bestanden habe, sodass eine Vertragsverletzung nicht vorliegen könne und der Ausgleichsanspruch jedenfalls entstanden sei.

Art 81 EG (vormals Art 85 EGV) bestimmt in seinem Abs 1, dass mit dem gemeinsamen Markt, unvereinbar und verboten, alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen sind, die den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des gemeinsamen Markts bezwecken oder bewirken, insbesondere

a) die unmittelbare oder mittelbare Festsetzung der An- oder Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen;

b) die Einschränkung oder Kontrolle der Erzeugung, des Absatzes, der technischen Entwicklung oder der Investitionen;

c) die Aufteilung der Märkte oder Versorgungsquellen;

d) die Anwendung unterschiedlicher Bedingungen bei gleichwertigen Leistungen gegenüber Handelspartnern, wodurch diese im Wettbewerb benachteiligt werden;

e) die an den Abschluss von Verträgen geknüpfte Bedingung, dass die Vertragspartner zusätzliche Leistungen annehmen, die weder sachlich noch nach Handelsbrauch in Beziehung zum Vertragsgegenstand stehen.

Nach Abs 2 leg cit sind die nach diesem Artikel verbotenen Vereinbarungen oder Beschlüsse nichtig.

Es entspricht der herrschenden Auffassung, dass die Zwischenstaatlichkeitsklausel des Art 81 Abs 1 EG in erster Linie als Kollisionsnorm dient, die den Anwendungsbereich des EG-Kartellrechts von jenem nationaler Kartellrechtsordnungen abgrenzen soll (Brinker in Schwarze, EU-Kommentar² [2009] zu Art 81 EGV Rz 68; Wollmann in Mayer, Kommentar EU/EGV, Art 81 Rz 68). Ziel ist der Schutz des gemeinsamen Markts vor handelsbeeinträchtigenden und wettsbewerbsbeschränkenden Maßnahmen. Aus diesem Grund wird der Begriff der Zwischenstaatlichkeit vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) und der Kommission weit ausgelegt (Brinker aaO Rz 68). Nach der Rechtsprechung des EuGH genügt es, dass sich anhand objektiver rechtlicher oder tatsächlicher Umstände mit hinreichender Wahrscheinlichkeit voraussehen lässt, dass die Vereinbarung oder Verhaltensweisen den Warenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten tatsächlich oder potenziell beeinflussen können (EuGH Rs C-42/84, Remia, Slg 1985, 2545 Rz 22; Rs C-172/80, Züchner, Slg 1981, 2021). Die handelsbeeinträchtigende und wettbewerbsbeschränkende Wirkung muss spürbar sein, das heißt, ein bestimmtes quantitatives Ausmaß annehmen. Dies kann grundsätzlich auch bei rein innerstaatlichen Sachverhalten der Fall sein, insbesondere, wenn eine Vereinbarung oder Verhaltensweise zu einer Abschottung des Markts führt und somit jene Bedingungen verändert, zu denen ausländische Unternehmer ihre Waren und Dienstleistungen im Inland absetzen können (Brinker aaO Rz 70; Wollmann aaO Rz 80; Pannagl, Der Tankstellenvertrag im Kartellrecht [2002] 141 f; EuGH, Rs C-8/73, Cementhandelaren).

Eine spürbare Abschottung des Markts kann sich insbesondere durch die Bündelung gleichartiger Vereinbarungen mit Wettbewerbsbeschränkungen im Rahmen vertikaler Vertriebssysteme ergeben (sogenannte Bündeltheorie), die auf diese Weise auch zu einer Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten führt (Bunte in Langen/Bunte, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht10 [2006] Bd 2 Art 81 Rz 104 und Rz 127 ff; Simon in Lange, Handbuch zum deutschen und europäischen Kartellrecht² [2006] Kap 4 Rz 379). Im Zusammenhang mit Alleinbezugsverträgen hat der Oberste Gerichtshof in 6 Ob 290/99m unter Bezugnahme auf die Entscheidung des EuGH (Rs C-234/89, Delimitis, Slg 1991, I-935, Rz 20 bis 26) ausgesprochen, dass sich aus der Gesamtheit aller auf dem relevanten Markt bestehenden gleichartigen Vereinbarungen und aus den übrigen wirtschaftlichen und rechtlichen Begleitumständen der Verträge ergeben müsse, dass diese die kumulative Wirkung haben, neuen inländischen und ausländischen Wettbewerbern den Zugang zu diesem Markt zu verschließen. Sei dies nicht der Fall, können die einzelnen Verträge, aus denen das Bündel der Vereinbarung bestehe, den Wettbewerb nicht im Sinn des genannten Artikels beschränken. Sei der Markt hingegen schwer zugänglich, müsse noch geprüft werden, wie weit die streitigen Vereinbarungen zu der kumulativen Wirkung beitragen. Dabei seien nur jene Verträge verboten, die zu einer etwaigen Abschottung des Markts erheblich beitragen.

Der EuGH (Rs C-214/99, Neste Markkinointi, Slg 2000, I-11121) hat die Anwendbarkeit der Bündeltheorie auf Tankstellenpachtverträge bejaht. In seiner rechtlichen Beurteilung hob er jedoch hervor, dass sich Tankstellenverträge wesentlich von anderen Alleinbezugsverträgen, wie etwa Bier- oder Eislieferungsverträgen unterscheiden, da rein faktisch in einer bestimmten Tankstelle nur Kraftstoffe einer einzigen Marke vertrieben werden. Daraus folge, dass für den Lieferanten entscheidender Bestandteil des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Vertragstyps weniger die Ausschließlichkeitsklausel an und für sich, als die Dauer der vom Wiederverkäufer eingegangenen Bezugspflicht sei und diese Dauer für die Marktabschottungswirkung ausschlaggebend sei. Auf die ihm gestellte Vorlagefrage antwortete der EuGH letztlich dahin, „dass das Verbot nach Art 85 Abs 1 EG-Vertrag (jetzt: Art 81 Abs 1 EG) nicht auf einen mit einem Kraftstofflieferanten geschlossenen Alleinbezugsvertrag anzuwenden ist, den der Wiederverkäufer jederzeit mit einer Frist von einem Jahr kündigen kann, wenn sämtliche Alleinbezugsverträge dieses Lieferanten entweder einzeln oder insgesamt in Verbindung mit dem Netz gleichartiger Verträge sämtlicher Lieferanten erheblich zur Abschottung des Marktes beigetragen haben, die Verträge mit einer Laufzeit wie der des betreffenden Alleinbezugsvertrages aber nur einen sehr kleinen Teil aller mit dem selben Lieferanten geschlossenen Alleinbezugsverträge ausmachen, die überwiegend befristete Verträge sind, die für mehrere Jahre geschlossen worden sind".

Der vom EuGH entschiedene Fall unterscheidet sich von dem hier zu beurteilenden dadurch, dass einerseits Verträge mit unterschiedlichen Bindungsfristen vorlagen und dass andererseits Gegenstand des Verfahrens nur Verträge über den Bezug von Treibstoffen waren, während im hier zu beurteilenden Fall die Parteien einen Vertrag über die Pacht einer Tankstelle verbunden mit dem Bezug von Treibstoffen und anderen Waren von der Verpächterin zu bestimmten Konditionen abschlossen. Zwar liegen die im letztgenannten Vertrag bedungenen Kündigungsfristen von drei bzw sechs Monaten zum jeweiligen Quartalsende klar unter der vom EuGH unter dem Blickwinkel des Art 81 Abs 1 EG als unschädlich erkannten Jahresfrist, doch führte eine Kündigung durch den Pächter nicht ohne weiteres zur Möglichkeit für andere Marktteilnehmer, nun dem Tankstellenbetreiber ihre Treibstoffe zum Vertrieb anzubieten. Die Tankstelle fiele vielmehr lediglich an die Beklagte zurück, ohne dass eine marktrelevante Änderung im Vertriebssystem angenommen werden könnte. Konkretes Vorbringen zum Vorliegen der Voraussetzungen einer Marktabschottungswirkung unter dieser Voraussetzung hat der Rechtsmittelwerber nicht erstattet, sodass weitere, über die Frage der Bindungsdauer hinausgehende Erörterungen unterbleiben können.

Wie der EuGH betont, muss die zu prüfende Vereinbarung oder akkordierte Verhaltensweise zwischen Unternehmen stattfinden. Als Unternehmen ist jede wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einrichtung unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung anzusehen (EuGH Rs C-41/90, Höfner und Elsner, Slg 1991, I-1979, Rz 21; Rs C-205/03p, FENIN/Kommission, Slg 2006, I-6295, Rz 25). Nicht als Unternehmer und somit nicht dem Kartellverbot des Art 81 EG unterliegend, werden hingegen grundsätzlich echte Handelsvertreter angesehen (Leitlinien für vertikale Beschränkungen, 2000/C291/01, Rz 12 ff). In den Rechtssachen CEEES (Rs C-217/05, Slg 2006, I-11987) und CEPSA (Rs C-279/06) befasste sich der EuGH mit der Frage der Handelsvertretereigenschaft von Tankstellenhaltern. In der Rechtssache CEEES stellte der EuGH fest: „Wenn daher ein Absatzmittler wie der Betreiber einer Tankstelle, selbst wenn er eine eigene Rechtspersönlichkeit hat, sein Verhalten auf dem Markt nicht eigenständig bestimmt, weil er vollständig von seinem Geschäftsherrn, einem Kraftstofflieferanten, aufgrund der Tatsache abhängig ist, dass dieser die finanziellen und kommerziellen Risiken in Bezug auf die betreffende wirtschaftliche Tätigkeit trägt, ist das in Art 85 Abs 1 des Vertrages aufgestellte Verbot auf die Beziehungen zwischen diesem Absatzmittler und seinem Geschäftsherrn nicht anwendbar."

Als Kriterien, anhand derer die tatsächliche Risikoverteilung zwischen Tankstellenbetreiber und Kraftstofflieferant zu beurteilen ist, nannte der EuGH zum einen die mit dem Absatz der Waren verbundenen Risiken, und zum anderen die Risiken, die mit den marktspezifischen Investitionen verbunden sind, das heißt, den Investitionen, die erforderlich sind, damit der Tankstellenbetreiber Verträge mit Dritten aushandeln und abschließen kann (Rz 51).

Zusammenfassend führte der EuGH in der Rechtssache CEEES aus, „dass für die Feststellung, ob Art 85 des Vertrages Anwendung findet, die Verteilung der finanziellen und kommerziellen Risiken zwischen dem Betreiber und dem Lieferanten von Kraftstoffen nach Kriterien wie dem Eigentum an den Waren, dem Beitrag zu den mit ihrem Vertrieb verbundenen Kosten, ihrer Lagerung, der Haftung für eventuelle Schäden an den Waren oder für Dritte durch sie entstandene Schäden und der Vornahme von für den Absatz dieser Waren spezifischen Investitionen zu untersuchen ist (Rz 60)." Ausdrücklich führte der EuGH in diesem Zusammenhang aus, dass Art 85 (jetzt Art 81 EG) nicht anwendbar sei, wenn der Absatzmittler nur einen geringen Teil der Gefahren trage. Für diesen Fall erachtete der EuGH die Verpflichtung der Betreiber, den Kraftstoff zu einem festen Preis zu verkaufen, als Befugnis des Mineralölunternehmens den Tätigkeitsbereich ihrer Handelsvertreter festzulegen (Rz 63).

In der Rechtssache CEPSA (Rs C-279/06) wiederholte der EuGH den Grundsatz, dass Art 81 EG nicht zur Anwendung gelange, wenn der Betreiber nur einen geringen Teil der Gefahren trage; in diesem Fall sei das Verhältnis zwischen ihm und dem Lieferanten ident mit dem Verhältnis zwischen einem Handelsvertreter und seinem Geschäftsherrn (Rz 40). Ebenso stellte der EuGH (neuerlich) klar, dass im Fall eines Handelsvertretervertrags die dem Absatzmittler auferlegten Verpflichtungen betreffend den Verkauf der Waren an Dritte für Rechnung des Geschäftsherrn unter anderem in Bezug auf die Festsetzung des Endverkaufspreises nicht unter Art 81 EG fallen.

In seiner jüngst ergangenen Entscheidung vom 15. Juli 2009, 16 Ok 6/09, hatte der Oberste Gerichtshof (allerdings in einem keinen Tankstellenbetreiber betreffenden Fall) die Frage der Anwendbarkeit des „Handelsvertreterprivilegs" nach Art 81 EG zu beurteilen. Unter ausführlicher Befassung mit der zu dieser Problematik ergangenen Rechtsprechung des EuGH, den von der Kommission erstellten Leitlinien und der jeweils dazu ergangenen Literatur führte der Oberste Gerichtshof aus, dass der Umstand, dass der Handelsvertreter die Risiken trage, die üblicherweise mit einer solchen Tätigkeit zusammenhängen, das Vorliegen eines echten Handelsvertretervertrags nicht ausschließe. Es schade daher auch nicht, dass der Handelsvertreter regelmäßig die Aufwendungen für Geschäftsräumlichkeiten und Personal zu tragen habe.

Unter Anwendung dieser Grundsätze vermag der erkennende Senat der Rechtsansicht des Rechtsmittelwerbers nicht beizupflichten, wonach er infolge Tragung eines erheblichen Finanzierungsrisikos nicht als „echter" Handelsvertreter anzusehen sei. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Kläger hinsichtlich des wesentlichen Bereichs der Treibstoffe, Ofenheizöle und Schmierstoffe (ohnehin) im Namen und auf Rechnung der Beklagten tätig ist, also als echter Stellvertreter (Koziol/Welser13 I, 200 f) agiert.

Unter Berücksichtigung des (unstrittigen) Vertragsinhalts sowie der weiteren nicht bestrittenen Feststellungen des Erstgerichts ergibt sich hier für die vom EuGH aufgestellten Kriterien der Risikoverteilung folgendes Bild: Das Eigentum verbleibt bei der Beklagten; die Kosten des Warenvertriebs, insbesondere die Beförderungskosten trägt die Beklagte; die Kosten für das Tankstofflager trägt die Beklagte; für die Mangelhaftigkeit des Treibstoffs haftet die Beklagte, der Kläger trägt die Haftung für die ordnungsgemäße Lagerung der Kraftstoffe und die Haftung für übernommene Gelder und Gutscheine; jedoch in beiden Fällen nur für den Fall seines Verschuldens; eine Delkredere-Haftung trifft den Kläger ausdrücklich nur in jenen Fällen, in denen er entgegen der grundsätzlichen Vereinbarung eigenmächtig Kredit gewährt; im Zusammenhang mit der Bezahlung durch Kredit- und Bankomatkarten trägt der Kläger insoweit ein finanzielles Risiko als er die Zinsbelastung für das verzögerte Einlangen des von seinem Konto abgebuchten Betrags trägt.

Die Tragung der Personalkosten durch den Kläger stellt im Sinn der Ausführungen des Obersten Gerichtshofs in 16 Ok 6/09 ebenso wenig wie die Tragung der Betriebskosten eine relevante Risikoüberwälzung dar. Auch die mit der Lagerung der Kraftstoffe verbundene Haftung kann schon in Hinblick auf deren Verschuldensabhängigkeit sowie in Hinblick auf § 1298 ABGB nicht als Risikoüberwälzung angesehen werden. Ebensowenig ist dies in signifikantem Ausmaß dem Vorbringen des Rechtsmittelwerbers zu entnehmen, dass er bei unbaren Zahlungstransaktionen die Treibstoffumsätze zum nächstmöglichen Zeitpunkt im Bankeinzugsverfahren an die Beklagte abliefern müsse, er diese Umsätze aber zum Teil erst zu einem späteren Zeitpunkt gutgebucht erhalte. Angesichts der sich aus den Feststellungen ergebenden Prozentsätze der diesbezüglichen Zahlungsvorgänge sowie des zwischen Zahlung an die Beklagte bzw an den Kläger liegenden Zeitraums von wenigen Tagen, kann dieses Risiko allerdings nur als „gering" beurteilt werden und begründet daher im Sinn der Rechtsprechung des EuGH keinen Entfall des Handelsvertreterprivilegs.

Der Rechtsmittelwerber releviert auch die Überwälzung des Absatzrisikos auf den Kläger durch die Pflicht, die Tankstelle zu den von der Beklagten vorgegebenen Zeiten offen zu halten und hiefür die Personalkosten zu tragen. Wie bereits dargelegt, stellt aber die Tragung von Personalkosten eine typischerweise mit der Tätigkeit eines (echten) Handelsvertreters verbundene Belastung dar. Die Verpflichtung die Tankstelle zu bestimmten (umsatzschwachen) Zeiten offen zu halten, ergibt sich aus der Natur des abgeschlossenen Vertrags und konnte vom Kläger durch Personalreduktion abgefangen werden, der jedoch nach den insoweit unbekämpft gebliebenen Feststellungen, die Tankstelle immer in Doppelbesetzung betrieb (S 23 des Ersturteils).

Mit dem gemeinsamen Markt unvereinbare und verbotene Vereinbarungen sind nach Art 81 Abs 2 EG nichtig. Zur Frage des Umfangs der Nichtigkeit vertritt der Oberste Gerichtshof aber im Einklang mit der Lehre die Auffassung, dass die unmittelbar anzuwendende Nichtigkeit wegen eines Verstoßes gegen das EG-Kartellverbot zwar absolut wirkt und grundsätzlich ex tunc die Unwirksamkeit zur Folge hat (EvBl 1997/20; 10 Ob 402/97h; 6 Ob 322/00x), dass dies aber nach der Rechtsprechung des EuGH nicht für die gesamte Vereinbarung, sondern nur für diejenigen Teile gilt, die entweder selbst unmittelbar vom Verbot des Art 81 Abs 1 EG erfasst sind oder sich von den von diesem Verbot erfassten Teilen nicht sinnvoll abtrennen lassen (6 Ob 322/00x mwN). Die Nichtigkeit erstreckt sich daher nur auf die kartellrechtswidrigen Bestandteile. Nur wenn sich eine gemeinschaftsrechtswidrige Vertragsklausel vom restlichen Vertragswerk nicht trennen lässt, tritt Gesamtnichtigkeit ein.

Auch insoweit vermag das Argument nicht zu überzeugen, dass jedenfalls die „Pflicht bezüglich der prompten Erlösabfuhr" von einer Teilnichtigkeit umfasst sei. Es ist nicht nachvollziehbar, wieso das Risiko einer „Zwischenfinanzierung" für maximal einige Tage, die Verpflichtung zur Erlösabfuhr aus Treibstoffeinnahmen gänzlich beseitigen sollte, würde dies doch zu einer nicht zu rechtfertigenden Bereicherung des Klägers führen. Das gilt auch für das Argument, dass der Kläger verpflichtet gewesen sei, die Erlöse „prompt" abzuführen, auch wenn die Einnahmen so niedrig waren, dass der Kläger daraus die Betriebskosten nicht hätte decken können.

Insgesamt erweisen sich daher die Rechtsmittelausführungen des Klägers zum behaupteten Kartellrechtsverstoß als nicht überzeugend.

2. Zum Rekurs der Beklagten:

Die Rekurswerberin missversteht die Ausführungen des Berufungsgerichts, wenn sie meint, dieses ginge von der Rechtsansicht aus, der Unternehmer, der keinen Ausgleich zahlen wolle, müsse generell und uneingeschränkt bei berechtigter Vertragsauflösung das Verschulden des zu Recht gekündigten Handelsvertreters im konkreten Fall behaupten und beweisen. Das Berufungsgericht hat nämlich durch den Einschub zwischen Gedankenstrichen klargestellt, dass es dies nur in jenen Fällen annimmt, wenn ein Verschulden des Handelsvertreters für die Annahme der Begründetheit der vorzeitigen Auflösung nicht erforderlich ist. Damit ist primär der Fall des § 22 Abs 2 Z 5 HVertrG angesprochen, wonach bei Konkurseröffnung über das Vermögen des Handelsvertreters nicht vom Vorliegen von Verschulden auszugehen ist. Es wird aber auch in ständiger Rechtsprechung judiziert, dass die außerordentliche Aufkündigung des Vertragshändlervertrags auch sonst nicht immer ein Verschulden des anderen Vertragsteils voraussetzt (RIS-Justiz RS0029330).

Abgesehen davon

Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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