Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 19. November 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fuchs und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Annerl als Schriftführer in der Strafsache gegen Ernö Z***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Z 1, 130 dritter und vierter Fall StGB, AZ 25 Hv 77/09m des Landesgerichts Eisenstadt, in dem zwischen diesem Gericht und dem Landesgericht Feldkirch (zum AZ 17 Hv 16/05z) geführten Zuständigkeitsstreit nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die zur Entscheidung über einen Zuständigkeitsstreit vorgelegten Akten werden den Landesgerichten Eisenstadt und Feldkirch unter Hinweis auf § 213 StPO zurückgestellt.
Text
Gründe:
Die Staatsanwaltschaft Eisenstadt legt Ernö Z***** mit Anklageschrift vom 20. Juli 2009 zur Last, gewerbsmäßig anderen fremde bewegliche Sachen in einem 50.000 Euro übersteigenden Wert mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz durch Einbruch weggenommen zu haben (§§ 127, 128 Abs 2, 129 Z 1, 130 dritter und vierter Fall StGB), nämlich am 20. April 2000 in Eisenstadt dem Franz K***** 48 Uhren im Gesamtwert von rund 185.000 Euro und am 21. März 2001 in Hartberg dem Franz R***** zahlreiche Schmuckstücke im Gesamtwert von etwa 100.000 Euro (ON 11). Die Anklage wurde am 28. Juli 2009 beim Landesgericht Eisenstadt eingebracht (ON 1 S 3).
Am 24. September 2009 übermittelte das Landesgericht Eisenstadt die Akten dem Landesgericht Feldkirch zur gemeinsamen Führung (§ 37 StPO) des Hauptverfahrens mit dem dort zum AZ 17 Hv 16/05z anhängigen Verfahren.
Beide Landesgerichte fassten bislang keinen Beschluss nach § 213 Abs 4 StPO, gingen aber auch nicht nach § 213 Abs 6 StPO vor.
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof hat erwogen:
Eine nach § 213 Abs 4 StPO getroffene, nicht mit Beschwerde anfechtbare (vgl 13 Os 56/09y, EvBl 2009/101, 677) Entscheidung, „dass die Anklageschrift rechtswirksam sei", bewirkt zwar, anders als die nach § 215 Abs 6 StPO getroffene (nach § 281a StPO anfechtbare) Entscheidung des Oberlandesgerichts, „den Einspruch abzuweisen und die Rechtswirksamkeit der Anklageschrift festzustellen", nicht die Rechtswirksamkeit der Anklageschrift, sodass - nicht anders als wenn das nach § 213 StPO vorgeschriebene Verfahren gänzlich unterlassen wurde - Urteilsanfechtung aus dem Grund der §§ 281 Abs 1 Z 3, 345 Abs 1 Z 4 StPO nach Maßgabe rechtsfehlerhafter Missachtung der Vorbereitungsfrist des § 221 Abs 2 StPO unter den Voraussetzungen der §§ 281 Abs 3, 345 Abs 3 StPO Erfolg verspricht (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 40 ff, 242, § 281a Rz 2).
Aufgrund ihrer Rechtsnatur als Beschluss (§ 35 Abs 2 erster Fall StPO) hindert sie das Gericht jedoch an einem Vorgehen nach § 213 Abs 6 zweiter Satz StPO. Da umgekehrt, solange ein solcher Beschluss noch nicht getroffen wurde, das Gericht bei Zuständigkeitsbedenken in diesem Sinn vorzugehen hat und § 213 Abs 6 StPO dem § 38 StPO nach dessen ausdrücklicher Anordnung vorgeht, setzt eine Entscheidung nach § 38 StPO über den Kompetenzkonflikt von Landesgerichten als Schöffen- oder Geschworenengericht Feststellung der Rechtswirksamkeit der Anklageschrift nach § 213 Abs 4 StPO oder § 215 Abs 6 StPO voraus (vgl auch 13 Ns 44/09p sowie die Stellungnahme des Begutachtungssenats des Obersten Gerichtshofs zu einem Bundesgesetz, mit dem die Strafprozessordnung 1975, das Urheberrechtsgesetz, das Markenschutzgesetz 1970, das Patentgesetz 1970, das Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz und das Bundesgesetz über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union geändert werden, AZ 1 Präs. 1617-3686/09h).
Im Übrigen:
Dem vom Landesgericht Feldkirch geführten Verfahren liegt die von der Staatsanwaltschaft Feldkirch wegen des Verbrechens des durch Einbruch begangenen schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Z 1 und Z 2 StGB erhobene Anklage zu Grunde, nach der Ernö Z***** am 17. November 2003 in Feldkirch dem Walfried H***** Uhren und Schmuckgegenstände im Gesamtwert von rund 163.000 Euro mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz durch Einbruch weggenommen haben soll (ON 5 in 17 Hv 16/05z des Landesgerichts Feldkirch).
Bei Feststellung der Rechtswirksamkeit der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Eisenstadt durch das Landesgericht Eisenstadt wäre somit das Hauptverfahren vor dem Landesgericht Feldkirch bereits anhängig. Bei Verbindung der beiden Verfahren (§ 37 Abs 3 StPO) würde sich die Zuständigkeit des Gerichts nach § 37 Abs 2 StPO bestimmen.
Da Ernö Z***** sowohl von der Staatsanwaltschaft Eisenstadt als auch von der Staatsanwaltschaft Feldkirch als unmittelbarer Täter (§ 12 erster Fall StGB) verfolgt wird, die in Rede stehenden Gerichte solche gleicher Ordnung sind, Sonderzuständigkeiten nicht vorliegen und auch die Ausnahmebestimmung des § 37 Abs 2 letzter Satz StPO nicht greift, käme das Verfahren gemäß § 37 Abs 2 zweiter Satz StPO dem Gericht zu, in dessen Zuständigkeit die frühere Straftat fällt.
Nach der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Eisenstadt ist Ernö Z***** unter anderem verdächtig, am 20. April 2000, also rund dreieinhalb Jahre vor dem in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Feldkirch genannten Tatzeitpunkt, einen Einbruchsdiebstahl begangen zu haben, womit ein Anknüpfungspunkt für die Zuständigkeit des Landesgerichts Feldkirch nicht gegeben ist. Gemäß den obigen Darlegungen wären im Fall der - vom Obersten Gerichtshof hier nicht zu prüfenden - Rechtswirksamkeit der Anklage der Staatsanwaltschaft Eisenstadt (vgl hiezu § 213 Abs 3 StPO) vielmehr die Verfahren gemeinsam vom Landesgericht Eisenstadt zu führen.
Textnummer
E92645European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:0130NS00061.09P.1119.000Im RIS seit
19.12.2009Zuletzt aktualisiert am
20.10.2011