Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Spenling und Hon.-Prof. Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Albert Koblizek und AR Angelika Neuhauser als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Josefa S*****, vertreten durch GGG Rechtsanwälte GbR (Dr. Georg Grießer ua) Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Krankenhaus S*****, vertreten durch Dr. Christian Kuhn Rechtsanwalts GmbH in Wien, wegen Feststellung (Streitwert 3.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 20. Februar 2009, GZ 9 Ra 168/08d-10, mit dem infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 23. Juni 2008, GZ 9 Cga 54/08p-6, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 371,52 EUR (darin enthalten 61,92 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die seit Juni 2004 als diplomierte Krankenschwester bei der Beklagten beschäftigte Klägerin arbeitet in der Intensivstation des Krankenhauses und leistet durchschnittlich 6 x monatlich Nachtdienst.
Die Klägerin begehrt im Wesentlichen die Feststellung, dass sie zusätzlich zu den zwei Stunden Zeitausgleich nach der Nachtschwerarbeitsgesetz (NSchG)-Novelle 1992 noch Anspruch auf den Zusatzurlaub von 6 Werktagen pro Dienstjahr habe.
Die Beklagte beantragt die Abweisung dieses Feststellungsbegehrens.
Rechtliche Beurteilung
Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass entsprechend § 17 des Kollektivvertrags eine Anrechnung vorzunehmen sei und dies rechtswirksam den geltend gemachten Feststellungsanspruch ausschließe, ist zutreffend. Nach § 510 Abs 3 Satz 2 ZPO kann auf die Richtigkeit dieser ausführlichen Begründung des Berufungsgerichts verwiesen werden.
Nach ständiger Rechtsprechung hat die Auslegung von Kollektivverträgen nach der sich daraus ergebenden Absicht der Kollektivvertragsparteien zu erfolgen, wobei diesen zu unterstellen ist, dass sie eine vernünftige, zweckentsprechend praktisch durchführbare Regelung, mit der ein gerechter Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen herbeigeführt werden soll, anstreben (RIS-Justiz RS0010089, RS0008897 und RS0008828, jeweils mit zahlreichen weiteren Nachweisen zuletzt etwa 9 ObA 129/08y, 8 ObA 64/08g und 8 ObA 18/09v).
Art V der NSchG-Novelle 1992, BGBl 1992/473, steht unter der Überschrift „Schutzmaßnahmen für das Krankenpersonal". Dessen § 2 bestimmt, dass Nachtschwerarbeit ein Arbeitnehmer leistet, der in der Zeit zwischen 22:00 Uhr und 6:00 Uhr mindestens 6 Stunden unmittelbar Betreuungs- und Behandlungsarbeit für Patienten leistet, und zwar unter anderem in Intensivstationen, aber auch in den OP-Bereichen, Unfallambulanzen, psychiatrischen Ambulanzen etc. Abs 2 dieses § 2 sieht sodann vor, dass der Kollektivvertrag Arbeitnehmer, die in anderen Organisationseinheiten von Krankenanstalten Arbeiten verrichten, welche vergleichbare Erschwernisse aufweisen, in den Geltungsbereich des Gesetzes einbeziehen kann.
§ 3 des Art V der NSchG-Novelle lautet wie folgt:
„(1) Für jeden Nachtdienst im Sinne des § 2 gebührt ein Zeitguthaben im Ausmaß von
1. einer Stunde für Nachtdienste, die nach dem 31. Dezember 1992 geleistet werden;
2. zwei Stunden für Nachtdienste, die nach dem 31. Dezember 1994 geleistet werden.
Der Verbrauch dieses Zeitguthabens ist anläßlich der nächsten Dienstzeiteinteilung zu vereinbaren. Das Zeitguthaben ist jedoch spätestens sechs Monate nach seinem Entstehen zu verbrauchen und darf nicht in Geld abgelöst werden ..."
Art XIII NSchG lautet in seinem Abs 1 wie folgt:
„Ansprüche auf Zusatzurlaub in Kollektivverträgen, Arbeits(Dienst)ordnungen oder Betriebsvereinbarungen werden auf den nach diesem Bundesgesetz zustehenden Zusatzurlaub angerechnet, wenn sie als Abgeltung für Schichtarbeit, Schwerarbeit oder Nachtarbeit gewährt werden."
§ 5 des hier unstrittig anzuwendenden Kollektivvertrags für die DienstnehmerInnen der Privatkrankenanstalten Österreichs sieht in seiner Z 3 Folgendes vor:
„Dem Krankenpflegepersonal ist ein Zusatzurlaub von 6 Werktagen in jedem Dienstjahr zu gewähren. Bei Teilzeitbeschäftigung gelten die Aliquotierungsbestimmungen des § 22."
§ 17 dieses Kollektivvertrags ordnet unter der Überschrift „Anrechnungsbestimmung" Folgendes an:
„Auf das Zeitguthaben (Urlaub) nach dem NSchG in der jeweiligen Fassung ist der Zusatzurlaub nach den Bestimmungen des Kollektivvertrages für die Dienstnehmer der Privatkrankenanstalten Österreichs anzurechnen."
Diese Anrechnungsbestimmung des Kollektivvertrags stellt nicht bloß auf Zusatzurlaube etwa im § 10a UrlG ab, sondern auch ausdrücklich auf Zeitguthaben nach dem „NSchG", ohne weiter zu differenzieren. Dieser Kollektivvertrag regelt nur die Arbeitsverhältnisse von in Krankenanstalten beschäftigten Arbeitnehmern. Es kann daher nicht angenommen werden, dass gerade Art V der Novelle 1992 zum NSchG, für die auch gar keine abweichende gesetzliche Kurzbezeichnung festgelegt wurde, und die Schutzmaßnahmen für das Krankenpersonal und dabei eben ua Zeitguthaben regelt, nicht erfasst sein sollte.
Es ist auch nicht ersichtlich, welche gesetzlichen Bestimmungen den Gestaltungsspielraum der Kollektivvertragsparteien insoweit einschränken sollten. Insgesamt wird die Situation der schon durch das Gesetz begünstigten Arbeitnehmergruppe nicht verschlechtert und hält diese dem Günstigkeitsvergleich stand (vgl dazu etwa 8 ObA 82/06a).
Sowohl bei den Regelungen des NSchG einschließlich der Novelle 1992 über Zeitguthaben als auch der Festlegung des erhöhten Urlaubsanspruchs im Kollektivvertrag geht es darum, jenen Arbeitnehmern, die durch ihre berufliche Tätigkeit besonders belastet sind, diese Erschwernisse abzumildern und einen gewissen Ausgleich für diese Belastungen zu schaffen. Es steht den Kollektivvertragsparteien wohl frei, wenn bereits gesetzlich für bestimmte Arbeitnehmergruppen Vergünstigungen vorgesehen sind, auch für weitere Arbeitnehmergruppen eigene Vergünstigungen vorzusehen (vgl dazu Schwarz/Ziniel, Nachtschwerarbeitsgesetz, 94). Es ist auch nicht als überschießend anzusehen, wenn sie dabei für die gesetzlich ohnehin schon begünstigten Arbeitnehmergruppen festlegen, dass diese Begünstigungen angerechnet und insoweit nicht zusätzliche Begünstigungen festgelegt werden (zum Gestaltungsermessen allgemein RIS-Justiz RS0053889; zum Kollektivvertrag insbesondere 8 ObA 19/06m). Das „Erholungsbedürfnis" der wegen ihrer Belastungen bereits begünstigten Arbeitnehmergruppen ist wohl nicht als zwingend höher dadurch zu bewerten, dass auch für andere Arbeitnehmergruppen ein erhöhtes Erholungsbedürfnis angenommen wird. Es ist vielmehr jedenfalls im Rahmen des Schutzes der Erholungsbedürfnisse der Arbeitnehmer wegen beruflicher Belastungen als zulässiges Ziel der kollektivvertraglichen Gestaltung anzusehen, auch weiteren Arbeitnehmergruppen diese Vergünstigungen zukommen zu lassen, ohne in den Verhandlungen dabei dadurch eingeschränkt zu sein, dass dann den bereits begünstigen Arbeitnehmergruppen zwingend noch zusätzliche Begünstigungen eingeräumt werden müssten.
Auf die schon im Gesetz in Art XIII vorgesehene Anrechnungsbestimmung kommt es hier gar nicht an.
Insgesamt war der Revision nicht Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 2 ASGG, 50 und 41 ZPO.
Textnummer
E92597European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:008OBA00032.09B.1119.000Im RIS seit
19.12.2009Zuletzt aktualisiert am
25.06.2010