Kopf
7 Bl 203/09 k
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesgericht Klagenfurt hat durch den Vizepräsidenten Dr. Lutschounig als Vorsitzenden und die Richter Dr. Pasterk und Dr. Schofnegger in der Strafsache gegen ***** wegen des Vergehens nach § 58 Abs 1 ZDG über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 24.06.2009, 17 U 113/09 b-7, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Aus Anlass der Berufung der Staatsanwaltschaft wird das Urteil in amtswegiger Wahrnehmung des Nichtigkeitsgrundes nach § 281 Abs 1 Z 9 a ( 468 Abs 1 Z 4) StPO gemäß § 470 Z 3 StPO aufgehoben und die Sache an das Erstgericht verwiesen.
Mit ihrer Berufung wird die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
G R Ü N D E :
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 20.10.1984 geborene ***** des Vergehens nach § 58 Abs 1 ZDG schuldig erkannt und nach dieser Gesetzesstelle in Anwendung des § 37 Abs 1 StGB zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen à € 3,--, im Uneinbringlichkeitsfall zu 60 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe sowie gemäß § 389 (Abs 1) StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt . Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass gemäß § 494 a Abs 1 Z 2 StPO von einem Widerruf der dem Angeklagten im Urteil zu 16 Hv 165/06 t des Landesgerichtes Klagenfurt gewährten bedingten Strafnachsicht abgesehen wird. Nach dem Schuldspruch ist der Angeklagte seit dem 01.12.2008 in ***** der ihm im Rahmen des Zivildienstgesetzes bescheidmäßig zugewiesenen Einrichtung, nämlich dem Büro des ***** ferngeblieben und hat sich dadurch für immer dem Zivildienst entzogen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Staatsanwaltschaft wegen vorliegender Nichtigkeitsgründe, mit der sie unter Hinweis auf die seit 18.06.2009 geltende Bestimmung des § 19 Abs 2 StGB (idF BGBl I. Nr. 52/2009) die Anhebung des Tagessatzes auf
€ 4 ,- anstrebt.
Rechtliche Beurteilung
Bereits die Prüfung in nicht öffentlicher Beratung ergibt, dass das angefochtene Urteil mit dem nicht geltend gemachten, jedoch auch aus Anlass der vorliegenden Berufung wahrzunehmenden Nichtigkeitsgrund des
§ 281 Abs 1 Z 9 a (iVm § 468 Abs 1 Z 4) StPO behaftet ist, der dessen Aufhebung unumgänglich macht.
Das als Vorsatztat konzipierte Delikt des § 58 Abs 1 ZDG pönalisiert die Nichtbefolgung der Zuweisung zu einer Einrichtung (§ 8 Abs 1 und § 21 Abs 1 letzter Satz ZDG), die aus dem Verhalten des Täters eindeutig erkennen lässt, dass er sich dem Zivildienst für immer zu entziehen sucht. Wesentlicher Bestandteil dieser dem § 9 Abs 1 MilStG nachgebildeten Strafbestimmung ist, dass die vorsätzliche Entziehung auf immer ausgerichtet sein muss. Davon kann nur dann ausgegangen werden, wenn sich der Rechtsbrecher in subjektiver Hinsicht innerlich und endgültig vom Zivildienst löst. Liegt ein derartiger Vorsatz nicht vor, kommt, wenngleich der Rechtsbrecher im Rahmen des ordentlichen Zivildienstes einer Zuweisung zu einer Einrichtung über längere Zeit nicht Folge leistet, für ihn die günstigere Bestimmung des § 60 ZDG zur Anwendung.
Um nun beurteilen zu können, ob ein Verhalten dem § 58 Abs 1 ZDG oder § 60 ZDG zu unterstellen ist, sind klare und unmissverständliche Konstatierungen zur subjektiven Tatseite dringend geboten, weil erst durch sie die richtige Subsumtion der Tat ermöglicht wird.
Feststellungen zur inneren Tatseite in dem zuvor genannten Umfang sind dem Ersturteil jedoch nicht zu entnehmen, weshalb der daran anknüpfende Schuldspruch rechtsfehlerhaft zustande gekommen ist (Mayerhofer StPO5 § 281 Z 9a E 12).
Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht daher die ein tatbestandsmäßiges Verhalten nach § 60 ZDG indizierende Verantwortung des Angeklagten, er habe beabsichtigt, erst nach Beendigung seiner Ausbildung zum Gastronomiefachmann am 17.07.2009 den Zivildienst zu beginnen, auf ihre Stichhaltigkeit zu überprüfen und erst im Anschluß daran neuerlich zu beurteilen haben, ob er sich (in subjektiver Hinsicht) tatsächlich dem Zivildienst für immer zu entziehen suchte. Eine Sanierung dieses Mangels (§ 476 StPO) durch das Berufungsgericht scheidet schon im Hinblick auf die aufgezeigte Notwendigkeit einer gänzlichen Beweiswiederholung aus.
Mit ihrer Nichtigkeitsberufung wird die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.
Zur Vermeidung von Rechtsfehlern ist zur von der Staatsanwaltschaft aufgezeigten Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 11 StPO, die in der Festsetzung des Tagessatzes mit € 3.- eine rechtswidrige Unterschreitung der gesetzlichen Mindestgrenze von € 4,-- erblickt, noch Folgendes auszuführen:
Die Anhebung der Ober- und der Untergrenze des Tagessatzes von €
5oo,- auf € 5000,- bzw. von € 2,- auf € 4,- (§ 19 Abs 2 2. Satz StGB) erfolgte mit dem Budgetbegleitgesetz 2009 (BGBl I Nr.52/2009) und trat am 18.06.2009 in Kraft (Art 49 Abs 1 B-VG). Handelt es sich dabei um eine materiell rechtliche, nicht bloß die Strafzumessung (§§ 32 f StGB) regelnde Vorschrift, ist die Frage, ob sie auch auf Fälle vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens ihrer aktuellen Fassung anzuwenden ist, nach § 61 StGB zu beurteilen. Dass es sich bei der in Rede stehenden Bestimmung um ein Strafgesetz in diesem Sinn handelt, ist ungeachtet des Eingangssatzes des § 19 Abs 2 StGB zu bejahen, weil dieser nur den für die Bemessung des Tagessatzes innerhalb der gesetzlichen Grenzen maßgebenden Bezugspunkt (den Zeitpunkt des Urteils erster Instanz) normiert und nicht bestimmt, welcher Mindestsatz bei der Sanktionierung einer Straftat zur Anwendung gelangt. Für diese Auslegung spricht aber auch der Sinn der Regelung, bei der Sanktion nicht nur Strafzumessungskriterien sondern auch die wirtschaftliche Situation des Angeklagten berücksichtigen zu können (Lässig in WK² § 19 Rz 1f).
Auf früher begangene Taten (der vorliegende Tatzeitraum reicht vom 01.12.2008 bis längstens zum Strafantrag vom 19.05.2009) sind neue Strafgesetze nur (aber auch immer) dann anzuwenden, wenn die Gesetze, die zur Zeit der Tat gegolten haben, für den Täter in ihrer Gesamtauswirkung nicht günstiger waren. Bei der Prüfung dieser Frage sind sämtliche Auswirkungen des alten Rechts jenen des neuen gegenüber zu stellen. Anzuwenden ist dasjenige Recht, das für den Täter im konkreten Fall in der Gesamtabwägung günstiger ist, bei Gleichwertigkeit das neue. Eine Kombination aus altem und neuen Recht ist dabei unzulässig (RIS-Justiz RS 0118096, RS 0112939, Höpfel/Kathrein WK² §61 Rz 13).
Stellt man die im konkreten Fall herangezogene Strafbestimmung des 19 Abs 2 StGB (diejenigen der §§ 58 Abs 1 ZDG und 37 Abs 1 StGB blieben unverändert) in der jeweiligen Fassung vor und nach dem 18.06.2009 gegenüber, ergibt sich klar, dass das alte Recht in Bezug auf eine mögliche Sanktion (vgl. EvBl 1977/46) günstiger als das neu geschaffene ist, wenn auf Grund der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Verurteilten – wie im vorliegenden Fall (US 5) - der einzelne Tagessatz mit dem bisherigen Mindestsatz oder jedenfalls unter € 4.- festzusetzen wäre. Daraus folgt, dass bei der Verhängung von Geldstrafen für Taten, die wie die inkriminierte vor dem 18.06.2009 begangen wurden, in Bezug auf den gesetzlichen Mindest- und (hier nicht aktuell) Höchstsatz weiterhin das alte Recht (§ 19 Abs 2 StGB idF vor dem Budgetbegleitgesetz 2009) anzuwenden ist.
Anmerkung
EKL000997Bl203.09kEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LGKL729:2009:0070BL00203.09K.1120.000Zuletzt aktualisiert am
03.03.2010