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E000 EU- Recht allgemein;Norm
ARB1/80 Art6;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Flendrovsky, über die Beschwerde 1. der C GesmbH in B und
2. des H in R, beide vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle Vorarlberg des Arbeitsmarktservice vom 22. Juli 1998, Zl. LGSV/3/13113/1998 ABB 1788807, betreffend Nichterteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz,
Spruch
1. zu Recht erkannt:
Die Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin wird als unbegründet abgewiesen.
2. den Beschluss gefasst:
Die Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers wird zurückgewiesen.
Die beschwerdeführenden Parteien haben dem Arbeitsmarktservice zu gleichen Teilen Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die vorliegende Beschwerde ist gegen einen im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Landesgeschäftsstelle Vorarlberg vom 22. Juli 1998 gerichtet, mit dem der Antrag der Erstbeschwerdeführerin auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für den Zweitbeschwerdeführer, einen bosnischen Staatsbürger, gemäß § 4 Abs. 6 Z. 3 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) abgewiesen wurde und die Berufung des Zweitbeschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 21 AuslBG wegen Unzulässigkeit zurückgewiesen wurde.
Hinsichtlich der Erstbeschwerdeführerin wurde der angefochtene Bescheid damit begründet, dass mit Stichtag Ende Juni 1998 die mit Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales gemäß § 13a Z. 3 AuslBG für das Bundesland Vorarlberg festgesetzte Landeshöchstzahl weit überschritten sei. Die Behörde erster Instanz habe den Antrag nach § 4 Abs. 6 Z. 3 AuslBG abgelehnt. Nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens liege keine der in § 4 Abs. 6 Z. 3 lit. b bis e genannten Voraussetzungen vor. Die Überschreitung der Landeshöchstzahl sei nicht bestritten worden und in der Berufung nichts vorgebracht worden, das erkennen ließe, dass eine Beschäftigungsbewilligung wegen Vorliegens eines der Tatbestände des § 4 Abs. 6 Z. 3 AuslBG zu erteilen sei. Es sei nicht behauptet worden, dass der beantragte Ausländer als Schlüsselkraft zur Erhaltung von Arbeitsplätzen inländischer Arbeitnehmer tätig werden solle; ebenso wenig sei dargelegt worden, dass etwa überbetriebliche gesamtwirtschaftliche Interessen die Beschäftigung der zweitbeschwerdeführenden Partei notwendig machen würden. Weder im Antrag noch in der Berufung sei ein qualifiziertes, über das betriebsbezogene wirtschaftliche Interesse des Arbeitgebers an der Befriedigung eines dringenden Arbeitskräftebedarfes hinausgehendes Interesse aufgezeigt worden. Das Vorbringen hinsichtlich der Anwendung der Europäischen Sozialcharta, des Internationalen Pakts für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte sowie der Genfer Flüchtlingskonvention könne die Berufung nicht zum Erfolg führen. Im AuslBG sei keine Grundlage dafür zu finden, dass Flüchtlinge nach einer bestimmten Dauer des Aufenthaltes in Österreich einen Anspruch auf Arbeitsmarktzugang hätten. Im Verfahren sei unbestritten geblieben, dass der Zweitbeschwerdeführer keinen Flüchtlingsstatus habe. Auch eine gesetzliche Grundlage für eine analoge Anwendung des Abkommens EWG-Türkei und dem darauf basierenden Assoziationsratsbeschluss Nr. 1/80 sei aus dem AuslBG nicht abzuleiten.
Die Zurückweisung der Berufung des Zweitbeschwerdeführers wurde damit begründet, dass der Ausländer gemäß § 21 AuslBG in allen Verfahren Parteistellung habe, in denen seine persönlichen Umstände maßgeblich für die Entscheidung seien, sowie in jenen Fällen, in denen keine Person im Sinn des § 2 Abs. 3 AuslBG vorhanden sei. Für die Abweisung des Antrages seien nicht Umstände maßgeblich gewesen, die in der Person des Ausländers gelegen seien. Daher sei die Berufung des Zweitbeschwerdeführers zurückzuweisen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt wird.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 2 Z. 1 VwGG gebildeten Senat erwogen:
1. Zur Beschwerdelegitimation des Zweitbeschwerdeführers:
Gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, nach Erschöpfung des Instanzenzuges.
Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Beschwerden, die sich wegen Versäumung der Einbringungsfrist oder wegen offenbarer Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes nicht zur Verhandlung eignen oder denen offenbar die Einwendung der entschiedenen Sache oder der Mangel der Berechtigung der Erhebung der Beschwerde entgegensteht, ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
Gemäß § 21 AuslBG hat der Ausländer in allen Verfahren, in denen seine persönlichen Umstände maßgeblich für die Entscheidung sind, sowie in jenen Fällen, in denen keine Person im Sinne des § 2 Abs. 3 vorhanden ist, Parteistellung. In allen anderen Verfahren hat der Ausländer die Stellung eines Beteiligten.
Das Recht, einen Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem AuslBG zu stellen, ist grundsätzlich dem Arbeitgeber vorbehalten. Der Zweitbeschwerdeführer hat im vorliegenden Verwaltungsverfahren auch keinen derartigen Antrag gestellt. Es ist daher von vornherein verfehlt, wenn in der Beschwerde geltend gemacht wird, auch der Zweitbeschwerdeführer sei in seinem subjektiven "Recht auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung verletzt". In diesem Recht kann er jedenfalls nicht verletzt sein. Im Übrigen führt die Anwendung des § 21 AuslBG auch vor dem Hintergrund des Art. 6 Abs. 1 EMRK nicht zur Anerkennung der Parteistellung des Zweitbeschwerdeführers im Verfahren betreffend die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung, zumal auch eine Anfechtung dieser Bestimmung beim Verfassungsgerichtshof angesichts dessen Erkenntnisses vom 2. Juli 1993, VfSlg. 13.505, aussichtslos erscheint, in welchem dieser unter Hinweis auf sein "grundlegendes Erkenntnis VfSlg. 11.500/1987" die Entscheidung über die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nicht als eine solche über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen im Sinne des Art. 6 Abs. 1 EMRK qualifiziert hat.
2. Zur Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin:
§ 4 Abs. 6 AuslBG i.d.F. des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 78/1997 lautet:
"(6) Über bestehende Kontingente (§ 12) hinaus sowie nach
Überschreitung festgelegter Landeshöchstzahlen (§§ 13 und 13a)
darf eine Beschäftigungsbewilligung nur erteilt werden, wenn
1. der Antrag für einen im § 4b Abs. 1 Z 3 bis 9
genannten oder einen von einer Verordnung gemäß § 12a Abs. 2
erfassten Ausländer eingebracht wird und
2. die Voraussetzungen der Abs. 1 und 3 vorliegen und
3. a) der Regionalbeirat einhellig die
Erteilung der Beschäftigungsbewilligung befürwortet oder
b) die Beschäftigung des Ausländers aus besonders
wichtigen Gründen, insbesondere als Schlüsselkraft zur Erhaltung
von Arbeitsplätzen inländischer Arbeitnehmer oder als nachweislich
qualifizierte Arbeitskraft im Bereich der Gesundheits- oder
Wohlfahrtspflege, notwendig ist oder
c) überbetriebliche gesamtwirtschaftliche Interessen
die Beschäftigung des Ausländers erfordern oder
d) die Voraussetzungen des § 18 gegeben sind oder
e) die Beschäftigung auf Grund einer Verordnung gemäß
§ 9 des Fremdengesetzes 1997 erfolgen soll."
Die Beschwerdeführer behaupten zunächst, dass die mit Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales BGBl. II Nr. 356/1997 für das Jahr 1998 für das Bundesland Vorarlberg festgelegte Landeshöchstzahl von 14.300 verfassungs- und gesetzwidrig sei. Es sei offenkundig unsachlich, die Landeshöchstzahlen ganz Österreichs mit zusammen weniger als 80 % der Bundeshöchstzahl festzulegen, wenn die Landeshöchstzahl nach der ausdrücklichen Gesetzesermächtigung des § 13a AuslBG der Sicherung der Bundeshöchstzahl dienen solle.
Diese Bedenken sind jedoch nicht begründet, hat doch der Verordnungsgeber bei Festlegung der Landeshöchstzahlen auch darauf Bedacht zu nehmen, dass ein Anwendungsbereich für das Verfahren nach § 4 Abs. 6 AuslBG verbleibt (vgl. im Übrigen das hg. Erkenntnis vom 18. November 1998, Zl. 98/09/0156, auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird).
Soweit die beschwerdeführenden Parteien meinen, bei der zur Beurteilung der Überschreitung der festgesetzten Landeshöchstzahl zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides herangezogene Statistik des Arbeitsmarktservice über die Arbeitsmarktdaten handle es sich um eine Kundmachung mit normativer Wirkung, und soweit sie sich insoweit auf die unter VfSlg. 14.764/1997 kundgemachten Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes berufen, sind sie mit ihrer Annahme im Irrtum, aus diesen Erkenntnissen könne abgeleitet werden, es handle sich dabei um eine Verordnung. Die behördliche Feststellung über die Ausschöpfung der Landeshöchstzahlen mittels amtlicher Statistik stellt vielmehr einen Urkundenbeweis dar, wobei der Gegenbeweis zulässig ist (vgl. auch dazu das hg. Erkenntnis vom 18. November 1998, Zl. 98/09/0156, m.w.N.). Im Übrigen hat es die Erstbeschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren unterlassen, taugliche Einwendungen gegen die behördliche Feststellung der Ausschöpfung der Landeshöchstzahl zu erstatten. Wenn sie nunmehr vorbringt, der belangten Behörde sei eine "pflichtwidrige Unterlassung eines kontradiktorischen Ermittlungsverfahrens" vorzuwerfen, so vermag dieses unsubstanziierte Vorbringen die Richtigkeit des von der belangten Behörde herangezogenen statistischen Zahlenmaterials nicht zu erschüttern und stellt im Übrigen eine im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof unbeachtliche Neuerung dar.
Auch auf das Beschwerdevorbringen, es widerspreche dem Gemeinschaftsrecht, assoziationsintegrierte türkische Staatsangehörige bei der für die Beurteilung, ob eine festgelegte Landeshöchstzahl im Sinn des § 4 Abs. 6 überschritten ist, maßgeblichen Zählung mitzuzählen, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits im angeführten hg. Erkenntnis vom 18. November 1998, Zl. 98/09/0156, geantwortet und ausgeführt, dass die von der belangten Behörde dargestellte bzw. angewendete Berechnungsmethode nicht zu einer Beeinträchtigung von gemeinschaftsrechtlich begründeten Ansprüchen auf dem österreichischen Arbeitsmarkt führt und im Übrigen auch nicht ersichtlich ist, dass dadurch eine unsachliche Beeinträchtigung der Rechtspositionen anderer, im österreichischen Arbeitsmarkt integrierter Fremder bzw. deren potenzieller Arbeitgeber bewirkt würde.
Sohin erweist sich nicht als rechtswidrig, dass die belangte Behörde im Beschwerdefall die vom Bundesminister für Arbeit und Soziales mit Verordnung gemäß § 13a Z. 3 AuslBG festgelegte Landeshöchstzahl als überschritten ansah und in der Folge zum Ergebnis gelangte, dass der Antrag der Erstbeschwerdeführerin auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für den Zweitbeschwerdeführer wegen Fehlens der Voraussetzungen nach § 4 Abs. 6 Z. 3 AuslBG abgewiesen wurde. Im gesamten Verwaltungsverfahren wurde nämlich nichts vorgebracht, was auf die Erfüllung dieser konkreten Voraussetzungen Bezug nähme, insofern wird auch in der Beschwerde nichts Konkretes ausgeführt.
Soweit die Erstbeschwerdeführerin meint, aus Art. 17 der Genfer Flüchtlingskonvention zu Gunsten des Zweitbeschwerdeführers ein Recht auf Beschäftigung ableiten zu können, geht dieser Hinweis schon deswegen fehl, weil nicht einmal behauptet wird, beim Zweitbeschwerdeführer handle es sich um einen Flüchtling im Sinne dieser Genfer Flüchtlingskonvention. Soweit in der Beschwerde auf Art. 23 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte Bezug genommen wird, ist darauf hinzuweisen, dass aus dieser Vorschrift kein Recht auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem AuslBG abgeleitet werden kann.
Zum Beschwerdehinweis auf Art. 6 des Internationalen Pakts für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte ist darauf hinzuweisen, dass bei der Genehmigung dieses Staatsvertrages durch den Nationalrat gemäß Art. 50 Abs. 2 B-VG der Beschluss gefasst wurde, dass er durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist (vgl. BGBl. Nr. 591/1978). Subjektive Rechte kann diese Bestimmung, nach welcher sich die Mitgliedstaaten des Paktes verpflichtet haben, das Recht auf Arbeit, einschließlich das Recht von jedermann auf Einräumung der Gelegenheit seinen Lebensunterhalt durch eine frei gewählte oder angenommene Arbeit zu verdienen, anzuerkennen und sich zur Vornahme angemessener Schritte zur Gewährleistung dieses Rechts verpflichtet haben, nicht ableiten.
Die von der erstbeschwerdeführenden Partei weiters ins Treffen geführte Argumentation einer unmittelbaren bzw. analogen Anwendung der Bestimmungen des Art. 17 Z. 2 Flüchtlingskonvention und (offenbar der Art. 6 und/oder 7) des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 geht ins Leere, weil zum einen die für eine Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention notwendigen Behauptungen nicht aufgestellt wurden und zum anderen für eine Analogie zu Gunsten von Nichttürken nach dem Assoziationsratsbeschluss Nr. 1/80 weder die sachlichen Voraussetzungen noch eine Notwendigkeit (gesetzliche Lücke) besteht.
Aus diesen Gründen war die Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Von der Abhaltung der von den beschwerdeführenden Parteien beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte deshalb abgesehen werden, weil die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen ließen, dass von der mündlichen Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten war (§ 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG). Dem steht auch nicht Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, entgegen, weil mit verwaltungsrechtlichen Eingriffen in das Recht, Ausländer zu beschäftigen, "civil rights" nicht verletzt werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Oktober 1997, Zl. 95/09/0326, und die darin angegebene weitere Judikatur).
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit § 41 AMSG und der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 19. Dezember 2000
Schlagworte
Beweismittel UrkundenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1998090258.X00Im RIS seit
15.03.2001Zuletzt aktualisiert am
24.10.2011