TE Vwgh Erkenntnis 2000/12/19 94/12/0159

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Veröffentlicht am 19.12.2000
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Index

L24004 Gemeindebedienstete Oberösterreich;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
24/01 Strafgesetzbuch;
40/01 Verwaltungsverfahren;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;
67 Versorgungsrecht;

Norm

ASVG §271;
ASVG §273 Abs1;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
AVG §52;
AVG §53 Abs1;
AVG §68 Abs1;
AVG §7 Abs1 Z4;
AVG §7 Abs1;
B-VG Art20 Abs1;
GdUFG OÖ 1969 §13 Abs2;
GdUFG OÖ 1969 §13;
GdUFG OÖ 1969 §18 Abs1;
GdUFG OÖ 1969 §2;
GdUFG OÖ 1969 §27 Abs1;
GdUFG OÖ 1969 §27 Abs4;
GdUFG OÖ 1969 §27;
GdUFG OÖ 1969 §28;
GdUFG OÖ 1969 §7;
KOVG 1957 §7 Abs2;
KOVG 1957 §7;
KOVG RichtsatzV 1965;
StGB §289;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 95/12/0170 96/12/0198

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Riedinger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Sellner, über die Beschwerden des S in Linz, vertreten durch Dr. Ulf Gastgeb, Rechtsanwalt in Linz, Bürgerstraße 41, gegen

1. den Bescheid des zuständigen Mitgliedes des Stadtsenates der Landeshauptstadt Linz Vizebürgermeister Adolf Schauberger vom 5. Mai 1994, Zl. 0-1-0, betreffend Entziehung der Versehrtenrente und Abweisung eines Verschlimmerungsantrages nach dem O.ö. Gemeinde-Unfallfürsorgegesetz, (protokolliert unter Zl. 94/12/0159),

2. den Bescheid des zuständigen Mitgliedes des Stadtsenates der Landeshauptstadt Linz Vizebürgermeister Adolf Schauberger vom 9. Mai 1995, Zl. 0-1-0-St, betreffend Abweisung des Antrages auf Wiederaufnahme des mit dem unter 1.) genannten Bescheides rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens (protokolliert unter Zl. 95/12/0170) und

3. den Bescheid des zuständigen Mitgliedes des Stadtsenates der Landeshauptstadt Linz Vizebürgermeister Adolf Schauberger vom 10. April 1996, Zl. 0-1-0, betreffend Nichtzuerkennung einer Versehrtenrente nach dem O.ö. Gemeinde - Unfallfürsorgegesetz (protokolliert unter Zl. 96/12/0198),

Spruch

I.

zu Recht erkannt:

Der erst- und der drittangefochtene Bescheid werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

II.

den Beschluss gefasst:

Die gegen den zweitangefochtenen Bescheid gerichtete Beschwerde wird als gegenstandslos erklärt und das Verfahren wird in diesem Umfang eingestellt.

Die Landeshauptstadt Linz hat dem Beschwerdeführer im Verfahren betreffend den erstangefochtenen Bescheid Aufwendungen in der Höhe von S 12.950,-- und im Verfahren betreffend den drittangefochtenen Bescheid in der Höhe von S 12.500,-- (insgesamt: S 25.450,--) binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Der Beschwerdeführer hat der Landeshauptstadt Linz im Verfahren betreffend den zweitangefochtenen Bescheid Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der 1948 geborene Beschwerdeführer stand bis zu seiner mit Ablauf des 6. September 1990 gemäß § 85 Abs. 4 des O.ö. Statutargemeinde-Beamtengesetzes (StGBG), LGBl. Nr. 37/1956, kraft Gesetzes erfolgten Entlassung (rechtskräftige Verurteilung wegen des Verbrechens des schweren Betruges nach den §§ 146 und 147 Abs. 3 StGB und des Vergehens der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs. 1 Z. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe unbedingt) in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Landeshauptstadt Linz. Er war zuletzt als Brandmeister bei der Feuerwehr tätig (Verwendungsgruppe C).

Alle drei Beschwerden beziehen sich auf Ansprüche des Beschwerdeführers aus der Zeit seines Dienstverhältnisses zur Landeshauptstadt Linz. Im Einzelnen handelt es sich dabei um

I. die Entziehung der auf Grund des anerkannten Dienstunfalls vom 8. November 1985 zuerkannten Versehrtenrente und Abweisung eines Verschlimmerungsantrages (erstangefochtener Bescheid vom 5. Mai 1994),

II. die Abweisung des Antrages auf Wiederaufnahme des mit dem erstangefochtenen Bescheid abgeschlossenen Verfahrens (zweitangefochtener Bescheid vom 9. Mai 1995) und III. die Nichtzuerkennung einer Versehrtenrente auf Grund der als Berufskrankheit anerkannten Schipperkrankheit (drittangefochtener Bescheid vom 10. April 1996).

Diese Verfahren stellen sich wie folgt im Einzelnen dar:

Ad I.) Entziehung der auf Grund des anerkannten Dienstunfalls vom 8. November 1985 zuerkannten Versehrtenrente und Abweisung eines Verschlimmerungsantrages

I A. Vorgeschichte - Zuerkennung der Versehrtenrente nach dem Dienstunfall vom 8. November 1985

I A 1. Im Rahmen eines Feuerwehreinsatzes erlitt der Beschwerdeführer beim Versuch eine Wohnungstür (nach Anlauf) mit der (linken) Schulter einzudrücken am 8. November 1985 einen Unfall. Wegen anhaltender und zunehmender Schmerzen suchte der Beschwerdeführer erst am 12. Dezember 1985 seinen praktischen Arzt Dr. K auf, der in der Folge eine Behandlung durch Infiltrationen und physikotherapeutische Maßnahmen durchführte.

I A 2. Da es trotz dieser Behandlung zu keiner Besserung der Schmerzsymptomatik kam, wurden am 12. Dezember 1986 (Röntgen der linken Schulter "AP + AX") und am 5. Jänner 1987 (HWS-Röntgen "APS") Röntgenaufnahmen im AKH Linz (im Folgenden AKH L.)gemacht.

I A 2.1. Der am 15. Dezember 1986 ausgestellte Untersuchungsbefund der ersten Röntgenuntersuchung lautet:

"Weichteilverkalkung über dem Tuberculum majus - Periarthritis humero-scapularis. Oberarmkopfhochstand. Vermehrte subchondrale Sklerosierung im Pfannenbereich - Omarthrose."

I A 2.2. Der Untersuchungsbefund des Zentralröntgeninstitutes vom 7. Jänner 1987 betreffend die zweite Röntgenuntersuchung (vom 5. Jänner 1987) lautet:

"Normale Knochendichte und Höhe der einzelnen WK, etwas vermehrte Streckhaltung der unteren HWS bzw. des cervicothoracalen Überganges.

Isolierter Knochenkern hinter dem Proc. spinosus C 5, wahrscheinl. alter Abriss."

I A 3. Ferner wurde am 16. Juni 1987 in der neurologischpsychiatrischen Abteilung dieses Krankenhauses ein "EMG-ENG-Befund" erstellt, in dem ein ‚Sulcus N. ulnaris-Syndrom links' diagnostiziert wurde. Der Befund enthält u.a. folgende Feststellungen:

"N. ulnaris, Stimulation am Handgelenk, Unter- u. Oberarm Ableitung vom M.abduktor digitiquenti

dist. Latenzzeit (6 cm) li. 2,6 (2,0 bis 3,0 m/sec.) Höhe des Summenaktionspot. 2,8

Leitgeschwindigkeit am Unterarm 43 m/sec (46 bis 70 m/sec). Leitgeschwindigkeit im Bereich des Sulcus ulnaris 29 m/sec. Leitgeschwindigkeit im Oberarmbereich 90 m/sec.

Zusammenfassung:

Leitverlangsamung des N. ulnaris links im Unterarm, besonders aber im Sulcusbereich, Summenaktionspotentialerniedrigung. Keine Denervierungszeichen im Hypothenar mehr nachweisbar.

Beurteilung:

Alte inkomplette N. ulnaris-Parese links im Sulcusbereich."

I A 4. Am 21. Juli 1987 wurde der Beschwerdeführer im AKH L. operiert ("Neer-Positer mit Bursektomie und Spaltung des Ligamentum coraco-acromiale") und in der Folge ambulant weiterbehandelt.

I A 5.1. Die schriftliche (formularmäßige) Dienstunfallanzeige des Beschwerdeführers für den von ihm am 8. November 1985 erlittenen Unfall langte am 6. Februar 1989 bei der Dienstbehörde ein. Nach Schilderung des Unfallherganges gab der Beschwerdeführer als "Verletzungsfolgen" auf dem Vordruck an:

"Linke Schulter - Ellenbogen bis Ringfinger".

I A 5.2. Im Zuge des durch diese Meldung in Gang gesetzten Verwaltungsverfahrens wurden u.a. auch Erhebungen zum Unfallshergang angestellt. Dabei gab es in einem Punkt unterschiedliche Darstellungen: Während die als Zeugen einvernommenen Kollegen des Beschwerdeführers (Niederschriften vom 7. April 1989) angaben, die Tür sei bereits vor der Aktion des Beschwerdeführers mit dem Brecheisen ca. 2 cm geöffnet gewesen, hielt der Beschwerdeführer in seiner Einvernahme laut Niederschrift vom 26. April 1989 daran fest, er habe die Öffnung dieser Tür vor derartigen "Vorarbeiten" versucht. Im Übrigen bestand aber eine Übereinstimmung in der Darstellung des Unfallgeschehens.

In ihrem an das Gesundheitsamt gerichteten Ersuchen vom 12. Mai 1989, ein ärztliches Gutachten zu erstatten, nahm die Dienstbehörde erster Instanz bezüglich des Unfallherganges folgenden Sachverhalt (der sich mit der Darstellung des Beschwerdeführers in der Niederschrift vom 26. April 1989 deckt) als erwiesen an: Der Beschwerdeführer habe versucht, eine starke von innen verspreizte Tür zu öffnen, indem er sich "aus dem Stand" dagegen geworfen habe. Als sie dadurch nicht zu öffnen gewesen sei, habe er sich einen Anlauf von 2 - 3 Meter genommen und sich "voller Wucht" gegen die Tür geworfen. Die Tür habe auch diesem Öffnungsversuch widerstanden. Der Beschwerdeführer sei durch die Wucht des Anpralles zu Boden geworfen worden.

In der Folge wurden im Ermittlungsverfahren auch zwei ärztliche Gutachten (siehe dazu unten unter I A 6.1. und I A 6.2.) eingeholt.

I A 6. Mit dem in Rechtskraft erwachsenen Bescheid vom 19. September 1989 anerkannte die Dienstbehörde erster Instanz den (nicht näher beschriebenen) Unfall des Beschwerdeführers vom 8. November 1985 gemäß § 2 Abs. 1 des O.ö. Gemeinde-Unfallfürsorgesetzes, LGBl. Nr. 36/1969 (in der Folge O.ö. Gem-UFG), als Dienstunfall an und sprach ihm "für die Folgen dieses Unfalles gemäß §§ 1, 7, 8, 9, 22 und 27 leg. cit. ab 9. November 1989" (richtig: 1985) eine Versehrtenrente im Ausmaß von 20 v.H. der Vollrente (Teilrente) zu. Sie ging davon aus, dass der Beschwerdeführer bereits am 5. Dezember 1986 beim dienstführenden Offizier wegen Erstattung einer Unfallmeldung für den obgenannten Unfall mündlich vorstellig geworden sei, weshalb die Leistungsansprüche (ungeachtet der erst mit 6. Februar 1989 erfolgten schriftlichen Unfallanzeige) mit 9. November 1985 angefallen seien.

I A 6.1.Sie stützte sich dabei in der Begründung auf das amtsärztliche Gutachtenvom 21. Juli 1989, wonach beim Beschwerdeführer als Folge des Unfalles ein Zustand nach Prellung des linken Schultergelenkes mit Prellung und Quetschung der Rotatorenmanschette und "reaktivierter Bursitis calcarea humero scap sin (operiert)"; chronisches Schulter-Arm-Syndrom mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE von 20 v.H.) bestehe. Die Einstufung sei in Übereinstimmung mit dem Untersuchungsbefund im Gutachten des Facharztes für Unfallchirurgie Dr. M - im Folgenden M. - analog der Position 29 der Richtsatzverordnung zu § 7 KOVG 1957 "höhergradige Behinderung" des Gegenarmes bei einem Rahmensatz mit 20 bis 40 v.H. mit 20 v.H. festgelegt worden. Der untere Rahmensatz sei deshalb herangezogen worden, weil erst bei einer völligen Versteifung des Schultergelenkes in günstiger Stellung eine MdE von 30 v.H. (Position 26) bzw. für eine nicht eingerenkte Luxation und damit höchstgradiger Gebrauchsunfähigkeit der betroffenen Extremität eine MdE von 40 v.H.

(Position 31/richtig wohl: Position 30) vorgesehen sei.

I A 6.2. Das genannte Gutachten des von der Dienstbehörde beauftragten Facharztes Dr. M. vom 6. Juli 1989, auf das sich auch die Amtssachverständige berief (im Folgenden auch als Vergleichsgutachten bezeichnet), war aufgrund einer Untersuchung des Beschwerdeführers und einer Röntgenkontrolle vom 30. Juni 1989 zu folgenden Feststellungen gelangt:

"Derzeitige Beschwerden:

Vor allem Bewegungsschmerz im Bereiche der linken Schulter bei Abduktion und Außenrotation, jedoch auch Ruheschmerz im Bereiche der Rotatorenmanschette und leicht nach peripher ausstrahlend, teilweise überlagert durch das N.ulnaris Syndrom. Wetterfühligkeit liegt vor.

Befund:

Die Schulterkontur links ist etwas abgeflacht, es zeigt sich eine Narbe schräg gestellt vom Acromion zum Tuberculum majus des OA-Kopfes, hinten blande Wundverhältnisse, es besteht im Narbenbereich deutliche Druckempfindlichkeit. OA-Umfangmaße zeigt links gegenüber rechts im Bicepsbereich ein Defizit von ca. 1,5 bis 2 cm, links 35 cm, rechts 37 cm.

Schultergelenksbeweglichkeit links in S/50/0/30 Grad ,

in F/20/0/30 Grad ,

die Rotation sowohl nach außen als auch nach innen ist um je 1/3

im Vergleich zur Gegenseite eingeschränkt.

Ellbogen ist frei beweglich.

Röntgenbefund vom 30.6.1989:

Linke Schulter ap und axiales Bild: Zeigt im Bereiche der Gelenkspfanne im unteren Anteil eine kleine Knochenabsplitterung von 2 mm Durchmesser, Sklerosierung des Tuberculum majus, periarticuläre Weichteilverkalkungen auf dieser Aufnahme nicht nachweisbar, das AC-Gelenk unauffällig, der OA-Kopf steht deutlich hoch.

Diagnose und Epikrise:

Zustand nach schwerer Prellung des linken Schultergelenkes mit Quetschung und Laesion der Rotatorenmanschette und reaktiver Bursitis calc. hum. scap. operiert. chronisches Schulter-Arm-Syndrom.

Ausgelöst durch eine schwere Schulterprellung am 8.11.1985 links mit darauf folgend konservativer Behandlung beim Hausarzt mit Analgetika und physikalischer Therapie. Es erfolgte nach eingehender Abklärung am 21.7.87 die Operation im Sinne einer Neer-Plastik im Bereiche der linken Schulter auf der Orthopädie im AKH-Linz. Darauf folgend ambulante physikalische Nachbehandlung, die vorerst eine leichte Besserung der Symptomatik ergab, ab November 1987 jedoch die Schmerzsymptomatik, ähnlich der vor Operation, wieder auftrat. Seitdem unveränderte Schmerzen im Bereiche des linken Schultergelenkes vor allem bei Bewegung und Belastung, jedoch auch teilweise Ruheschmerz.

Es werden laufend physikalische Therapien im Sinne einer Gymnastik, Massage und auch Analgetikagaben durchgeführt. Aufgrund der vorliegenden Brückenbefunde ist eine Kausalität der jetzigen Beschwerdesymptomatik mit dem Unfall vom 8.11.1985 außer Zweifel zu stellen.

Es liegt eine dauernde Minderung der Gebrauchsfähigkeit des linken Armes vom Schultergelenk nach peripher gemessen vor."

I B. Gerichtsverfahren

Der Beschwerdeführer führte zum Teil zeitgleich mit dem unter

I C. dargestellten Verfahren vor den Dienstbehörden einige Verfahren vor den ordentlichen Gerichten gegen verschiedene Beklagte. Da er sich nunmehr zum Teil auf diese Verfahren beruft bzw. Gutachten, die in diesen Gerichtsverfahren im Auftrag des Gerichtes erstellt wurden, bereits in den damals noch anhängigen, seine Versehrtenrente betreffenden Entziehungverfahren vorgelegt hat, sind diese Gerichtsverfahren zum besseren Verständnis kurz darzustellen.

I B 1. Erhöhung der Berufsunfähigkeitspension

Unter AZ 14 CgS 1209/92 führte der Beschwerdeführer beim LG Linz als Arbeits- und Sozialgericht gegen die Pensionsversicherungsanstalt für Angestellte, Landesgeschäftsstelle Oberösterreich, eine Klage betreffend die Erhöhung der ihm von diesem Sozialversicherungsträger seit 1. Mai 1991 gewährten Berufsunfähigkeitspension. Der Beschwerdeführer wies in seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid, die mit dem erstangefochtenen Bescheid erledigt wurde (siehe unten unter I C. 4), auf den Bezug einer Berufsunfähigkeitspension durch die PVAng hin und beruft sich auch in seiner Beschwerde gegen den erstangefochtenen Bescheid auf diesen Umstand. Gutachten aus dem Verfahren 14 CgS 1209/92 legte der Beschwerdeführer in den seine Versehrtenrente betreffenden Verfahren nicht vor.

I B 2. Klage gegen eine Privatversicherung

Unter AZ 5 Cg 255/91 führte der Beschwerdeführer beim LG L. gegen die X Wechselseitige Versicherungsanstalt eine Klage. In diesem Prozess erstattete der vom Gericht beauftragte Sachverständige Dr. Schü (im Folgenden Dr. Schü) ein Gutachten, das der Beschwerdeführer im Berufungsverfahren gegen den erstinstanzlichen Bescheid, das mit dem erstangefochtenen Bescheid abgeschlossen wurde, vorlegte (siehe dazu unten unter I C 4.). Es wurde im abschließenden Gutachten Dris Sk. vom 20. September 1993 von der von der belangten Behörde beauftragten Universitätsklinik für Unfallchirurgie des AKH Wien (im Folgenden AKH W.) mitberücksichtigt.

I B 3.Amtshaftungsklage gegen die Landeshauptstadt Linz

Unter AZ 1 Cg 37/92 führte der Beschwerdeführer beim LG L. ein Amtshaftungsverfahren gegen seine ehemalige Dienstgeberin, in dem er im Wesentlichen einen Rentenanspruch geltend machte, weil es die Beklagte unterlassen habe, ihn trotz Vorliegens seiner dauernden Dienstunfähigkeit vor der kraft Gesetzes erfolgten Auflösung seines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses (am 6. September 1990) in den Ruhestand zu versetzen. Das Erstgericht führte zur Frage des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers ein Beweisverfahren durch und zog als Sachverständigen Dr. L (im Folgenden Dr. L.) bei. Es kam zum Ergebnis, dass jedenfalls bis zum 6. September 1990 keine dauernde Dienstunfähigkeit des Beschwerdeführers (im Sinne des § 43 Abs. 1 Z 1 StGBG) gegeben gewesen sei. Auf das Gutachten Dris. L. berief sich der Beschwerdeführer im Verfahren, das zum drittangefochtenen Bescheid führte (siehe dazu die Sachverhaltsdarstellung unter III 2.1.2., 4. bis 6.). Die Amtshaftungsklage blieb in beiden Instanzen erfolglos (Abschluss durch das rechtskräftige Urteil des OLG Linz vom 26. April 1994, 12 R 11/94).

I C. Entziehung der Versehrtenrente und Abweisung des Verschlimmerungsantrages

I C 1. Verschlimmerungsantrag

Mit Schreiben vom 24. Jänner 1991 beantragte der Beschwerdeführer unter anderem eine "Anhebung der Invalidität auf 40 %", weil sich seine Beschwerden im Bereich der linken Schulter wesentlich verschlechtert hätten und zusätzlich durch eine einseitige Belastung starke Beschwerden im Bereich der Wirbelsäule aufträten.

I C 2. Erstinstanzliches Verfahren

Nach Durchführung eines umfangreichen Ermittlungsverfahrens entzog die Dienstbehörde erster Instanz mit Bescheid vom 6. Mai 1992 dem Beschwerdeführer die zuerkannte Versehrtenrente nach Änderung der MdE von 20 v.H. auf 15 v.H. gemäß §§ 18 Abs. 1 und 13 Abs. 2 O.ö. Gem-UFG in Verbindung mit §§ 1 und 11 DVG mit Ablauf des Monates, mit dem dieser Bescheid in Rechtskraft erwachse. Einer Berufung gegen diesen Bescheid wurde gemäß § 12 Abs. 2 DVG in Verbindung mit § 49 Abs. 1 O.ö. Gem-UFG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

In der Begründung wurde der Verfahrensablauf wegen seiner Komplexität in chronologischer Abfolge in Auseinandersetzung mit den jeweiligen (teilweise umfangreichen) Einwendungen im Wesentlichen wie folgt dargestellt (die dekadischen Untergliederungen und die Unterstreichungen der jeweils genannten Unterlagen finden sich nicht im Original; sie wurden aus Gründen der Übersichtlichkeit eingeführt):

I C 2.1. Der von der Behörde mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragte Univ.Prof. Dr. Re (Vorstand der Fachabteilung für Unfallchirurgie des AKH L.) - im Folgenden Dr. Re. - habe in seinem Gutachten vom 11. Juni 1991 auf den langen zeitlichen Abstand der durchgeführten Untersuchungen zum Unfallereignis sowie darauf hingewiesen, dass einerseits eine Verletzung der Schulter, andererseits jedoch eine Ulnaris-Parese im Bereich des linken Ellenbogens vorliege. Nach Darstellung des bisherigen Krankheitsverlaufes stellte der Gutachter die derzeitigen Beschwerden des Beschwerdeführers dar. Dieser klage darüber, dass in den letzten Monaten zunehmende Beschwerden aufträten, die von der linken Schulter in den Nacken, die Brust- und LWS-Gegend bis in das rechte Auge ausstrahlten. Zu Sehstörungen sei es bisher nicht gekommen. Nach dem Aufstehen am Morgen könne er beim Zeitunglesen anfangs die Buchstaben nur undeutlich wahrnehmen; Der Zustand würde sich jedoch spontan bessern. Im Bereich der linken Schulter habe sich die Sensibilität vermindert; ferner verspüre der Beschwerdeführer - ausgehend vom linken Ellenbogen - zum Kleinfinger und vierten Finger (der linken Hand) eine Gefühlsverminderung (Hinweis auf den vom Gutachter angeforderten EMG- und ENG-Befund der psychiatrisch-neurologischen Abteilung des AKH L. vom 24. April 1991; die Untersuchung selbst fand am 23. April 1991 statt). Im Bereich der linken Schulter werde ein Bewegungsschmerz sowohl bei Flexion/Extension als auch bei Abduktion und Außenrotation sowie ein Ruheschmerz im Bereich der Rotatorenmanschette beschrieben. Zusätzlich bestehe Wetterfühligkeit.

Der Gutachter gelangte zu folgendem "objektiven" Befund:

"Im Stehen im Wesentlichen seitengleiche Schulterkontur, vier Querfinger distal der Clavicula findet sich eine zur Clavicula annähernd parallel verlaufende ca. 10 cm lange reaktionslose Narbe, im Bereich des Narbenbereiches zeigt sich eine erhöhte Druckempfindlichkeit. Vermehrter Druckschmerz findet sich auch im Bereich des Proc. Coracoideus und Tuberculum Majus.

Der Stabilitätstest ergab, dass die vordere und hintere Schublade im Sitzen nicht auslösbar sei, beim Zug nach caudal kein Sulkuszeichen. Der Palm-Up-Test zeigt links eine Kraftverminderung im Vergleich zur rechten Seite. Bei angelegtem Oberarm und Flexion des Ellenbogengelenkes von 90 Grad sowohl die Außenrotations- als auch die Innenrotationskraft links vermindert im Vergleich zu rechts".

In weiterer Folge habe Dr. Re. die aktive und passive Beweglichkeit der linken Schulter mit Vergleichsmessung der Bewegungsmaße der rechten Schulter dargestellt. Im Einzelnen habe sich folgendes Bild ergeben:

"

links

rechts

Flexion/Extension

65/0/20

150/0/60

Ab/Adduktion

65/0/35

160/0/70

Außen/Innenrotation

20/0/60

60/0/90

Passive Beweglichkeit der li. Schulter mit Vergleichsmessung

 

links

rechts

Flexion/Extension

65/0/30

160/0/80

Ab/Adduktion

65/0/35

160/0/80

Außen/Innenrotation

20/0/60

65/0/90

Ellbogen

links

rechts

Extension/Flexion

0/10/140

0/5/135

Handgelenk

links

rechts

Dorsal/Ulnar

70/0/70

70/0/80

Radial/Ulnar

20/0/40

35/0/35

 

 

 

Umfangmasse

links

rechts

Mittelhand

24

24

Handgelenk

19

19,5

Unterarm cm dist.

 

 

Ellbogen

30,5

31,5

Oberarm 15 cm. prox.

 

 

Epicondyl. radialis

38

37

Oberarm Schulternahe

44

44

 

 

 

Der Röntgenbefund der linken Schulter ap/axial ergab kongruente Kopf/Pfannenverhältnisse, im Bereich des Tuberculum maj. Am Ansatz der Rotatorenmanschette zeigte sich eine vermehrte Sklerosierungszone, im axialen Bild unauffälliger Befund. Keine Zeichen einer Kopfnekrose, keine Zeichen einer Luxation oder Subluxation."

Der Gutachter sei zu folgender Beurteilung gekommen:

"1) Das Ereignis vom 8. November 1985 hat möglicherweise zu einer leichten Prellung der linken Schulter geführt, jedoch nur möglicherweise zu einer Quetschung der linken Schulter, wie es im Gutachten von Dr. M. am 6. Juli 1989 beschrieben wurde. Zur Anerkennung einer schweren Schulterprellung oder Schulterquetschung fehlt die unmittelbar nach dem Vorfall einsetzende Schmerzsymptomatik und zur Anerkennung der Unfallkausalität sollte noch ein ausführlicher Befundbericht von Dr. K eingeholt werden. Zur Anerkennung der Unfallkausalität müssten auch noch die Röntgenbilder vorgelegt werden, die unmittelbar nach dem Vorfall am 8. November 1985 angefertigt wurden und diese Aufnahmen müssten mit den Aufnahmen verglichen werden, die am 15. Dezember 1986 und 7. Jänner 1987 angefertigt wurden.

2) Die am 16. Juni 1987 festgestellte inkomplette Nervus-Ulnaris-Parese links im Sulcus Bereich kann nicht bei dem Vorfall am 8. November 1985 eingetreten sein und kann nicht Folge dieses Vorfalles sein, da sich der Versicherte bei diesem Vorfall - wenn überhaupt - eine Verletzung der linken Schulter zugezogen hat und keine Verletzung des linken Ellbogens.

3) Die am 21. Juli 1987 an der orthopädischen Abteilung des AKH Linz durchgeführte Operation kann nicht mit ausreichender Sicherheit als kausal zum Vorfall am 8. November 1985 angesehen werden.

4) Die Bursitis calcarea einerseits und die so genannte Rotatormanschettenruptur andererseits sind erfahrungsgemäß nur in den allerseltensten Fällen Unfallsfolge. Die sogenannte Rotatormanschettenruptur und auch die Bursitis calcarea sind nahezu immer Folge eines degenerativen

Leidens, das erfahrungsgemäß mit zunehmendem Alter des Patienten zunimmt, sodass es mit zunehmendem Alter des Patienten zu einer zunehmenden Ausdehnung der Rotatormanschette kommt und auch häufig zu zunehmenden Kalkeinlagerungen in den Bursen.

5) Bei der persönlichen Untersuchung des Versicherten am 9. Mai 1991 bzw. 11. Juni 1991 konnte gegenüber dem Vergleichsbefund im Gutachten Dr. M. vom 6. Juli 1989 keinerlei Abnahme der Beweglichkeit, sondern eher sogar

eine geringfügige Besserung der Beweglichkeit festgestellt werden. Die Einschränkung der Schultergelenksbeweglichkeit ist nicht als Unfallsfolge zu werten, sondern bedingt durch degenerative Veränderungen der linken Schulter."

Zusammenfassend sei Dr. Re. zu folgendem Ergebnis gekommen:

"Da für die Folgen des Vorfalles vom 8. November 1985 trotz fraglicher Unfallkausalität - bescheidmäßig eine MdE von 20 % laut § 29 des KOVG zuerkannt wurde und bei der Untersuchung am 16. April 1991 keine unfallcausale Verschlimmerung festgestellt werden konnte, besteht nicht nur keine Veranlassung, den Prozentsatz der Invalidität anzuheben, sondern im Gegenteil Anlass zu einer Reduzierung derselben. Auf Grund der vorliegenden Untersuchung ist eine MdE von 15 % angemessen."

I C 2.2. Der amtsärztliche Dienst habe in seiner Stellungnahme vom 4. Juli 1991 erläuternd darauf hingewiesen, bei den von Dr. Re. durchgeführten Untersuchungen am 9. Mai und 11. Juni 1991 sei gegenüber dem Vergleichsbefund im Gutachten Dris. M. vom 6. Juli 1989 festgestellt worden, dass sich die Beweglichkeit der linken Schulter des Beschwerdeführers im folgenden Ausmaß verbessert habe:

"Vorwärtsheben des linken Armes von 50 Grad (aktiv und passiv) auf 65 Grad (aktiv und passiv) und Abduktion (Seitwärtsheben) von 60 Grad (aktiv) auf 65 Grad (aktiv). Auf Grund dieser verbesserten Beweglichkeit reduziert sich die MdE von 20 % auf 15 %."

I C 2.3. Dazu habe der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 12. Juli 1991 Stellung genommen.

I C 2.3.1.Darin habe er zunächst die Objektivität Dris. Re. bezweifelt, da dieser als Arbeitnehmer des AKH Linz in einem Abhängigkeitsverhältnis zur Dienstbehörde stünde.

Dem hielt die Dienstbehörde erster Instanz entgegen, die bloße Zugehörigkeit eines Sachverständigen aufgrund eines privatrechtlichen Anstellungsvertrages zu einem Rechtsträger, der als Dienstbehörde auftrete, bewirke noch nicht dessen Befangenheit (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 27. April 1982, 81/07/0209). Es könne auch nicht von einer Weisungsgebundenheit des Sachverständigen bei Erstellung des medizinischen Gutachtens ausgegangen werden. Konkrete Umstände, die auf eine mangelnde Objektivität des Gutachters hinweisen könnten, habe der Beschwerdeführer nicht angeführt. Auch der Umstand, dass Dr. Re. kein gerichtlich beeideter Sachverständiger sei, sei irrelevant, weil der innere Wahrheitswert des Gutachtens ausschlaggebend sei.

I C 2.3.2. Der Beschwerdeführer habe seinerseits mit seiner Stellungnahme u.a. ein Privatgutachten des Unfallchirurgen Dr. M. vom 29. Mai 1991 (Anmerkung: Dabei handelt es sich um jenen Arzt, der im Versehrtenrentenverfahren im Auftrag der Dienstbehörde das Gutachten vom 6. Juli 1989 = I A 6.2. erstellt hatte) sowie ein nervenärztliches Attest von Dr. K (im Folgenden K.) vom 10. Juli 1991 (zu letzterem siehe unten unter I C 2.3.2.2.) vorgelegt. Auf einem weiters angeschlossenen Befund des Augenarztes Dr. E. über die Auswirkungen einer behaupteten Rauchgasvergiftung werde in der Folge nicht mehr eingegangen, weil der Beschwerdeführer in einem späteren Schreiben ausdrücklich erklärt habe, keine Ansprüche im Zusammenhang mit diesem angeblichen Vorfall zu stellen.

I C 2.3.2.1. Im Privatgutachten Dris. M. vom 29. Mai 1991 werde im Rahmen des Lokalbefundes, insbesondere des Bewegungsbefundes ausgeführt, dass

"die rechte Schulter in Abduktion und Rotation frei ist. Die linke Schulter bzw. das Vorwärtsheben des linken Armes geht bis 35 Grad schmerzlos, anschließend noch bis 75 Grad unter Schmerzen, dann Gelenkssperre. Die Abduktion gelingt bis 40 Grad , passive Abduktion noch + 10 Grad , dann Kippen des Schulterblattes. Die Rotation des linken Schultergelenkes ist nur geringfügig, ein insgesamter Bewegungsausschlag von ca. 15 - 20 Grad ist vorliegend. Das Ellbogengelenk links ist frei, es werden deutliche Parästhesien von der Ulnarseite des Ellbogengelenkes bis zur Mitte des linken Mittelfingers angegeben. Die Halswirbelsäule zeigt eine deutliche Bewegungseinschränkung in Rotation, Kinn-Jugulum-Abstand 3 cm, die Reklination zu 1/3 eingeschränkt. Achsengerechter Verlauf der BWS, deutlich paravertebrale Verspannungszeichen. Insgesamt zeigt sich im Vergleich zum Bewegungsbefund vom 6. Juli 1989 eine deutliche Verschlechterung vor allem in der Rotation".

Unter dem Abschnitt "Diagnose und Epikrise" sei von diesem Gutachter Folgendes festgestellt worden:

"Zustand nach schwerer Prellung des Schultergelenkes mit Quetschung und Laesion der Rotatorenmanschette und reaktiver Bursitis humeroscapularis und Nervus ulnaris Syndrom links. Der Patient war seit der Operation der linken Schulter, das war im Juli 1987 arbeitsunfähig, er ist von Beruf Feuerwehrmann. Die Arbeitsunfähigkeit bezüglich seines Berufes dauert bis jetzt. Der Patient ist derzeit noch arbeitsunfähig. Verursacht durch eine schwere Schulterprellung am 8. November 1985 mit folgender konservativer Therapie - erfolgte nach eingehender Abklärung im AKH am 21. Juli 1987 eine Operation im Sinne einer Neerplastik im Bereiche der linken Schulter. In der Folge physikalische ambulante Nachbehandlung mit primär geringer Besserungssymptomatik, jedoch ab Herbst des Operationsjahres sukzessive Verschlechterung mit Entwicklung eines Nervus ulnaris Syndromes links. Trotz laufender physikalischer Therapie, Massagen, Gymnastik und Infiltrationen, sind laufend Analgetika nötig und es zeigt sich auch eine objektive Verschlechterung des Bewegungsbefundes der linken Schulter. Eine Kausalität der jetzigen Beschwerdesymptomatik mit dem Unfall vom 8. November 1985 ist aufgrund der eindeutigen Brückenbefunde unzweifelhaft. Bezüglich des Berufsbildes als Magistratsbeamter/Berufsfeuerwehrmann ist er aufgrund der jetzigen Situation seit der Operation arbeitsunfähig und in diesem Beruf zu invalidisieren."

I C 2.3.2.2. Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. K. habe in seinem nervenärztlichen Attest vom 10. Juli 1991 Folgendes festgestellt (Anmerkung: Der Name des Beschwerdeführers wird hier und im Folgenden bei Originalzitaten mit S. anonymisiert):

"Herr S. erlitt im Rahmen eines Arbeitsunfalles eine Verletzung an der linken Schulter, die mit einer bleibenden Funktionsbeeinträchtigung des linken Schultergelenkes verbunden war. Durch die anhaltende Bewegungseinschränkung und Schmerzen ist es zur Entwicklung von Schonhaltung und auch zur Entwicklung von gestörten Bewegungsmustern im HWS-Bereich gekommen, sowie auch zu einer kompensatorischen Überbelastung der rechten Schultermuskulatur. Damit verbunden häufige Schmerzen, Muskelverspannungen und zusätzliche Bewegungseinschränkungen im HWS-Bereich und im Bereich der rechten Schulter. Fortgesetzte physikotherapeutische und medikamentöse Behandlungen konnten immer nur eine vorübergehende Linderung, aber keine dauerhafte Besserung bewirken. Diese grundsätzlichen indirekten Folgen des stattgehabten Schultertraumas links bewirken auch eine Verschlechterung des bisher festgestellten Grades der Invalidität von 20 v.H. auf 30 v.H. Darüber hinaus ist es im kausalen Zusammenhang mit den andauernden Schmerzen zur Entwicklung einer reaktiven Begleitdepression mit Schlafstörungen, Störung der Vitalgefühle und des Antriebs gekommen, die eine zusätzliche psychiatrische Behandlung erforderte. Diese psychische Störung bewirkt auch eine zusätzliche Einschränkung der Berufsfähigkeit."

(Anmerkung: Weitere Ermittlungen zur geltend gemachten Depression siehe unter I C 2.8.2.)

I C 2.4. In einer weiteren von seinem Rechtsvertreter am 23. Juli 1991 abgegebenen Stellungnahme sei die Richtigkeit des Gutachtens Dris. Re. bestritten worden. Es wäre fachlich besser gewesen, den bereits früher mit dem Fall befassten Dr. M. als amtlichen Gutachter einzusetzen.

Dem hielt die Dienstbehörde erster Instanz im Wesentlichen entgegen, aus dem Gesetz lasse sich kein Anspruch auf Beiziehung von bestimmten Personen als Sachverständige ableiten. Es komme auf die Begründung und Schlüssigkeit des Gutachtens, nicht aber darauf an, wer es erstellt habe.

I C 2.4.1. Ferner habe der Beschwerdeführer in dieser Stellungnahme widersprüchliche Feststellungen in den Gutachten Dris. M. und Dris. Re. bezüglich der Schwere der Prellung der linken Schulter aufgezeigt und bemängelt, dass Dr. Re. nicht in der Lage sei, eine konkrete Aussage darüber zu treffen, ob eine Verletzung vorliege oder nicht. Kritisiert werde auch, dass Dr. Re. zur Unfallskausalität Aussagen getroffen habe, obwohl diese bereits rechtskräftig festgestellt worden sei. Dr. Re. hätte auch nicht die Kausalität des Unfallgeschehens für die Verletzung des linken Ellbogens sowie für die Operation vom 21. Juli 1987 bestreiten dürfen. Dr. Re. habe auch keine Aussagen dazu getroffen, warum die von ihm angenommenen degenerativen Erscheinungen gegeben bzw. ob Kalkablagerungen vorhanden gewesen seien und sich diese auf den Gesundheitszustand ausgewirkt hätten. Deshalb habe der Beschwerdeführer das Gutachten Dris. Re. als mangelhaft und unschlüssig und im Widerspruch zu anderen Gutachten erachtet. Er habe daher die Ergänzung dieses Gutachtens im Hinblick auf die beiden von ihm vorgelegten Gutachten (von Dr. M. vom 29. Mai 1991 und von Dr. K. vom 10. Juli 1991) beantragt, insbesondere zur Frage der Unfallkausalität.

I C 2.4.2. Dem hielt die Dienstbehörde erster Instanz entgegen, den Ausführungen im Gutachten Dris. Re. zur Unfallkausalität komme keine Bedeutung zu, weil dies eine von der Behörde zu lösende Rechtsfrage sei. Auch sei der Umstand, dass der Sachverständige über seine eigentliche Aufgabe hinausgehend auch noch zur Rechtsfrage der Kausalität Stellung genommen habe, für sich allein nicht geeignet, das ärztliche Gutachten (zur Gänze) zu entkräften.

Dr. Re. habe in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 7. Oktober 1991 zu diesen Vorwürfen des Beschwerdeführers festgehalten, dass ein objektiver Befund erstellt worden sei. Bei der Untersuchung am 16. April 1991 sei ein ausführlicher Befund erhoben und dieser durch eine weitere Untersuchung am 11. Juni 1991 ergänzt worden. Es sei nicht nur eine klinische Untersuchung vorgenommen worden, sondern auch eine Röntgenuntersuchung. Die im Gutachten Dris. M. angeführte schwere Prellung des linken Schultergelenkes sei für Prof. Re. gutachterlich nicht nachvollziehbar. Bei dem im Akt beschriebenen Unfallshergang könne eine schwere Prellung praktisch ausgeschlossen werden. Die Rotatorenmanschettenruptur sei erfahrungsgemäß praktisch immer Folge eines degenerativen Leidens und nicht Unfallsfolge. Die im Befundbericht vom Gutachter Dr. M. angeführten Rotatorenmanschettenruptur sei somit Folge eines degenerativen Leidens und nicht Unfallsfolge. Die festgestellte Bewegungseinschränkung der Schulter sei aber Folge der Rotatorenmanschettenruptur und daher auch nicht als Unfallsfolge anzuerkennen. Inwieweit die rechtliche Anerkennung der aus seiner gutachterlichen Sicht fälschlicherweise als unfallkausal anerkannten Rotatorenmanschettenruptur widerrufbar sei, entziehe sich seiner Kenntnis. Anhand von Literaturauszügen habe Dr. Re. in der Folge die degenerative Genese von unfallsbedingten Schmerzen in der Schulter erläutert, insbesondere die Möglichkeit einer direkten Verletzung der Schulter als Ursache einer Rotatorenmanschettenruptur verneint und dies damit begründet, dass die Region der Rotatorenmanschette durch das Überhängen des Acromions vollständig geschützt und auch wegen der Dicke des Musculus Deltoideus eine direkte Traumatisierung der Rotatorenmanschette nicht vorstellbar sei. Im Wesentlichen seien direkte Verletzungen von Arm und Schulter und das Abfangen eines Sturzes mit ausgestrecktem Arm nicht geeignet, eine Rotatorenmanschettenruptur herbeizuführen. Allerdings könne es durch mechanische Einwirkungen zur Vergrößerung einer vorbestehenden Ruptur und zur erstmaligen Manifestation von Beschwerden kommen.

In weiterer Folge habe dieser Gutachter sich mit den einzelnen Stadien der Tendinosis Calcarea beschäftigt und darauf hingewiesen, dass sich im Operationsbericht vom 21. Juli 1987 die Diagnose Bursitis calcarea linke Schulter finde, dass die Supraspinatussehne dargestellt, eine Ruptur dabei aber nicht beschrieben worden sei. Es sei ein Kalkdepot im Ausmaß von 1 x 1 cm beschrieben worden, wie es sich typisch bei degenerativen Veränderungen im Bereich der Supraspinatussehne nachweisen lasse.

Auf Grund der bisherigen Entwicklung des Leidens sei für Dr. Re. die degenerative Genese der Rotatorenmanschette pathologisch eindeutig erwiesen.

I C 2.5.1. In der Folge habe der Beschwerdeführer das Gutachten des Facharztesfür Unfallchirurgie Dr. Rupp (im Folgenden Ru.) vom 18. Oktober 1991 vorgelegt. Dieser habe im objektiven Befund zur Beweglichkeit Folgendes ausgeführt:

"Die Finger, das Handgelenk, die Vorderarmdrehung sind frei beweglich. Der linke Ellenbogen ist beweglich S 0-0-135, ebenso rechts. Die linke Schulter ist beweglich S 10-0-90, rechts S 50-0- 165. Rechts bei 80 Grad erreichbarer Abduktion 90-0-70, rechts bei 90 Grad erreichbarer Abduktion 100-0-80. T links 80-0-30, rechts 100-0-70. Druckempfindlichkeit besteht am Oberarmkopf cranial am Ansatz der Supraspinatussehnen und im leichteren Umfang entlang des Nackens, linksseitig, gegen das Hinterhaupt zu".

Weiters habe dieser Gutachter nach Darlegung der Umfangmaße der Arme dargelegt, dass das Gefühl im Bereich des Daumens, Zeige- und Mittelfingers in Ordnung sei, jedoch im Ring- und Kleinfingerbereich der linken Hand gestört sei, da ein "Sulcus-Nervus-Ulnaris-Syndrom" vorliegt, welches aber nicht als unfallkausal anerkannt worden sei.

In der Folge habe Dr. Ru folgende Feststellungen getroffen:

"Röntgenbilder, die jetzt angefertigt wurden, ergeben:

Kleinste, knöcherne Limbusläsion im Bereich der caudalen Zirkumferenz der linken Gelenkspfanne. Weiters findet sich eine kleine, degenerative Ansatzverkalkung des Musculus supraspinatus. Ansonsten finden sich keine gröberen Veränderungen, außer einer leichten Demineralisierung im ganzen Schulterbereich. Zusammengefasst findet sich eine Narbe im Bereich der linken Schulter, eine leichte Verschmächtigung der Muskulatur am linken Arm, eine deutliche Bewegungseinschränkung in der linken Schulter und Druckempfindlichkeit am Oberarmkopf links. Im Röntgen erkennbar ist eine kleine Absplitterung vom caudalen Limbusrand der linken Pfanne und eine degenerative Verknöcherung (Verkalkung) im Bereich der Supraspinatussehne am Ansatz am Oberarmkopf. Ferner findet sich auch eine Störung im Verlauf des Nervus ulnaris am Vorderarm und im Bereich der Hand links. Es werden glaubhafte Schmerzen, ausstrahlend auf den Nacken und auf das Hinterhaupt und in den Kopf, geklagt."

In der abschließenden Beurteilung komme der Gutachter zu folgendem Schluss:

"Es steht sicher außer Zweifel, dass nach einer schweren Prellung des linken Schultergelenkes, bei welcher auch röntgenologisch erkennbare Zeichen einer knöchernen Verletzung gesetzt wurden, Schmerzzustände mit Bewegungseinschränkungen im Schulterbereich verblieben sind. Außerdem ist mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auch die Störung des Nervus ulnaris auf das Unfallereignis zurückzuführen, das entweder direkt im Sulcus den Nervus ulnaris angegriffen hat oder im Bereich der Achselregion am Plexus. Anders nämlich lässt sich die durch einen EMG-ENG Befund festgehaltene Veränderung, die da lautet ‚Leitverlangsamung des Nervus ulnaris, links, im Unterarm, besonders aber im Sulcusbereich, Summenaktionspotentialerniedrigung' nicht erklären. Beurteilt wurde diese Symptomatik im Sinne einer alten, inkompletten Nervus Ulnarisparese links im Sulcusbereich (Dieser Befund stammt vom 16.6.1987). Eine Nachuntersuchung im AKH auf der selben Abteilung im Jahr 1991 hat keine Besserung des Befundes ergeben. Die Schädigung, die im linken Schultergelenk und im Nervenbereich des linken Armes gesetzt wurde, ist schwer und bedingt eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30 % für dauernd."

I C 2.5.2. Im daraufhin von der Behörde eingeholten amtsärztlichen Gutachten vom 5. November 1991 sei die Beweglichkeit der Schultergelenke, d.h. die aktive Beweglichkeit der linken Schulter, mit Vergleichsmessungen der Bewegungsmaße der rechten Schulter in den unfallchirurgischen Gutachten wie folgt dargestellt worden:

"

Dr. M

Prim. Prof. Dr. Re

Prim. Dr. Ru

 

29.5.1991

11.6.1991

18.10.1991

 

re

li

re

li

re

li

FLEXION
EXENTSION

frei

75/0/-

150/050

65/0/20

165/0/50

90/0/10

Ab/Adduktion

frei

40/0/-

160/0/70

65/0/35

 

80/0/-

Außen/Innenrotation

frei

Ausmaß
insgesamt
15 - 20 Grad"

 

 

 

 

Das amtsärztliche Gutachten halte dazu fest, dass aufgrund der von den Gutachtern festgestellten Bewegungsausmaße unter Berücksichtigung der Zeitpunkte der Gutachtenserstellung eine kontinuierliche Besserung der Beweglichkeit des linken Schultergelenkes in allen drei Ebenen festgestellt werden könne.

In weiterer Folge seien die Röntgenbefunde aus 1986 und 1987 über die linke Schulter sowie der Röntgenbefund vom 30. Juni 1989 beschrieben worden, desgleichen die elektro-myographischneurologischen (=EMN) Befunde vom 16. Juni 1987 und 23. April 1991. Zum vom Beschwerdeführer vorgelegten Gutachten Dris. Ru. sei festgestellt worden, dass in den Röntgenbefunden aus 1986 und 1987 keinerlei knöcherne Verletzungen beschrieben worden seien. Erstmals im Röntgenbefund vom 30. Juni 1989 werde eine kleine Knochenabsplitterung von 2 mm Durchmesser im unteren Bereich der Gelenkspfanne beschrieben. Diese knöcherne Verletzung könne keinesfalls durch den anerkannten Dienstunfall verursacht worden sein, da sie sonst bereits im Röntgenbild vom 15. Dezember 1986 sichtbar gewesen wäre. Ebenso sei darauf hingewiesen worden, dass Prim.Dr. Ru. die Störung des Nervus ulnaris mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis zurückgeführt habe. Das Trauma hätte im Bereich der Achselregion direkt am Plexus eingewirkt. Dem widerspreche jedoch die in den EMG-ENG-Befunden vom 16. Juni 1987 und 24. April 1991 dokumentierte motorische Leitgeschwindigkeit des Nervus ulnaris im Oberarm links von 90 m/sec bzw. 72,2 m/sec (= Normbereich). Als zweiter möglicher Angriffsort des Traumas werde der Sulcus N. ulnaris angeführt. Dazu werde bemerkt, dass üblicherweise das Aufdrücken einer Tür mit der Schulter mit adduziertem, angewinkeltem Arm durchgeführt werde, eine direkte Einwirkung auf den Sulcus nervus ulnaris scheine aufgrund seiner anatomisch geschützten Lage an der Körperinnenseite als sehr unwahrscheinlich. Sollte die Gewalteinwirkung außer der Schulter auch den Ellenbogen betreffen, wäre vielmehr eine Verletzung des Nervus radialis an der Ellbogenaußenseite zu erwarten. Weiters werde bemerkt, dass die Nervenleitungsgeschwindigkeiten der EMG-ENG-Untersuchungen vom 24. April 1991 im Sulcusbereich sowohl im rechten als auch im linken Arm herabgesetzt seien. Dieses symmetrische Auftreten würde für eine anlagebedingte degenerative Veränderung sprechen. Die am 16. Juni 1987 festgestellte inkomplette N. Ulnaris Parese links im Sulcusbereich könne daher nicht als Folge des am 8. November 1985 stattgefundenen Vorfalls angesehen werden.

Zusammenfassend habe der amtsärztliche Dienst festgestellt, dass beim Beschwerdeführer ein Zustand nach Schulterprellung mit Bewegungseinschränkung im linken Schultergelenk bestehe. Dazu sei abschließend Folgendes ausgeführt worden:

"Für die in den oben genannten Gutachten angeführten Diagnosen Sulcus n. Ulnaris-Syndrom bzw. knöcherne Verletzungen im Bereich der linken Schultergelenkspfanne muss eine Unfallkausalität negiert werden. Aufgrund der am 26. Juni und 21. Juli 1989 hieramtlich durchgeführten Untersuchungen, sowie in Übereinstimmung mit dem Untersuchungsbefund im Gutachten des Facharztes für Unfallchirurgie Dr. M. vom 6. Juli 1989 wurde die Bewegungsbehinderung analog Pos. 29 des KOVG ‚höhergradige Bewegungsbehinderung' mit 20 % eingestuft (Rahmensatz 20 % - 40 %). Der untere Rahmensatz wurde deshalb gewählt, da erst bei einer völligen Versteifung des Schultergelenkes in günstiger Stellung gemäß Pos. 26 KOVG ein Prozentsatz 30 vorgegeben ist bzw. für eine nicht eingerenkte Luxation und damit für eine höchstgradige Gebrauchsunfähigkeit der betroffenen Extremität gemäß Pos. 31 des KOVG ein Prozentsatz von 40 vorgegeben ist. Aufgrund der Gegenüberstellung der Bewegungsausmaße des linken Schultergelenkes im chronologischen Verlauf war eine Besserung der Beweglichkeit des linken Schultergelenkes eingetreten, aufgrund dieser Tatsache erfolgte hieramtlich am 4. Juli 1991 eine Herabsetzung der MdE von 20 auf 15 %. Bei der Gutachtenserstellung durch Prim. Dr. Ru. vom 18. Oktober 1991 war wiederum eine Besserung der Beweglichkeit des linken Schultergelenkes ersichtlich, deren Ausmaß jedoch weiterhin einer MdE von 15 % entspricht."

I C 2.6.1. In seiner Stellungnahme (zu dem ihm übermittelten amtsärztlichen Gutachten vom 5. November 1991) vom 20. November 1991 habe der Beschwerdeführer dem entgegengehalten, die Gutachten Dris. M. und Dris. Ru. hätten eine Verschlechterung des Bewegungsbefundes der linke

Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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