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L2 DienstrechtNorm
B-VG Art144 Abs1 / AnlassfallSpruch
I. Der Beschwerdeführer ist durch die Spruchpunkte 1. und 2. des angefochtenen Bescheides wegen Anwendung von verfassungswidrigen Gesetzesbestimmungen in seinen Rechten verletzt worden.
Der Bescheid wird insoweit aufgehoben.
II. Im Übrigen ist der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Insoweit wird die Beschwerde abgewiesen.
III. Die Bundeshauptstadt Wien ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.620,- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1. Der Beschwerdeführer wurde mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 3. Juli 2000 mit Ablauf des 31. August 2000 in den Ruhestand versetzt, wobei festgestellt wurde, dass dem Beschwerdeführer ein Ruhegenuss und eine Ruhegenusszulage in betragsmäßig bestimmter Höhe gebühren. Die gegen die Festsetzung der Ruhegenusszulage erhobene Berufung wurde vom Dienstrechtssenat der Stadt Wien mit Berufungsbescheid vom 29. Jänner 2001 als unbegründet abgewiesen und die Höhe des ihm gebührenden Ruhegenusses und der Ruhegenusszulage ab dem Jahr 2001 festgestellt. Die dagegen erhobene Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof wurde abgewiesen (vgl. VfSlg. 16.513/2002).
2. Mit Schreiben vom 18. Juli 2009 beantragte der Beschwerdeführer, ihm ab dem Jahr 2001 "höhere als die bisher ausgewiesenen Beträge" auszuzahlen. Der Beschwerdeführer begründete das Begehren auf Auszahlung höherer Ruhebezüge einerseits mit der behaupteten Verfassungswidrigkeit der mit "Art III Z3 des Gesetzes LGBl. für Wien Nr. 18/1999" eingeführten Regelung der Pensionsanpassung, durch welche der Wiener Landesgesetzgeber eine unzulässige dynamische Verweisung auf das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz (ASVG) vorgenommen habe, andererseits mit der seiner Ansicht nach gleichheitswidrigen Bestimmung des §5 Abs2 und 3 Wiener Ruhe- und Versorgungsgenußzulagegesetz 1995 (Wr. RVZG 1995). Mit Schreiben vom 16. August 2009 beantragte der Beschwerdeführer zusätzlich die Neuberechnung der Ruhegenusszulage bzw. die geänderte Berechnung der Gutschrift.
3. Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 31. August 2009 wurde die sich auf Grund der jährlichen Pensionsanpassung ergebende Höhe des Ruhegenusses und der Ruhegenusszulage ab 1. Jänner 2001 festgestellt (Spruchpunkt 1.), der Antrag auf Auszahlung höherer Beträge abgewiesen (Spruchpunkt 2.) und der Antrag auf Neuberechnung der Ruhegenusszulage bzw. auf geänderte Berechnung der Gutschrift wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt 3.). Mit Bescheid des Dienstrechtssenates der Stadt Wien vom 5. Mai 2010 wurde der dagegen erhobenen Berufung keine Folge gegeben; Spruchpunkt 1. wurde insbesondere dahin gehend geändert, dass die Höhe des Ruhegenusses und der Ruhegenusszulage ab 1. Jänner 2002 festgestellt wurde.
4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde gemäß Art144 B-VG, in der die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, auf Unversehrtheit des Eigentums sowie in Rechten wegen Anwendung rechtswidriger genereller Normen geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides begehrt wird.
5. Aus Anlass dieser Beschwerde leitete der Verfassungsgerichtshof gemäß Art140 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §46 Wiener Pensionsordnung 1995 (Wr. PO 1995), LGBl. 67 idF LGBl. 48/2003, sowie des §5 Abs4 Ruhe- und Versorgungsgenußzulagegesetz 1995 (Wr. RVZG 1995), LGBl. 72 idF LGBl. 18/1999 ein. Mit Erkenntnis vom 20. Juni 2012, G8,9/12, hob er §46 Wr. PO 1995, LGBl. 67 idF LGBl. 48/2003, sowie §5 Abs4 Wr. RVZG 1995, LGBl. 72 idF LGBl. 18/1999, als verfassungswidrig auf.
6. Hinsichtlich der Spruchpunkte 1. und 2. ist die Beschwerde begründet.
Die belangte Behörde hat verfassungswidrige Gesetzesbestimmungen angewendet. Es ist nach Lage des Falles nicht ausgeschlossen, dass ihre Anwendung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war.
Der Beschwerdeführer wurde also durch den
angefochtenen Bescheid wegen Anwendung von verfassungswidrigen Gesetzesbestimmungen in seinen Rechten verletzt (zB VfSlg. 10.404/1985).
Der Bescheid war daher hinsichtlich der Spruchpunkte 1. und 2. aufzuheben.
7. Im Übrigen war die Beschwerde abzuweisen: In verfassungsrechtlicher Hinsicht kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn die belangte Behörde in der Annahme, dass der rechtskräftige Bescheid des Dienstrechtssenates der Stadt Wien vom 29. Jänner 2001 Ruhegenuss und Ruhegenusszulage des Beschwerdeführers rechtskräftig festgesetzt hat (vgl. dazu auch das den Beschwerdeführer betreffende Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs VfSlg. 16.513/2002 und auch VfSlg. 16.721/2002), den Antrag auf Neuberechnung zurückgewiesen hat (Spruchpunkt 3.).
8. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
9. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. Im Hinblick darauf, dass die Beschwerde zur Aufhebung von im Beschwerdefall präjudiziellen Gesetzesbestimmungen, nämlich des §46 Wr. PO 1995 und des §5 Abs4 Wr. RVZG 1995, geführt hat, ist dem Beschwerdeführer nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfSlg. 16.200/2001 mwN) der Ersatz der Kosten der Beschwerde zuzusprechen. In den zugesprochenen Kosten sind Umsatzsteuer in der Höhe von € 400,-- sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 220,-- enthalten.
Schlagworte
VfGH / Anlassfall, Bescheid TrennbarkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2012:B826.2010Zuletzt aktualisiert am
24.07.2012