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72 WISSENSCHAFT, HOCHSCHULENNorm
B-VG Art139 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Individualantrag auf Aufhebung einer Regelung des studienrechtlichen Teils der Satzung der Universität Wien über die Verpflichtung zur Entrichtung eines Studienbeitrags unzulässig; Zumutbarkeit der Erwirkung eines Feststellungsbescheides über die BeitragspflichtSpruch
I. Der Antrag wird zurückgewiesen.
II. Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird abgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. Antragsvorbringen
1. Der Antragsteller begehrt mit auf Art139 Abs1 B-VG gestütztem Individualantrag, der Verfassungsgerichtshof möge
"die Wortfolge des §23 Absatz 1 des Satzungsteils 'Studienrecht' der Universität Wien:
'Ordentliche Studierende, die die Voraussetzungen
gemäß Abs2 nicht erfüllen, und außerordentliche Studierende, die für den Besuch einzelner Lehrveranstaltungen zugelassen sind, haben für jedes Semester im Voraus einen Studienbeitrag in der Höhe von 363,36 Euro zu entrichten. Der Studienbeitrag erhöht sich bei Entrichtung nach dem Ende der allgemeinen Zulassungsfrist um 10 vH.'
als gesetzwidrig aufheben".
2. Zur Antragslegitimation führt der Antragsteller aus, er sei Studierender der Universität Wien und werde sein Studium im Wintersemester 2012/2013 fortsetzen. Da er bereits am 1. Oktober 2000 zum Studium zugelassen worden sei und somit die vorgeschriebene Studienzeit zuzüglich Toleranzsemester überschritten habe, finde die in §23 Abs2 der Satzung der Universität Wien vorgesehene Ausnahme von der Beitragspflicht auf den Antragsteller keine Anwendung. Auch lägen keine Gründe für den Erlass oder die Rückerstattung des Studienbeitrages gem. §92 Bundesgesetz über die Organisation der Universitäten und ihre Studien (Universitätsgesetz 2002; in der Folge:
UG 2002) vor, insbesondere sei der Antragsteller nur geringfügig beschäftigt, womit er die Voraussetzungen des §92 Abs1 Z5 UG 2002 nicht erfülle. Er müsse somit ab dem Wintersemester 2012/13 gemäß §23 Abs1 des studienrechtlichen Teils der Satzung der Universität Wien einen Studienbeitrag in der Höhe von 363,36 € entrichten, womit ihn diese Bestimmung unmittelbar beträfe und in seinen Rechten verletze.
Die Zulässigkeit des Antrages ergebe sich daraus,
dass die angefochtene Regelung gegenüber dem Antragsteller ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder Erlassung eines Bescheides wirksam würde und ihm kein anderer zumutbarer Weg zur Verfügung stehe, die behauptete Gesetzwidrigkeit der in Frage stehenden Bestimmung der Satzung der Universität Wien an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen. Zwar eröffne §23 Abs4 des studienrechtlichen Teils der Satzung die Möglichkeit eines Feststellungsbescheides über die Beitragspflicht und eine Hemmung der Fälligkeit des Studienbeitrags. Da aber einer gegen einen solchen Feststellungsbescheid erhobenen höchstgerichtlichen Beschwerde grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung zukomme, müsse der Antragsteller - für den seiner Ansicht nach zu erwartenden Fall, dass eine Beitragspflicht festgestellt würde - den Studienbeitrag leisten, um seine Zulassung aufrecht zu erhalten. Dies würde eine erhebliche finanzielle Belastung für den Antragsteller darstellen, die er nur durch die Aufnahme von zusätzlichen Arbeitsverhältnissen bewältigen könne, was zu einer Verlängerung seiner Studiendauer führen würde und ihm daher nicht zumutbar sei. Nicht zumutbar sei es auch, "durch Nichtzahlung des Studienbeitrags einen Bescheid über den Verlust der Zulassung zum Studium zu erwirken, der sodann bekämpft werden könnte."
3. In der Sache wird im vorliegenden Antrag mit
näherer Begründung die Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Regelung des studienrechtlichen Teils der Satzung der Universität Wien behauptet. Diese ergebe sich zusammengefasst daraus, dass - so die Auffassung des Antragstellers - die Einhebung von Studienbeiträgen nicht in die autonome Regelungskompetenz der Universitäten falle.
II. Rechtslage
§§23, 23a und §27 Abs6 des studienrechtlichen Teils der Satzung der Universität Wien (Mitteilungsblatt der Universität Wien vom 30. November 2007, 8. Stück, Nr. 40 in der Fassung Mitteilungsblatt vom 2. Mai 2012, 22. Stück, Nr. 129) lauten wie folgt (der angefochtene Abs1 ist durch Unterstreichung hervorgehoben):
"Studienbeitrag
§23. (1) Ordentliche Studierende, die die Voraussetzungen gemäß Abs2 nicht erfüllen, und außerordentliche Studierende, die für den Besuch einzelner Lehrveranstaltungen zugelassen sind, haben für jedes Semester im Voraus einen Studienbeitrag in der Höhe von 363,36 Euro zu entrichten. Der Studienbeitrag erhöht sich bei Entrichtung nach dem Ende der allgemeinen Zulassungsfrist um 10 vH.
(2) Ordentliche Studierende, welche die
österreichische Staatsangehörigkeit besitzen, UnionsbürgerInnen sind oder denen Österreich auf Grund eines völkerrechtlichen Vertrages (wie zB der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955) dieselben Rechte für den Berufszugang zu gewähren hat wie InländerInnen, haben, wenn sie die vorgesehene Studienzeit zuzüglich Toleranzsemester gemäß §23a nicht überschreiten, keinen Studienbeitrag zu entrichten.
(3) Bestehen Zulassungen zu mehreren Studien an der Universität Wien, so ist ein Studienbeitrag zu entrichten, sofern in zumindest einem Studium eine Beitragspflicht besteht. Besteht an der Universität Wien in zumindest einem Studium eine Beitragspflicht und bestehen Zulassungen auch an weiteren österreichischen Universitäten, so ist ein Studienbeitrag von zumindest 363,36 Euro (bei Entrichtung nach dem Ende der allgemeinen Zulassungsfrist von zumindest 399,70 Euro) an einer Universität zu entrichten, an der Beitragspflicht besteht.
(4) Auf Antrag einer/eines Studierenden oder einer Person, die einen Antrag auf Zulassung zum Studium gestellt hat, ist deren Beitragspflicht bescheidmäßig festzustellen. Der Antrag ist innerhalb der allgemeinen Zulassungsfrist oder der Nachfrist des betreffenden Semesters einzubringen und hemmt die Fälligkeit des Studienbeitrags bis zur rechtskräftigen Entscheidung. Die Höhe des Studienbeitrags richtet sich in diesem Fall nach dem Zeitpunkt der Antragstellung, sofern der Studienbeitrag nicht bereits entrichtet wurde.
Bemessung der vorgesehenen Studienzeit
§23a. (1) Die vorgesehene Studienzeit und die Anzahl der Toleranzsemester im Sinne des §23 Abs2 sind wie folgt zu bemessen:
1. in Bachelor- und Masterstudien: Die vorgesehene Studienzeit in Semestern ist anhand des in ECTS-Anrechnungspunkten bemessenen gesamten Arbeitsaufwands laut Curriculum zu errechnen, wobei 30 ECTS-Anrechnungspunkten einem Semester entsprechen. Bei nicht-ganzzahligem Divisionsergebnis ist auf ganze Semester aufzurunden. Für ein Bachelor- oder Masterstudium sind zwei Toleranzsemester vorgesehen.
2. in Doktoratsstudien mit einem Arbeitsaufwand von 120 ECTS-Anrechnungspunkten: vorgesehene Studienzeit vier Semester, zweiToleranzsemester;
3. in dreijährigen Doktoratsstudien: vorgesehene Studienzeit sechs Semester, zwei Toleranzsemester;
4. in Diplomstudien: vorgesehene Studienzeit gemäß Anlage 1 zu §23a, zwei Toleranzsemester in jedem Studienabschnitt. Wird ein Studienabschnitt in der vorgesehenen Studienzeit absolviert, wird einem weiteren Studienabschnitt ein zusätzliches Toleranzsemester zugerechnet. Ein Semester ist dem nächstfolgenden Studienabschnitt zuzuordnen, wenn die den bisherigen Studienabschnitt abschließende Prüfung vor dem Ende der jeweiligen Nachfrist gemäß §61 Abs2 UG abgelegt wurde. Bei unterschiedlicher Semesterzahl der Unterrichtsfächer ist die höhere Semesterzahl zur Bestimmung der vorgesehenen Studienzeit pro Abschnitt maßgeblich.
(2) Die Zahl der bisher zurückgelegten Semester eines Studiums ist an Hand der Kennzahlen gemäß §5 Abs4 UniStEV 2004 (BGBl. II Nr. 288/2004 idF BGBl. II Nr. 161/2011) folgendermaßen zu ermitteln:
1. für Bachelor- und Masterstudien unter Bezugnahme auf die erste und zweite Kennzahl; für Bachelor- und Masterstudien der Translationswissenschaft unter Bezugnahme auf die erste Kennzahl;
2. für Diplomstudien, ausgenommen Lehramtsstudien, unter Bezugnahme auf die erste Kennzahl und unter Berücksichtigung allfälliger Änderungen der Kennzahl im selben Studium oder in Vorläuferstudien;
3. für Lehramtsstudien durch Einbeziehung aller
Semester pro Unterrichtsfach unter Berücksichtigung von Vorläuferstudien;
4. für Doktoratsstudien unter Bezugnahme auf jene Kennzahl, die den Studienplan oder das Curriculum bezeichnet. Zurückgelegte Semester eines viersemestrigen Doktoratsstudiums sind bei Übertritt in das entsprechende sechssemestrige Doktoratsstudium einzurechnen. Studienzeiten im Rahmen desselben Curriculums eines sechssemestrigen Doktoratsstudiums sind zusammenzuzählen.
(3) Semester, in denen eine Beurlaubung vorliegt,
sind bei der Bestimmung der Zahl der bisher zurückgelegten Semester eines Studiums nicht zu berücksichtigen. Semester, in denen die Ableistung des Präsenz- und Zivildienstes ohne Berücksichtigung der lehrveranstaltungsfreien Zeit eine Dauer von mindestens vier Wochen in Anspruch nahm sind bei der Bestimmung der Zahl der bisher zurückgelegten Semester eines Studiums nicht zu berücksichtigen.
§27 [...]
(6) Die §§23 und 23a in der Fassung Mitteilungsblatt vom 02.05. 2012, 22. Stück, Nr. 129 treten mit dem auf die Kundmachung im Mitteilungsblatt folgenden Tag in Kraft und sind erstmalig auf das Wintersemester 2012/13 anzuwenden.
III. Erwägungen
1. Voraussetzung der Antragslegitimation gemäß Art139 Abs1 letzter Satz B-VG ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung - im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass die Verordnung für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt.
Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht
(VfSlg. 13.944/1994, 15.234/1998, 15.947/2000).
2. §23 Abs2 des studienrechtlichen Teils der Satzung der Universität Wien sieht vor, dass unter anderem ordentliche Studierende, die die österreichische Staatsangehörigkeit besitzen bzw. UnionsbürgerInnen sind, keinen Studienbeitrag zu entrichten haben, wenn sie die vorgesehene Studienzeit zuzüglich Toleranzsemester gemäß §23a des studienrechtlichen Teils der Satzung der Universität Wien nicht überschritten haben. Dieser §23a regelt in der Folge die vorgesehene Studienzeit und die Anzahl der Toleranzsemester im Sinne des §23 Abs2 des studienrechtlichen Teils der Satzung der Universität Wien im Einzelnen für die an der Universität Wien angebotenen Studien.
Der - hier angefochtene - §23 Abs1 des studienrechtlichen Teils der Satzung der Universität Wien verpflichtet unter anderem ordentliche Studierende, die die dargestellten Voraussetzungen gemäß §23 Abs2 iVm §23a des studienrechtlichen Teils der Satzung der Universität Wien nicht erfüllen, dazu, für jedes Semester im Voraus einen Studienbeitrag in der Höhe von € 363,36 zu entrichten. Gemäß §23 Abs4 des studienrechtlichen Teils der Satzung der Universität Wien ist unter anderem auf Antrag eines Studierenden dessen Beitragspflicht bescheidmäßig festzustellen. Ein solcher Antrag ist innerhalb der allgemeinen Zulassungsfrist oder der Nachfrist des betreffenden Semesters einzubringen und hemmt die Fälligkeit des Studienbeitrags bis zur rechtskräftigen Entscheidung. Die Höhe des Studienbeitrags richtet sich in diesem Fall nach dem Zeitpunkt der Antragstellung, sofern der Studienbeitrag nicht bereits entrichtet wurde.
Gemäß §62 Abs1 UG 2002 sind Studierende verpflichtet, innerhalb der allgemeinen Zulassungsfrist oder der Nachfrist jedes Semesters der Universität, an der eine Zulassung zum Studium besteht, die Fortsetzung des Studiums zu melden. Eine solche Meldung der Fortsetzung des Studiums ist unter anderem unwirksam "solange die allfälligen Studienbeiträge nicht eingelangt sind" (§62 Abs2 Z1 UG 2002). Nach §68 Abs1 Z2 UG 2002 erlischt die Zulassung (zu einem ordentlichen Studium), wenn der Studierende die Meldung der Fortsetzung des Studiums unterlässt, ohne beurlaubt zu sein.
3. Dem Antragsteller steht ein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffs in seine Rechtssphäre zur Verfügung:
Dem Antragsteller steht es nach §23 Abs4 des studienrechtlichen Teils der Satzung der Universität Wien offen, die bescheidmäßige Feststellung seiner Beitragspflicht zu begehren und auf diese Weise im Verwaltungsweg einen nach Art144 Abs1 B-VG vor dem Verfassungsgerichtshof bekämpfbaren Bescheid zu erwirken. Ein zu erwartendes, für den Antragsteller "negatives" Ergebnis eines solchen Verwaltungsverfahrens ändert an der Zumutbarkeit eines solchen Weges, die behauptete Rechtswidrigkeit des §23 Abs1 des studienrechtlichen Teils der Satzung der Universität Wien an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen, nichts (vgl. VfSlg. 14.297/1995; 14.613/1996; 18.360/2008).
Sollte aus Anlass eines solchen Bescheidbeschwerdeverfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof die die Grundlage für die festgestellte Beitragspflicht bildenden Satzungsbestimmungen der Universität Wien als verfassungs- oder gesetzwidrig aufgehoben werden, wären dem Antragsteller von ihm entrichtete Studienbeiträge rückzuerstatten. Es ist dabei auch zumutbar, dass der Antragsteller - will er die Rechtsfolgen des §68 Abs1 Z2 iVm §62 Abs2 Z1 UG 2002 vermeiden - den Studienbeitrag zunächst zu entrichten haben wird (vgl. zB VfSlg. 14.019/1995;
4. Da dem Antragsteller somit die Möglichkeit offen steht, seine Bedenken ob der Rechtmäßigkeit des §23 Abs1 des studienrechtlichen Teils der Satzung der Universität Wien im Wege einer Beschwerde gemäß Art144 B-VG an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen, erweist sich der vorliegende, auf Art139 Abs1 letzter Satz B-VG gestützte Antrag schon aus diesem Grund als unzulässig.
IV. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen
1. Der auf Art139 Abs1 letzter Satz B-VG gestützte Antrag, die Wortfolge des §23 Abs1 des Satzungsteils "Studienrecht" der Universität Wien als gesetzwidrig aufzuheben, ist zurückzuweisen.
2. Der - nicht auf das Vorliegen aller Formalvoraussetzungen hin geprüfte - Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ist bei diesem Ergebnis infolge offenbarer Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung im Wege eines Antrags nach Art139 Abs1 letzter Satz B-VG gemäß §63 Abs1 ZPO (§35 Abs1 VfGG) abzuweisen.
3. Diese Beschlüsse konnten gemäß §19 Abs3 Z2 VfGG und §72 Abs1 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Hochschulen, VfGH / Individualantrag, FeststellungsbescheidEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2012:V35.2012Zuletzt aktualisiert am
11.03.2013