TE Vfgh Erkenntnis 2012/6/29 V3/12 ua

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Veröffentlicht am 29.06.2012
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Index

L9 Sozialrecht
L9210 Behindertenhilfe, Chancengleichheit, Rehabilitation

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verordnung
Oö ChancengleichheitsG §8 ff, §16
Oö ChG-Beitrags- und RichtsatzV §4 Abs1 Z1
Oö SozialhilfeG 1998
FamilienlastenausgleichsG 1967 §2 Abs1 litc

Leitsatz

Gesetzwidrigkeit einer Regelung über die Anrechnung der Familienbeihilfe bei der Richtsatzbemessung für das subsidiäre Mindesteinkommen im Fall eines Hauptleistungsbezuges nach dem Oberösterreichischen Chancengleichheitsgesetz; unsachliche Differenzierung zur Gruppe der Sozialhilfe beziehenden Personen mit Beeinträchtigungen

Spruch

              I. §4 Abs1 Z1 der Verordnung der Oberösterreichischen Landesregierung, mit der die Beiträge zu den Leistungen sowie die Richtsätze für das subsidiäre Mindesteinkommen nach dem Oö. ChG festgelegt werden (Oö. ChG-Beitrags- und Richtsatzverordnung), LGBl. für Oberösterreich Nr. 78/2008 idF LGBl. für Oberösterreich Nr. 39/2009, wird als gesetzwidrig aufgehoben.

              II. Die Oberösterreichische Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Landesgesetzblatt für Oberösterreich verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

              I. Anlassverfahren, Prüfungsbeschluss und Vorverfahren

              1. Beim Verfassungsgerichtshof sind zu B1124/09 und B380/10 zwei auf Art144 B-VG gestützte Beschwerden anhängig, denen folgender Sachverhalt zugrunde liegt:

              Die beschwerdeführenden Parteien, alleinstehende Erwachsene, sind Personen mit Beeinträchtigungen. Beiden beschwerdeführenden Parteien wird nach dem (nunmehrigen) Landesgesetz betreffend die Chancengleichheit von Menschen mit Beeinträchtigungen (Oö. ChG), LGBl. für Oberösterreich 41/2008, Hilfe in Form von Beschäftigung in geschützten Werkstätten gewährt. Sie beziehen -neben ihrem monatlichen Nettogrundlohn aus ihrer Tätigkeit im Rahmen der Hilfe zur geschützten Arbeit - eine erhöhte Familienbeihilfe. Die beschwerdeführenden Parteien hatten ursprünglich bei der Bezirkshauptmannschaft Eferding bzw. beim Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz einen auf §16 des Oö. Sozialhilfegesetzes 1998 (Oö. SHG 1998), LGBl. für Oberösterreich 82/1998, gestützten Antrag auf Hilfe zum Lebensunterhalt gestellt. Diesen Anträgen gaben die genannten Behörden mit Bescheiden vom 9. Oktober 2008 bzw. vom 12. Dezember 2008 zunächst statt, wobei den Beschwerdeführern gemäß §16 Oö. SHG 1998 iVm §1 der Oö. Sozialhilfeverordnung 1998 (Oö. Sozialhilfeverordnung), LGBl. für Oberösterreich 118/1998 - unter Anrechnung ihrer Einkünfte aus der geschützten Arbeit, jedoch ohne Anrechnung der ihnen zustehenden (erhöhten) Familienbeihilfe - Hilfe zum Lebensunterhalt gewährt worden ist.

              Mit Bescheid vom 11. März 2009 wurde die dem Beschwerdeführer zu B380/10 gewährte Leistung gemäß §27 Abs1 Oö. SHG 1998 mit 1. März 2009 eingestellt. Begründend führte die Behörde aus, dass der Beschwerdeführer im Hinblick auf das zwischenzeitige Inkrafttreten des Oö. ChG nunmehr ausschließlich in den Anwendungsbereich dieses Gesetzes, nicht mehr hingegen in jenen des Oö. SHG 1998 fiele.

              Die Einstellung der ursprünglich gewährten Leistung bzw. das Inkrafttreten des Oö. ChG veranlasste die beschwerdeführenden Parteien dazu, je einen weiteren, nunmehr auf Zuerkennung eines subsidiären Mindesteinkommens gemäß §16 Oö. ChG gerichteten Antrag an die genannten Behörden zu stellen. Auch diesen Anträgen wurde Folge gegeben und den Beschwerdeführern ein subsidiäres Mindesteinkommen gemäß §16 Oö. ChG gewährt; dies gemäß §4 der - in Durchführung zu §16 Abs6 Oö. ChG ergangenen - ChG-Beitrags- und Richtsatzverordnung, LGBl. für Oberösterreich 78/2008, allerdings unter nunmehriger Anrechnung auch der den Beschwerdeführern gewährten (erhöhten) Familienbeihilfe. Im Ergebnis wurde der Beschwerdeführerin zu B1124/09 dabei ab 1. Oktober 2008 monatlich ein subsidiäres Mindesteinkommen iHv € 10,14 (statt bisher nach dem Oö. SHG 1998 € 301,85) zugesprochen; dem Beschwerdeführer zu B380/10 wurde ab 1. März 2009 ein solches iHv € 375,08 (statt bisher nach dem Oö. SHG 1998 € 663,10) gewährt.

              2. Aus Anlass der gegen die letztinstanzlichen

Bescheide vor dem Verfassungsgerichtshof geführten Beschwerdeverfahren sind beim Gerichtshof Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit des §4 Abs1 Z1 der Verordnung der Oberösterreichischen Landesregierung, mit der die Beiträge zu den Leistungen sowie die Richtsätze für das subsidiäre Mindesteinkommen nach dem Oö. ChG festgelegt werden (Oö. ChG-Beitrags- und Richtsatzverordnung), LGBl. für Oberösterreich 78/2008 idF LGBl. für Oberösterreich 39/2009, entstanden. Diese haben ihn veranlasst, die genannte Bestimmung mit Beschluss vom 7. Dezember 2011 gemäß Art139 Abs1 B-VG von Amts wegen in Prüfung zu ziehen.

              Der Verfassungsgerichtshof hegte vorläufig das Bedenken, dass §4 Abs1 Z1 Oö. ChG-Beitrags- und Richtsatzverordnung in unsachlicher Weise innerhalb der Gruppe der alleinstehenden körperlich und/oder geistig beeinträchtigten Personen, nämlich zwischen solchen, die eine Hauptleistung beziehen und solchen, die einen derartigen Anspruch nicht besitzen, differenziert. Hiezu führte der Verfassungsgerichtshof Folgendes aus:

              "2.1. Mit dem Oö. ChG wurde ein spezielles Regime für Menschen mit Beeinträchtigungen geschaffen, dessen Ziel nach §1 des Oö. ChG es ist, Menschen mit Beeinträchtigungen insbesondere durch die Vermeidung des Entstehens von Beeinträchtigungen und von Behinderungen und durch die Verringerung von Beeinträchtigungen nachhaltig zu fördern sowie ihnen ein normales Leben und eine umfassende Eingliederung in die Gesellschaft zu ermöglichen. Nach der Intention des Landesgesetzgebers sollten von diesem neu geschaffenen Regime sowohl körperlich, geistig als auch psychisch beeinträchtigte Personen erfasst sein (vgl. §2 Oö. ChG).

              2.2. Zur Erreichung der in §1 Oö. ChG statuierten Zielvorgabe hat der Oberösterreichische Landesgesetzgeber ein dreiteiliges Leistungssystem installiert. So werden beeinträchtigten Personen gem. §3 Oö. ChG bei Erfüllung bestimmter, in §4 Oö. ChG normierter Voraussetzungen sog. Hauptleistungen gem. §8 ff. leg.cit., das subsidiäre Mindesteinkommen gem. §16 leg.cit. sowie ergänzende Leistungen gem. §17 ff. leg.cit. gewährt. Während die Gewährung von Hauptleistungen dabei in Form von Sachleistungen erfolgt und beabsichtigt, das Entstehen von Beeinträchtigungen zu vermeiden bzw. bereits bestehende Beeinträchtigungen zu verringern, wurde mit dem subsidiären Mindesteinkommen ein differenzierter Anspruch auf eine monatliche Geldleistung für Menschen mit Beeinträchtigungen normiert, um diesen durch einen ausreichenden Lebensunterhalt soziale Teilhabe und ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen (vgl. die Erl. zur RV BlgLT 254/2004 26. GP). Der Anspruch auf subsidiäre Mindestsicherung ist dabei gem. §16 Abs1 Oö. ChG stets akzessorischer Natur. Er greift dieser Vorschrift zufolge nur für den Fall, dass der betreffenden Person auch "ein Anspruch auf Hauptleistungen nach §§11 Abs2 Z1 bis 4, 12 Abs2 Z1, 13 oder 14 bescheidmäßig zuerkannt" worden ist (vgl. dazu auch die Erl. zur RV BlgLT 254/2006 26. GP).

              2.3. Gleichzeitig mit der Erlassung des Oö. ChG,

nämlich ebenso mit LGBl. für Oberösterreich Nr. 41/2008, wurde das Oö. Behindertengesetz 1991 aufgehoben. Im Oö. Sozialhilfegesetz ist in §7 die 'Soziale Notlage' (als Leistungsvoraussetzung) definiert. Abs1 unterscheidet zwischen Personen, die ihren Lebensunterhalt oder den ihrer unterhaltsberechtigten Angehörigen, die mit ihnen in Haushaltsgemeinschaft leben, nicht decken können (§7 Abs1 Z1 Oö. SHG), und Personen, die sich 'in einer besonderen sozialen Lage befinden' (§7 Abs1 Z2 Oö. SHG). Die Angehörigen der zuletzt genannten Gruppe sind in §7 Abs3 demonstrativ (arg.: insbesondere) aufgezählt, wobei in Z5 psychisch Behinderte genannt waren. Diese Z5 wurde durch ArtII des Landesgesetzes LGBl. Nr. 41/2008, aufgehoben. Die Frage, in welchem Verhältnis nunmehr das Oö. SHG 1998 sowie das Oö. ChG im Hinblick auf die Gewährung subsidiärer Geldleistungen an Menschen mit Beeinträchtigungen stehen, hat demgegenüber keine ausdrückliche Regelung erfahren.

              2.4. Wie aber die belangte Behörde bereits in ihrer Gegenschrift und später auch in ihrer ergänzenden Stellungnahme dargetan hat, scheint das Oö. ChG zum Oö. SHG 1998 im Verhältnis der Spezialität zu stehen. Die Abgrenzung zwischen dem Oö. SHG 1998 und dem Oö. ChG wäre demgemäß derart vorzunehmen, dass für behinderte Personen, für die eine alleinige Geldleistung ausreichend erscheint, mangels gegenteiliger Regelung nach wie vor das Oö. SHG 1998 anwendbar ist. Für behinderte Personen, die über die Geldleistung hinaus auch eine sog. Hauptleistung benötigen, sollte demgegenüber allein das Oö. ChG maßgeblich sein. Daraus scheint - wie die belangte Behörde auch eingeräumt hat - zu resultieren, dass es körperlich und/oder geistig behinderten Personen, die keine Hauptleistung im Sinne der §§8 ff. Oö. ChG beziehen, im Falle ihrer Bedürftigkeit weiterhin offen steht, Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Oö. SHG 1998 zu beziehen. Wie der Verfassungsgerichtshof vorläufig annimmt und die belangte Behörde ebenso dargetan hat, scheint dies gleichermaßen für jene behinderten Personen zu gelten, die im Bezug (erhöhter) Familienbeihilfe stehen.

              2.5. Eine solche Deutung des Verhältnisses zwischen Oö. SHG 1998 und Oö. ChG hat indes zur Folge, dass der Verordnungsgeber bei der Richtsatzbemessung innerhalb der Gruppe der alleinstehenden geistig und/oder körperlich behinderten Personen zwischen Personen, die eine Hauptleistung beziehen und solchen, bei denen dies nicht der Fall ist, differenziert: Bezieht eine solche Person eine Hauptleistung und fällt sie infolgedessen unter das Regime des Oö. ChG, so wird bei ihr die (erhöhte) Familienbeihilfe von der Leistung zur Bestreitung des Lebensunterhaltes in Abzug gebracht. Bezieht hingegen die behinderte Person keine Hauptleistung nach dem Oö. ChG, so erhält sie die höheren Geldleistungen nach dem Oö. SHG 1998 ohne Anrechnung der Familienbeihilfe.

              2.6. Eine sachliche Rechtfertigung für diese Regelung, die im Ergebnis zu einer Differenzierung nach dem Bezug einer Hauptleistung führt, vermag der Verfassungsgerichtshof vorläufig jedoch nicht zu erkennen, zumal nur die Hauptleistung 'Arbeit in einer geschützten Werkstätte' mit zusätzlichen Einkünften verbunden ist, diese aber ohnehin auf den Richtsatz angerechnet werden.

Insbesondere teilt der Gerichtshof vorläufig die Ansicht der belangten Behörde nicht, dass diese Unterscheidung mit der geringen Anzahl von Beziehern einer Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Oö. SHG 1998, die gleichzeitig (erhöhte) Familienbeihilfe beziehen, zu rechtfertigen ist. Dieser Umstand vermag nach vorläufiger Ansicht des Verfassungsgerichtshofes nämlich nichts daran zu ändern, dass es der Oö. Landesregierung dennoch offen gestanden wäre, bei alleinstehenden körperlich und/oder geistig behinderten Personen - gleich wie in §4 der Oö. Sozialhilfeverordnung 1998 - von einer Berücksichtigung der Familienbeihilfe abzusehen oder im Oö. SHG eine entsprechende Anrechnung vorzusehen.

              2.7. §4 Abs1 Z1 Oö. ChG-Beitrags- und Richtsatzverordnung dürfte daher mit dem Gleichheitssatz in Widerspruch stehen."

              3. Im Verordnungsprüfungsverfahren hat die Oberösterreichische Landesregierung eine Äußerung erstattet; darin entgegnet sie den Bedenken des Verfassungsgerichtshofs wie folgt:

              "1. Einleitend sei festgehalten, dass der Anspruch auf Sicherung des Lebensunterhalts durch Geldleistungen seit der Erlassung des Oö. Mindestsicherungsgesetzes, LGBl. Nr. 74/2011, in diesem Gesetz und in der darauf basierenden Oö. Mindestsicherungsverordnung, LGBl. Nr. 75/2011, in der Fassung der Verordnung LGBl. Nr. 121/2011, (mit Übergangsfrist) geregelt ist. Damit wurde zwar nicht die geprüfte Verordnung geändert, sondern hat der vom Verfassungsgerichtshof herangezogene Vergleichsmaßstab eine neue Rechtsgrundlage erhalten. Es wird aber nicht übersehen, dass sich der Beurteilungsmaßstab für die vom Verfassungsgerichtshof dargelegten Bedenken nicht ändert, weil sich das den Gesetzen zugrundeliegende System der Hilfe zum Lebensunterhalt nicht geändert hat und auch gem. §1 Abs1 Z1 der Mindestsicherungsverordnung der Bezug der Familienbeihilfe nicht berücksichtigt wird. Die unten stehenden Ausführungen beziehen sich auf die vom Verfassungsgerichtshof herangezogene Vergleichsnorm nach Oö. SHG 1998, können aber in gleicher Weise auf das Oö. Mindestsicherungsgesetz und die darauf basierende Verordnung angewendet werden.

              2. Zu den Bedenken des Verfassungsgerichtshofs, dass auf Grund der unterschiedlichen Berücksichtigung der Familienbeihilfe in unsachlicher Weise zwischen den Leistungsempfängern nach dem Oö. SHG 1998 und dem Oö. ChG differenziert wird, soll in der Folge dargelegt werden, dass ein derartiger Unterschied zwischen dem Leistungssystem des Oö. SHG 1998 und des Oö. ChG besteht, dass ein direkter Vergleich der Leistungen aus den beiden Systemen nicht zielführend ist.

              Schon in [dem] von den Gesetzen angesprochenen Personenkreis und den verfolgten Zielen ergeben sich wesentliche Unterschiede. Beim Oö. SHG 1998 diente die 'Geldleistung' zur Überbrückung einer (vorübergehenden) Notlage. Die Menschen, die ins Regime des Oö. SHG 1998 fielen bzw. fallen, stehen grundsätzlich auch dem ersten Arbeitsmarkt zur Verfügung. Dies ist bei Menschen, welche unter das Regime des Oö. ChG fallen, in der überwiegenden Mehrzahl nicht der Fall. Ziel der Sozialhilfe ist es, soziale Notlagen zu vermeiden, Hilfe zur Selbsthilfe bzw. Hilfe zur Bedarfsdeckung zu gewähren. Das Oö. SHG 1998 sah bzw. sieht eine Bemühungspflicht vor, wonach der Einsatz der Arbeitskraft vom Unterstützten einzubringen ist und sich der Unterstützte in zumutbarer Weise um eine entsprechende Erwerbsmöglichkeit zu bemühen hat.

              Entsprechend gleichlautende Regelungen sind im Oö. ChG nicht normiert. Der Grundgedanke des Oö. ChG ist es, Menschen mit Beeinträchtigungen nachhaltig zu fördern sowie ihnen ein normales Leben und eine umfassende Eingliederung in die Gesellschaft zu ermöglichen. Eine Bemühungspflicht bzw. ein Einsatz der Arbeitskraft ist dem Oö. ChG fremd, da die Zielgruppe für eine derartige Bemühungs- bzw. Einsatzpflicht schon aus den Eigenschaften einer Beeinträchtigung heraus nicht dazu herangezogen werden kann.

              Auch eine Gegenüberstellung der Geldleistungen nach dem Oö. SHG 1998 und dem Oö. ChG ist nicht zielführend, da die Geldleistung im Bereich der Sozialhilfe die wesentlichste Leistung [darstellte], aus welcher der Empfänger seine gesamte Lebenserhaltung zu bestreiten hatte.

              Ganz anders ist das System im Oö. ChG, wonach die bescheidmäßig zuerkannte Hauptleistung als wesentlichster Teil des Leistungsspektrums angesehen wird und als wichtiges Instrument der sozialen Teilhabe dient. Im Bereich des Oö. ChG wurde kein 'dreigliedriges System' geschaffen, vielmehr wird versucht, dem Mensch[en] mit Beeinträchtigungen ein optimal auf ihn angepasstes Paket zur Verfügung zu stellen, um dem Ziel des Oö. ChG gemäß dessen §1 gerecht zu werden. Die Geldleistung des Subsidiären Mindesteinkommens ist immer nur ein Teil dieses Leistungspakets und keine eigenständige Leistung wie die 'Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts'.

              Es kann auch angeführt werden, dass die im §8 Oö. ChG definierten Hauptleistungen ebenso einen nicht unerheblichen Teil des finanziellen Fürsorgesystems des Oö. ChG ausmachen, diese jedoch oftmals als 'selbstverständlich' angenommen werden. Im Oö. ChG steht die Gesamtleistung im Vordergrund und nicht die alleinige Geldleistung, welche jedoch oftmals als einzig maßgeblicher, messbarer Bereich angesehen wird und daher in den Vordergrund gerückt wird.

              Vielmehr decken die Leistungen nach dem Oö. ChG ein viel breiteres Spektrum ab als die Leistungen nach dem Oö. SHG 1998. Wenn man die Rahmenrichtlinien (Vereinbarungen über die Leistungsstandards zwischen dem Land Oberösterreich und den jeweiligen Trägern) genauer betrachtet, wird man feststellen, dass eine Vielzahl von Leistungen innerhalb der sog. 'Hauptleistungen' erbracht werden muss. Es geht hierbei um die sogenannte 'direkten' und 'indirekten' Leistungen. Die Rahmenrichtlinien geben vor, dass als direkte Leistungen zB gemeinsame Feste und Feiern gestaltet werden, Urlaubs- und Ferienbegleitungen organisiert werden. Eine weitere direkte Leistung ist das Organisieren von Hobby- und Freizeitgruppen und die individuelle Basisversorgung sowie die Unterstützung bei der alltäglichen Lebensführung. Dass der Bereich der Förderung der psychischen Gesundheit auch im Rahmen der direkten Leistungen erbracht wird, ist im Sinne des Oö. ChG selbstverständlich. Die Betreuungsnotwendigkeit und damit die Betreuungsdichte ist um ein vielfaches höher, was an den entsprechenden Bedürfnissen der Menschen mit Beeinträchtigungen liegt. Bei Leistungsbeziehern von 'Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts' steht dagegen die (alleinige) Geldleistung im Vordergrund.

              Auch ging es dem Gesetzgeber mit der Einführung des Oö. ChG und seiner Leistungen nicht vorrangig um die finanzielle Überbrückung einer Notlage wie im Oö. SHG 1998. Vielmehr ist es in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle so, dass der Mensch mit Beeinträchtigungen bis an sein Lebensende auf die Leistungen nach dem Oö. ChG angewiesen sein wird. Von einer vorübergehenden Notlage will und kann man hier nicht sprechen, da es vielmehr eine lebenslange Situation für den Menschen mit Beeinträchtigungen ist.

              3. Den Ausführungen des Verfassungsgerichtshofs,

wonach das Oö. ChG und das Oö. SHG 1998 in einem Verhältnis der Spezialität zueinander stehen, ist grundsätzlich zuzustimmen: Menschen mit Beeinträchtigungen gemäß §2 Oö. ChG haben einen Anspruch auf [eine] Hauptleistung nach diesem Gesetz und konnten keine zusätzliche Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Oö. SHG 1998 beziehen. Zur Formulierung des Verfassungsgerichtshofs 'Für behinderte Personen, die über die Geldleistung hinaus ein sogenannte Hauptleistung benötigen' darf jedoch auf die obigen Ausführungen zum Wesen des Oö. ChG verwiesen werden, wonach der Gesetzgeber für eine Verringerung bzw. Vermeidung von Beeinträchtigungen etwaige Geldleistungen nicht in den Vordergrund stellt[,] sondern das auf den Betroffenen abgestimmte Maßnahmenpaket.

              Das Oö. BHG 1991 sah keine Geldleistungen für

Menschen mit Beeinträchtigungen vor, da im damals gültigen Gesetz der Fokus auf der 'Sachleistung' lag. Mit Einführung des Oö. ChG wurde neben dem Ausbau der mobilen Dienste dem vermehrten Wunsch nach einem höheren Grad an Selbständigkeit entsprochen und als Geldleistung das Subsidiäre Mindesteinkommen eingeführt, um den bezugsberechtigten Menschen mit Beeinträchtigungen eben jenen Grad an Selbständigkeit zu ermöglichen.

              Dass Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen bis zur Einführung des Oö. ChG unter das Regime des Oö. SHG 1998 gefallen sind, lässt sich damit erklären, dass damals die Annahme galt, dass diese Personen wieder dem ersten Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen würden. Doch in Zeiten, in denen sich auch das Bild der Beeinträchtigungen gewandelt hat, erkannte der Gesetzgeber, dass die Anzahl von Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen und deren Schwere immer mehr zunehmen würde und demnach unter einer anderen gesetzlichen Regelung zu subsumieren sind.

              4. Auch den Ausführungen des Verfassungsgerichtshofs, wonach es 'mangels gegenteiliger Regelung' für Menschen mit Beeinträchtigungen nach wie vor möglich sei, eine Leistung nach dem Oö. SHG 1998 in Anspruch zu nehmen, ist zuzustimmen. An dieser Stelle soll ausdrücklich betont werden, dass das Land Oberösterreich niemanden in eine Leistung zwingt. Sollte jemand für sich selber erachten, dass eine alleinige Geldleistung für ihn günstiger ist, so kann er einen Antrag auf Hilfe zum Lebensunterhalt stellen. Möchte ein Betroffener das Maßnahmenpaket nach dem Oö. ChG in Anspruch nehmen, steht es ihm frei, einen diesbezüglichen Antrag einzubringen. Die jeweils beantragte Leistung wird ihm bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen gewährt. Auch bei den diesen Verfahren zugrundeliegenden Anlassfällen wurden Anträge auf Leistung nach dem Oö. ChG gestellt, sodass in der Folge die Leistungen nach dem Oö. SHG 1998 eingestellt wurden.

              5. Zu den Ausführungen des Verfassungsgerichtshofs, dass die Leistung zur Bestreitung des Lebensunterhalts einmal (Oö. ChG) durch Berücksichtigung der Familienbeihilfe geschmälert wird und einmal (Oö. SHG 1998) nicht, und in Konkretisierung der obigen Ausführungen zur Gegenüberstellung der Geldleistungen sei nachfolgend dargelegt, dass der Umfang des 'Lebensunterhalts', der durch die Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts abgedeckt werden muss, wesentlich größer ist, als jener, zu dessen Deckung das Subsidiäre Mindesteinkommen dient.

              Personen, die Hilfe zum Lebensunterhalt erhalten und Pflegeleistungen (mobile Betreuung und Hilfe) brauchen, haben sich diese selbst zu organisieren und zu finanzieren. Das Oö. SHG 1998 sieht zwar im §12 auch Hilfen in Form von mobiler Betreuung und Hilfe vor, zu diesen ist jedoch gemäß §9 Abs7 Oö. SHG 1998 ein angemessener Kostenbeitrag zu leisten. In die Berechnung der Höhe des Kostenbeitrags ist die Hilfe zum Lebensunterhalt gemäß §4 Abs1 Z4 iVm. §6a

Oö. Sozialhilfeverordnung 1998, LGBl. Nr. 118/1998, einzubeziehen.

              Hingegen wird einem Leistungsempfänger nach dem Oö. ChG die notwendige mobile Betreuung und Hilfe als Hauptleistung nach §8 Abs1 Z6 Oö. ChG gewährt, zu der er aus dem Subsidiären Mindesteinkommen keinen Beitrag leisten muss. Einen Beitrag müsste er gemäß §10 Oö. ChG-Beitrags- und Richtsatzverordnung nur leisten, wenn er auch Pflegegeld bezieht.

              Anhand folgenden konkreten Beispiels sollen die Leistungen nochmals gegenübergestellt werden: Angenommen wird ein alleinstehender Mensch mit erhöhter Familienbeihilfe, 60 Stunden Unterstützung bei der individuellen Basisversorgung (SHG = 'Heimhilfe', ChG = 'Mobile Betreuung und Hilfe'), Pflegegeldstufe 1:

[TABELLE AUS TECHNISCHEN GRÜNDEN NICHT DARSTELLBAR !!!]

              Aus diesem Beispiel ergibt sich, dass Beziehern von 'Hilfe zum Lebensunterhalt' und Leistungsempfängern nach dem Oö. ChG, die sich in einer vergleichbaren persönlichen Situation befinden, auf Grund der Kostenbeiträge, die erstere aus ihren Mitteln zu begleichen haben, im Ergebnis in etwa die gleichen Mittel verbleiben.

              Es geht also darum, Menschen mit Beeinträchtigungen jene Hilfe zu gewähren, derer sie zusätzlich zu den ihnen bereits zur Verfügung stehenden Mitteln bedürfen, und nicht um den Zugriff auf die Familienbeihilfe zur (teilweisen) Finanzierung von Maßnahmen nach dem Oö. ChG.

              6. Die Berücksichtigung der Familienbeihilfe bei der Festlegung des Subsidiären Mindesteinkommens wurde normiert, um eine Ungleichbehandlung von Menschen mit Beeinträchtigungen, welche Familienbeihilfe beziehen oder nicht beziehen, zu vermeiden. Dem Gleichheitssatz des Art7 B-VG sollte dadurch Rechnung getragen werden: [Gemäß] §2 iVm §8 Familienlastenausgleichgesetz kann erhöhte Familienbeihilfe auch nach dem 27. Lebensjahr weitergewährt werden. Ist somit zB bei einer Person mit dem 16. Lebensjahr eine Beeinträchtigung eingetreten, so steht ihr mit dem 30. Lebensjahr noch die erhöhte Familienbeihilfe zur Verfügung (Rechnet man den Richtsatz für Alleinstehende und die erhöhte Familienbeihilfe zusammen, wären dies 1.060,62 Euro). Ist hingegen die Beeinträchtigung zB mit dem 30. Lebensjahr eingetreten, erhält sie keine Familienbeihilfe, aber vielleicht eine Pension. Diese Pension wird jedoch auf den Richtsatz gemäß §4 Oö. ChG-Beitrags- und Richtsatzverordnung angerechnet, sodass sich der Auszahlungsbetrag um die Höhe der Pension (zB um 200 Euro) verringert. Dieser Person blieben demnach nur 511,22 Euro. Da die Oö. Landesregierung in einem solchen Ergebnis eine unsachliche Differenzierung gesehen hat, wurde die Berücksichtigung der Familienbeihilfe angeordnet.

              7. Der 'typische' Bezieher von Hilfe zum Lebensunterhalt erhält keine Familienbeihilfe. Der Personenkreis, welcher Leistungen nach dem Oö. ChG in Anspruch nimmt, bekommt hingegen in der überwiegenden Mehrheit der Fälle weitere Transferleistungen vom Bund, wie zB (erhöhte) Familienbeihilfe.

              Im Zuge der Übernahme von Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen in das Oö. ChG wurde festgestellt, dass rund 20 Personen Leistungen nach dem Oö. SHG 1998 erhielten (bei gleichzeitiger Gewährung der Familienbeihilfe) und nun anspruchsberechtigt für ein Subsidiäres Mindesteinkommen gemäß §16 Oö. ChG sind (bzw. waren). Wenn man die Zahl der Empfänger Sozialer Hilfe nach dem Oö. SHG 1998 betrachtet, welche im Oktober 2010 bei 5.835 gelegen ist, ergibt sich somit ein Prozentanteil von 0,2 für jene Personen[,] die Familienbeihilfe und Leistungen nach dem Oö. ChG erhalten haben bzw. erhalten hätten können und zuvor dem Regime des Oö. SHG 1998 unterlegen sind. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs ist es zulässig von einer Durchschnittsbetrachtung auszugehen und auf den Regelfall abzustellen. Das Entstehen von Härtefällen macht eine Norm aus diesem Grund nicht gleichheitswidrig (VfSlg. 14.703).

              [...]

              10. Für den Fall der Aufhebung der in Prüfung [gezogenen] Bestimmung des §4 Abs1 Z1 Oö. ChG-Beitrags- und Richtsatzverordnung regt die Oö. Landesregierung an, der Verfassungsgerichtshof möge für das Außerkraftreten eine Frist von sechs Monaten bestimmen, um die erforderlichen Maßnahmen auf Landesebene zu ermöglichen."

              II. Rechtslage

              1. Die maßgeblichen Vorschriften des Landesgesetzes betreffend die Chancengleichheit von Menschen mit Beeinträchtigungen (Oö. ChG), LGBl. für Oberösterreich 41/2008 idF LGBl. für Oberösterreich 81/2009, lauten wie folgt:

"§1

Ziel und Geltungsbereich

              (1) Ziel dieses Landesgesetzes ist es, Menschen mit Beeinträchtigungen insbesondere durch die Vermeidung des Entstehens von Beeinträchtigungen und von Behinderungen und durch die Verringerung von Beeinträchtigungen nachhaltig zu fördern sowie ihnen ein normales Leben und eine umfassende Eingliederung in die Gesellschaft zu ermöglichen, um die Chancengleichheit von Menschen mit Beeinträchtigungen zu erreichen.

              [...]

§2

Menschen mit Beeinträchtigungen

              (1) Als Menschen mit Beeinträchtigungen im Sinn

dieses Landesgesetzes gelten Personen, die auf Grund körperlicher, geistiger, psychischer oder mehrfacher derartiger nicht vorwiegend altersbedingter Beeinträchtigungen in einem lebenswichtigen sozialen Beziehungsfeld, insbesondere im Zusammenhang mit ihrer Erziehung, ihrer Berufsbildung, ihrer Persönlichkeitsentwicklung und Persönlichkeitsentfaltung, ihrer Erwerbstätigkeit sowie ihrer Eingliederung in die Gesellschaft wegen wesentlicher Funktionsausfälle dauernd erheblich behindert sind oder bei denen in absehbarer Zeit mit dem Eintritt einer solchen Beeinträchtigung zu rechnen ist, insbesondere bei Kleinkindern.

              (2) Als Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen gelten auch seh- und hörbeeinträchtigte, taubblinde, stumme und gehörlose Menschen und Menschen mit zentralen Störungen der Sinnesverarbeitung und daraus resultierenden erheblichen Behinderungen in der Kommunikation und Orientierung, soweit es sich dabei nicht um Entwicklungsstörungen im Hinblick auf schulische Fertigkeiten handelt.

§3

Arten der Leistungen

              (1) Zur Erreichung des Ziels nach §1 Abs1 kommen folgende Leistungen nach diesem Landesgesetz in Betracht:

1.

Hauptleistungen,

2.

das subsidiäre Mindesteinkommen und

3.

ergänzende Leistungen."

"§8

Arten der Hauptleistungen

              (1) Als Hauptleistungen kommen in Betracht:

1.

Heilbehandlung (§9);

2.

Frühförderung und Schulassistenz (§10);

3.

Arbeit und fähigkeitsorientierte Aktivität (§11);

4.

Wohnen (§12);

5.

Persönliche Assistenz (§13);

6.

mobile Betreuung und Hilfe (§14).

              (2) Auf die Hauptleistungen nach Abs1 besteht nach Maßgabe der von Einrichtungen, mit denen eine Vereinbarung nach §26 Abs3 besteht, angebotenen und tatsächlich verfügbaren Ressourcen ein Rechtsanspruch. Auf eine bestimmte Maßnahme im Rahmen einer Leistung nach Abs1 besteht jedoch kein Rechtsanspruch.

§9

Heilbehandlung

              (1) Heilbehandlung ist zu leisten, soweit dadurch

eine Beeinträchtigung beseitigt oder verringert oder deren Verschlechterung verhindert werden kann.

              (2) Als Maßnahmen der Heilbehandlung nach Abs1 kommen Therapien, ärztliche Hilfe, die damit in Zusammenhang stehende Versorgung mit Heilmitteln sowie ambulante und stationäre Betreuung als selbständige, begleitende oder nachfolgende Behandlungsmaßnahme in Kranken-, Kur- und sonstigen Heilanstalten in Betracht.

              (3) Die Kosten der ärztlichen Hilfe, der damit in Zusammenhang stehenden Versorgung mit Heilmitteln sowie der ambulanten oder stationären Betreuung gemäß Abs2 werden erstattet, sofern diese Maßnahme so dringend geleistet werden musste, dass die Behörde nicht rechtzeitig benachrichtigt werden konnte und die gemäß §21 Abs3a antragsberechtigte Person oder Einrichtung trotz angemessener Rechtsverfolgung die aufgewendeten Kosten nach keiner anderen gesetzlichen Grundlage erhält. Die Kosten werden nur bis zu jenem Betrag erstattet, der angefallen wäre, wenn diese Maßnahme nach diesem Landesgesetz gewährt worden wäre.

              (4) Der Umfang der Ansprüche nach Abs1 und 2, insbesondere das Höchstausmaß der Heilbehandlung und die zeitliche Befristung deren Inanspruchnahme, können durch Verordnung der Landesregierung festgelegt werden. Dabei ist auf die jeweilige Art der Heilbehandlung Bedacht zu nehmen."

"§11

Arbeit und fähigkeitsorientierte Aktivität

              (1) Menschen mit Beeinträchtigungen sind Maßnahmen der Arbeit und fähigkeitsorientierten Aktivität zu leisten, um ihnen einen angemessenen Arbeitsplatz sowie die Erhaltung und die Weiterentwicklung ihrer Fähigkeiten durch entsprechende Aktivität zu ermöglichen.

              (2) Als Maßnahmen nach Abs1 kommen insbesondere in Betracht:

              1. berufliche Qualifizierung;

              2. geschützte Arbeit, insbesondere durch besondere Formen geschützter Arbeitsplätze in Betrieben oder in geschützten Werkstätten;

              3. fähigkeitsorientierte Aktivität in Einrichtungen zur Arbeitsorientierung, Entwicklungsorientierung oder Tagesstrukturierung;

              4. Arbeitsassistenz und Arbeitsbegleitung;

              5. Trainingsmaßnahmen.

              (3) Der Umfang der Ansprüche nach Abs1 und 2, insbesondere das Höchstausmaß der Maßnahme der Arbeit und fähigkeitsorientierten Aktivität und die zeitliche Befristung deren Inanspruchnahme, können durch Verordnung der Landesregierung festgelegt werden. Dabei ist auf die jeweilige Art der Maßnahme der Arbeit und fähigkeitsorientierten Aktivität Bedacht zu nehmen.

§12

Wohnen

              (1) Menschen mit Beeinträchtigungen ist eine

möglichst freie und selbstbestimmte Wahl der Wohnform zu eröffnen.

              (2) Als Maßnahmen nach Abs1 kommen in Betracht:

              1. Einräumung einer Wohnmöglichkeit in Wohnungen oder Wohngemeinschaften mit der je nach Eigenart der Beeinträchtigung erforderlichen Betreuung und Hilfe;

              2. Einräumung einer Wohnmöglichkeit in einem Wohnheim mit der je nach Eigenart der Beeinträchtigung erforderlichen Betreuung und Hilfe, wenn eine andere Wohnform auf Grund der Beeinträchtigung nicht möglich ist;

              3. das Kurzzeitwohnen.

              (3) Der Umfang der Ansprüche nach Abs1 und 2, insbesondere das Höchstausmaß der Maßnahme des Wohnens und die zeitliche Befristung deren Inanspruchnahme, können durch Verordnung der Landesregierung festgelegt werden. Dabei ist auf die jeweilige Art der Maßnahme des Wohnens Bedacht zu nehmen.

§13

Persönliche Assistenz

              (1) Persönliche Assistenz ist zu leisten, um Menschen mit Beeinträchtigungen je nach Eigenart der Beeinträchtigung und dem Grad der Selbstbestimmungsfähigkeit die erforderliche persönliche Hilfe für ein selbstbestimmtes Leben in allen Bereichen des täglichen Lebens zu ermöglichen. Zu diesen Bereichen gehören insbesondere die Sicherstellung der Grundversorgung, hauswirtschaftliche Tätigkeiten, Mobilität, Freizeitgestaltung und Unterstützung bei der Kommunikation, insbesondere bei Sprach- oder Sinnesbeeinträchtigungen, nicht jedoch medizinische, therapeutische und qualifiziert pflegerische Maßnahmen oder solche der Arbeitsbegleitung oder der Arbeitsassistenz.

              (2) Persönliche Assistenz nach Abs1 kommt für

Menschen mit Beeinträchtigungen, die von einer Wohnmöglichkeit nach §12 Abs2 Gebrauch machen, nur in Betracht, wenn sie zur Erlangung einer selbständigen Lebensführung erforderlich ist.

              (3) Der Anspruch nach Abs1 umfasst die Möglichkeit des Menschen mit Beeinträchtigungen, eine geeignete Person für die Erbringung der persönlichen Assistenz auszuwählen.

              (4) Der Umfang der Ansprüche nach Abs1 und 2, insbesondere das Höchstausmaß der persönlichen Assistenz und die zeitliche Befristung deren Inanspruchnahme, können durch Verordnung der Landesregierung festgelegt werden. Dabei ist auf die jeweilige Art der persönlichen Assistenz Bedacht zu nehmen.

§14

Mobile Betreuung und Hilfe

              (1) Mobile Betreuung und Hilfe ist zu leisten, wenn Menschen mit Beeinträchtigungen auf Grund der Eigenart der Beeinträchtigung nicht in der Lage sind, Angelegenheiten in Bereichen des täglichen Lebens nach §13 Abs1 ohne fremde Hilfe zu besorgen und dieser Bedarf nur durch fachliches Personal gedeckt werden kann.

              (2) Mobile Betreuung und Hilfe nach Abs1 kommt für Menschen mit Beeinträchtigungen, die von einer Wohnmöglichkeit nach §12 Abs2 Gebrauch machen, nur in Betracht, wenn sie zur Erlangung einer selbständigen Lebensführung erforderlich ist.

              (3) Der Umfang des Anspruchs nach Abs1 und 2, insbesondere das Höchstausmaß der mobilen Betreuung und Hilfe und die zeitliche Befristung deren Inanspruchnahme, können durch Verordnung der Landesregierung festgelegt werden. Dabei ist auf die jeweilige Art der mobilen Betreuung und Hilfe Bedacht zu nehmen."

"§16

Subsidiäres Mindesteinkommen

              (1) Menschen mit Beeinträchtigungen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben und denen ein Anspruch auf Hauptleistungen nach §§11 Abs2 Z. 1 bis 4, 12 Abs2 Z. 1, 13 oder 14 bescheidmäßig zuerkannt wurde, ist zur Ermöglichung einer angemessenen sozialen Teilhabe und eines selbstbestimmten Lebens durch einen ausreichenden Lebensunterhalt ein monatliches Mindesteinkommen zu gewähren.

              (2) Das Mindesteinkommen nach Abs1 bemisst sich nach der Differenz zwischen

              1. dem gemäß der Verordnung der Landesregierung nach Abs6 festgesetzten Richtsatz und

              2. dem gemäß §20 Abs2 Z. 1 und 3 einzusetzenden Einkommen und verwertbaren Vermögen.

              [...]

              (6) Zur Bemessung der laufenden monatlichen Geldleistungen hat die Landesregierung durch Verordnung Richtsätze so festzusetzen, dass mit dem jeweiligen Betrag die regelmäßig gegebenen Bedürfnisse im Rahmen des Lebensunterhalts (Abs1), unter Berücksichtigung einer durch eine gemeinsame Haushaltsführung erzielbaren Einsparung, gedeckt werden können.

              (7) Richtsätze nach Abs6 sind jedenfalls festzusetzen für Menschen mit Beeinträchtigungen, die

              1. nicht in Haushalts- oder Wohngemeinschaften leben (Alleinstehende);

              2. in Haushalts- oder Wohngemeinschaften leben;

              3. in einer Wohnmöglichkeit gemäß §12 Abs2 Z. 1

leben."

"§20

Beiträge und beitragspflichtige Personen

              (1) Der Mensch mit Beeinträchtigungen und seine Ehegattin oder sein Ehegatte oder seine Lebensgefährtin oder sein Lebensgefährte haben bei der Gewährung von Hauptleistungen nach §8 Abs1 sowie von subsidiärem Mindesteinkommen nach §16 Abs1 nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen beizutragen, es sei denn, dies würde im Einzelfall die wirtschaftliche Existenz oder Entwicklungsmöglichkeit gefährden und zu besonderen Härten führen.

              (2) Als Beitrag gemäß Abs1 können insbesondere herangezogen werden:

              1. das Einkommen sowie das verwertbare Vermögen des Menschen mit Beeinträchtigungen nach Abs3 und 5;

              [...]

              (5) Die Landesregierung hat durch Verordnung nähere Vorschriften über die Beiträge nach Abs2 Z. 1 und 3 zu erlassen. Diese Verordnung hat insbesondere zu regeln:

              1. welches Einkommen von Menschen mit Beeinträchtigungen in welcher Höhe zu berücksichtigen ist;

              [...]

              Bei der Erlassung der Verordnung ist auf die Ziele dieses Landesgesetzes Bedacht zu nehmen. In dieser Verordnung können weiters nähere Bestimmungen über die Gefährdung der Existenz und Entwicklungsmöglichkeiten sowie besondere Härten erlassen werden."

              2. Die maßgeblichen Vorschriften der Verordnung der Oberösterreichischen Landesregierung, mit der die Beiträge zu den Leistungen sowie die Richtsätze für das subsidiäre Mindesteinkommen nach dem Oö. ChG festgelegt werden (Oö. ChG-Beitrags- und Richtsatzverordnung), LGBl. für Oberösterreich 78/2008 idF 39/2009, lauten wie folgt (die in Prüfung gezogene Bestimmung ist hervorgehoben):

"§2

Einkommen nach §20 Abs5 Z. 1 und Z. 3 Oö. ChG, Freibeträge

              (1) Einkommen ist die Summe aller Einkünfte in Geld oder Geldeswert.

              (2) Zum Einkommen zählen jedenfalls, soweit im Folgenden nichts anderes bestimmt ist, folgende Einkünfte:

              1. bei nicht zur Einkommensteuer veranlagten Personen die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gemäß §25 Einkommensteuergesetz 1988 - EStG 1988 (Bruttobezüge), abzüglich der nachgewiesenen Werbungskosten gemäß §16 EStG 1988 und der einbehaltenen Lohnsteuer,

              2. bei zur Einkommensteuer veranlagten Personen die Einkünfte gemäß §2 Abs2 EStG 1988 ohne Abzug der Sonderausgaben (§18 EStG 1988), der Sanierungsgewinne (§36 EStG 1988), der Freibeträge nach §104 und §105 EStG 1988, der Investitionsrücklage (§9 EStG 1988) und des Investitionsbetrags (§10 EStG 1988), abzüglich der festgesetzten Einkommensteuer; sind Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im Einkommensteuerbescheid enthalten, so sind sie im Sinn der Z1 hinzuzurechnen,

              [...]

              4. alle steuerfrei belassenen, regelmäßigen Einkünfte zur Deckung des Unterhalts, die auf Grund eines Rechtsanspruchs oder tatsächlich gewährt werden, mit Ausnahme der Leistungen aus dem Grund einer Behinderung, der pflegebezogenen Geldleistungen, soweit im Folgenden nichts anderes bestimmt ist, der Familienbeihilfe, der Unterhaltsleistungen für Kinder,

              [...]"

"§4

Subsidiäres Mindesteinkommen

gemäß §16 Abs6 und 7 Oö. ChG

              (1) Die Richtsätze zur Bemessung von laufenden monatlichen Geldleistungen zur Sicherung eines ausreichenden Lebensunterhalts im Sinn des §16 Oö. ChG betragen für

              1. Menschen mit Beeinträchtigungen, die alleinstehend sind

-

wenn kein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht 678,96 Euro

-

wenn ein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht 329,54 Euro

              2. Menschen mit Beeinträchtigungen, die in Haushalts- oder Wohngemeinschaft leben

-

wenn kein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht 596,45 Euro

-

wenn ein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht 246,00 Euro

              3. Menschen mit Beeinträchtigungen, die in einer Wohnmöglichkeit gemäß §12 Abs2

Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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