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82 GESUNDHEITSRECHTNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Gleichheitswidrigkeit einer Übergangsbestimmung des Apothekengesetzes über den Betrieb ärztlicher Hausapotheken in so genannten "Zwei-Kassenvertragsarzt-Gemeinden"Spruch
I. §62a Abs1 Apothekengesetz, RGBl. Nr. 5/1907, in der Fassung BGBl. I Nr. 41/2006, wird als verfassungswidrig aufgehoben.
II. Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2013 in Kraft.
III. Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.
IV. Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Anlassverfahren, Prüfungsbeschluss und Vorverfahren
1. Beim Verfassungsgerichtshof ist ein zu B1060/11 protokolliertes Beschwerdeverfahren anhängig, dem folgender Sachverhalt zu Grunde liegt:
1.1. Der Bezirkshauptmann von Völkermarkt erteilte der Beschwerdeführerin aufgrund ihres am 31. Dezember 2008 eingebrachten Antrags mit Bescheid vom 17. Mai 2010 die Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer öffentlichen Apotheke in Bad Eisenkappel. In dieser Gemeinde waren damals und sind nach wie vor zwei Vertragsstellen gemäß §342 Abs1 ASVG von Ärzten für Allgemeinmedizin besetzt, denen jeweils eine Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke erteilt worden war.
Mit Schreiben vom 12. Jänner 2011 gab die Beschwerdeführerin der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt ihre Absicht bekannt, den Betrieb der neuen öffentlichen Apotheke mit 1. Juli 2011 aufzunehmen, und stellte den Antrag auf Zurücknahme der bestehenden Hausapothekenbewilligungen mit Wirksamkeit zum 30. Juni 2011.
1.2. Mit dem im Instanzenzug erlassenen Bescheid vom 17. August 2011 wies der Unabhängige Verwaltungssenat für Kärnten (UVS Kärnten) den Antrag der Beschwerdeführerin auf Zurücknahme der Hausapothekenbewilligungen zum Zeitpunkt der geplanten Eröffnung ihrer öffentlichen Apotheke unter Berufung auf §62a Apothekengesetz, RGBl. 5/1907, in der Fassung BGBl. I 41/2006, mit der Begründung ab, dass die Konzession erst nach Inkrafttreten der Apothekengesetznovelle 2006, BGBl. I 41/2006, erteilt und der Antrag auf Erteilung der Konzession am 31. Dezember 2008 eingebracht worden war. Zum Zeitpunkt der Antragstellung durch die Beschwerdeführerin seien in der Gemeinde Bad Eisenkappel zwei Vertragsstellen nach §342 Abs1 ASVG, die von Ärzten für Allgemeinmedizin besetzt waren, vorhanden. Aus diesem Grund komme §62a Apothekengesetz zur Anwendung, wonach die Bewilligung zur Haltung von ärztlichen Hausapotheken dann zurückzunehmen ist, wenn die Inhaber dieser Bewilligungen das 65. Lebensjahr vollendet haben. Die Frist für die Zurücknahme und die Einstellung des Betriebes der ärztlichen Hausapotheke dürfe dabei jedoch insgesamt zehn Jahre ab Rechtskraft der Konzession nicht übersteigen.
1.3. Da die beiden Ärzte für Allgemeinmedizin mit
einer Vertragsstelle gemäß §342 Abs1 ASVG in der Gemeinde Bad Eisenkappel zum 30. Juni 2011 das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet hätten und zu diesem Zeitpunkt auch die gesetzlich normierte maximale Frist von zehn Jahren ab Rechtskraft der Konzessionserteilung für die öffentliche Apotheke der Beschwerdeführerin noch nicht abgelaufen sei, lägen die Voraussetzungen für eine Zurücknahme der erteilten Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke nicht vor.
1.4. In der gemäß Art144 B-VG gegen diesen Bescheid des UVS Kärnten erhobenen Beschwerde macht die Beschwerdeführerin mit näherer Begründung die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit vor dem Gesetz, auf Freiheit der Erwerbsausübung und Unverletzlichkeit des Eigentums wegen Anwendung des als verfassungswidrig erachteten §62a Apothekengesetz, RGBl. 5/1907, in der Fassung BGBl. I 41/2006, geltend und begehrt die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides. Die Regelungen des Apothekengesetzes seien insofern in sich widersprüchlich und nicht mit dem Willen des Gesetzgebers vereinbar, als einerseits §19 Abs1 leg.cit. ohne Bezugnahme auf §62a leg.cit. eine fünfjährige Frist für die Inbetriebnahme einer öffentlichen Apotheke vorsehe, andererseits aber, wenn die Konzession für die Errichtung einer neuen Apotheke für eine Gemeinde erteilt worden ist, in der zum Zeitpunkt der Antragstellung zwei Ärzte für Allgemeinmedizin ihre Ordination betrieben, diese Ärzte ihre bis dahin betriebenen ärztlichen Hausapotheken über diese Fünfjahresfrist hinaus noch weitere fünf Jahre (insgesamt zehn Jahre) betreiben dürften, sodass es zu einem parallelen Betrieb von ärztlichen Hausapotheken und öffentlichen Apotheken kommen müsse. Ein wirtschaftlich sinnvoller Betrieb der neuen öffentlichen Apotheke sei in diesem Zeitraum nicht möglich.
1.5. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift. Sie führte darin aus, dass die gesetzlich normierte Frist von zehn Jahren im gegenständlichen Verfahren nicht schlagend werde, weil die Beschwerdeführerin die Zurücknahme der Hausapothekenbewilligungen der beiden ortsansässigen Ärzte mit Wirksamkeit zum 30. Juni 2011 beantragt habe und zu diesem Zeitpunkt seit der Konzessionserteilung erst ein Zeitraum von circa einem halben Jahr verstrichen sei. Weiters erreichte ein Inhaber einer Hausapothekenbewilligung am 23. August 2012 das 65. Lebensjahr, weshalb die maximale Frist von zehn Jahren überhaupt nicht zur Anwendung gelange. Die Regelung hinsichtlich der Höchstdauer für die Zurücknahme einer Hausapothekenbewilligung im Sinne des §62a Apothekengesetz sei daher im vorliegenden Fall nicht präjudiziell.
1.6. Die beiden hausapothekenführenden Ärzte in der Gemeinde Bad Eisenkappel als beteiligte Parteien erstatteten eine Äußerung zur Beschwerde. Die 10-Jahresfrist des §62a Apothekengesetz komme gar nicht zur Anwendung, "da diese erst dann ihre Rechtswirkung entfaltet, wenn die nach §29 Abs4 ApG normierte 3-Jahresfrist abgelaufen ist. Eine Entziehung vor Ablauf von 3 Jahren würde nämlich in Widerspruch zu §29 Abs4 ApG stehen." Aufgrund der am 2. Juni 2010 rechtskräftig gewordenen Apothekenkonzessionserteilung an die Beschwerdeführerin sei daher eine Zurücknahme der Hausapothekenbewilligungen unabhängig von der Rechtsfrage, ob §62a Abs1 Apothekengesetz als verfassungswidrig zu beurteilen sei, nicht zulässig.
Die Rechtslage, welche Gegenstand des Erkenntnisses VfSlg. 16.038/2000 war (und zur Aufhebung des §62 Apothekengesetz in der Fassung BGBl. I 120/1998 führte), sei mit der heutigen nicht vergleichbar. So bestehe damals gemäß §19 Apothekengesetz die Verpflichtung, eine öffentliche Apotheke innerhalb einer Jahresfrist in Betrieb zu nehmen, während nach der aktuellen Rechtslage diese Frist auf fünf Jahre verlängert worden sei. Die Koexistenz von öffentlicher Apotheke und ärztlicher Hausapotheke habe sich daher erheblich reduziert.
Es sei auch der Vertrauensschutz der Ärzteschaft zu wahren. Hausapothekenführende Ärzte hätten sich seit 1985 im Vertrauen auf den Umstand, dass eine öffentliche Apotheke nur bewilligt werde, wenn in einer Gemeinde bzw. im 4-Kilometer-Straßenumkreis 5.500 zu versorgende Personen vorhanden sind - dies entspreche im Regelfall bei Vergabe einer ärztlichen Planstelle bei rund 1.600 bis maximal 2.000 Personen einer "Drei-Arzt-Gemeinde" - unternehmerische Dispositionen und Investitionen im Vertrauen auf den Fortbestand dieser Rechtslage gesetzt. Das Einkommen eines hausapothekenführenden Arztes schlüssle sich zwischen ärztlicher Tätigkeit und Hausapotheke im Verhältnis eines Apothekenanteiles von 40-60% auf, sodass der Wegfall der ärztlichen Hausapotheke auch für den betreffenden hausapothekenführenden Arzt eine erhebliche finanzielle Einbuße zur Folge habe. Dieses Vertrauen in die Lebensplanung sei zu erhalten. Die vom Gesetzgeber in "Zweiarztgemeinden", in denen nach der vormaligen Rechtslage auf Grund der erforderlichen Einwohneranzahl der Bedarf für eine öffentliche Apotheke erfahrungsgemäß nicht gegeben war, geschaffene 10-jährige Fortführungsfrist nehme auf den Vertrauensschutz des hausapothekenführenden Arztes Bedacht. Während seit der Apothekengesetz-Novelle 2006 jedem Antragsteller die Rechtslage des §62a Abs1 Apothekengesetz einschließlich der darin normierten maximal 10-jährigen Fortführungsfrist bekannt sei, sei dies bei der im Dezember 2000 aufgehobenen Bestimmung des §62 Apothekengesetz nicht der Fall; diese stelle nämlich auf die Rechtskraft der Konzessionserteilung ab, sodass der Apothekenwerber, der bereits seit Monaten oder Jahren ein Konzessionsansuchen anhängig hatte, vor vollendete Tatsachen gestellt würde. Dem gegenüber stelle §62a Abs1 Apothekengesetz auf den Zeitpunkt der Einbringung des Konzessionsantrages nach Inkrafttreten der Apothekengesetznovelle 2006 (29. März 2006) ab, sodass ein Apothekenwerber nicht mehr durch die dem hausapothekenführenden Arzt eingeräumte 10-Jahresfrist überrascht habe werden können. Der Konzessionswerber habe vielmehr in Kenntnis dieses Umstandes das Apothekenansuchen in einer "Zweiarztgemeinde" eingebracht, in welchem Fall eine Schutzwirkung bzw. ein Eingriff in seine Lebensplanung nicht erfolgt sei. Die beteiligten Parteien erachten aus diesen Gründen §62a Abs1 Apothekengesetz in der Fassung BGBl. I 41/2006 nicht als verfassungswidrig und beantragen die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
2. Aus Anlass dieser Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof am 5. März 2012 gemäß Art140 Abs1 B-VG beschlossen, die Verfassungsmäßigkeit des §62a Abs1 Apothekengesetz, RGBl. 5/1907, in der Fassung BGBl. I 41/2006, von Amts wegen zu prüfen.
2.1. Der Verfassungsgerichtshof ist im Prüfungsbeschluss vorläufig davon ausgegangen, dass die Beschwerde zulässig ist, der belangte UVS Kärnten §62a Abs1 Apothekengesetz bei der Erlassung des angefochtenen Bescheids angewendet hat und der Verfassungsgerichthof diese Bestimmung im vorliegenden Beschwerdeverfahren anzuwenden hätte. Auch ging der Verfassungsgerichtshof davon aus, dass "§62a Abs1 Apothekengesetz [...] zur Gänze präjudiziell sein [dürfte], weil die in der genannten Bestimmung angeführte Zurücknahme der Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke (Verstreichen einer Frist von zehn Jahren ab Rechtskraft der Konzessionserteilung für eine öffentliche Apotheke, es sei denn, der Inhaber der ärztlichen Hausapotheke vollendet vorher das 65. Lebensjahr) - gemessen an der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 14.044/1995, 14.180/1995, 14.466/1996) - in untrennbarem Zusammenhang zu stehen scheinen."
2.2. Die Erwägungen, die den Verfassungsgerichtshof zur Einleitung des Gesetzesprüfungsverfahrens veranlasst hatten, legte er in seinem Prüfungsbeschluss - nach ausführlicher Darstellung der Entwicklung der relevanten Bestimmungen des Apothekengesetzes vor dem Hintergrund der Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes und der darauf hin erlassenen gesetzlichen Bestimmungen - wie folgt dar:
"[...]
3. Der Verfassungsgerichtshof hat daher bereits
mehrmals festgestellt (zB VfSlg. 17.682/2005, 18.513/2008), dass sich die Voraussetzungen für die Erteilung einer Konzession für öffentliche Apotheken einerseits und für ärztliche Hausapotheken andererseits seit der Apothekengesetz-Novelle 2001, BGBl. I 16/2001, geändert haben. Vor Inkrafttreten der Apothekengesetz-Novelle 2001 gab es einen durchgängigen Vorrang für öffentliche Apotheken gegenüber ärztlichen Hausapotheken; wurde die Konzession für eine neue öffentliche Apotheke erteilt, musste die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke zurückgenommen werden. Mit der Apothekengesetz-Novelle 2001 wurde dieser absolute Vorrang für öffentliche Apotheken in einer Hinsicht durchbrochen: Die Konzession für eine öffentliche Apotheke darf nun nicht mehr erteilt werden, wenn 'sich zum Zeitpunkt der Antragstellung in der Gemeinde der in Aussicht genommenen Betriebsstätte eine ärztliche Hausapotheke befindet und weniger als zwei Vertragsstellen nach §342 Abs1 ASVG (volle Planstellen) von Ärzten für Allgemeinmedizin besetzt sind' (§10 Abs2 Z1 Apothekengesetz; vgl. weiters §10 Abs3 Apothekengesetz, der die entsprechende Regelung für Vertragsgruppenpraxen festlegt). Komplementär bestimmt §29 Abs1 Apothekengesetz, dass die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke einem Arzt für Allgemeinmedizin auf Antrag zu erteilen ist, wenn '1. dieser in einem dem §342 Abs1 [ASVG] entsprechenden Vertragsverhältnis steht, oder als Arzt für Allgemeinmedizin an einer Gruppenpraxis, die in einem Vertragsverhältnis nach §342 Abs1 ASVG steht, beteiligt ist,
2. sich in der Gemeinde, in welcher der Arzt seinen Berufssitz hat, keine öffentliche Apotheke befindet, und 3. der Berufssitz des Arztes von der Betriebsstätte der öffentlichen Apotheke mehr als sechs Straßenkilometer entfernt ist'.
4. Lediglich in diesem (Sonder-)Fall hat der Gesetzgeber den Vorrang von ärztlichen Hausapotheken gegenüber einer öffentlichen Apotheke vorgesehen. Dies wird in den Materialien (AA-202, 22. GP, 5) einerseits mit der Sicherstellung der medizinischen Versorgung der Landbevölkerung und andererseits damit begründet, dass ärztliche Ordinationen in diesen Regionen oft nur in Verbindung mit einer ärztlichen Hausapotheke wirtschaftlich tragfähig sind.
4.1. Der Gesetzgeber hat allerdings selbst in diesem (Sonder-)Fall den Vorrang der ärztlichen Hausapotheke gegenüber der öffentlichen Apotheke nicht uneingeschränkt festgelegt: Gemäß §29 Abs3 Apothekengesetz ist die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Apotheke zurückzunehmen, 'wenn
1. die Wegstrecke zwischen dem Berufssitz des Arztes und der Betriebsstätte der neu errichteten öffentlichen Apotheke vier Straßenkilometer nicht überschreitet, und 2. sich die ärztliche Hausapotheke weder in einer Gemeinde gemäß §10 Abs2 Z1 noch in einer Gemeinde gemäß §10 Abs3 befindet'. Daran anknüpfend regelt §29 Abs4 Apothekengesetz, mit welcher zeitlichen Wirkung die Zurücknahme der Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke auszusprechen ist: Die über Antrag des Inhabers der neu errichteten öffentlichen Apotheke auszusprechende Zurücknahme der Bewilligung für die ärztliche Hausapotheke hat spätestens drei Jahre nach Rechtskraft des Konzessionsbescheids für die neue öffentliche Apotheke zu erfolgen; wird die öffentliche Apotheke erst nach diesem Zeitpunkt in Betrieb genommen, ist die Hausapothekenbewilligung so zurückzunehmen, dass die Inbetriebnahme der öffentlichen Apotheke und die Einstellung des Hausapothekenbetriebs zum selben Zeitpunkt erfolgen.
4.2. Der Sonderfall des Vorrangs der ärztlichen
Hausapotheke gegenüber der öffentlichen Apotheke gilt aber nur für sogenannte Ein-Kassen-Arzt-Gemeinden. In einer Gemeinde, in der sich eine oder mehrere ärztliche Hausapotheken befinden und in der entweder zwei oder mehrere Vertragsstellen nach §342 Abs1 ASVG (volle Planstellen) von Ärzten für Allgemeinmedizin besetzt sind (vgl. auch die entsprechende Bestimmung in §10 Abs3 Apothekengesetz für eine Vertragsgruppenpraxis), kann eine Konzession für eine öffentliche Apotheke auch dann erteilt werden, wenn es dort bereits Hausapothekenbewilligungen gibt. Da der Gesetzgeber somit bei dieser Sachlage nach wie vor die Surrogatfunktion der ärztlichen Hausapotheke festlegt, hat er (konsequenterweise) in diesem Fall gemäß §62a Abs1 Apothekengesetz die Zurücknahme der Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke vorgesehen. Die Zurücknahme wird dabei allerdings an Fristen geknüpft, die unsachlich und daher verfassungswidrig zu sein scheinen.
4.3. Nach der vorläufigen Auffassung des Verfassungsgerichtshofes erscheint es als unsachlich, dass der Gesetzgeber in derartigen Fallkonstellationen in §62a Abs1 Apothekengesetz den Ärzten für Allgemeinmedizin einen derart langen Übergangszeitraum einräumt, in denen diese - trotz Antrags des Inhabers einer Konzession für eine öffentliche Apotheke auf Rücknahme der Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke - die ärztliche Hausapotheke weiter führen dürfen. Nach §62a Abs1 Apothekengesetz kann dies zehn Jahre gerechnet ab Rechtskraft des Konzessionsbescheids für die neue öffentliche Apotheke dauern, es sei denn, der Arzt für Allgemeinmedizin vollendet vorher das 65. Lebensjahr. Der Verfassungsgerichtshof kann vorläufig keine Rechtfertigung für diese lange Dauer des Übergangszeitraums finden. Im Gesetzesprüfungsverfahren wird zu prüfen sein, ob und in welchem Ausmaß der Vertrauensschutz der betroffenen Ärzte für Allgemeinmedizin überhaupt die Festlegung eines Übergangszeitraums erfordert und inwieweit hiebei ein rechtspolitisches Ermessen des Gesetzgebers besteht.
4.4. Der Verfassungsgerichtshof kann weiters
vorläufig keine Rechtfertigung dafür finden, dass die zehnjährige Zurücknahmefrist in §62a Abs1 Apothekengesetz länger ist als die in §29 Abs4 Apothekengesetz verankerte Dreijahresfrist für Hausapotheken in Ein-Kassen-Arzt-Gemeinden. §29 Abs4 Apothekengesetz sieht nämlich für sogenannte Ein-Kassen-Arzt-Gemeinden vor, dass die Zurücknahme der erteilten Hausapothekenbewilligung so rechtzeitig auszusprechen ist, dass die Einstellung des Hausapothekenbetriebes drei Jahre nach Rechtskraft jenes Bescheides erfolgt, mit dem die Konzession für die öffentliche Apotheke erteilt wurde. Die vorläufigen Bedenken bestehen insbesondere vor dem Hintergrund, dass §29 Abs4 Apothekengesetz eine Frist für die Zurücknahme einer ärztlichen Hausapotheke für den einzigen Fall nach dem Apothekengesetz vorsieht, in dem der betroffene Arzt möglicherweise einen erhöhten Vertrauensschutz hinsichtlich des Bestands seiner ärztlichen Hausapotheke hat, was mit der durch §62a Abs1 Apothekengesetz erfassten Konstellation nicht vergleichbar zu sein scheint."
3. Die Bundesregierung erstattete dazu eine Äußerung, in der sie beantragt, die in Prüfung gezogene Bestimmung nicht als verfassungswidrig aufzuheben. Im Einzelnen hält sie den Bedenken des Verfassungsgerichtshofes Folgendes entgegen (Hervorhebungen nicht vom Verfassungsgerichtshof):
"I.
Zur Rechtslage:
1. Der in Prüfung gezogene §62a Abs1 des Apothekengesetzes, RGBl. Nr. 5/1907 idF BGBl. I Nr. 41/2006, beruht auf einem Abänderungsantrag (AA-202, 22. GP) zum Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 751/A (1293 BlgNR 22. GP) betreffend ua. eine Änderung des Apothekengesetzes. Dieser Abänderungsantrag erging in Reaktion auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes
VfSlg. 17.682/2005, mit dem wesentliche Regelungen betreffend die Bewilligung von öffentlichen Apotheken und Hausapotheken aufgehoben wurden (vgl. die Begründung des Abänderungsantrags, StenProtNR 22. GP, 139. Sitzung, 246). Dem Abänderungsantrag lag 'das weitgehende Einverständnis beider Standesgruppen [Apotheker, Ärzte]' zugrunde (StenProtNR 22. GP, 139. Sitzung, 249; 252: 'in weitestgehendem Maße eine Einigung').
2. §62a Abs1 ist eine Übergangsbestimmung, die im Kontext der mit der Novelle des Apothekengesetzes BGBl. I Nr. 41/2006 beschlossenen Neuregelung des Verhältnisses zwischen öffentlichen Apotheken und ärztlichen Hausapotheken (insbesondere in den §§10, 19, 28 und 30; im Folgenden sind Paragraphen ohne Gesetzesangabe solche des Apothekengesetzes) zu sehen ist:
2.1. Gemäß §10 Abs2 Z1 besteht kein Bedarf an einer öffentlichen Apotheke in 'Ein-Kassenvertragsarzt-Gemeinden' (das sind Gemeinden, in denen weniger als zwei Vertragsstellen nach §342 Abs1 ASVG mit Ärzten für Allgemeinmedizin besetzt sind) mit bestehender ärztlicher Hausapotheke. Gemäß §10 Abs3 gilt dasselbe für Gemeinden mit einer Vertragsgruppenpraxis, die höchstens eineinhalb Vertragsstellen entspricht. Dem entsprechend bestimmt §29 Abs3 Z2, dass die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke bei Neuerrichtung einer öffentlichen Apotheke ua. dann nicht zurückzunehmen ist, wenn sich die ärztliche Hausapotheke in einer Gemeinde gemäß §10 Abs2 Z1 oder in einer Gemeinde gemäß §10 Abs3 - also in Gemeinden, in denen es von Gesetzes wegen mangels Bedarfs zu keiner Neuerrichtung einer öffentlichen Apotheke kommen kann - befindet.
In 'Ein-Kassenvertragsarzt-Gemeinden' soll vielmehr die Regelversorgung mit Arzneimitteln durch die ärztliche Hausapotheke erfolgen (vgl. die Wortmeldung des Abgeordneten Rasinger, StenProtNR 22. GP, 139. Sitzung, 242). Begründet wird dieser ausnahmsweise Vorrang der Arzneimittelversorgung durch ärztliche Hausapotheken mit den besonderen ländlichen Strukturen von 'Ein-Kassenvertragsarzt-Gemeinden':
'Es ist davon auszugehen, dass in ländlichen Gebieten eine Trennung zwischen ärztlicher Tätigkeit und Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln aus ökonomischen Gründen nicht zu der gesundheitspolitischen Zielsetzung der ausreichenden flächendeckenden Versorgung führen kann.' (Begründung des Abänderungsantrags, StenProtNR 22. GP, 139. Sitzung, 246)
2.2. In Gemeinden mit zwei oder mehr Vertragsärzten schließt eine bestehende ärztliche Hausapotheke den Bedarf an einer öffentlichen Apotheke nicht aus (vgl. zu den sachlichen Voraussetzungen der Konzessionserteilung näher §10). Für die Zurücknahme der Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke gilt §29 Abs3 und 4: Bei Neuerrichtung einer öffentlichen Apotheke in einer Entfernung von bis zu vier Straßenkilometern zum Berufssitz des Arztes ist die Hausapothekenbewilligung auf Antrag des Inhabers der öffentlichen Apotheke zurückzunehmen und ihr Betrieb binnen drei Jahren ab Rechtskraft des Konzessionsbescheids einzustellen. Aufgrund der (im Folgenden zu erläuternden) Übergangsbestimmung des §62a Abs1 gilt die allgemeine Regelung des §29 Abs3 und 4 jedoch hauptsächlich für 'Drei-oder-mehr-Kassenvertragsarzt-Gemeinden'.
2.3. Für 'Zwei-Kassenvertragsarzt-Gemeinden' (das
sind Gemeinden, in denen zum Zeitpunkt der Stellung des Konzessionsantrags zwei Kassenvertragsstellen gemäß §342 Abs1 ASVG von Ärzten für Allgemeinmedizin besetzt waren) enthält §62a Abs1 eine Sonderregelung für die Zurücknahme einer Hausapothekenbewilligung. Wird in einer solchen Gemeinde die Konzession für eine öffentliche Apotheke nach Inkrafttreten der Novelle BGBl. I Nr. 41/2006 erteilt, ist die Bewilligung zur Haltung einer zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Novelle bestehenden ärztlichen Hausapotheke zurückzunehmen, wenn der Bewilligungsinhaber das 65. Lebensjahr erreicht hat, jedenfalls aber binnen zehn Jahren nach Rechtskraft der Konzession für die öffentliche Apotheke. Für diesen Zeitraum dürfen bestehende ärztliche Hausapotheken in 'Zwei-Kassenvertragsarzt-Gemeinden' parallel zu einer neu errichteten öffentlichen Apotheke betrieben werden. Die Zurücknahme von neuen, nach Inkrafttreten der zitierten Novelle erteilten Hausapothekenbewilligungen richtet sich hingegen nach den allgemeinen Bestimmungen des §29 Abs3 und 4 (Zurücknahme und Einstellung des Betriebes binnen drei Jahren ab Rechtskraft des Konzessionsbescheids der öffentlichen Apotheke).
In der Begründung des Abänderungsantrags heißt es zu §62a Abs1 (StenProtNR 22. GP, 139. Sitzung, 247):
'§62a enthält die notwendigen Übergangsregelungen. Abs1 sieht im Hinblick auf die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung und zur Verwirklichung der in §342 Abs1 Z1 ASVG vorgesehenen Wahlmöglichkeit zwischen zwei in angemessener Zeit erreichbaren Vertragsärzten für bestehende Hausapothekenbewilligungen eine Verlängerung des in §29 Abs4 vorgesehenen Zeitraums vor, ohne gleichzeitig eine Zutrittsschranke für öffentliche Apotheken zu errichten. Dadurch wird dem Umstand Rechnung getragen, dass bei der Ausgestaltung des ärztlichen Versorgungsnetzes im ländlichen Raum bisher auch die Führung einer ärztlichen Hausapotheke in die Planung miteinbezogen wurde. Es ist daher für einen geordneten Übergang auf das nunmehrige System notwendig, diesen Hausapotheken eine längere Umstellungsfrist zu gewähren. In Gemeinden, in denen sich schon jetzt mehr als zwei Kassenvertragsärzte befinden, ist davon auszugehen, dass die notwendige Versorgung der Bevölkerung mit Gesundheitsdienstleistungen auch gewahrt bleibt, wenn die bestehenden ärztlichen Hausapotheken innerhalb einer 3-Jahresfrist zurückgenommen werden müssen. Bei nach dem In-Kraft-Treten dieser Novelle besetzten Kassenplanstellen oder bewilligten Hausapotheken kann hingegen bereits das neue System entsprechend berücksichtigt werden. Durch diese Regelung soll ausschließlich für einen begrenzten Zeitraum eine Übergangslösung geschaffen werden, nach wie vor wird aber am Grundsatz festgehalten, dass es keine dauerhafte Parallelstruktur zwischen öffentlichen Apotheken und ärztlichen Hausapotheken geben soll.'
2.4. Durch die Novelle BGBl. I Nr. 41/2006 wurde
überdies die Frist für die Eröffnung einer öffentlichen Apotheke von drei auf fünf Jahre ab Rechtskraft des Konzessionsbescheides verlängert (§19 Abs1 Z1).
II.
In der Sache:
1. Zu den Bedenken im Hinblick auf das aus dem Gleichheitssatz abgeleitete Sachlichkeitsgebot:
1.1. Der Verfassungsgerichtshof hegt vorläufig das Bedenken, dass die in §62a Abs1 vorgesehene, bis zu zehnjährige Frist ab Rechtskraft des Konzessionsbescheids für die neue öffentliche Apotheke, innerhalb derer die ärztliche Hausapotheke weiterbetrieben werden darf, zu lange und daher unsachlich sei.
1.2. Sonderbestimmung für
'Zwei-Kassenvertragsarzt-Gemeinden':
§62a Abs1 ist eine Sonderbestimmung für 'Zwei-Kassenvertragsarzt-Gemeinden'. In 'Ein-Kassenvertragsarzt-Gemeinden' ist die Zurücknahme einer Hausapothekenbewilligung ausgeschlossen (vgl. oben Pkt. I 2.1.). Für alle anderen Gemeinden wäre - ohne die Sonderbestimmung des §62a Abs1 - die Hausapothekenbewilligung binnen drei Jahren ab Konzessionserteilung für die öffentliche Apotheke zurückzulegen (§29 Abs4).
Der Gesetzgeber hat durch die Novelle BGBl. I
Nr. 41/2006 also den Regelfall des Vorrangs der öffentlichen Apotheke gegenüber ärztlichen Hausapotheken nicht nur, wie der Verfassungsgerichtshof im Prüfungsbeschluss anzunehmen scheint (vgl. Rz 30 und 31), hinsichtlich der 'Ein-Kassenvertragsarzt-Gemeinden', in denen ein Vorrang der ärztlichen Hausapotheken besteht, sondern auch hinsichtlich bestimmter 'Zwei-Kassenvertragsarzt-Gemeinden' durchbrochen. Für diese hat er eine gesonderte Regelung geschaffen, die der besonderen Situation solcher Gemeinden am Übergang von 'kleinen' (im Bereich der Gesundheitsversorgung strukturell besonders versorgungsschwachen) zu 'großen' Gemeinden (mit gesicherter Gesundheitsversorgung) für einen begrenzten Zeitraum Rechnung trägt, und diese Gemeinden danach in das allgemeine System des Vorrangs öffentlicher Apotheken überführt.
Die Bundesregierung geht davon aus, dass es dem Gesetzgeber grundsätzlich freisteht, für 'Zwei-Kassenvertragsarzt-Gemeinden' entweder einen absoluten Vorrang öffentlicher Apotheken vorzusehen (wie es bis zur Apothekengesetz-Novelle 2001, BGBl. I Nr. 16/2001, der Fall war), oder - im Hinblick auf die Besonderheiten der Gesundheits- und Heilmittelversorgung im ländlichen Raum - einen Vorrang ärztlicher Hausapotheken zu normieren (wie er für 'Ein-Kassenvertragsarzt-Gemeinden' besteht und vom Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg. 18.513/2008 für verfassungsrechtlich unbedenklich erachtet wurde). Es muss dann aber auch im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers liegen, wenn er für diese Gemeinden im Hinblick auf ihre soeben geschilderten Besonderheiten für einen Übergangszeitraum ein 'gemischtes System' vorsieht, das zum einen danach differenziert, ob eine Hausapothekenbewilligung bereits besteht oder erst beantragt wird, und zum anderen diesen Übergangszeitraum mit dem rechtlich geschützten Interesse am Weiterbetrieb einer bestehenden Hausapothekenbewilligung begrenzt.
1.3. Zur Dauer des Übergangszeitraumes:
§62a Abs1 regelt, wann (und unter welchen Umständen) die bestehende Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke im Fall der Neubewilligung einer öffentlichen Apotheke in der 'Zwei-Kassenvertragsarzt-Gemeinde' zurückzunehmen ist. Das primär dafür normierte Kriterium ist die Vollendung des 65. Lebensjahres durch den hausapothekenführenden Arzt; dies entspricht dem Anfallsalter für die ärztliche Altersversorgung (vgl. §99 Abs1 des Ärztegesetzes). Nur in zweiter Linie - also nur dann, wenn der Inhaber der ärztlichen Hausapotheke zum Zeitpunkt der Konzessionserteilung der öffentlichen Apotheke das 55. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, - wird der Fortbetrieb einer bestehenden Hausapotheke mit maximal zehn Jahren ab Konzessionserteilung für die öffentliche Apotheke beschränkt.
Es erscheint aber zweifelhaft, dass es in der Praxis häufig zu einem parallelen Betrieb von ärztlicher Hausapotheke und öffentlicher Apotheke während zehn Jahren kommt, da die Eröffnung einer öffentlichen Apotheke in aller Regel nicht sofort mit Konzessionserteilung, sondern erst nach einem längeren, unter Umständen mehrere Jahre dauernden Zeitraum erfolgt. Durch die Novelle BGBl. I Nr. 41/2006 wurde im Hinblick auf die Bedürfnisse der Praxis die Frist für die Eröffnung der öffentlichen Apotheke von drei auf fünf Jahre nach Rechtskraft des Konzessionsbescheides verlängert; danach kann die Konzession zurückgenommen werden (§19 Abs1 Z1; nach der Rechtslage, die dem Erkenntnis VfSlg. 16.038/2000 zu Grunde lag, betrug diese Frist gar nur ein Jahr). Dadurch kann sich der Zeitraum eines gleichzeitigen Betriebes einer Hausapotheke neben einer öffentlichen Apotheke um bis zu fünf Jahre - also um die Hälfte der maximalen Dauer - reduzieren; in der Regel wird dieser Zeitraum jedenfalls weit weniger als zehn Jahre betragen.
1.4. Sachliche Rechtfertigung dieses Übergangszeitraumes:
1.4.1. Nach Auffassung der Bundesregierung ist dieser Übergangszeitraum nicht unsachlich abgegrenzt. Er berücksichtigt das Vertrauen jener Ärzte, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Novelle BGBl. I Nr. 41/2006 Inhaber einer Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke in 'Zwei-Kassenvertragsarzt-Gemeinden' waren.
a) Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes kann zwar grundsätzlich die Rechtslage anders und auch ungünstiger gestaltet werden; wird die Rechtslage verschlechtert, müssen aber Übergangsbestimmungen den Betroffenen ermöglichen, sich auf die neue Rechtslage einzustellen (vgl. zB VfSlg. 15.523/1999). Dies gilt umso mehr für in langfristiger Hinsicht getroffene Dispositionen.
b) Vor der Novelle BGBl. I Nr. 41/2006 war die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke dann zurückzunehmen, wenn im Umkreis von vier Straßenkilometern vom Berufssitz des Arztes eine öffentliche Apotheke neu errichtet wurde und im Konzessionsbescheid ein Versorgungspotential von zumindest 5 500 Personen festgestellt wurde; dem entsprechend bestand ein Bedarf an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke nicht, wenn sich im Umkreis von vier Straßenkilometern um die in Aussicht genommene Betriebsstätte eine ärztliche Hausapotheke befand und das Versorgungspotential der öffentlichen Apotheke weniger als 5 500 Personen betrug (§10 Abs2 Z1 und §29 Abs4 Apothekengesetz idF vor der Novelle BGBl. I Nr. 41/2006). Im Ergebnis bedeutete diese Rechtslage für einen hausapothekenführenden Arzt in einer 'Zwei-Kassenvertragsarzt-Gemeinde', dass er mit der Zurücknahme der Bewilligung in einem Gebiet, in dem im Umkreis von vier Straßenkilometern weniger als 5 500 Personen zu versorgen waren, nicht rechnen musste. (Dass der Verfassungsgerichtshof Teile dieser Regelungen mit Erkenntnis VfSlg. 17.682/2005 als verfassungswidrig aufgehoben hat, ist für die Frage des Vertrauensschutzes irrelevant, da die Aufhebung erst mit Ablauf des 31. Oktober 2006 - also erst nach dem Inkrafttreten der hier wesentlichen Bestimmungen der Novelle BGBl. I Nr. 41/2006 am 29. März 2006 - in Kraft trat.)
Durch die Novelle BGBl. I Nr. 41/2006 wurden die
sachlichen Voraussetzungen der Konzessionserteilung für eine neu zu errichtende öffentliche Apotheke geändert; ein bestimmtes Versorgungspotential ist (auch) in 'Zwei-Kassenvertragsarzt-Gemeinden' nicht mehr notwendig (vgl. oben Pkt. I.2.2.), sodass die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke auch jener soeben genannten Ärzte, die bislang mit der Zurücknahme der Bewilligung nicht rechnen mussten, ebenfalls nach der allgemeinen Regelung des §29 Abs3 und 4 zurückzunehmen gewesen wäre. Für diese Ärzte wäre es also zu einer Verschlechterung der Rechtslage gekommen.
c) Der Verfassungsgerichtshof hat anerkannt, dass
gerade in ländlichen Gebieten - wozu 'Zwei-Kassenvertragsarzt-Gemeinden' gerechnet werden können - das Führen einer Hausapotheke für den betreffenden Arzt (aber auch für die Heilmittelversorgung der Bevölkerung) von wirtschaftlichem Vorteil sein kann (VfSlg. 17.682/2005). Diese Ärzte haben ihre Lebens- aber auch Berufs(standort)planung maßgeblich auf die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke gestützt.
d) Zu berücksichtigen ist auch, dass die Interessen des Inhabers einer nach dem Inkrafttreten der Novelle BGBl. I Nr. 41/2006 erteilten Konzession für die Neuerrichtung einer öffentlichen Apotheke im Vergleich zu jenen des Inhabers einer zuvor erteilten Hausapothekenbewilligung weniger beeinträchtigt erscheinen. Zum einen handelt es sich bei der in Prüfung gezogenen Bestimmung auf Seiten des öffentlichen Apothekers nicht um eine Berufsantrittsschranke. §62a Abs1 ermöglicht lediglich die Aufrechterhaltung einer Parallelstruktur für einen gewissen Übergangszeitraum. Zum anderen ist dem Apotheker im Zeitpunkt, in dem er die Konzession beantragt, die (durch die Novelle BGBl. I Nr. 41/2006 geänderte) Rechtslage bekannt, sodass für ihn der Zeitpunkt der Rücknahme der Hausapothekenbewilligung absehbar ist und er - im Unterschied zum hausapothekenführenden Arzt - entsprechende wirtschaftliche Dispositionen treffen kann. Diese werden ihm durch die Möglichkeit, die öffentliche Apotheke innerhalb eines Fünfjahreszeitraums zu eröffnen (vgl. §19 Abs1 Z1), erleichtert.
e) Im Übrigen hat der Verfassungsgerichtshof eine
ebenfalls zehnjährige Übergangsfrist bereits einmal nicht nur nicht beanstandet, sondern sogar als gewichtiges und entscheidendes Argument dafür herangezogen, dass der Vertrauensschutz nicht verletzt wurde (vgl. VfSlg. 11.402/1987 zur Abschaffung des Betriebs von Realapotheken).
1.4.2. Der Übergangszeitraum erscheint aber auch
deshalb sachlich gerechtfertigt, weil eine grundlegende Änderung des medizinischen Versorgungssystems, wie sie durch die Rücknahme einer Hausapothekenbewilligung erfolgt, nicht zu kurzfristig erfolgen sollte, um eine nahtlose Versorgung der Bevölkerung mit Gesundheitsdienstleistungen sicher zu stellen. Deshalb ist im Übergangszeitraum auch ein Parallelbetrieb notwendig. In Gemeinden mit mehr als drei Kassenvertragsstellen bestehen solche Bedenken hingegen in wesentlich geringerem Ausmaß, da es weniger wahrscheinlich erscheint, dass die Neuerrichtung einer öffentlichen Apotheke zur Zurücknahme sämtlicher Bewilligungen zur Haltung von Hausapotheken führen wird. Die nahtlose Versorgung kann dort durch die erwartungsgemäß verbleibenden Hausapotheken viel eher geschlossen werden.
1.5. Die Bundesregierung ist daher der Ansicht, dass die Festlegung der höchst- zulässigen Fortbetriebsdauer einer ärztlichen Hausapotheke in 'Zwei-Kassenvertragsarzt-Gemeinden' insbesondere im Hinblick auf den dabei berücksichtigten Schutz des Vertrauens von Inhabern bestehender Hausapothekenbewilligungen nicht zu lange und auch sonst nicht unsachlich ist.
2. Zu den sonstigen Bedenken im Hinblick auf den Gleichheitssatz:
2.1. Der Verfassungsgerichtshof kann weiters
vorläufig keine sachliche Rechtfertigung dafür finden, 'dass die zehnjährige Zurücknahmefrist in §62a Abs1 Apothekengesetz länger ist als die in §29 Abs4 Apothekengesetz verankerte Dreijahresfrist für Hausapotheken in Ein-Kassen-Arzt-Gemeinden' (Rz 35 des Prüfungsbeschlusses).
2.2. Der Verfassungsgerichtshof geht offenbar davon aus, dass die in §29 Abs3 und 4 geregelte Zurücknahme einer Hausapothekenbewilligung auch für 'Ein-Kassenvertragsarzt-Gemeinden' zur Anwendung gelangt. Das ist allerdings nicht der Fall: §29 Abs3 Z2 bestimmt ausdrücklich, dass die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke bei Neuerrichtung einer öffentlichen Apotheke ua. nur dann zurückzunehmen ist, wenn sich die ärztliche Hausapotheke nicht in einer Gemeinde gemäß §10 Abs2 Z1 (oder in einer Gemeinde gemäß §10 Abs3) befindet. In solchen ('Ein-Kassenvertragsarzt-')Gemeinden besteht nämlich von Gesetzes wegen kein Bedarf an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke, sodass es zu keiner - von §29 Abs3 vorausgesetzten - Neuerrichtung einer öffentlichen Apotheke kommen kann (vgl. oben Pkt. I.2.1.). Insoweit scheint das Bedenken ins Leere zu gehen.
2.3. Dessen ungeachtet merkt die Bundesregierung an, dass die unterschiedlich langen Fristen für die Zurücknahme von Hausapothekenbewilligungen in §62a Abs1 und §29 Abs4 durch die unterschiedlichen Anwendungsfälle gerechtfertigt sind. Die längere Zurücknahmefrist des §62a Abs1 berücksichtigt die oben in Pkt. II.1.2. und II.1.4. näher dargelegten Besonderheiten von 'Zwei-Kassenvertragsarzt-Gemeinden' im Unterschied zu Gemeinden mit mehr Kassenvertragsarztstellen.
3. Zusammenfassend wird daher festgehalten, dass §62a Abs1 des Apothekengesetzes, RGBl. Nr. 5/1907 idF BGBl. I Nr. 41/2006, nach Ansicht der Bundesregierung nicht verfassungswidrig ist."
4. Die beiden hausapothekenführenden Ärzte in der Gemeinde Bad Eisenkappel als beteiligte Parteien im Beschwerdeverfahren erstatteten eine Äußerung im Rahmen des Gesetzesprüfungsverfahrens. Dabei brachten sie einerseits vor, dass bei Erlassung der Übergangsregel des §62a Abs1 Apothekengesetz auf die besondere Situation von Gemeinden mit nur zwei Vertragsärzten Rücksicht genommen werden sollte, deren Versorgungssystem im Hinblick auf die Verbindung zwischen medizinischer Versorgung und Versorgung mit Arzneimitteln durch die nunmehr mögliche Eröffnung einer öffentlichen Apotheke nicht zu kurzfristig (3-Jahresfrist) verändert werden sollte. Zu den im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken des Verfassungsgerichtshofes bringen die beteiligten Parteien Folgendes vor (Hervorhebungen nicht vom Verfassungsgerichtshof):
"In der Begründung seines Prüfungsbeschlusses
verweist der Verfassungsgerichtshof auf seine bereits mehrfachen Feststellungen (VfSlg. 17.682/2005, 18.513-2008), dass sich die Voraussetzungen für die Erteilung einer Konzession für öffentliche Apotheken einerseits und für ärztliche Hausapotheke andererseits seit der Apothekengesetz-Novelle 2001, BGBl I 16/2001, geändert haben. Vor Inkrafttreten der Apothekengesetz-Novelle 2001 gab es einen durchgängigen Vorrang für öffentliche Apotheken gegenüber ärztlichen Hausapotheken, der mit der Novelle 2001 durchbrochen wurde.
Mit dieser Novelle wurde in §28 Abs2 festgelegt, dass die Arzneimittelabgabe in Standorten, in denen im Umkreis von vier Straßenkilometern weniger als 5500 Personen zu versorgen sind, durch ärztliche Hausapotheken zu besorgen ist (und damit in dünner besiedelten Regionen der ärztlichen Hausapotheke ein Vorrang gegenüber öffentlichen Apotheken eingeräumt). Nach Behebung dieser Bestimmung aufgrund der verfassungswidrigen Errichtung einer Zutrittsschranke für Apotheken-Konzessionswerber mit Erk. G13/05 ua - G201/04, VfSlg. 17682 -17681 hat der Gesetzgeber in der Apothekengesetz-Novelle 2006 eine grundsätzliche Neuordnung geschaffen, welche den Bedarf an einer öffentlichen Apotheke (unter anderem) in §10 verneint, wenn sich zum Zeitpunkt der Antragstellung in der Gemeinde der in Aussicht genommenen Betriebsstätte eine ärztliche Hausapotheke befindet und weniger als zwei Vertragsstellen nach §342 Abs1 ASVG (volle Planstellen) von Ärzten für Allgemeinmedizin besetzt sind. Gemäß §28 Abs2 hat die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung zur Sicherung der ärztlichen Versorgung in der Regel durch ärztliche Hausapotheken zu erfolgen, wenn in der Gemeinde weniger als zwei Vertragsstellen nach §342 Abs1 ASVG von Ärzten für Allgemeinmedizin besetzt sind, oder in einer Gemeinde nur eine Vertragsgruppenpraxis, die versorgungswirksam höchstens eineinhalb besetzten Vertragsstellen nach §10 Abs2 Z1 entspricht, ihren Berufssitz hat. Auch damit hat der Gesetzgeber in dünner besiedelten Regionen der ärztlichen Hausapotheke einen Vorrang gegenüber der öffentlichen Apotheke eingeräumt.
Diese grundlegende Änderung, die einerseits mit der Sicherstellung der medizinischen Versorgung der Landbevölkerung und andererseits damit begründet wurde, dass ärztliche Ordinationen in diesen Regionen oft nur in Verbindung mit einer ärztlichen Hausapotheke wirtschaftlich tragfähig sind, wurde mit Erkenntnis VfSlg 18.513/2008 als verfassungsrechtlich unbedenklich beurteilt.
Dennoch hält der Verfassungsgerichtshof unter
Punkt 4.1. und 4.2. an seiner zur Rechtslage vor den Novellen 2001 und 2006 entwickelten Interpretation des Apothekengesetzes fest, wonach die öffentliche Apotheke absoluten Vorrang genieße und der ärztlichen Hausapotheke lediglich eine Surrogatfunktion zukomme. Dieser Interpretation der Intentionen des Gesetzgebers steht jedoch die in der Apothekenge