TE Vfgh Erkenntnis 2012/6/30 B1621/10

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Veröffentlicht am 30.06.2012
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Index

27 RECHTSPFLEGE
27/03 Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Anlassfall

Spruch

              I. Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.

              Der Bescheid wird aufgehoben.

              II. Der Bund (Bundesministerin für Justiz) ist

schuldig, der Beschwerdeführerin zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 2.620,- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

              I. Sachverhalt, Beschwerdevorbringen und amtswegiges Gesetzesprüfungsverfahren

              1. Die Beschwerdeführerin brachte am 15. Dezember 2009 einen gegen die Einziehung und die Entgegennahme eines Garantiebetrages gerichteten Antrag auf einstweilige Verfügung ein. Die Beschwerdeführerin zielte mit der einstweiligen Verfügung auf die Sicherung eines Anspruches, der im Rahmen eines Schiedsverfahrens in Spanien geltend gemacht wird. Das Bezirksgericht Innere Stadt Wien erließ am 17. Dezember 2009 eine einstweilige Verfügung in Stattgebung dieses Antrages und ohne Anhörung der Gegnerin. Die Gegnerin der Beschwerdeführerin erhob dagegen Widerspruch, welchem mit Beschluss vom 8. Jänner 2010 Folge gegeben wurde und die einstweilige Verfügung zur Gänze aufgehoben wurde. Der Rekurs und der in Folge eingebrachte Revisionsrekurs der Beschwerdeführerin wurden abgewiesen.

              Mit Zahlungsaufträgen vom 16. Juni 2010 schrieb das Bezirksgericht Innere Stadt Wien der Beschwerdeführerin basierend auf dem Streitwert von € 3.951.000,- für den Rekurs Pauschalgebühren in der Höhe von € 73.706,- und für den Revisionsrekurs Pauschalgebühren in Höhe von € 98.273,- vor. Gegen diese Zahlungsaufträge erstattete die Beschwerdeführerin fristgerecht Berichtigungsanträge, denen mit letztinstanzlichem Bescheid der Präsidentin des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 20. September 2010 keine Folge gegeben wurde. Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass auch für Verfahren zweiter und dritter Instanz über die Erlassung einstweiliger Verfügungen auf Grund des eindeutigen Wortlauts der Bestimmungen des Gerichtsgebührengesetzes (im Folgenden: GGG) die Pauschalgebühren nach Tarifpost (im Folgenden: TP) 2 und 3 zu entrichten seien.

              2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, die die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit vor dem Gesetz und Unversehrtheit des Eigentums behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheids beantragt.

              3. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt und darauf hinweist, dass Pauschalgebühren nicht nach dem jeweiligen Aufwand des Gerichtes bemessen werden.

              4. Aus Anlass dieser Beschwerde leitete der Verfassungsgerichtshof gemäß Art140 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Anmerkung 1a zu Tarifpost 2 sowie der Anmerkung 1a zu Tarifpost 3 des Bundesgesetzes vom 27. November 1984 über die Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren (Gerichtsgebührengesetz - GGG), BGBl. Nr. 501 in der Fassung BGBl. I Nr. 29/2010 ein. Mit Erkenntnis vom 30. Juni 2012, G14/12 ua., hob der Verfassungsgerichtshof die genannten Bestimmungen als verfassungswidrig auf.

              5. Die zulässige Beschwerde ist begründet.

              Die belangte Behörde hat verfassungswidrige Gesetzesbestimmungen angewendet. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, dass die Anwendung dieser Bestimmungen für die Rechtsstellung der Beschwerdeführerin nachteilig war.

              Die Beschwerdeführerin wurde also durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung verfassungswidriger Gesetzesbestimmungen in ihren Rechten verletzt (zB VfSlg. 10.404/1985).

              Der Bescheid ist daher aufzuheben.

              6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 400,- und eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 220,- enthalten.

              7. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffen werden.

Schlagworte

VfGH / Anlassfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2012:B1621.2010

Zuletzt aktualisiert am

21.09.2012
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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