TE Vfgh Beschluss 2012/10/4 V31/12

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Veröffentlicht am 04.10.2012
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Index

L1 Gemeinderecht
L1010 Stadtrecht

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
Innsbrucker Stadtrecht 1975 §2, §30a
Stadtteilausschüsse-Verordnung der Landeshauptstadt Innsbruck vom 15.12.11 und 26.01.12 §2, §35

Leitsatz

Unzulässigkeit des Individualantrags ehemaliger Mitglieder eines Stadtteilausschusses auf Aufhebung von Regelungen einer Verordnung über die Stadtteilausschüsse in Innsbruck mangels Legitimation; keine Betroffenheit im passiven Wahlrecht im Hinblick auf das Enden des Mandats mit Ablauf der Funktionsperiode des Gemeinderates; kein subjektives Recht auf Bestand eines Stadtteils und damit auf eine Wiederwahl

Spruch

              Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

              I. Antragsvorbringen und Vorverfahren

              1. In ihrem auf Art139 B-VG gestützten Antrag

begehren die Antragsteller, der Verfassungsgerichtshof möge

              "gemäß Art139 [folgende Bestimmungen der] Verordnung des Gemeinderates der Landeshauptstadt Innsbruck vom 15.12.2011 und 26.01.2012, kundgemacht am 31.01.2012[,] mit der die Stadtteilausschüsse geregelt werden[:]

              §2

              Einrichtung und Auflösung

              (2) [...] Die Anregung muss von mindestens 15 v. H. der nach §5 der Innsbrucker Wahlordnung 2011 wahlberechtigten Gemeindebürger mit Hauptwohnsitz im betreffenden Stadtteil mit eigenhändiger Unterschrift unterstützt werden.

              Sowie oder in eventu:

              §2

              Einrichtung und Auflösung

              (4) Haben sich der Anregung innerhalb der

vierwöchigen Frist 30 v. H. der nach §5 der Innsbrucker Wahlordnung 2011 wahlberechtigten Gemeindebürger mit Hauptwohnsitz im betreffenden Stadtteil angeschlossen, hat der Gemeinderat binnen angemessener Frist die Wahl der Mitglieder des Stadtteilausschusses auszuschreiben.

              (5) Ist bei der Wahl der von der wahlberechtigten Bevölkerung des Stadtteiles gewählten Mitglieder des Stadtteilausschusses zumindest eine Wahlbeteiligung von 75 v. H. der Wahlbeteiligung im betreffenden Stadtteil bei der zuletzt durchgeführten Wahl des Gemeinderates der Landeshauptstadt Innsbruck gegeben, so hat der Gemeinderat mit Beschluss festzulegen, dass für den betreffenden Stadtteil ein Stadtteilausschuss einzurichten und zu führen ist.

              (6) Sollte bei einer der folgenden Wahlen der Mitglieder eines gemäß Abs5 eingerichteten Stadtteilausschusses nicht zumindest eine Wahlbeteiligung von 75 v. H. der Wahlbeteiligung im betreffenden Stadtteil bei der zuletzt durchgeführten Wahl des Gemeinderates der Landeshauptstadt Innsbruck gegeben sein, so hat der Gemeinderat mit Beschluss die Auflösung des betreffenden Stadtteilausschusses zu verfügen.

              [...]

              Sowie oder in eventu:

              §35

              Inkrafttreten

              [...]

              (2) Bestehende Stadtteilausschüsse gelten mit der konstituierenden Sitzung des ersten Gemeinderates, der nach Inkrafttreten dieser Verordnung gewählt wird, als aufgelöst.

als gesetzwidrig aufheben

bzw. als verfassungswidrig aufheben".

              (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)

              2. Zur Darlegung ihrer Antragslegitimation führen die Antragsteller Folgendes aus:

              "Der Stadtteilausschuss Arzl ist für 3 Wahlsprengel mit dem Kerngebiet Arzl (vgl. §1 Allgemeines des Organisationsstatutes) zuständig.

              Am 18.11.2007 fand eine demokratische Wahl zum Stadtteilausschuss Arzl statt, bei der die Mitglieder aus dem Stadtteil Arzl auf Grundlage und [unter] sinngemäßer Anwendung der Innsbrucker Gemeinderatswahlordnung demokratisch gewählt wurden.

              Nachstehende Personen wurden bei dieser Wahl vom 18.11.2007 zu Ausschussmitgliedern gewählt bzw. sind diese nach freiwilligem Ausscheiden von anderen Mitgliedern derzeit demokratisch gewählte Mitglieder des Stadtteilausschusses Arzl:

              [...]

              Zum Nachweis [ihrer] Antragslegitimation verweisen die Antragsteller darauf, dass sie rechtmäßig gewählte Mitglieder des Stadtteilausschusses Arzl sind. Durch die angefochtene Verordnung werden sie in ihrem passiven Wahlrecht verletzt. Die Verordnung greift unmittelbar in ihre Rechte ein und verletzt ihre Rechtssphäre unmittelbar.

              Das passive Wahlrecht gewährt den Antragstellern das Recht[,] gewählt zu werden und gewählt zu bleiben. Die angefochtene Verordnung greift unmittelbar und aktuell in dieses passive Wahlrecht ein, da mit der ersten konstituierenden Sitzung des Gemeinderates der demokratisch gewählte Stadtteilausschuss automatisch aufgelöst ist. Der demokratisch gewählte Ausschuss kann nicht so entfernt werden. Eine Wi[e]derwahl wird massiv erschwert bzw. muss vor einer Wiederwahl zuerst vom Gemeinderat ein Beschluss erwirkt werden, damit überhaupt wieder ein Stadtteilausschuss neu gewählt werden darf[.]

              Da die Innsbrucker[...] Gemeinderatswahlordnung sinngemäß auch auf die Wahl der Stadtteilausschüsse anzuwenden ist, sind die Antragsteller auch antragslegitimiert. Das wahlrechtliche Homogenitätsprinzip ist somit auch auf die Wahlordnung zur Stadtteilausschusswahl anzuwenden. Die Antragsteller wurden unter Heranziehung des gleichen, unmittelbaren, geheimen, direkten und persönlichen Verhältniswahlrechtes demokratisch gewählt.

              Durch die in der Verordnung veränderten

Voraussetzungen zur Errichtung eines neuen bzw. zum Fortbestand des bestehenden Stadtteilausschusses wird es faktisch unmöglich gemacht, Stadtteilausschüsse zu errichten.

              Die Verordnung ist ohne gerichtliche[...] Entscheidung oder Erlassung eines Bescheides gegen die Antragsteller wirksam geworden.

              Die Antragsteller sind daher antragslegitimiert."

              (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)

              3. Der Gemeinderat der Landeshauptstadt Innsbruck und die Tiroler Landesregierung erstatteten jeweils eine Äußerung, in der die Zurückweisung, in eventu die Abweisung des Antrages beantragt wird, wobei im Wesentlichen ausgeführt wird, dass die angefochtenen Bestimmungen weder unmittelbar noch aktuell in die Rechtssphäre der Antragsteller eingriffen und deren Rechte - insbesondere das passive Wahlrecht - nicht berührten, weil die Antragsteller dem Gremium des Stadtteilausschusses seit Ablauf der Funktionsperiode des Gemeinderates nicht mehr angehört hätten.

              II. Rechtslage

              1. §2 Abs1 und Abs2 und §30a des Stadtrechtes der Landeshauptstadt Innsbruck 1975, Tir. LGBl. 53 idF

LGBl. 121/2011, lauten:

"§2

Gemeindegebiet

              (1) Das Gebiet der Landeshauptstadt umfaßt die Katastralgemeinden Innsbruck, Wilten, Pradl, Hötting, Amras, Mühlau, Arzl, Vill und Igls.

              (2) Jede Katastralgemeinde bildet einen Stadtteil."

"§30a

Stadtteilausschüsse

              (1) Für Stadtteile (§2 Abs2) kann ein Stadtteilausschuss eingerichtet werden.

              (2) Dem Stadtteilausschuss obliegt die Vorberatung und Antragstellung in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Stadt, die der Beschlussfassung durch den Gemeinderat oder den Stadtsenat unterliegen und die für den betreffenden Stadtteil von wesentlicher Bedeutung sind. Hiervon ausgenommen sind Wahlen der Gemeindeorgane, Personal- und Abgabenangelegenheiten und die Festsetzung der Entgelte (Tarife) für die Benützung der öffentlichen Einrichtungen der Stadt oder ihrer wirtschaftlichen Unternehmungen, Willensäußerungen der Stadt als Trägerin von Privatrechten, aufgrund deren jemandem ein Recht erwachsen ist, und behördliche Entscheidungen oder Verfügungen. Dem Stadtsenat und dem Gemeinderat bleibt es unbenommen, Angelegenheiten unmittelbar in Behandlung zu nehmen.

              (3) Die Funktionsperiode des Stadtteilausschusses beträgt sechs Jahre. Sie endet jedenfalls mit dem Ablauf der Funktionsperiode des Gemeinderates. Der Stadtteilausschuss tritt nach Bedarf, mindestens aber zweimal jährlich zusammen. Das Amt eines Mitglieds des Stadtteilausschusses ist ein unbesoldetes Ehrenamt.

              (4) Der Gemeinderat hat durch Verordnung nähere Regelungen über die Stadtteilausschüsse zu erlassen, insbesondere über

              a) die Voraussetzungen und das Verfahren für die Einrichtung und Auflösung;

              b) ihre Zusammensetzung und die Bestellung ihrer Mitglieder; dabei kann vorgesehen werden, dass ein Teil der Mitglieder in sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen der Innsbrucker Wahlordnung 2011 im Weg eines örtlichen Wahlverfahrens gewählt und der andere Teil aus dem Kreis der Mitglieder des Gemeinderates entsandt wird;

              c) die Gründe für das Enden des Amtes eines Mitglieds des Stadtteilausschusses und das Verfahren bei dadurch allenfalls erforderlich werdenden Nachbesetzungen;

              d) die Einberufung, die Beschlussfähigkeit und den Geschäftsgang der Sitzungen;

              e) die Einrichtung von Unterausschüssen und deren Aufgaben.

              (5) Die Verordnung nach Abs4 ist vom Gemeinderat mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der anwesenden Mitglieder zu beschließen."

              2. §1 Abs3 sowie §§2, 3 und 35 der Verordnung des Gemeinderates der Landeshauptstadt Innsbruck vom 15.12.2011 und 26.01.2012, mit der die Stadtteilausschüsse geregelt werden, kundgemacht am 31.1.2012, (in der Folge: Stadtteilausschüsse-Verordnung) lauten wie folgt:

"§1

Zuständigkeit

              (3) Soweit im Folgenden nichts Abweichendes bestimmt ist, finden auf die Wahl der Mitglieder des Stadtteilausschusses die Bestimmungen des Gesetzes über die Innsbrucker Wahlordnung 2011, LGBl. Nr. 120/2011, sowie die Bestimmungen der Verordnung des Gemeinderates der Landeshauptstadt Innsbruck, mit der die Vergütung für die Beisitzer der Wahlbehörden geregelt wird, in der geltenden Fassung sinngemäß Anwendung."

"§2

Einrichtung und Auflösung

              (1) Für Stadtteile (§2 Abs2 des Stadtrechtes der Landeshauptstadt Innsbruck 1975) kann ein Stadtteilausschuss eingerichtet werden.

              (2) Jeder nach §5 der Innsbrucker Wahlordnung 2011 wahlberechtigte Gemeindebürger, der seinen Hauptwohnsitz im betreffenden Stadtteil hat, kann schriftlich die Einrichtung eines Stadtteilausschusses anregen. Die Anregung muss von mindestens 15 v. H. der nach §5 der Innsbrucker Wahlordnung 2011 wahlberechtigten Gemeindebürger mit Hauptwohnsitz im betreffenden Stadtteil mit eigenhändiger Unterschrift unterstützt werden.

              (3) Auf Grund einer Anregung nach Abs2 hat der Bürgermeister durch öffentlichen Anschlag an der Amtstafel während zweier Wochen sowie in geeigneter Weise im betreffenden Stadtteil kundzumachen, dass es allen nach §5 der Innsbrucker Wahlordnung 2011 wahlberechtigten Gemeindebürgern mit Hauptwohnsitz im betreffenden Stadtteil freisteht, sich dem Wunsch nach Einrichtung eines Stadtteilausschusses binnen vier Wochen vom Tag der Kundmachung an, durch Eintragung ihres Vornamens, ihres Familien- bzw. Nachnamens, ihres Geburtsdatums und ihrer Wohnadresse, in eine bei der Stadt aufgelegte Liste anzuschließen.

              (4) Haben sich der Anregung innerhalb der

vierwöchigen Frist 30 v. H. der nach §5 der Innsbrucker Wahlordnung 2011 wahlberechtigten Gemeindebürger mit Hauptwohnsitz im betreffenden Stadtteil angeschlossen, hat der Gemeinderat binnen angemessener Frist die Wahl der Mitglieder des Stadtteilausschusses auszuschreiben.

              (5) Ist bei der Wahl der von der wahlberechtigten Bevölkerung des Stadtteiles gewählten Mitglieder des Stadtteilausschusses zumindest eine Wahlbeteiligung von 75 v. H. der Wahlbeteiligung im betreffenden Stadtteil bei der zuletzt durchgeführten Wahl des Gemeinderates der Landeshauptstadt Innsbruck gegeben, so hat der Gemeinderat mit Beschluss festzulegen, dass für den betreffenden Stadtteil ein Stadtteilausschuss einzurichten und zu führen ist.

              (6) Sollte bei einer der folgenden Wahlen der Mitglieder eines gemäß Abs5 eingerichteten Stadtteilausschusses nicht zumindest eine Wahlbeteiligung von 75 v. H. der Wahlbeteiligung im betreffenden Stadtteil bei der zuletzt durchgeführten Wahl des Gemeinderates der Landeshauptstadt Innsbruck gegeben sein, so hat der Gemeinderat mit Beschluss die Auflösung des betreffenden Stadtteilausschusses zu verfügen.

              (7) Ein Stadtteilausschuss kann darüber hinaus durch den Gemeinderat dann aufgelöst werden, wenn durch eine Änderung der Einteilung des Gemeindegebietes nach §2 Abs2 des Stadtrechtes der Landeshauptstadt Innsbruck 1975 die Grenzen des betreffenden Stadtteiles nicht nur unwesentlich geändert werden.

§3

Zusammensetzung und Bestellung der Mitglieder des Stadtteilausschusses

              (1) Jeder Stadtteilausschuss besteht aus 20 stimmberechtigten Mitgliedern.

              (2) Die Mitglieder des Stadtteilausschusses werden zur Hälfte von den nach §5 der Innsbrucker Wahlordnung 2011 wahlberechtigten Gemeindebürgern mit Hauptwohnsitz im betreffenden Stadtteil auf Grund des gleichen, unmittelbaren, geheimen, freien und persönlichen Verhältniswahlrechtes aus dem Kreis der nicht bereits im Gemeinderat vertretenen, aber für den Gemeinderat nach den Bestimmungen der Innsbrucker Wahlordnung 2011 wählbaren Personen mit Hauptwohnsitz im betreffenden Stadtteil gewählt und zur Hälfte von den Gemeinderatsparteien nach Maßgabe ihrer verhältnismäßigen Stärke entsandt, wobei das Mandat des Bürgermeisters auf die Anzahl der durch seine Partei zu entsendenden Mitglieder des Stadtteilausschusses anzurechnen ist. Die verhältnismäßige Stärke der Gemeinderatsparteien ist gemäß §81 Abs2 der Innsbrucker Wahlordnung 2011 zu ermitteln. Machen die anspruchsberechtigten Parteien bis zum Wahltag (§4 Abs1) - wenn aber die Wahl des Stadtteilausschusses gleichzeitig mit der Wahl des Gemeinderates durchgeführt wird, bis zur konstituierenden Sitzung des Gemeinderates - keine Vertreter namhaft, so hat der Bürgermeister diese aus dem Kreis der Gemeinderäte zu bestimmen.

              (3) Die von der Bevölkerung des betreffenden

Stadtteiles direkt gewählten Mitglieder des Stadtteilausschusses sind nach der Anzahl der auf sie entfallenden Stimmen zu reihen und erhalten die Wahlwerber nach ihrer Reihung ein Mandat zugewiesen."

"§35

Inkrafttreten

              (1) Diese Verordnung tritt mit dem ihrer Kundmachung folgenden Tag in Kraft. Die erste Wahl der Mitglieder eines Stadtteilausschusses nach §2 Abs3 kann aber frühestens gemeinsam mit der ersten auf die Kundmachung folgenden Gemeinderatswahl durchgeführt werden.

              (2) Bestehende Stadtteilausschüsse gelten mit der konstituierenden Sitzung des ersten Gemeinderates, der nach Inkrafttreten dieser Verordnung gewählt wird, als aufgelöst."

              3. Mit dem vom Gemeinderat am 24. Mai 2007

beschlossenen Organisationsstatut für den Stadtteilausschuss Arzl (in der Folge: Organisationsstatut) werden die Einrichtung und Auflösung des Stadtteilausschusses Arzl, welchem die Antragsteller angehörten, geregelt. §9 Abs1 des Organisationsstatuts lautet:

"§9

Funktionsperiode

              (1) Die Funktionsperiode des Stadtteilausschusses

Arzl beträgt sechs Jahre, sie endet aber jedenfalls mit Ablauf der Funktionsperiode des Gemeinderates."

              III. Erwägungen

              Der Verfassungsgerichtshof hat über die Zulässigkeit des Antrages erwogen:

              1. Voraussetzung der Antragslegitimation gemäß Art139 Abs1 letzter Satz B-VG ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung - im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass die Verordnung für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt.

              Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht

(VfSlg. 13.944/1994, 15.234/1998, 15.947/2000).

              2. Im vorliegenden Fall liegt kein Eingriff in die Rechtssphäre der Antragsteller vor:

              2.1. Nach dem Vorbringen der Antragsteller würden sie durch die bekämpften Verordnungsbestimmungen in "ihrem passiven Wahlrecht verletzt", weil mit der ersten konstituierenden Sitzung des nach Erlassung der bekämpften Verordnung neu gewählten Gemeinderates der gewählte Stadtteilausschuss, deren Mitglieder sie seien, aufgelöst werde.

              Das passive Wahlrecht schließt - ungeachtet der Frage, ob es sich bei Stadtteilausschüssen um allgemeine Vertretungskörper handelt (vgl. VfSlg. 7678/1975, 19.345/2011 mwH zu Gemeinderatsausschüssen und VfSlg. 17.264/2004 mwH zu Bezirksvertretungen in Wien) und eine Verletzung im passiven Wahlrecht somit überhaupt in Betracht kommt (s. VfSlg. 19.014/2010) - nur das Recht in sich, für die ganze Wahlperiode gewählt zu bleiben (vgl. zB VfSlg. 8385/1978, 12.447/1990, 13.252/1992).

              Entgegen der Ansicht der Antragsteller wurden durch die angefochtene Bestimmung des §35 Abs2 der Stadtteilausschüsse-Verordnung ihre zum Zeitpunkt der Antragstellung bestehenden Mandate als Mitglieder des Stadtteilausschusses Arzl auf Grund der Wahl zum Stadtteilausschuss Arzl vom 18. November 2007 nicht aufgehoben:

              Nach §9 Abs1 des Organisationsstatuts betrug die Funktionsperiode des Stadtteilausschusses Arzl, dem die Antragsteller angehörten, grundsätzlich sechs Jahre; sie endete aber jedenfalls mit Ablauf der Funktionsperiode des Gemeinderates. Gemäß §35 Abs1 der nunmehr bekämpften Stadtteilausschüsse-Verordnung kann die Wahl der Mitglieder eines Stadtteilausschusses frühestens gemeinsam mit der ersten auf die Kundmachung der Verordnung folgenden Gemeinderatswahl durchgeführt werden; Abs2 dieser Bestimmung ordnet weiters an, dass mit der konstituierenden Sitzung des ersten Gemeinderates, der nach Inkrafttreten der Verordnung gewählt wird, bestehende Stadtteilausschüsse als aufgelöst gelten. In Zusammenschau dieser Bestimmungen ist es daher nicht möglich, dass ein auf Grund des Organisationsstatuts erlangtes Mandat durch die Konstituierung eines auf der Grundlage der Stadtteilausschüsse-Verordnung gebildeten Stadtteilausschusses vorzeitig erlischt, weil dieses - auf Grund des Organisationsstatuts innegehabte - Mandat ohnedies bereits auf Grund des §9 Abs1 des Organisationsstatuts mit dem Ende der Funktionsperiode des Gemeinderates - und dies entspricht der Konstituierung "des ersten Gemeindrates, der nach Inkrafttreten dieser Verordnung gewählt wird" iSd §35 Abs2 Stadtteilausschüsse-Verordnung - befristet war.

              Die Mandate der Antragsteller als Mitglieder des Stadtteilausschusses Arzl endeten daher schon gemäß §9 des Organisationsstatuts - zeitgleich mit der Auflösung des Stadtteilausschusses selbst gemäß §35 der Stadtteilausschüsse-Verordnung - mit Ablauf der Funktionsperiode des Gemeinderates anlässlich der am 16. Mai 2012 durchgeführten konstituierenden Sitzung des am 15. April 2012 neu gewählten Gemeinderates. Damit ist jedoch eine Betroffenheit der Antragsteller in ihrem passiven Wahlrecht durch §35 Abs2 der Stadtteilausschüsse-Verordnung von vornherein ausgeschlossen, weil sie auch ohne diese Anordnung ihr Mandat verloren hätten (vgl. VfSlg. 17.767/2006; vgl. auch VfSlg. 6697/1972).

              Ein subjektives Recht auf Bestand eines Stadtteiles und damit auf Wiederwahl in einen (auf Grund des Organisationsstatuts gebildeten) Stadtteilausschuss stand den Antragstellern auch nach den Bestimmungen des Organisationsstatuts oder einer anderen Bestimmung niemals zu (vgl. zur Wiederwahl in den Gemeinderat VfSlg. 9096/1981, 12.447/1990, 13.252/1992).

              2.2. Soweit die Antragsteller im Übrigen vorbringen, dass durch die Verbindung der Neuregelungen im Stadtrecht der Landeshauptstadt Innsbruck zu den Grenzen der Stadtteile sowie der neuen Verordnung - insbesondere die angefochtene Bestimmung des §2 - zur Regelung der Stadtteilausschüsse eine Wiederwahl der Ausschussmitglieder unmöglich gemacht werde, ist ihnen entgegenzuhalten, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes Rechtsnormen, welche nur die Ausübung staatlicher Funktionen regeln, die Rechtssphäre der diese Funktionen innehabenden Organwalter nicht berühren (zB VfSlg. 13.169/1992; VfGH 21.6.2012, V97/11); dies gilt jedenfalls auch für den angefochtenen §2 der Stadtteilausschüsse-Verordnung, in dem lediglich die Organisation (die Einrichtung und Auflösung) von Stadtteilausschüssen geregelt wird: Diese Bestimmung trifft keine Regelung über die innegehabten Mandate zum - auf der Grundlage des Organisationsstatuts gebildeten - Stadtteilausschuss; ein Rechtsanspruch auf eine bestimmte Form der Organisation von Stadtteilausschüssen besteht nicht.

              2.3. Der Antrag war daher mangels Legitimation der Antragsteller zurückzuweisen.

              3. Der von der verordnungserlassenden Behörde

begehrte Kostenersatz war nicht zuzusprechen, weil ein Kostenersatz im Verfahren nach Art139 B-VG nur für den obsiegenden Individualantragsteller vorgesehen ist (§61a VfGG; vgl. VfSlg. 19.238/2010 mwH).

              4. Dieser Beschluss konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG in nichtöffentlicher Sitzung gefasst werden.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Gemeinderecht Organe, Gemeinderat, Organ Organwalter, Wahlrecht passives

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2012:V31.2012

Zuletzt aktualisiert am

20.03.2013
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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