TE Vwgh Erkenntnis 2000/12/19 99/05/0115

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.12.2000
beobachten
merken

Index

L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Niederösterreich;
L82000 Bauordnung;
L82003 Bauordnung Niederösterreich;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §8;
BauO NÖ 1996 §53 Abs2;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2 Z3;
BauRallg;
BauTV NÖ 1997 §107 Abs3;
BauTV NÖ 1997 §17 Abs3;
BauTV NÖ 1997 §37 Abs3;
BauTV NÖ 1997 §39 Abs3;
BauTV NÖ 1997 §62 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde 1. des Dipl. Ing. Wolfgang Enzinger und 2. der Mag. Marielies Enzinger, beide in St. Pölten, beide vertreten durch Dr. Peter Zöchbauer, Rechtsanwalt in St. Pölten, Herrengasse 2, gegen den Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt St. Pölten vom 29. März 1999, Zl. 00/37/9-1999/Mag.De./cp, betreffend Nachbareinwendungen im Bauverfahren (mitbeteiligte Partei: Institut B.M.V. der Englischen Fräulein in St. Pölten, Linzer Straße 11), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Landeshauptstadt St. Pölten hat den Beschwerdeführern insgesamt Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Im vorliegenden Bauverfahren beantragte die Mitbeteiligte mit Ansuchen vom 30. September 1998 (eingelangt beim Magistrat der Stadt St. Pölten am 6. Oktober 1998) den Umbau des Schulgebäudes in der Schneckgasse 3 in St. Pölten. Es sollen im Dachgeschoß des Gebäudes vier Klassenzimmer, zwei Werkräume sowie WC-Anlagen und Nebenräume errichtet werden. Dabei sind straßenseitig zwei Gauben mit einer Länge von 6,91 m (westseitig) bzw. 6,38 m (ostseitig), die beidseitig des bestehenden höheren Mitteltraktes im jeweiligen äußeren Drittel der Dachkonstruktion projektiert sind, vorgesehen. Die straßenseitige und südliche Gebäudefront weist eine Länge von etwa 52,3 m auf. Das Grundstück der Beschwerdeführer liegt dem östlich gelegenen Teil des Schulgebäudes entlang der Schneckgasse gegenüber.

Mit Bescheid des Magistrates der Landeshauptstadt St. Pölten vom 24. Februar 1999 wurde dem Mitbeteiligten die Baubewilligung für den angeführten Umbau erteilt. Die von den Beschwerdeführern in der mündlichen Verhandlung erhobenen Einwendungen betreffend die Gebäudehöhe bzw. die Einhaltung des Lichteinfalles gemäß § 62 Abs. 3 Nö Bautechnikverordnung wurden als unbegründet angesehen.

Die dagegen von den Beschwerdeführern erhobene Berufung wurde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen. Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die in § 6 Nö Bauordnung 1996 angeführten subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte erschöpfend aufgezählt seien. Da es sich im vorliegenden Fall um ein bestehendes Gebäude, dessen Dachgeschoß ausgebaut werden solle, handle, komme nur eine mögliche Änderung der Gebäudehöhe und deren Auswirkung auf die Belichtungsverhältnisse zum Bauwerk der Beschwerdeführer zur näheren Prüfung in Frage. Daneben sei die Einhaltung der Bebauungshöhe zu beachten. Gemäß § 53 Abs. 1 Nö Bauordnung 1996 werde die für die Gebäudehöhe maßgebliche Gebäudefront nach unten bei Gebäudefronten an der Straßenfluchtlinie durch den Verschnitt mit dem Straßenniveau in dieser Linie, ansonsten mit der bestehenden oder bewilligten Höhenlage des Geländes und nach oben durch den Verschnitt mit der Dachhaut oder mit dem oberen Abschluss der Gebäudefront begrenzt. Daraus folge eindeutig, dass ein Dachgeschoß nicht in die Berechnung der Gebäudehöhe einzubeziehen sei, wobei als Dachgeschoß gemäß § 4 Z. 7 Nö Bauordnung 1996 jenes Geschoß definiert sei, das innerhalb des Dachraumes liege. Durch den Ausbau eines Dachraumes zur Unterbringung von Aufenthaltsräumen bzw. Schulklassen und der Errichtung von Dachaufbauten ändere sich ganz allgemein betrachtet nichts an der Qualifikation als Dachgeschoß. Dem Einwand der Beschwerdeführer, die Abbildung auf Seite 332 in Hauer/Zaussinger, Nö Baurecht5, wonach Gauben in die Berechnung der Gebäudehöhe einzubeziehen seien, dokumentiere die Erhöhung der Gebäudehöhe durch Dachaufbauten, sei - abgesehen von der Widerlegung dieser Bildinterpretation schon durch die nächste Abbildung auf der Seite 333 des zitierten Kommentars (die abgebildeten Gauben in der Seitenansicht würden eindeutig nicht der Berechnung zu Grunde gelegt) - der Wortlaut des Gesetzestextes entgegenzuhalten. Demnach werde die Gebäudefront nach oben entweder durch den Verschnitt mit der Dachhaut (dies entspreche der Abbildung 1 der Bestimmung) oder mit dem oberen Abschluss der Gebäudefront (dies entspreche Abbildung 2; etwa bei Flachdächern mit Attika) begrenzt. Gemäß § 53 Abs. 2 Nö Bauordnung 1996 würden untergeordnete Bauteile, zu denen auch Gauben gezählt würden, bei der Ermittlung der Gebäudehöhe unberücksichtigt bleiben. Der Verwaltungsgerichtshof habe sich in seiner Rechtsprechung mehrmals über die Qualifikation von Dachgauben geäußert, wonach Gauben in einer Länge von 4,3 m mit mehrfach unterteilten Fenstern für zulässig erachtet worden seien. Ebenso seien vier Dachgauben mit jeweils 2 m Länge auf eine Gebäudelänge von 20 m als einzelne zulässige Dachaufbauten gewertet worden. Der Verwaltungsgerichtshof habe dabei regelmäßig geprüft, ob die Bauführung den Eindruck einer geschlossenen Front vermittle und dadurch die Gebäudehöhe tatsächlich verändere. Im vorliegenden Fall sei, auch unter Berücksichtigung des bestehenden Mitteltraktes, entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer der Eindruck einer geschlossenen, durchgehenden Front nicht abzuleiten. Die Gauben wiesen lediglich eine Länge von jeweils 6,4 m auf. Diesen stünden eine Gebäudelänge von 52,3 m und lichte Unterbrechungen zwischen den Gauben von jeweils etwa 11 m gegenüber. Von einer Geschlossenheit der Gauben über die gesamte Gebäudefront könne offensichtlich nicht die Rede sein, sodass sich an der bestehenden Gebäudehöhe des Schulgebäudes im Sinne des § 53 Abs. 1 Nö Bauordnung 1996 nichts ändere. Es liege daher keine Verletzung des Nachbarrechtes betreffend die Gebäudehöhe vor. Dem Bedenken der Beschwerdeführer, die geplante Bauführung beeinträchtige den freien Lichteinfall auf Hauptfenster ihrer zulässigen Gebäude, werde entgegengehalten, dass gemäß § 6 Abs. 2 Z. 3 Nö Bauordnung 1996 der freie Lichteinfall lediglich die Bedingung für die Qualifikation der Bebauungsvorschriften als Nachbarrechte darstelle. Der Umkehrschluss, wie ihn die Beschwerdeführer zu ziehen scheinen - wonach die Belichtung für sich allein ein Nachbarrecht darstellen würde - sei eine denkunmögliche und daher unzulässige Auslegung der Bestimmung. Es sei auch die Auffassung nicht zutreffend, dass eine Verletzung subjektiv öffentlicher Anrainerrechte betreffend die Belichtung nicht nur durch eine zu große Gebäudehöhe, sondern auch durch Dachaufbauten bewirkt werden könnte. Diese Ansicht würde unzulässigerweise die Erweiterung und Abänderung eines Gesetzes (nämlich der Nö Bauordnung 1996) durch eine Durchführungsverordnung (nämlich die Nö Bautechnikverordnung) bedeuten.

Von Amts wegen werde die Einhaltung des § 62 Abs. 3 Nö Bautechnikverordnung 1997 wie folgt beurteilt: Nach dieser Bestimmung dürften durch Dachaufbauten der erforderliche Lichteinfall auf Hauptfenster zulässiger Gebäude nicht beeinträchtigt werden. Es sei festzuhalten, dass die bestehenden Hauptfenster der Anrainerliegenschaft auch ohne Ausführung des Bauvorhabens keine ausreichende Belichtung im Sinne der gesetzlichen Vorschriften aufwiesen. Dieser Umstand sei jedoch zur Beurteilung des Lichteinfalles gemäß § 63 Abs. 3 (gemeint offensichtlich § 62 Abs. 3) Nö Bautechnikverordnung 1997 primär nicht relevant. Es sei vielmehr von der Behörde erster Instanz anhand der Einreichunterlagen, die auch eine Darstellung der Belichtungsverhältnisse beinhalteten, geprüft und zu Recht festgestellt worden, dass der erforderliche Lichteinfall unter 45 Grad bei einer seitlichen Abweichung von 30 Grad auf mögliche Hauptfenster der Nachbarliegenschaft, die ohne Bauführung ausreichend belichtet wären, auch nach Verwirklichung des Projektes gewährleistet bliebe. Dies betreffe nicht nur die Hauptfenster eines unter Ausnutzung der maximalen Bebauungshöhe möglichen zusätzlichen Geschosses des Nachbargebäudes, sondern auch die - von den Beschwerdeführern unter Hinweis auf § 37 Abs. 3 Nö Bautechnikverordnung herangezogenen - möglichen Aufenthaltsräume unter dem anschließenden Gelände, wobei der ausreichende Lichteinfall auf deren Hauptfenster durch Schächte gesichert sein müsse. Da gerade diese angesprochenen Aufenthaltsräume unter Gelände - wie dies den Einreichunterlagen eindeutig zu entnehmen sei - schon vor der geplanten Bauführung auf Grund des Gebäudebestandes keine ausreichende Belichtung erfahren könnten, seien sie als nicht zulässig zu werten, weshalb § 62 Abs. 3 Nö Bautechnikverordnung auf sie nicht anzuwenden sei.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 6 Abs. 1 Nö Bauordnung 1996, LGBl. 8200-0 in der Stammfassung, haben im Baubewilligungsverfahren und im baupolizeilichen Verfahren nach den näher angeführten Bestimmungen Parteistellung bzw. können Parteistellung erlangen:

"3. die Eigentümer der Grundstücke, die mit dem Baugrundstück eine gemeinsame Grenze haben oder von diesen durch eine öffentliche Verkehrsfläche, ein Gewässer und einen Grüngürtel mit einer Breite bis zu 14 m getrennt sind (Nachbarn)".

Subjektiv-öffentliche Rechte werden gemäß § 6 Abs. 2 leg. cit. u.a. durch jene Bestimmungen dieses Gesetzes, des Nö Raumordnungsgesetzes 1976, LGBl. 8000, der Nö Aufzugsordnung, LGBl. 8220, sowie der Durchführungsverordnungen zu diesen Gesetzen, über

"3. die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe, den Bauwich, die Abstände zwischen Bauwerken oder deren zulässige Höhe, soweit diese Bestimmungen der Erzielung einer ausreichenden Belichtung der Hauptfenster (§ 4 Z. 9) der Gebäude der Nachbarn dienen."

begründet.

Gemäß § 53 Abs. 1 Nö Bauordnung 1996 ist die Gebäudehöhe nach der mittleren Höhe der Gebäudefront zu bemessen. Für Gebäude oder Gebäudeteile mit versetzten Außenwandteilen ist die Gebäudehöhe für jeden Wandteil einzeln zu ermitteln.

Die Gebäudefront wird

o nach unten bei Gebäudefronten an der Straßenfluchtlinie durch den Verschnitt mit dem Straßenniveau in dieser Linie, ansonsten mit der bestehenden oder bewilligten Höhenlage des Geländes und

o nach oben durch den Verschnitt mit der Dachhaut oder mit

dem oberen Abschluss der Gebäudefront

begrenzt.

Vorbauten nach § 52 und untergeordnete Bauteile (z.B. Schornsteine, Zierglieder) bleiben gemäß § 53 Abs. 2 leg. cit. bei der Ermittlung der Gebäudehöhe unberücksichtigt.

Die Beschwerdeführer machen geltend, dass § 17 Abs. 3 und § 62 Abs. 3 Nö Bautechnikverordnung 1997, soweit sie der Erzielung einer ausreichenden Belichtung der Hauptfenster der Nachbargebäude dienten, subjektiv-öffentliche Nachbarrechte begründeten.

Gemäß § 17 Abs. 3 Nö Bautechnikverordnung 1997 (Nö BTV 1997), LGBl. 8200/7-0, darf durch Dachaufbauten (z.B. Dachgauben, Dacherker) der erforderliche Lichteinfall auf Hauptfenster zulässiger Gebäude nicht beeinträchtigt werden. Gemäß § 39 Abs. 3 Nö BTV 1997 müssen Hauptfenster so angeordnet sein, dass ein freier Lichteinfall unter 45 Grad gesichert ist (bei einer seitlichen Abweichung des Lichteinfalles von höchstens 30 Grad ).

§ 62 Abs. 3 Nö BTV 1997 enthält eine inhaltsgleiche Regelung wie

§ 17 Abs. 3 Nö BTV 1997. § 107 Abs. 3 Nö BTV 1997 enthält eine

inhaltsgleiche Bestimmung wie § 39 Abs. 3 leg. cit. Für die Frage, ob aus § 17 Abs. 3 bzw. § 62 Abs. 3 Nö BTV 1997 im Sinne des § 6 Abs. 2 Nö Bauordnung 1996 ein Nachbarrecht abzuleiten ist, ist die Anordnung des § 6 Abs. 2 Z. 3 Nö BauO 1996 näher ins Auge zu fassen. Nach dieser Regelung begründen u.a. jene Bestimmungen der Nö Bauordnung 1996, des Nö Raumordnungsgesetz 1976, der Nö Aufzugsordnung sowie der Durchführungsverordnungen zu diesen Gesetzen über

"3. die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe, den Bauwich, die Abstände zwischen Bauwerken oder deren zulässige Höhe, soweit diese Bestimmungen der Erzielung einer ausreichenden Belichtung der Hauptfenster (§ 4 Z. 9) der Gebäude der Nachbarn dienen"

ein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht.

§ 17 Abs. 3 bzw. § 62 Abs. 3 Nö BTV 1997 stellt in diesem Sinne eine Bestimmung über die zulässige Höhe eines Bauwerkes bzw. Gebäudes dar, die der Erzielung einer ausreichenden Belichtung der Hauptfenster der Gebäude der Nachbarn dient (siehe Hauer-Zaussinger, Niederösterreichisches Baurecht5, Ergänzungsband, S. 52, Anm. 5 zu § 17 Abs. 3 Nö BTV). Es kann der Auffassung der belangten Behörde nicht gefolgt werden, die diese Bestimmungen als ausschließliche Bestimmungen über den zulässigen Lichteinfall für Hauptfenster und nicht auch als Regelung über die zulässige Höhe eines Gebäudes angesehen hat. Aus den angeführten Bestimmungen ergibt sich für die bezogenen Dachaufbauten ein Maßstab für ihre nach dem Gesetz zulässige Höhe. Es stellt somit schon eine Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG dar, dass die belangte Behörde den Beschwerdeführern in dieser Hinsicht kein Nachbarrecht eingeräumt hat.

Aber auch die inhaltlichen Überlegungen der belangten Behörde zu § 17 Abs. 3 bzw. § 62 Abs. 3 Nö BTV 1997 erweisen sich als nicht zutreffend. Wenn § 17 Abs. 3 bzw. § 62 Abs. 3 Nö BTV 1997 auf den erforderlichen Lichteinfall auf Hauptfenster zulässiger Gebäude abstellt, ist das Kriterium des erforderlichen Lichteinfalles - wie dies die belangte Behörde getan hat - im Sinne des § 39 Abs. 3 bzw. § 107 Abs. 3 Nö BTV 1997 auszulegen, weil sich § 17 Abs. 3 Nö BTV 1997 nur auf die Hauptfenster gegenüberliegender Gebäude beziehen kann. Danach muss grundsätzlich ein freier Lichteinfall auf Hauptfenster unter 45 Grad gesichert sein. Da - wie noch näher darzulegen sein wird - der in § 39 Abs. 3 bzw. § 107 Abs. 3 Nö BTV 1997 geforderte Lichteinfallswinkel auf Grund des diesen nicht einhaltenden konsentierten Altbestandes im vorliegenden Fall nicht von Bedeutung sein kann, muss auf die von den Beschwerdeführern aufgeworfene Frage, ob es gesetzmäßig ist, wenn in § 39 Abs. 3 bzw. § 107 Abs. 3 Nö BTV 1997 auch auf eine seitliche Abweichung des Lichteinfalles von höchstens 30 Grad Rücksicht genommen wird, nicht eingegangen werden.

Ausgehend davon, dass der vorhandene konsentierte Altbestand den gemäß § 39 Abs.  3 bzw. § 107 Abs. 3 geforderten Lichteinfall für Hauptfenster von Aufenthaltsräumen nicht einhält (der Lichteinfall auf die Hauptfenster im Erdgeschoß des Gebäudes der Beschwerdeführer beträgt 60 Grad ), muss im Zusammenhalt mit dem in §  17 Abs. 3 bzw. § 62 Abs. 3 Nö BTV 1997 verankerten Nachbarrecht abgeleitet werden, dass Dachaufbauten auf einem solchen Altbestand nur dann zulässig sind, wenn der durch den Altbestand bewirkte, von § 39 Abs. 3 Nö BTV 1997 abweichende Lichteinfall unverändert bleibt. Es wird der Auffassung der belangten Behörde nicht gefolgt, dass eine weitere Verschlechterung dieses Lichteinfalles durch einen solchen Dachaufbau zulässig ist, wenn nur § 39 Abs. 3 Nö BTV 1997 in Bezug auf das beim Gebäude der Beschwerdeführer noch mögliche zweite Geschoß eingehalten wird. Wie sich dies aus dem im Verwaltungsakt einliegenden planmäßig belegten Lichteinfall im Falle der östlich vorgesehenen Gaube ergibt, verschlechtert sich der Lichteinfallswinkel auf Hauptfenster im Erdgeschoß des Gebäudes der Beschwerdeführer auf 61 Grad . Dem im vorliegenden Fall aus § 17 Abs. 3 i.V.m. § 39 Abs. 3 Nö BTV 1997 abzuleitenden Grundsatz, den durch den konsentierten Altbestand bewirkten Lichteinfall durch die geplanten Dachgauben nicht zu verschlechtern, wurde mit dem vorliegenden Bauvorhaben nicht entsprochen. Auch in dieser Hinsicht stellt sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig dar.

Sofern die Beschwerdeführer auch den erforderlichen Lichteinfall auf Hauptfenster von gemäß § 37 Abs. 3 Nö BTV 1997 zulässigen Aufenthaltsräumen unter Niveau ins Treffen führen, ist auszuführen, dass auch diesbezüglich der sich aus dem Altbestand für derartige Aufenthaltsräume ergebende Lichteinfall und nicht der Lichteinfallswinkel gemäß § 39 Abs. 3 Nö BTV 1997 maßgeblich wäre.

Da der angefochtene Bescheid schon aus den dargelegten Gründen als inhaltlich rechtswidrig zu beurteilen ist, konnte dahingestellt bleiben, ob die beiden Gauben (einerseits von 6,38 m bzw. 6.91m) im Hinblick auf die vorliegende Gebäudefrontlänge von ca. 52 m als untergeordnete Bauteile im Sinne des § 53 Abs. 2 Nö Bauordnung 1996 - wie dies die belangte Behörde getan hat - qualifiziert werden können.

Für das fortgesetzte Verfahren wird darauf hingewiesen, dass dem Nachbarn nur insoweit ein Mitspracherecht im Zusammenhang mit der Einhaltung des § 53 Abs. 2 Nö Bauordnung 1996 zukommt, als diese Bestimmung gemäß § 6 Abs. 2 Z. 3 Nö Bauordnung 1996 der Erzielung einer ausreichenden Belichtung der Hauptfenster der Gebäude dient. Sofern also - wie im vorliegenden Fall - der von § 39 Abs. 3 Nö BTV 1997 abweichende Lichteinfallswinkel des Altbestandes durch Dachgauben nicht berührt wird, stünde dem Nachbarn kein Mitspracherecht bei der Frage zu, ob es sich bei diesen um untergeordnete Bauteile im Sinne des § 53 Abs. 2 Nö Bauordnung 1996 handelt.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 19. Dezember 2000

Schlagworte

Baurecht Nachbar Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Belichtung Belüftung BauRallg5/1/3 Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Gebäudehöhe BauRallg5/1/5

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1999050115.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten