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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
FrÄG 2011;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätinnen Mag. Merl und Mag. Dr. Maurer-Kober sowie den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des XX in W, vertreten durch Dr. Rudolf Mayer, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Universitätsstraße 8/2, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 5. März 2012, Zl. UVS-FRG/19/13260/2011-8, betreffend Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres),
Spruch
1. zu Recht erkannt:
Der angefochtene Bescheid wird, soweit gegen den Beschwerdeführer ein Einreiseverbot erlassen wurde, wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
2. den Beschluss gefasst:
Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.
Begründung
I.
Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, wurde mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 28. März 2008 gemäß § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) in der Fassung vor dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2011 (FrÄG 2011, BGBl. I Nr. 38) ausgewiesen.
Mit dem nunmehr beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der dagegen erhobenen Berufung keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid mit der Maßgabe, "dass eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 FPG sowie ein Rückreiseverbot gemäß § 53 Abs. 1 und Abs. 2 im Ausmaß von 18 Monaten ausgesprochen" werde. Unter einem bestimmte die belangte Behörde die Frist für die freiwillige Ausreise nach § 55 Abs. 1 und Abs. 2 FPG mit 14 Tagen.
In ihrer Begründung legte die belangte Behörde zunächst den bisherigen Verfahrensgang dar und wies des Weiteren darauf hin, dass sie den den Beschwerdeführer betreffenden Adoptionsakt des Bezirksgerichts Meidling beigeschafft sowie eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt habe, an der aber der Berufungswerber nicht teilgenommen habe.
Sodann führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer verfüge über keinen Aufenthaltstitel. Es sei daher eine Rückkehrentscheidung zu treffen. Die Erlassung einer solchen sei auch im Sinn des Art. 8 EMRK als dringend geboten anzusehen. Der Beschwerdeführer habe seinen "Aufenthalt illegal im Bundesgebiet genommen und aufrechterhalten". Er habe zwar Kenntnisse der deutschen Sprache erworben. Es sei aber nicht hervorgekommen, dass er sonst in irgendeiner Weise, etwa durch Schulungsmaßnahmen, zur Vorbereitung an der Teilnahme am Arbeitsmarkt beigetragen hätte. Eine allfällige Bedrohung durch den alkoholkranken Vater im Heimatland sei bei der Beurteilung als in den Hintergrund getreten zu werten. Der Beschwerdeführer sei nämlich mittlerweile volljährig. Als solcher stehe es ihm zu, seinen Aufenthalt nach eigenem Belieben zu wählen. Die im Inland behaupteten Bindungen zum "in Aussicht genommenen Adoptivvater" und dessen Ehefrau hätten letztlich nicht dazu geführt, dass der Antrag auf Bewilligung der Annahme an Kindesstatt genehmigt worden wäre. Abgesehen von den Bindungen zu jener Familie, von der der Beschwerdeführer hätte adoptiert werden sollen, bestünden im Bundesgebiet keine sozialen Beziehungen.
Mit einer Rückkehrentscheidung werde gemäß § 53 Abs. 1 FPG ein Einreiseverbot unter einem erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes sei das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen einzubeziehen und zu berücksichtigen, ob der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährde oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderlaufe. Dies sei insbesondere dann anzunehmen, wenn der Tatbestand des § 53 Abs. 2 Z 1 FPG erfüllt sei.
Im Weiteren legte die belangte Behörde noch dar, weshalb die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen festzulegen gewesen sei.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:
Eingangs ist hinsichtlich der Vorgeschichte auf das den Beschwerdeführer betreffende hg. Erkenntnis vom 22. September 2011, Zl. 2008/18/0527, zu verweisen.
Weiters ist festzuhalten, dass sich die Beurteilung des gegenständlichen Falles im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des nunmehr im zweiten Rechtsgang ergangenen angefochtenen Bescheides (10. Mai 2012) nach dem FPG in der Fassung des BGBl. I Nr. 112/2011 richtet.
Die belangte Behörde hat im hier vorliegenden Fall zwar zu Recht in Anwendung der im Zeitpunkt ihrer Entscheidung geltenden Fassung des FPG in Form einer sogenannten "Maßgabebestätigung" eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 1 FPG ausgesprochen. In rechtswidriger Weise ist sie allerdings davon ausgegangen, dass damit auch ein Einreiseverbot gemäß § 53 FPG zu verbinden sei. In jenen Fällen, in denen in erster Instanz (nur) eine Ausweisung nach § 53 Abs. 1 FPG idF vor dem FrÄG 2011 erlassen wurde, darf die Berufungsinstanz kein Einreiseverbot erlassen, weil darüber in erster Instanz nicht abgesprochen wurde. Mit der Ausweisung nach § 53 Abs. 1 FPG idF vor dem FrÄG 2011 wurde nämlich nur die Anordnung, dass der Fremde das Bundesgebiet zu verlassen habe, nicht aber auch ein (auf bestimmte oder unbestimmte Zeit festgelegtes) Verbot der Wiedereinreise ausgesprochen. Erlässt die Berufungsbehörde dennoch ein Einreiseverbot, wird die Sache des Berufungsverfahrens überschritten und dem Beschwerdeführer "eine Instanz genommen" (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Juni 2012, Zl. 2012/18/0027, mwN, sowie den hg. Beschluss vom 19. April 2012, Zl. 2012/21/0062).
Soweit die belangte Behörde diese Rechtslage verkannte und gegen den Beschwerdeführer ein Einreiseverbot erließ, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge ihrer Unzuständigkeit. Der angefochtene Bescheid war in diesem Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG aufzuheben.
Gemäß § 33a VwGG idF des BGBl. I Nr. 51/2012 kann der Verwaltungsgerichtshof die Behandlung einer Beschwerde gegen einen Bescheid eines unabhängigen Verwaltungssenates, des unabhängigen Finanzsenates oder einer Behörde gemäß Art. 20 Abs. 2 Z 2 oder 3 B-VG durch Beschluss ablehnen, wenn die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Bescheid von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die belangte Behörde ist hinsichtlich der übrigen im angefochtenen Bescheid enthaltenen Aussprüche nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen.
In der vorliegenden Beschwerde werden diesbezüglich keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des § 33a VwGG grundsätzliche Bedeutung zukäme.
Der erkennende Senat hat daher beschlossen, die Behandlung der Beschwerde, soweit sie sich gegen die übrigen Aussprüche richtet, abzulehnen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Das auf die Erstattung der Eingabengebühr gerichtete Mehrbegehren war abzuweisen, weil dem Beschwerdeführer insoweit Verfahrenshilfe gewährt wurde.
Wien, am 10. Oktober 2012
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2012:2012180116.X00Im RIS seit
07.11.2012Zuletzt aktualisiert am
27.11.2012