TE Vwgh Erkenntnis 2012/10/18 2011/22/0136

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Veröffentlicht am 18.10.2012
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

NAG 2005 §11 Abs1 Z2;
NAG 2005 §43 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober sowie den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des V, vertreten durch die Weh Rechtsanwalt GmbH in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 10. Jänner 2011, Zl. 155.457/4-III/4/10, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde, den Antrag des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen der Ukraine, auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 43 Abs. 2 und § 44b Abs. 1 Z 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.

In ihrer Begründung verwies die belangte Behörde darauf, dass die in erster Instanz erfolgte Antragsabweisung auf das Bestehen eines gegen den Beschwerdeführer erlassenen, bis 28. Jänner 2014 gültigen "Einreise-/Aufenthaltsverbot(es) im Schengener Gebiet" gegründet worden sei.

Der Beschwerdeführer habe in der Berufung eingewendet, dass "für ein(-) und dasselbe angebliche Einreise-/Aufenthaltsverbot für die Slowakei" drei verschiedene Daten vorlägen. Diese Informationen widersprächen einander. Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg würde behaupten, dass dem "SIS-Treffer" zufolge das "Einreise-/Aufenthaltsverbot" am 10. November 2010 abliefe. Dem stünde ein Schreiben der Bezirkshauptmannschaft B gegenüber, wonach das "angebliche Einreise-/Aufenthaltsverbot" am 29. November 2009 "außer Kraft trete". Nach einer Mitteilung von "S Wien" würde nunmehr das "Einreiseverbot für die Slowakei bis 28.01.2014 bestehen". Die von der Slowakei stammenden Daten wären "sohin nicht geeignet, daraus irgendwelche Schlussfolgerung zu ziehen".

Diesem Vorbringen hielt die belangte Behörde entgegen, dass die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg sich unter Hinweis auf das bis 28. Jänner 2014 gültige "Einreiseverbot der Slowakischen Republik" gegen die Erteilung eines Aufenthaltstitels an den Beschwerdeführer ausgesprochen habe. Die diesbezügliche Stellungnahme der Sicherheitsdirektion sei dem Beschwerdeführer durch die Bezirkshauptmannschaft B zur Kenntnis gebracht worden. Er habe somit dazu Stellung nehmen können. Sein Recht auf Parteiengehör sei gewahrt worden. "Aus der Aktenlage" - so nimmt die belangte Behörde schließlich in ihren beweiswürdigenden Überlegungen an - sei "eindeutig ersichtlich", dass gegen den Beschwerdeführer "ein Einreise-/Aufenthaltsverbot der Slowakischen Republik bis 28.01.2014" bestehe.

Demnach sei die Ausstellung des begehrten Aufenthaltstitels zu versagen, weil einer solchen das Erteilungshindernis des § 11 Abs. 1 Z 2 NAG entgegenstehe. Eine Prüfung im Sinn des Art. 8 EMRK sei nicht vorzunehmen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 2. Mai 2011, Zl. B 313/11-3, ablehnte und die Beschwerde über gesonderten Antrag des Beschwerdeführers dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die - im Verfahren ergänzte - Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Zunächst ist festzuhalten, dass sich die Beurteilung des gegenständlichen Falles im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (17. Jänner 2011) nach dem NAG in der Fassung des BGBl. I Nr. 111/2010 richtet.

§ 11 Abs. 1 Z 2 und § 43 Abs. 2 NAG (jeweils mit Überschrift) lauten:

     "Allgemeine Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel

     § 11. (1) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nicht erteilt

werden, wenn

     1.        ...

     2.        gegen ihn ein Aufenthaltsverbot eines anderen EWR-

Staates besteht;

     3.        ...

     ... ."

"Niederlassungsbewilligung - unbeschränkt

§ 43. ...

(2) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen (§ 44a) oder auf begründeten Antrag (§ 44b), der bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einzubringen ist, eine quotenfreie 'Niederlassungsbewilligung - unbeschränkt' zu erteilen, wenn

1. kein Erteilungshindernis gemäß § 11 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 vorliegt,

2. dies gemäß § 11 Abs. 3 zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist, und

3. der Drittstaatsangehörige die

Integrationsvereinbarung nach § 14 Abs. 5 Z 2 bis 5 oder 7 erfüllt hat, oder im Falle der Minderjährigkeit,

a)

noch nicht der allgemeinen Schulpflicht unterliegt;

b)

im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht eine Primarschule (§ 3 Abs. 3 des Schulorganisationsgesetzes, BGBl. Nr. 242/1962) besucht oder im vorangegangenen Semester besucht hat oder

              c)              im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht eine Sekundarschule (§ 3 Abs. 4 des Schulorganisationsgesetzes) besucht und der Unterrichtsgegenstand 'Deutsch' im vorangegangenen Schuljahr positiv beurteilt wurde oder die Schulnachricht am Ende des ersten Semesters des laufenden Schuljahres im Unterrichtsgegenstand 'Deutsch' eine positive Leistung ausweist oder er bis zum Entscheidungszeitpunkt die positive Beurteilung im Unterrichtsgegenstand 'Deutsch' durch das zuletzt ausgestellte Jahreszeugnis oder die zuletzt ausgestellte Schulnachricht nachweist.

..."

Der Beschwerdeführer verweist (unter anderem) auf sein bereits im Verwaltungsverfahren erstattetes Vorbringen, wonach ihm die Existenz eines von der Slowakei erlassenen Aufenthaltsverbotes unbekannt sei und dies auch anhand der vorliegenden Daten nicht begründet angenommen werden könnte.

Bereits dieses Vorbringen verhilft der Beschwerde zum Erfolg.

Die belangte Behörde führte in ihrer Beweiswürdigung lediglich aus, das Bestehen eines bis 28. Jänner 2014 gültigen, von der Slowakei erlassenen "Einreise-/Aufenthaltsverbotes" sei aus der Aktenlage "eindeutig ersichtlich". Hingegen hat sie sich mit dem - oben dargestellten - Vorbringen des Beschwerdeführers, die Slowakei habe hinsichtlich der Gültigkeit des "angeblich" bestehenden Aufenthaltsverbotes unterschiedliche, miteinander nicht in Einklang zu bringende Daten übermittelt, überhaupt nicht auseinandergesetzt.

Dazu wäre sie aber schon deshalb verpflichtet gewesen, weil sie - was insbesondere auch aus den Ausführungen in ihrer Gegenschrift deutlich hervorgeht - selbst davon ausgeht, dass es sich bei den vorliegenden unterschiedlichen Daten "29. November 2009", "10. November 2010" und "28. Jänner 2014" um das Ende der Gültigkeit desselben von der Slowakei erlassenen "Einreise-/Aufenthaltsverbotes" handelt. Wenn die belangte Behörde - in der Gegenschrift - auf einen "über S hergestellten" Kontakt mit der Slowakei verweist, ist dem entgegenzuhalten, dass auch dem diesbezüglichen im Verwaltungsakt erliegenden Schriftverkehr eine Aufklärung der hier gegenständlichen Diskrepanz nicht zu entnehmen ist.

Bestünde aber das gegen den Beschwerdeführer von der belangten Behörde ins Treffen geführte Aufenthaltsverbot der Slowakei nicht (mehr), so könnte darauf die Antragsanweisung nicht gegründet werden, sodass sich der gegenständliche Verfahrensfehler auch als relevant erweist.

Der angefochtene Bescheid war daher schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, ohne dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt auf das übrige Beschwerdevorbringen hätte eingegangen werden müssen.

Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 18. Oktober 2012

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2012:2011220136.X00

Im RIS seit

13.11.2012

Zuletzt aktualisiert am

29.11.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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