Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §45 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Beck und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas, über die Beschwerde des L in J, vertreten durch Dr. Matthias Lüth und Mag. Michael Mikuz, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Herzog-Friedrich-Straße 39, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 10. Mai 2012, Zl. uvs- 2012/23/0975 und 0976-4, betreffend Übertretung der StVO 1960 (weitere Partei: Tiroler Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird, soweit sie die Übertretung nach der StVO 1960 betrifft (Spruchpunkt 1.), als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde - soweit im vorliegenden Verfahren wesentlich - dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, er habe am 15. Dezember 2011 von zumindest 21.53 Uhr bis 22.05 Uhr in J. auf der B 161, dann über den T-Weg in den S-Weg bis zu Hausnummer 8, ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt; der Test am geeichten Alkomaten habe einen Alkoholgehalt der Atemluft von 0,95 mg/l ergeben. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit § 5 Abs. 1 StVO 1960 begangen, weshalb über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 1.900,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 19 Tage) verhängt wurde.
In der Begründung stellte die belangte Behörde die im Spruch angelastete Tat als Sachverhalt fest und nahm als unstrittig an, dass der PKW mit dem Kennzeichen K am 15. Dezember 2011 auf öffentlichen Straßen gelenkt worden sei; zum Zeitpunkt der Amtshandlung sei frischer Neuschnee gelegen. Beweiswürdigend hielt die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid wörtlich Folgendes fest:
"Massive Widersprüche ergaben sich allerdings bei der Feststellung jener Person die das Fahrzeug gelenkt hat.
Unbestritten ist in diesem Zusammenhang, dass der Beschuldigte unmittelbar nach dem Lenken bei seinem PKW alleine angetroffen wurde. Zu diesem Zeitpunkt war er auch im Besitz der Fahrzeugschlüssel. Von den einschreitenden Polizisten befragt, gab er zwar an nicht selbst gefahren zu sein, machte aber gleichzeitig die von ihm behauptete Lenkerin die in enger räumlicher Nähe gewesen wäre (sofern man den Angaben des Beschuldigten und der Zeugin Holzer folgt, wäre diese im angrenzenden Haus im ersten Stock gewesen) nicht namhaft.
Nach Verbringung zur PI Kitzbühel und Durchführung eines positiven Alkomattestes wurde dem Beschuldigten am 15.11.2012 um
22.40 Uhr der Führerschein gemäß § 39 FSG abgenommen und ihm eine entsprechende Bestätigung ausgestellt (siehe die im erstinstanzlichen Akt einliegende Durchschrift der Abnahmebestätigung).
Erst nach Abschluss der Amtshandlung gab der Beschuldigte dann zwar an, dass seine Lebensgefährtin gefahren sei, aber nähere Angaben zu deren Identität machte er auch hier noch nicht. Insofern war eine Überprüfung dieser Behauptung, zu einem Zeitpunkt zu dem der behauptete Sachverhalt rasch und effizient überprüfbar gewesen wäre, für die einschreitenden Polizeibeamten nicht möglich.
Nach Verlassen der PI Kitzbühel verständigte der Beschuldigte per Mobiltelefon seinen Sohn, dass er ihn in Kitzbühel abholen sollte. Eine Einbeziehung der von ihm angegebenen Lenkerin in die Klärung des vermeintlich falschen Sachverhaltes erfolgte auch zu diesem Zeitpunkt nicht. Der Beschuldigte gab selbst an, seine Lebensgefährtin erst am nächsten Tag über diese Amtshandlung informiert zu haben.
Vor diesem objektiv erwiesenen Sachverhalt, der sich im wesentlichen auch aus den Aussagen des Beschuldigten ergibt, erscheint es für den unabhängigen Verwaltungssenat in Tirol nicht glaubhaft, wenn nachträglich die Lebensgefährtin des Beschuldigten angibt zum Tatzeitpunkt die Lenkerin des Fahrzeuges gewesen zu sein.
Erwähnenswert sind in diesem Zusammenhang auch die Bemühungen der BH Kitzbühel die notwendig waren um zu den Identitätsdaten der angegebenen Lenkerin zu gelangen (siehe Straferkenntnis S 6). Dieses Verhalten ist nicht mehr als initiatives Mitwirken des Beschuldigten zu verstehen.
Im übrigen ergibt sich bei Würdigung aller Zeugenaussagen ein derart auffallender Widerspruch zwischen den einzelnen Aussagen, dass eine Verwertbarkeit auf Grund der stark eingeschränkten Glaubwürdigkeit nicht möglich ist.
Der Beschuldigte gab bspw an, dass er zuerst in seine Wohnung gegangen sei und dann als er den Verlust seines Mobiltelefons bemerkt habe, sei er zu seinem PKW zurückgegangen. Seine Lebensgefährtin hingegen gab an, sie sei alleine in die Wohnung hinaufgegangen und der Beschuldigte wäre von Anfang an unten geblieben.
Der Beschuldigte behauptete weiters, dass er seinen Sohn geholt habe um ihn als Zeugen der Amtshandlung beizuziehen. Dieser wiederum sagte aus, auf Grund von Stimmen, die er vor dem Haus gehört habe, vor die Türe gegangen zu sein um eine Zigarette zu rauchen und zu sehen was los sei. Vor der Türe habe er dann sinngemäß mitbekommen, dass sein Vater in eine Amtshandlung mit zwei Polizisten involviert war. Nähere Details der Amtshandlung will der Zeuge C aber nicht wahrgenommen haben, obwohl er nach seinen Angaben nur wenige Meter daneben stand.
Der die Amtshandlung leitende Beamte GI P gab als Zeuge vernommen an, dass er eine weitere Person erst am Ende der Amtshandlung (das war als der Beschuldigte schon im Dienstwagen saß) aus der Haustüre treten sah.
Der zweite Polizeibeamte gab an, dass er eine weitere Person (die aus dem Haus kam und eine Zigarette rauchte) ungefähr zur Mitte der Amtshandlung wahrgenommen hat.
Andererseits finden sich auch Übereinstimmungen zwischen allen Aussagen.
Unstrittig ist in diesem Zusammenhang, dass zum Zeitpunkt der Amtshandlung frischer Neuschnee lag.
Der Beschuldigte, sein Sohn, dessen Lebensgefährtin und GI P gaben übereinstimmend an, dass das Fahrzeug des Beschuldigten vor der Haustüre stand. Insp. S beschreibt den Abstellort als am rechten Rand (des Vorplatzes) gelegen. Wenn man zu Grunde legt, dass die Treppe die zur Haustür des Beschuldigten führt am rechten Gebäuderand ist, ergibt sich zu dieser Tatsache eine Überdeckung aller Aussagen.
Die Entfernung des Fahrzeuges vom Gebäude ergibt sich zum Einen aus dem Faktum, dass laut TIRIS-Auszug der Vorplatz am rechten Grundstücksrand nur etwas über fünf Meter breit ist (gerechnet ab Dachkante) und ein Pkw der Type Jeep Cherokee zwischen 4199-4288 mm lang ist. Laut der vom Beschuldigten selbst vorgelegten Lichtbilder ergibt sich eine Überdeckung des Vorplatzes durch das Dach lediglich für eine Tiefe von 170cm. Wobei zu berücksichtigen ist, dass die zur Haustür führende Treppe in diesen Bereich hineinragt, sodass ein Vorfahren bis zur Hauswand nicht möglich ist. Das Fahrzeug des Beschuldigten passt aber auch dann nicht zur Gänze unter das Vordach wenn man es bündig an die Hausmauer parken würde.
Soweit ergibt sich die zwingende Feststellung, dass das Fahrzeug des Beschuldigten nicht zur Gänze im schneefreien Bereich unter dem Vordach gestanden haben könnte.
Insofern sind die Angaben des Zeugen GI P, dass ihm die für die Angaben des Beschuldigten sprechenden, fehlenden Spuren im Schnee aufgefallen sind, nicht unglaubwürdig. Dies wird auch durch die Wahrnehmungen des zweiten Beamten, der das § 57a-Pickerl am Fahrzeug des Beschuldigten (beifahrerseitig angebracht) kontrollierte, bestätigt.
Im übrigen hätte der Beschuldigte die örtliche Situation auch am nächsten Tag noch fotografisch dokumentieren können. Zumal nach seinen Angaben auf der Beifahrerseite, auch zu diesem Zeitpunkt nur die Spuren des zweiten Polizeibeamten feststellbar gewesen wären.
Zusammengefasst ergibt sich für den Unabhängigen Verwaltungssenat in Tirol daher zweifelsfrei, dass der Beschuldigte am 15.12.2011 seinen PKW selbst in einem durch Alkohol beeinträchtigen Zustand gelenkt hat."
In rechtlicher Hinsicht ging die belangte Behörde von einer Verwirklichung des Tatbildes des Lenkens eines Fahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand aus und nahm bei der Strafbemessung den Unrechtsgehalt der angelasteten Tat als erheblich an. Der Beschwerdeführer habe dem Interesse an der Vermeidung von Gefahren, welche von alkoholbeeinträchtigten Lenkern ausgingen in erheblicher Weise zuwider gehandelt und habe dies vorsätzlich gemacht. Mildernd sei die bisherige Unbescholtenheit des Beschwerdeführers zu sehen, als erschwerend jedoch die absolut fehlende Einsicht zu werten. In Anbetracht des zur Verfügung stehenden Strafrahmens sowie des Gesamtverhaltens des Beschwerdeführers sei die von der erstinstanzlichen Behörde ausgesprochene Geldstrafe jedenfalls schuld- und tatangemessen. Insbesondere aus spezialpräventiven Gründen und dem massiv leugnenden Verhalten des Beschwerdeführers sei beim vorliegenden Sachverhalt die Verhängung der gesetzlichen Mindeststrafe nicht ausreichend.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer wendet sich in seiner Beschwerde unter dem Aspekt der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften in erster Linie gegen die Beweiswürdigung der belangten Behörde.
Nach der Rechtsprechung bedeutet der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 45 Abs. 2 AVG) nicht, dass der in der Begründung des Bescheides niederzulegende Denkvorgang der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht unterliegt. Die Bestimmung des § 45 Abs. 2 AVG hat nur zur Folge, dass die Würdigung der Beweise keinen gesetzlichen Regeln unterworfen ist. Dies schließt aber eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Richtung nicht aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, also nicht den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut widersprechen. Unter Beachtung dieser Grundsätze hat der Verwaltungsgerichtshof auch zu prüfen, ob die Behörde im Rahmen ihrer Beweiswürdigung alle in Betracht kommenden Umstände vollständig berücksichtigt hat. Hingegen ist der Verwaltungsgerichtshof nicht berechtigt, eine Beweiswürdigung der belangten Behörde, die einer Überprüfung unter den genannten Gesichtspunkten stand hält, auf ihre Richtigkeit hin zu beurteilen, das heißt sie mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Ablauf der Ereignisse bzw. ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 2008, Zl. 2007/02/0360, mwN).
Vor diesem Hintergrund ist nicht zu sehen, dass die Beweiswürdigung der belangten Behörde allein deshalb unschlüssig wäre, weil etwa die Polizeibeamten Spuren im Schnee nicht fotografiert hätten und deshalb keine objektiven Beweismittel vorlägen oder der Beschwerdeführer nicht sofort nach dem "wahren Fahrer" gefragt worden sei. Gleiches gilt für die vom Beschwerdeführer aufgeworfene Frage, wo im Fahrzeug er sein Handy gesucht bzw. gefunden habe. Wie selbst der Beschwerdeführer einräumt, hat sich die belangte Behörde umfassend mit den Beweisergebnissen auseinandergesetzt und daraus in nicht unschlüssiger Form gefolgert, dass der Beschwerdeführer das Fahrzeug gelenkt hat. Inwiefern der Umstand, dass die beiden Protokolle der Verhandlungen nach Erlassung des angefochtenen Bescheides dem Vertreter des Beschwerdeführers zugestellt worden sein sollen, als wesentlicher Verfahrensmangel zu werten sei, der zu einem anderen Bescheid hätte führen können, lässt die Beschwerde offen.
Als inhaltliche Rechtswidrigkeit rügt der Beschwerdeführer die Strafbemessung, weil eine leugnende Verantwortung nicht als Erschwerungsgrund herangezogen werden könne.
Dabei übersieht der Beschwerdeführer, dass sich die belangte Behörde auch in diesem Punkt vertieft mit den Strafbemessungsgründen auseinandergesetzt hat und insbesondere die fehlende Einsicht des Beschwerdeführers und sein vorsätzliches Handeln einer Wertung unterzogen hat. Vor diesem Hintergrund ist die ohnehin knapp bei der Mindeststrafe angesiedelte Geldstrafe nicht zu beanstanden.
Insgesamt erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 19. Oktober 2012
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2012:2012020127.X00Im RIS seit
13.11.2012Zuletzt aktualisiert am
03.01.2013