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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §13 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde der G in Wien, vertreten durch Mag. Banu Kurtulan, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Rotenturmstraße 19/32, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 27. Mai 2010, Zl. 118.819/15-III/4/10, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid vom 27. Mai 2010 wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin, einer türkischen Staatsangehörigen, gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 30. November 2009 ab. Mit diesem Bescheid hatte die erstinstanzliche Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin vom 14. September 2009 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 13 Abs. 3 AVG iVm § 19 Abs. 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) zurückgewiesen.
In der Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die Beschwerdeführerin sei mit Schreiben der erstinstanzlichen Behörde vom 3. November 2009 aufgefordert worden, alle vorliegenden Werk- und Dienstverträge sowie Honorarnoten vorzulegen. In diesem Schreiben seien auch die Rechtsfolgen bei Nichterfüllung des Verbesserungsauftrages angeführt gewesen. Diese Aufforderung sei der Beschwerdeführerin am 5. November 2009 persönlich ausgefolgt worden. Innerhalb der gewährten Frist sei dem Verbesserungsauftrag nicht in geeigneter Weise entsprochen worden. Die Beschwerdeführerin habe zwar am 12. November 2009 Unterlagen übermittelt, wie etwa einen Kontoauszug über die von der Beschwerdeführerin geleisteten Sozialversicherungsbeiträge, eine Rechnung betreffend die Pacht einer Toilettenanlage, eine Vorladung des Finanzamtes sowie eine Strafregisterbescheinigung. Die von der Behörde verlangten Unterlagen hätte die Beschwerdeführerin jedoch nicht vorgelegt. Zu den von der Beschwerdeführerin der Behörde zur Verfügung gestellten Schriftstücken sei auszuführen, dass diese nicht geeignet seien, den Nachweis eines gesicherten Lebensunterhaltes zu erbringen. Dadurch sei eine geschäftsmäßige Behandlung des Antrages nicht möglich gewesen, weil wesentliche Unterlagen, zu denen der Nachweis des gesicherten Unterhaltes zähle, trotz Verbesserungsauftrages im Verfahren nicht vorgelegt worden seien.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:
Zutreffend erkannte die belangte Behörde, dass sie auf Grund des Gegenstandes der erstinstanzlichen Entscheidung nur über die Rechtmäßigkeit des Zurückweisungsbescheides entscheiden durfte. Die erstinstanzliche Behörde durfte nur dann die sachliche Behandlung des Antrags mangels fristgerechter Befolgung des Verbesserungsauftrages verweigern, wenn dem Antrag ein "Mangel" anhaftete, dieser also von für die Partei erkennbaren Anforderungen des Materiengesetzes oder des AVG an ein vollständiges fehlerfreies Anbringen abwich (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Juni 2010, 2010/22/0055). Die belangte Behörde hatte die Beschwerdeführerin aufgefordert, "alle vorliegenden Werk- und Dienstverträge" sowie "Honorarnoten" vorzulegen. Damit erweist sich in
erster Linie die Bestimmung des § 7 Abs. 1 Z 7 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz-Durchführungsverordnung (NAG-DV; idF BGBl. II Nr. 97/2009) als maßgeblich. Danach sind dem Antrag auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels - unbeschadet weiterer Urkunden und Nachweise nach den §§ 8 und 9 - u.a. anzuschließen:
"Nachweis des gesicherten Lebensunterhaltes insbesondere Lohnzettel, Lohnbestätigungen, Dienstverträge, arbeitsrechtliche Vorverträge, Bestätigungen über Pensions-, Renten- oder sonstige Versicherungsleistungen, Nachweise über das Investitionskapital, Nachweis eigenen Vermögens in ausreichender Höhe oder in den bundesgesetzlich vorgesehenen Fällen eine Haftungserklärung oder Patenschaftserklärung".
Der Gerichtshof hat, etwa im zitierten Erkenntnis 2010/22/0055, dargelegt, der Umstand, dass einem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels der Nachweis des gesicherten Lebensunterhalts im Sinn des § 7 Abs. 1 Z 7 NAG-DV fehlt, dürfe nicht als Mangel im Sinn des § 13 Abs. 3 AVG beurteilt werden, der zur Zurückweisung eines Antrages führen könnte. Vielmehr geht es dabei um eine Erfolgsvoraussetzung, sodass es allenfalls zur Abweisung des Antrages, im Fall eines Verlängerungsantrages zu einer Vorgangsweise nach § 25 NAG kommt.
Daraus ergibt sich, dass im gegenständlichen Fall zu Unrecht ein Verbesserungsauftrag nach § 13 Abs. 3 AVG erging. Demgemäß erweist sich die auf die Nichtbefolgung des Auftrags gestützte Antragszurückweisung als nicht rechtmäßig.
Der angefochtene Bescheid war daher wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Umsatzsteuer im Pauschalbetrag bereits enthalten ist.
Wien, am 13. Oktober 2011
Schlagworte
Besondere RechtsgebieteFormgebrechen nicht behebbare NICHTBEHEBBARE materielle MängelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2011:2010220115.X00Im RIS seit
11.11.2011Zuletzt aktualisiert am
23.12.2011