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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
ABGB §1332;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des H in S, vertreten durch Dr. Peter Lechenauer und Dr. Margrit Swozil, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Hubert-Sattler-Gasse 10, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom 23. März 2010, Zl. E1-5401/7/2009, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 23. März 2010 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers, eines pakistanischen Staatsangehörigen, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist gemäß § 71 Abs. 1 Z 1 AVG ab.
Zur Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus:
Dem Vertreter des Beschwerdeführers sei der erstinstanzliche Bescheid vom 11. August 2009 am 13. August 2009 zugestellt worden. Die Berufung sei erst am 28. August 2009 zur Post gegeben worden. Die verspätete Aufgabe der "von Ihnen" verfassten Berufung gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Salzburg vom 11. August 2009 durch die Kanzleibedienstete, Frau A, sei auf Grund der vorliegenden Aktenlage "definitiv" kein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis gewesen. Die Bedienstete möge zwar eine langjährige und auch verlässliche Bedienstete "Ihrer" Kanzlei sein, jedoch handle es sich bei der verspäteten Postaufgabe auf Grund einer unkorrekten Fristen- bzw. Terminvormerkung um ein Fehlverhalten von Frau A. Wäre die ausgewiesene Vertretung der ihr zumutbaren Überwachungspflicht nachgekommen, hätte eine verspätete Postaufgabe verhindert werden können.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:
Gemäß § 71 Abs. 1 Z 1 AVG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung zu bewilligen, wenn sie glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen, und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft. Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinn des § 1332 ABGB zu verstehen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 6. August 2009, 2008/22/0019).
Wie sich aus der zitierten Bescheidbegründung ergibt, legte die belangte Behörde ihrem Bescheid die Feststellung zu Grunde, dass die "Fristen- bzw. Terminvormerkung" nicht korrekt eingetragen worden sei. Diese Feststellung ist nicht schlüssig begründet und es liegen ihr keine Ermittlungsergebnisse zu Grunde. Im Wiedereinsetzungsantrag wurde vorgebracht, dass die bereits mit 19. August 2009 verfasste Berufung - auf der Kanzleikopie sei der letzte Tag der Berufungsfrist (27. August 2009) vermerkt - durch die seit Jahren in der Kanzlei tätige verlässliche Mitarbeiterin A erst am 28. August 2009 morgens beim Postamt aufgegeben worden sei. Der Fristenvormerk sei im Tagsatzungskalender mit 27. August 2009 als letzter Tag eingetragen worden. Auch auf der Kanzleikopie der Berufung sei der handschriftliche Abfertigungsvermerk 27. August 2009 angebracht worden. Somit hätten die Vertreter des Beschwerdeführers davon ausgehen können, dass die rechtzeitig verfasste und zur Postabfertigung der verlässlichen Mitarbeiterin übergebene Berufung auch am 27. August 2009 postalisch abgefertigt werde.
Die erstinstanzliche Behörde hat unter Zugrundelegung dieser vorgebrachten Tatsachen die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages darauf gestützt, dass der Schriftsatz bereits am 19. August 2009 verfasst worden sei und es sich somit nicht um ein unvorhersehbares oder unabwendbares Ereignis handeln könne, wenn bis zur Postaufgabe mindestens sieben Tage Zeit geblieben (gemeint: verstrichen) wären.
In der Berufung gegen diesen Bescheid wurde vorgebracht, dass zwar die Berufung mit 19. August 2009 datiert sei. Dies bedeute jedoch nicht, dass der Schriftsatz auch an diesem Tag fertiggestellt worden sei, weil im verwendeten EDV-Programm das Datum auf den jeweiligen Schriftsätzen dem Datum entspreche, an welchem der Schriftsatz im EDV-Programm angelegt worden sei. Der am 19. August 2009 erstmals erfasste Schriftsatz sei in den darauf folgenden Tagen weiterhin bearbeitet und erst am letzten Tag der Frist ausgedruckt, der Vertreterin zur Unterschrift vorgelegt und der langjährigen Sekretärin Frau A zur Postaufgabe übergeben worden.
Die belangte Behörde ist von einem unrichtigen Fristenvormerk im Terminkalender der Vertreter des Beschwerdeführers ausgegangen. Eine Begründung für diese Feststellung fehlt und es ist dafür auch keine Grundlage im Verwaltungsakt zu sehen. Der belangten Behörde ist somit ein Verfahrensmangel vorzuwerfen.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG - in einem nach § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am 13. Oktober 2011
Schlagworte
Begründung BegründungsmangelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2011:2010220070.X00Im RIS seit
11.11.2011Zuletzt aktualisiert am
27.12.2011