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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §13;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des HS in Wien, vertreten durch Dr. Wolfgang Zatlasch, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Mariahilfer Straße 49, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 9. März 2010, Zl. 145.568/6-III/4/08, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.211,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 13. Juni 2008 wies der Landeshauptmann von Wien den "Antrag" des Beschwerdeführers vom 8. April 2008 gemäß § 19 Abs. 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) zurück, weil der Beschwerdeführer "unzulässigerweise mehrere Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels" gestellt habe.
Mit Bescheid vom 9. März 2010 gab die belangte Behörde der gegen den erstinstanzlichen Bescheid gerichteten Berufung keine Folge.
Zur Begründung verwies sie im Wesentlichen darauf, dass der Beschwerdeführer über eine Aufenthaltsbewilligung "Schüler" mit Gültigkeit bis 7. August 2007 verfügt habe. Am 22. Juni 2007 habe er die Verlängerung dieser Aufenthaltsbewilligung beantragt. Weiters habe er eine Zweckänderung in Richtung einer Niederlassungsbewilligung "Schlüsselkraft - unselbständig" beantragt. Dieser Zweckänderungsantrag sei auf Grund der negativen Entscheidung über die Zulassung als Schlüsselkraft eingestellt worden. Der Verlängerungsantrag sei gemäß § 25 Abs. 1 NAG an die Fremdenpolizei übermittelt worden. Die in erster Instanz erlassene Ausweisung sei in zweiter Instanz behoben worden; der Verlängerungsantrag sei daher noch offen.
Am 8. April 2008 habe der Beschwerdeführer den gegenständlichen "Verlängerungsantrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung 'Studierender' verbunden mit einem Zweckänderungsantrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung 'Selbständiger' gestellt".
Gemäß § 19 Abs. 2 NAG sei das gleichzeitige Stellen mehrerer Anträge und das Stellen weiterer Anträge während eines anhängigen Verfahrens unzulässig. Der gegenständliche Antrag sei entgegen § 19 Abs. 1 NAG nicht persönlich gestellt worden. Weil es sich jedoch um eine Doppelantragstellung handle, sei eine Verbesserung nicht erforderlich. Da der Beschwerdeführer entgegen § 19 Abs. 2 NAG gleichzeitig mehrere Anträge gestellt und weitere Anträge während eines anhängigen Verfahrens gestellt habe, sei der Antrag zurückzuweisen gewesen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde in einem nach § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Der belangten Behörde ist insoweit Recht zu geben, dass gemäß § 19 Abs. 2 NAG sowohl das gleichzeitige Stellen mehrerer Anträge als auch das Stellen weiterer Anträge während eines anhängigen Verfahrens unzulässig ist. Vorliegend bestätigte die belangte Behörde die Zurückweisung eines "Antrags" vom 8. April 2008. Dieser Schriftsatz weist im Kopf die Bezeichnung "Zweckänderungsantrag zur Aufenthaltsbewilligung" auf und enthält folgendes Begehren: "Darüber hinaus ändert nunmehr der Einschreiter seinen Zweckänderungsantrag dahingehend ab, dass eine Aufenthaltsbewilligung als Selbständiger eingeräumt werden möge unter Aufrechterhaltung des Verlängerungsantrages. … Der Einschreiter stellt den Antrag, die vorliegenden Urkunden dem Verfahren zugrunde zu legen und auch die Präzisierung des Zweckänderungsantrages bei der Entscheidung zu berücksichtigen."
Es handelt sich bei diesem Schriftsatz somit einerseits um eine Reaktion auf die Mitteilung der erstinstanzlichen Behörde vom 19. März 2008 über die Einleitung eines Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung gemäß § 25 Abs. 1 NAG und andererseits um eine Änderung des bisherigen Zweckänderungsantrages.
Grundsätzlich stellt die beabsichtigte "Präzisierung" eines bereits eingebrachten Antrags keinen neuen Antrag dar. Dies gilt auch für nach dem NAG grundsätzlich zulässige Antragsänderungen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 31. Mai 2011, 2011/22/0075).
Da somit ein von der Behörde angenommener "Doppelantrag" nicht vorliegt, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht - im begehrten Umfang - auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am 13. Oktober 2011
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2011:2010220065.X00Im RIS seit
11.11.2011Zuletzt aktualisiert am
20.08.2014