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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §59 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Hinterwirth, Dr. Enzenhofer, Dr. N. Bachler und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pühringer, über die Beschwerde der B Transportgesellschaft m.b.H. in N, vertreten durch Onz, Onz, Kraemmer, Hüttler Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schwarzenbergplatz 16, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom 29. Juli 2010, Zl. UW.4.1.6/0324-I/5/2010 idF des Berichtigungsbescheides vom 11. August 2010, Zl. UW.4.1.6/0369- I/5/2010, betreffend Entzug einer wasserrechtlichen Bewilligung nach § 27 Abs. 4 WRG 1959, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Zum Sachverhalt und zur Vorgeschichte dieser Beschwerdesache wird auf das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2010/07/0022, verwiesen.
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich (LH) vom 28. Mai 2010 wurde der Beschwerdeführerin die wasserrechtliche Bewilligung des LH vom 5. September 2008 gemäß § 27 Abs. 4 WRG 1959 entzogen.
Dagegen erhob die beschwerdeführende Partei Berufung an die belangte Behörde.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab.
Begründend führte die belangte Behörde aus, dass mit Bescheid des LH vom 5. September 2008 der Beschwerdeführerin eine wasserrechtliche Bewilligung erteilt sowie gemäß § 11 Abs. 2 WRG 1959 als Sicherheitsleistung die Vorlage eines Bankhaftbriefes bis spätestens 31. Oktober 2008 vorgeschrieben worden sei. Zudem sei angeordnet worden, dass vor dem nachweislichen Einlangen der Bankgarantie bei der Behörde nicht mit den Bauarbeiten begonnen werden dürfe.
Mit Schreiben des LH vom 9. März 2010 sei die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 27 Abs. 4 WRG 1959 (Entzug der wasserrechtlichen Bewilligung) förmlich gemahnt worden. Mit weiterem Schreiben des LH vom 19. April 2010 sei neuerlich unter Androhung der Entzugsfolge gemahnt worden. Beide Mahnschreiben seien der beschwerdeführenden Partei nachweislich zugestellt worden.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, dass die Möglichkeit bestünde, bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 27 Abs. 4 WRG 1959 nach wiederholter Mahnung unter Hinweis auf die Rechtsfolgen eine wasserrechtliche Bewilligung zu entziehen. Der LH habe die beschwerdeführende Partei zumindest zweimal unter Hinweis auf die Rechtsfolgen gemahnt. In der Berufung würden diese Umstände von der Beschwerdeführerin auch nicht bestritten.
Auf Grundlage des § 11 Abs. 2 WRG 1959 könne die Behörde eine angemessene Sicherstellung auferlegen, um die Einhaltung der Bescheidauflagen bzw. die Beseitigung von Anlagenteilen zu gewährleisten. Mit dem wasserrechtlichen Bewilligungsbescheid vom 5. September 2008 sei eine solche Sicherheitsleistung vorgeschrieben worden. Ein Bankhaftbrief sei nach der Aktenlage und dem Vorbringen der Beschwerdeführerin bis dato indessen nicht vorgelegt worden.
Die Beschwerdeführerin meine, dass die Vorschreibung der Sicherheitsleistung nicht rechtswirksam sei, weil sie die wasserrechtliche Bewilligung noch nicht "konsumiert" habe. Dies sei jedoch unrichtig. Der LH hätte in seinem Bescheid vom 5. September 2008 nämlich die Vorlage eines Bankhaftbriefes als unbedingte Verpflichtung formuliert. Dieser Verpflichtung sei die beschwerdeführende Partei bis 31. Oktober 2008 nicht nachgekommen. Sie sei nachweislich zweimal unter Hinweis auf die Rechtsfolgen gemäß § 27 Abs. 4 WRG 1959 gemahnt worden. Es sei daher festzuhalten, dass diese Anordnung des Bewilligungsbescheides trotz wiederholter Mahnung nicht eingehalten worden und daher die Entziehung zu Recht erfolgt sei.
Die Ansicht der Beschwerdeführerin, es handle sich um eine Nebenbestimmung mit aufschiebend bedingtem Charakter, finde weder im Wortlaut des wasserrechtlichen Bewilligungsbescheides noch in der zugrunde liegenden gesetzlichen Bestimmung eine Deckung.
Nach den allgemein gültigen Interpretationsregeln der §§ 6 bis 8 ABGB sei bei der Auslegung von Gesetzen als auch von Bescheiden zunächst auf den klaren Wortlaut Bedacht zu nehmen. Ein Abweichen sei nur in hier nicht vorliegenden Ausnahmefällen zulässig. Der Wortlaut der Bestimmung im bezughabenden Spruchteil des LH-Bescheides vom 5. September 2008 verpflichte die Beschwerdeführerin "ausdrücklich und unmissverständlich", die Bankgarantie vor Inangriffnahme der Bauarbeiten bis spätestens 31. Oktober 2008 vorzulegen. Eine solche Vorlage sei nicht erfolgt.
Mit Bescheid vom 11. August 2010 berichtigte die belangte Behörde ihren Bescheid vom 29. Juli 2010 gemäß § 62 Abs. 4 AVG.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird.
Die Beschwerdeführerin bringt vor, sie stelle außer Streit, dass der LH zwei Mahnungen an sie gerichtet und sie selbst bis dato keine Sicherheitsleistung im Sinne der wasserrechtlichen Bewilligung vom 5. September 2008 erlegt habe. Damit habe sie aber nicht im Sinne des § 27 Abs. 4 WRG 1959 gegen den Bewilligungsbescheid oder eine sonstige Rechtsvorschrift verstoßen, da der Erlag der Sicherheitsleistung erst dann erforderlich sei, wenn damit begonnen werde, das mit der Bewilligung erteilte Recht zu konsumieren. Dies sei bis dato nicht der Fall. Gegenteiliges werde auch von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid nicht behauptet.
Diese vertrete im angefochtenen Bescheid vielmehr die Auffassung, dass die Vorschreibung der Sicherstellung eine unbedingte Verpflichtung sei und nicht - wie eine Nebenbestimmung -
aufschiebend bedingten Charakter habe. Diese Auffassung sei unrichtig.
Die Vorschreibung einer Sicherstellung für die Durchführung von Maßnahmen vor Inanspruchnahme der wasserrechtlichen Bewilligung sei nicht möglich. Zwischen der Inanspruchnahme der Bewilligung und der Verpflichtung zum Erlag der Sicherheit bestehe ein unauflöslicher Zusammenhang. Beide Verpflichtungen entstünden "mehr oder weniger gleichzeitig". Die Rechtsgrundlage für die Sicherstellung sei in einer Bestimmung zu finden, die mit "Bewilligung" überschrieben sei. Schon diese systematische Einordnung zeige, dass die Vorschreibung der Sicherstellung Teil der wasserrechtlichen Bewilligung (eine Nebenbestimmung zu dieser) sein solle. Auch wenn eine Trennung des Ausspruches über die Sicherstellung von der wasserrechtlichen Bewilligung zulässig sein sollte, sei es keinesfalls möglich, eine Sicherstellung vor oder überhaupt unabhängig von der Bewilligung vorzuschreiben. Daraus ergebe sich, dass die Vorschreibung einer Sicherheitsleistung keine unbedingte Verpflichtung normiere, sondern erst dann wirksam werde, wenn die wasserrechtliche Bewilligung konsumiert würde.
Davon sei die Frage zu trennen, ob der entsprechende Spruchteil der wasserrechtlichen Bewilligung vom 5. September 2008 eine derartige Auslegung zulasse. Dies sei nicht der Fall. Der Spruchteil enthalte keine explizite Anordnung, dass die Sicherstellung auch unabhängig von der Inanspruchnahme der wasserrechtlichen Bewilligung zu leisten sei. Der Bewilligungsbescheid enthalte in einem anderen Spruchteil einzuhaltende Auflagen. Diese seien dem Wortlaut nach sofort erfüllbare Verpflichtungen. Dennoch sei bei diesen Vorschreibungen unstrittig, dass sie erst nach Inanspruchnahme der Bewilligung erfüllt werden müssten. Dafür bedürfe es keiner ausdrücklichen Erwähnung im Bescheid; dies ergebe sich schon aus dem akzessorischen Charakter der Nebenbestimmungen des Bescheides. Der Wortlaut des Spruchabschnittes C, in dem die Verpflichtung zur Sicherheitsleistung festgelegt werde, stünde einer "gesetzeskonformen bzw. teleologischen Interpretation der Anordnung nicht entgegen". Zweck der Anordnung sei folgender: Die Behörde strebe eine Sicherstellung für Maßnahmen oder notwendige Arbeiten an, zu denen die Beschwerdeführerin erst nach Inanspruchnahme der wasserrechtlichen Bewilligung verpflichtet sei. Die Beschwerdeführerin sei nicht verpflichtet, die Sicherheitsleistung auch dann bis zum 31. Oktober 2008 zu erlegen, wenn sie zu diesem Zeitpunkt die wasserrechtliche Bewilligung noch nicht konsumiert habe.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Zu dieser Gegenschrift erstattete die Beschwerdeführerin eine Replik.
Zu dieser Replik der Beschwerdeführerin erstattete die belangte Behörde eine weitere Äußerung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Aus dem Wortlaut des wasserrechtlichen Bewilligungsbescheides des LH vom 5. September 2008 (siehe dessen Wiedergabe im Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2010/07/0022) ergibt sich, dass es sich im Beschwerdefall bei der Sicherstellung um eine eigenständige, selbständig vollstreckbare und unbedingte Verpflichtung handelt. Darüber hinaus wird ausdrücklich angeordnet, dass vor dem Erlag der Sicherstellung nicht mit den Bauarbeiten begonnen werden dürfe.
Hinsichtlich der Qualifikation der Sicherstellung nach § 11 Abs. 2 WRG 1959 ist gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2010/07/0022 zu verweisen. Daraus ergibt sich, dass sich die Auferlegung einer Sicherheitsleistung nach § 11 Abs. 2 WRG 1959 wesentlich von den in einem wasserrechtlichen Bewilligungsbescheid vorgeschriebenen Auflagen unterscheidet.
Der Wortlaut des Spruchabschnittes betreffend die Sicherheitsleistung im rechtskräftigen Titelbescheid des LH vom 8. September 2008, dessen Rechtmäßigkeit vom Verwaltungsgerichtshof nicht mehr überprüft werden kann, knüpft die Vorlage des dort geforderten Bankhaftbriefes nicht an die Tatsache, dass der Beschwerdeführer von der ihm erteilten wasserrechtlichen Bewilligung Gebrauch macht. Die diesbezüglichen Beschwerdeausführungen gehen somit ins Leere.
Gemäß § 27 Abs. 4 WRG 1959 hat die Behörde eine Bewilligung zu entziehen, wenn ungeachtet wiederholter Mahnung unter Hinweis auf die Rechtsfolgen die anlässlich der Bewilligung, der Änderung der Bewilligung (§ 21a) oder Überprüfung angeordneten Maßnahmen nicht durchgeführt oder Auflagen nicht eingehalten werden.
Die im Bescheid des LH vom 5. September 2008 vorgeschriebene Sicherheitsleistung stellt eine anlässlich der Bewilligung angeordnete Maßnahme im Sinne des § 27 Abs. 4 WRG 1959 dar.
Dem in § 27 Abs. 4 WRG 1959 normierten Erfordernis "wiederholter Mahnung" ist mit einer mindestens zweimaligen Mahnung, die anlässlich der wasserrechtlichen Bewilligung gestellten Bedingungen einzuhalten, entsprochen (vgl. die bei Bumberger/Hinterwirth, WRG, 2008, § 27 E 29 zitierte hg. Judikatur).
Die Entziehung der Bewilligung ist nur zulässig, wenn - neben dem Vorliegen wiederholter, zu Recht erfolgter Mahnungen - zum Zeitpunkt der Erlassung des Entziehungsbescheides die anlässlich der Bewilligung, der Änderung der Bewilligung oder Überprüfung angeordneten Maßnahmen nicht durchgeführt oder Auflagen nicht eingehalten werden. Es muss also zum Zeitpunkt der Erlassung des Entziehungsbescheides ein konsenswidriger Zustand andauern (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. September 1997, Zl. 96/07/0239, mwN).
Die Beschwerdeführerin stellt außer Streit, dass an sie zwei Mahnungen ergangen sind und sie bis dato keine Sicherheitsleistung im Sinne des Bewilligungsbescheides vom 5. September 2008 erlegt hat.
Die Voraussetzungen zur Entziehung der wasserrechtlichen Bewilligung sind somit gegeben.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am 13. Oktober 2011
Schlagworte
Trennbarkeit gesonderter AbspruchDefinition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7Auslegung unbestimmter Begriffe VwRallg3/4Rechtsgrundsätze Auflagen und Bedingungen VwRallg6/4European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2011:2010070162.X00Im RIS seit
11.11.2011Zuletzt aktualisiert am
09.01.2015