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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §38;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Riedinger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Sellner, über die Beschwerde des F in W, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Dr. Peter Ringhofer, und andere Rechtsanwälte in Wien I, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Unterricht und und kulturelle Angelegenheiten vom 27. August 1999, Zl. 1873.090337/5- III/D/16/99, betreffend die Aussetzung eines dienstrechtlichen Verfahrens gemäß § 38 AVG, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer steht als Professor der Verwendungsgruppe L 1 in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund.
Die Vorgeschichte des Beschwerdefalles ist dem hg. Beschluss vom 27. Oktober 1999, Zl. 99/12/0128, zu entnehmen. Daraus ist festzuhalten: Mit der am 23. April 1999 bei Gericht eingelangten (und tags zuvor zur Post gegebenen), zur Zl. 99/12/0128 protokollierten Säumnisbeschwerde hatte der Beschwerdeführer geltend gemacht, dass die belangte Behörde über seinen Antrag vom 3. November 1997 betreffend "Neufestsetzung des Vorrückungsstichtages und Bezugsnachzahlung" nicht entschieden habe. Aufs Wesentlichste zusammengefasst, geht es dem Beschwerdeführer seinem Vorbringen zufolge darum, dass ihm bei der bescheidmäßigen Festsetzung des Vorrückungsstichtages Zeiten als Studienreferendar bzw. Studienrat in der Bundesrepublik Deutschland vom 1. Februar 1976 bis 31. August 1979 nur zur Hälfte berücksichtigt worden seien. Nach Erlassung dieses Bescheides sei Österreich der Europäischen Union beigetreten. Hiedurch habe sich die Rechtslage wesentlich geändert, jedenfalls derart, dass dies zu einer Neufestsetzung des Vorrückungsstichtages unter voller Anrechnung dieser Zeiten zu führen habe, womit sich auch seine besoldungsrechtliche Stellung ab dem 1. Jänner 1995 verbessern würde.
Infolge Erlassung des nun angefochtenen Bescheides wurde mit dem hg. Beschluss vom 27. Oktober 1999, Zl. 99/12/0128, die Säumnisbeschwerde als gegenstandslos erklärt und das diesbezügliche Verfahren eingestellt (das Nähere ist diesem Beschluss zu entnehmen).
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde das vom Beschwerdeführer angestrengte Verfahren betreffend die Neufestsetzung des Vorrückungsstichtages und Bezugsnachzahlung gemäß § 38 AVG bis zur Entscheidung des beim Obersten Gerichtshof anhängigen Verfahrens 8 ObA 224/97t ausgesetzt.
Aufs Wesentlichste zusammengefasst, wurde dies damit begründet, dass bei der Lösung der Frage, ob die streitverfangenen Zeiträume, welche vorliegendenfalls nur zur Hälfte berücksichtigt worden seien, im Hinblick auf europarechtliche Vorschriften zur Gänze anzurechnen seien, als Vorfrage zu klären sei, ob derartige Vordienstzeiten im öffentlichen Dienst der EU- oder EWR-Staaten, die einer Anstellung bei einer österreichischen Gebietskörperschaft entsprächen, oder Beschäftigungen an Schulen mit staatlich anerkanntem Bildungsabschluss, Hochschulen oder Universitäten dieser Staaten, auf Grund der europarechtlichen Normen rechtlich so zu behandeln seien, als ob sie bei inländischen Gebietskörperschaften oder an inländischen öffentlichen Schulen und Universitäten zurückgelegt worden wären. Zudem stelle sich insbesondere die Frage, ob diese Vordienstzeiten kraft Vorranges von Art. 48 EG-V ohne zeitliche Einschränkung wie entsprechende inländische Vordienstzeiten für die Entlohnung zu berücksichtigen seien.
Da diese für das gegenständliche Verfahren entscheidenden Vorfragen derzeit beim Obersten Gerichtshof "anhängig" seien, welcher sie zur Vorabentscheidung dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt habe, werde die vom Beschwerdeführer angestrebte bescheidmäßige Erledigung bis zur Entscheidung in diesem Verfahren ausgesetzt.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 38 AVG ist die Behörde berechtigt, sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrundezulegen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Behörde bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird.
Der Oberste Gerichtshof hat mit dem genannten Beschluss vom 30. April 1998, 8 ObA 224/97t-5 (veröffentlicht unter anderem in JBl. 1998, 598), in einem Feststellungsverfahren gemäß § 54 Abs. 2 ASGG dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
"1) 'Kann eine Vorabentscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften gemäß Art 177 des EG-Vertrages in einem Verfahren eingeholt werden, in dem auf Grund eines von einer Partei behaupteten, als wahr anzunehmenden, von namentlich bestimmten Personen unabhängigen Sachverhaltes über das Begehren dieser Partei auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens von Rechten oder Rechtsverhältnissen auf dem Gebiet des Arbeitsrechtes, die nach dem als wahr anzunehmenden Vorbringen dieser Partei für mindestens drei Arbeitgeber oder Arbeitnehmer von Bedeutung sind, vom Obersten Gerichtshof als erste und zugleich letzte Instanz zu entscheiden ist?'
Bei Bejahung der Frage 1):
2) 'Verbietet es Art 48 EG-Vertrag oder eine andere Vorschrift des Gemeinschaftsrechtes, insbesondere Art 7 der Verordnung des Rates Nr 1612/68, den für die Einreihung der bei der Antragsgegnerin beschäftigten Vertragslehrer und Vertragsassistenten in das jeweilige Entlohnungsschema maßgeblichen Vorrückungsstichtag insoweit unterschiedlich festzusetzen, als die in einer Beschäftigung mit mindestens der Hälfte des für Vollbeschäftigte vorgeschriebenen Ausmaßes in einem Dienstverhältnis zu einer inländischen Gebietskörperschaft oder im Lehrberuf an einer inländischen öffentlichen Schule, Universität, Hochschule oder an der Akademie der bildenden Künste oder an einer mit Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten inländischen Privatschule verbrachten Zeiten zur Gänze dem Tag der Anstellung vorangesetzt werden, während an vergleichbaren Institutionen von Mitgliedsstaaten verbrachte Zeiten nur mit Zustimmung des Bundesministers für Finanzen, wenn sie für die erfolgreiche Verwendung des Vertragsbediensteten von besonderer Bedeutung sind, zur Gänze, anderenfalls jedoch bei Beginn des Dienstverhältnisses bis zum 30. April 1995 zur Hälfte, bei späterem Beginn nur insoweit sie insgesamt drei Jahre nicht übersteigen, zur Hälfte berücksichtigt werden?'
Bei Bejahung der Fragen 1) und 2):
3) 'Findet die Anrechnung von an den genannten Institutionen vergleichbaren Einrichtungen in Mitgliedsstaaten verbrachten Zeiten zeitlich unbegrenzt statt?'"
Die Beschwerde ist jedenfalls im Ergebnis berechtigt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach bei ihm anhängige Beschwerdeverfahren gemäß § 38 AVG in Verbindung mit § 62 Abs. 1 VwGG bis zur (in einem anderen Verfahren bereits beantragten) Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften ausgesetzt, weil die diesbezügliche Frage auch im Beschwerdefall eine Vorfrage bilde, die zufolge des Auslegungsmonopols des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften in Angelegenheiten des (primären oder sekundären Gemeinschaftsrechtes) von einem anderen Gericht zu entscheiden sei (siehe beispielsweise die hg. Beschlüsse vom 18. Dezember 1997, Zl. 97/16/0175, vom 1. September 1999, Zl. 99/16/0279, oder auch vom 24. November 1999, Zl. 99/03/0068).
Im Beschwerdefall ist nicht zu prüfen, ob die belangte Behörde das bei ihr anhängige Verfahren betreffend den Beschwerdeführer (der ja in keinem vertraglichen, sondern in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund steht) im Hinblick auf eine inhaltliche Vergleichbarkeit der hier interessierenden Bestimmungen des § 26 VBG einerseits und des § 12 GG 1956 andererseits wegen des zuvor umschriebenen Auslegungsmonopols des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaft rechtens gemäß § 38 AVG bis zur Erledigung dieses Vorabentscheidungsersuchens des Obersten Gerichtshofes durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hätte unterbrechen können, weil die belangte Behörde diesen Weg nicht beschritten hat, vielmehr nach dem Spruch des angefochtenen Bescheides unmissverständlich auf die Erledigung des Verfahrens vor dem Obersten Gerichtshof abgestellt hat. Dieses (innerstaatliche) Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof ist aber vorliegendenfalls nicht präjudiziell im Sinne des § 38 AVG (die von der belangten Behörde in der Gegenschrift angenommene Bindungswirkung für das vorliegende Verfahren ist jedenfalls zu verneinen). Der Umstand, dass die Ergebnisse des Verfahrens vor dem Obersten Gerichtshof (im Sinne von wertvollen Hinweisen und dergleichen) wohl auch vorliegendenfalls nutzbar gemacht werden könnten, vermag daran nichts zu ändern.
Dadurch, dass die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Anzumerken ist, dass das Vorabentscheidungsersuchen des Obersten Gerichtshofes unterdessen mit dem Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 30. November 2000, C-195/98, erledigt wurde.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 19. Dezember 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1999120286.X00Im RIS seit
28.02.2002