TE Vwgh Erkenntnis 2011/10/13 2008/22/0850

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Veröffentlicht am 13.10.2011
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

AuslBG §2 Abs5;
AuslBG §24;
NAG 2005 §41 Abs3;
NAG 2005 §46 Abs3;
VwGG §42 Abs3;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):2008/22/0851

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder sowie die Hofrätinnen Mag. Merl und Dr. Julcher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerden

1. des FM, und 2. der EM, beide in S, beide vertreten durch Dr. Klaus Kocher & Mag. Wilfried Bucher, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Friedrichgasse 31, gegen die Bescheide der Bundesministerin für Inneres je vom 20. August 2008,

1.)

Zl. 151.792/2-III/4/08 (hg. Zl. 2008/22/0850), und

2.)

Zl. 151.792/3-III/4/08 (hg. Zl. 2008/22/0851), jeweils betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Spruch

I. Der den Erstbeschwerdeführer betreffende Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Erstbeschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

II. Die Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin wird als unbegründet abgewiesen.

Die Zweitbeschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführenden Parteien, russische Staatsangehörige, sind miteinander verheiratet. Der Erstbeschwerdeführer begehrt die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung als selbständige Schlüsselkraft. Die Zweitbeschwerdeführerin beantragte - nach einer im Verwaltungsverfahren erfolgten Antragsänderung - die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung als dessen Familienangehörige.

Im erstinstanzlichen Verwaltungsverfahren brachte der Erstbeschwerdeführer unter Vorlage diverser Urkunden (u.a. eines Geschäftsplanes) vor, er sei zu 50 % Gesellschafter der R Handels GmbH, die übrigen 50 % der Gesellschaftsanteile würden von seiner Ehefrau gehalten. Es sei geplant, dass der Erstbeschwerdeführer als gewerberechtlicher Geschäftsführer eingesetzt werde. Da der Gewerbebehörde noch Unterlagen aus der russischen Föderation vorgelegt werden müssten, sei die Gewerbeberechtigung noch nicht erteilt worden. Der Beschwerdeführer werde aber auch als Geschäftsführer (hier gemeint offenbar: handelsrechtlicher Geschäftsführer) bei der R. Handels GmbH tätig sein. Bis zur Erteilung des Aufenthaltstitels an den Erstbeschwerdeführer sei die in Österreich wohnhafte Vera S Geschäftsführerin. Die R Handels GmbH werde die Montage und den Export von Systemen zur gesicherten Stromversorgung für komplexe Steuerungen in Industrie, Medizin und auch gewerblichem Bereich anbieten. Es bestehe in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion und deren Nachfolgestaaten ein enormer Bedarf, komplexe technische Anlagen mit einer gesicherten Stromversorgung ("Notstromaggregaten") auszustatten. Die Nachfrage könne in diesen Staaten selbst nicht gestillt werden. Es sei Ziel der Tätigkeit der R Handels GmbH, die Komponenten für die Anlagen in Österreich und auch anderen EU-Mitgliedstaaten zu erwerben, in Österreich montieren zu lassen und in weiterer Folge in die Länder der ehemaligen Sowjetunion bzw. deren Nachfolgestaaten zu exportieren. Zu diesem Zweck werde die R Handels GmbH den Auftrag für die Montage an Drittunternehmen vergeben. Auch dort würden Arbeitsplätze gesichert und neu geschaffen werden. Die Kunden der R Handels GmbH würden sich vor allem aus dem Bereich der Ölindustrie, der Banken und großen Versicherer sowie auch der Betreiber medizinischer Einrichtungen - insbesondere Krankenhäuser - rekrutieren; eben all jenen Branchen, die auf eine gesicherte Stromversorgung - insbesondere auch hinsichtlich ihrer elektronischen Anlagen - angewiesen seien. Diesbezüglich bereits abgeschlossene Verträge könnten noch nicht vorgelegt werden, weil die R. Handels GmbH in Österreich noch nicht operativ tätig sei. Eine seriöse Prognose über die Anzahl der zu erwartenden Aufträge pro Monat sei schwer abzugeben. Der Erstbeschwerdeführer weise aber in diesem Geschäftsgebiet eine bereits sechszehnjährige Erfahrung auf und habe im Jahr 2006 auf Grund seiner Tätigkeit in der russischen Föderation einen Umsatz von mehr als (umgerechnet) EUR 5 Mio. erzielen können. Es sei geplant, hinkünftig einen Großteil dieser Umsätze über die R. Handels GmbH "laufen" zu lassen. Es bestehe auch ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem vom Erstbeschwerdeführer betriebenen Unternehmen und seinen Kunden, weil er diese bereits in den vergangenen Jahren mit Anlagen zur autonomen Energieversorgung beliefert habe. Es gebe nur wenige Anbieter, die in der Lage seien, die geforderte Qualität zu liefern. Darüber hinaus sei in den osteuropäischen Staaten die Nachfrage nach solchen Systemen und Ausrüstungen ständig gewachsen. Am wirtschaftlichen Erfolg in dieser Branche werde sohin nicht zu zweifeln sein. Die Standortprüfung (gemeint: die beabsichtigte Betriebsansiedlung in Österreich) habe ergeben, dass Produkte die "im Westen" zugekauft und auch dort montiert würden, in den osteuropäischen Staaten besondere Wertschätzung genießen. Der Export in ehemalige GUS-Staaten erweise sich ausgehend von Westeuropa als günstig zu bewerkstelligen. Es seien nämlich die "zollrechtlichen Probleme" signifikant geringer, wenn die Exporte aus Westeuropa kämen, als wenn sie über die russische Föderation laufen würden. Derzeit seien noch keine Dienstnehmer beschäftigt, weil die operative Tätigkeit der Gesellschaft erst mit der Erteilung des Aufenthaltstitels an den Erstbeschwerdeführer beginnen könne. Es sei jedoch vorgesehen, innerhalb des ersten Jahres fünf Mitarbeiter einzustellen. Diese würden in der Auftragsakquisition, in der Auftragsabwicklung und in der Exportabwicklung tätig werden. Es sei geplant, bevorzugt österreichische Staatsbürger oder auch Angehörige anderer EU-Mitgliedstaaten einzustellen, die über Kenntnisse der russischen Sprache verfügten. Es sei außerdem geplant, in Österreich eine Betriebsliegenschaft im Großraum Wien zu erwerben. Dafür werde ein Betrag von zumindest EUR 200.000,-- bereitgestellt werden. Schließlich führte der Erstbeschwerdeführer noch bezogen auf seine Person ins Treffen, er habe in der damaligen Sowjetunion ein Technikstudium absolviert, sei bereits seit sechszehn Jahren auf das Gebiet der Versorgung von Betriebsanlagen mit autonomen Energiequellen spezialisiert und seit dieser Zeit in diesem Geschäftsbereich mit großem wirtschaftlichen Erfolg tätig.

Die Behörde erster Instanz (Landeshauptmann von Wien) ersuchte daraufhin die Landesgeschäftsstelle Wien des Arbeitsmarktservices (im Weiteren kurz: AMS) nach § 41 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) um Erstellung eines Gutachtens im Sinn des § 24 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG).

In der daraufhin abgegebenen Stellungnahme vom 18. Jänner 2008 gab das AMS zunächst das Vorbringen des Erstbeschwerdeführers und den Inhalt diverser von ihm vorgelegter Urkunden wieder. Im Anschluss führte es nach der Überschrift "Termin für die Vorlage weiterer Unterlagen" aus, dass noch weitere Abklärungen hinsichtlich der in Aussicht genommenen Geschäftsbeziehungen zu österreichischen Unternehmen und solchen von EU-Mitgliedstaaten sowie zu den in Aussicht genommenen Büros vorzunehmen wären. Es solle auch abgeklärt werden, ob und in welchem Umfang die bisherige handelsrechtliche Geschäftsführerin in Zukunft weiterbeschäftigt werde. Es sei auch darauf hinzuweisen, dass - um die Voraussetzungen für die Erteilung des Aufenthaltstitels zu erfüllen - von der Beschäftigung von mindestens vier in Österreich bereits integrierten Dienstnehmern ausgegangen werden müsste. Es sei noch nicht nachvollziehbar, ob dies im ersten Geschäftsjahr bereits realisierbar sei. Eine abschließende Beurteilung, ob der Erstbeschwerdeführer die Voraussetzungen des § 24 AuslBG erfülle, ist der genannten Stellungnahme des AMS allerdings nicht zu entnehmen.

Nachdem dem Erstbeschwerdeführer diese Stellungnahme zur Kenntnis gebracht wurde, legte er die Kopie eines Vertrages vor. Dazu brachte er vor, es handle sich um die vertragliche Verpflichtung eines vom Beschwerdeführer geführten Unternehmens, einen näher bezeichneten Generator beim Vertragspartner zu installieren. Aus den Unterlagen könne ersehen werden, dass jenes Unternehmen, das die Geräte ankaufe und installiere, dem Erstbeschwerdeführer "gehöre".

Der beigefügten Übersetzung des Vertrages ist zu entnehmen, dass die Bezeichnung des Auftragnehmers lautet: "S Invest", und dass für diese vom Erstbeschwerdeführer mit dem Beisatz "Generaldirektor" gezeichnet wurde. Des Weiteren legte der Beschwerdeführer einen Auszug aus dem "Einheitlichem Staatsregister für juristische Personen" vor, demzufolge die S Invest ihren Sitz in S habe und der Erstbeschwerdeführer als Generaldirektor dieses Unternehmens im Namen dieser juristischen Person zu handeln berechtigt sei, ohne dafür eine Vertretungsvollmacht zu benötigen. Als Gegenstand des Vertrages wird die "Rekonstruktion der Notenergieversorgung auf den Industrieplätzen G(...) Uraltransgas" genannt, die die Errichtung einer "Autonomenenergiequelle" samt den dafür erforderlichen Vorarbeiten (Projektierung, Bau- und Montagearbeiten, Einstellungsarbeiten, Arbeiten an "Autorenüberwachung") zum Inhalt hat. Als zu errichtende Anlage wird ein näher bezeichnetes Modell eines "Cogenerators" eines US-amerikanischen Herstellers genannt. Des Weiteren sind die für die Tätigkeiten vereinbarten Entgelte ersichtlich.

Daraufhin ersuchte die Behörde erster Instanz das AMS neuerlich um Abgabe einer Stellungnahme, worauf dieses lediglich unter Anschluss seiner Stellungnahme vom 18. Jänner 2008 in der nunmehr neuen Stellungnahme vom 7. März 2008 ausführte, es könne auf Grund der Aktenlage nicht auf die unmittelbar bevorstehende Schaffung von Arbeitsplätzen für in Österreich bereits fortgeschritten integrierte Arbeitnehmer in einem für den gesamtwirtschaftlichen Nutzen maßgeblichen Umfang geschlossen werden. Zu § 24 AuslBG werde sohin ein negatives Gutachten abgegeben.

Unter Hinweis auf dieses Gutachten, das die Behörde erster Instanz ihrem Bescheid anschloss und durch Verweis auf dessen Inhalt zum integrierenden Bestandteil ihres Bescheides erklärte, führte sie aus, das Gutachten des AMS sei negativ. Daher müsse der Antrag des Erstbeschwerdeführers ohne weiteres abgewiesen werden.

Dem Antrag der Zweitbeschwerdeführerin wurde von der Behörde erster Instanz mit der Begründung, es sei der Antrag ihres Ehemannes abgewiesen worden und deshalb könne ihr kein Aufenthaltstitel zur Familienzusammenführung mit einer Schlüsselkraft bewilligt werden, ebenfalls keine Folge gegeben.

In seiner Berufung wies der Erstbeschwerdeführer darauf hin, dass das vom AMS erstellte Gutachten mangelhaft, widersprüchlich und insgesamt nicht haltbar sei. Er habe eine genaue Beschreibung der unternehmerischen Ziele und Tätigkeit (Business-Plan) abgegeben. Das AMS habe über einen Selbständigen, der nach dem Gewerbe- und Unternehmensrecht tätig sein möchte, ein Gutachten über seine mögliche Leistungsfähigkeit, also eine Zukunftsprognose, abzugeben. Unter Hinweis auf sein im Verfahren erster Instanz erstattetes inhaltliches Vorbringen führte der Erstbeschwerdeführer weiter aus, das AMS hätte sich damit "intensivst" auseinandersetzen müssen. Das AMS habe allerdings in seinen Stellungnahmen lediglich das Vorbringen wiedergegeben, ohne es zu bewerten. Letztlich habe das AMS nur lapidar ausgeführt, auf Grund der Aktenlage sei auf die unmittelbar bevorstehende Schaffung von Arbeitsplätzen für in Österreich bereits fortgeschritten integrierte Arbeitnehmer in einem für den gesamtwirtschaftlichen Nutzen maßgeblichen Umfang nicht zu schließen. Eine solche Beurteilung hätte aber vorausgesetzt, sich mit dem inhaltlichen Vorbringen des Erstbeschwerdeführers zu beschäftigen. Dies sei nicht der Fall gewesen.

Mit dem nunmehr erstangefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Erstbeschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit §§ 41, 12 Abs. 1, 13 Abs. 1 und 2, 29 Abs. 1 NAG sowie gemäß § 24 AuslBG ab.

Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des bisherigen Verfahrensganges, des Vorbringens des Beschwerdeführers, des Inhalts der Stellungnahmen des AMS sowie Bestimmungen des NAG aus, zum Vorbringen des Beschwerdeführers sei festzuhalten, dass der von ihm vorgelegte Vertrag zwar ihn betreffe, weil er Geschäftsführer der Firma S Invest sei, jedoch mit diesem Vertrag die nunmehr beabsichtigte Tätigkeit in Österreich nicht in Zusammenhang gebracht werden könne. Die R Handels GmbH sei ja auch erst am 14. September 2007 gegründet worden. Derzeit seien im Rahmen der R Handels GmbH nur die derzeitige Geschäftsführerin Vera S und zwei Gesellschafter (nämlich die beschwerdeführenden Parteien) tätig. "Mangels weiterführender Unterlagen" könne weder auf einen gesamtwirtschaftlichen Nutzen im Sinne des § 24 AuslBG noch die bevorstehende Schaffung von weiteren Arbeitsplätzen geschlossen werden. Es könne auch nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer einen maßgeblichen Einfluss auf die Führung der Gesellschaft ausübe. Weiters könne ein maßgeblicher Transfer von Investitionskapital nach Österreich ebenfalls nicht festgestellt werden. Zwar beabsichtige der Erstbeschwerdeführer, "europäische, inklusive österreichische Hersteller" heranziehen zu wollen, jedoch wolle er die Montage Drittunternehmen überlassen, und er beabsichtige, im Ausland tätig zu werden. Die Erbringung seiner eigenen Arbeitsleistung wäre ausschließlich ein einzelbetriebliches bzw. persönliches Interesse des Erstbeschwerdeführers. Somit sei er nicht als selbständige Schlüsselkraft nach § 24 AuslBG zu "verifizieren".

Der Berufung der Zweitbeschwerdeführerin wurde mit der Begründung keine Folge gegeben, es sei dem Erstbeschwerdeführer keine Niederlassungsbewilligung als selbständige Schlüsselkraft erteilt worden. Dies sei aber Voraussetzung, um den Antrag der Zweitbeschwerdeführerin zur Familienzusammenführung nach § 46 Abs. 3 NAG bewilligen zu können.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diese Bescheide gerichteten - infolge des sachlichen und persönlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen - Beschwerden nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Zum erstangefochtenen Bescheid:

§ 41 Ab. 1 bis 3 NAG (in der hier maßgeblichen Stammfassung) lautet - unter der Überschrift "Niederlassungsbewilligung - Schlüsselkraft" - wie folgt:

     "§ 41. (1) Drittstaatsangehörigen kann eine

     'Niederlassungsbewilligung - Schlüsselkraft' erteilt werden,

wenn

     1.        sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen;

     2.        ein Quotenplatz vorhanden ist und

     3.        eine schriftliche Mitteilung der regionalen

Geschäftsstelle oder ein Gutachten der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice gemäß §§ 12 Abs. 4 oder 24 AuslBG vorliegt.

(2) Entscheidungen über die Erteilung einer 'Niederlassungsbewilligung - Schlüsselkraft' sind überdies von der zuständigen Behörde gemäß §§ 12 oder 24 AuslBG unverzüglich, längstens jedoch binnen sechs Wochen ab Einbringung des Antrages, zu treffen. Von der Einholung einer schriftlichen Mitteilung der regionalen Geschäftsstelle oder eines Gutachtens der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice ist abzusehen, wenn der Antrag

1. wegen eines Formmangels (§§ 21 bis 24) zurückzuweisen ist;

2. wegen zwingender Erteilungshindernisse (§ 11 Abs. 1) abzuweisen ist oder

3. mangels eines Quotenplatzes zurückzuweisen ist.

(3) Erwächst die negative Entscheidung der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice über die Zulassung als unselbständige Schlüsselkraft (§ 12 AuslBG) in Rechtskraft, ist das Verfahren ohne weiteres einzustellen. Ist das Gutachten der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice in einem Verfahren über den Antrag zur Zulassung als selbständige Schlüsselkraft negativ (§ 24 AuslBG), ist der Antrag ohne weiteres abzuweisen.

..."

§ 24 AuslBG (in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2005) hat - unter der Überschrift "Erstellung von Gutachten für selbständige Schlüsselkräfte" - folgenden Wortlaut:

"§ 24. Die nach der beabsichtigten Niederlassung der selbständigen Schlüsselkraft zuständige Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice hat binnen drei Wochen das im Rahmen des fremdenrechtlichen Zulassungsverfahrens gemäß § 41 NAG erforderliche Gutachten über den gesamtwirtschaftlichen Nutzen der Erwerbstätigkeit, insbesondere hinsichtlich des damit verbunden Transfers von Investitionskapital und/oder der Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen zu erstellen. Vor der Erstellung dieses Gutachtens ist das Landesdirektorium anzuhören."

§ 41 Abs. 3 zweiter Satz NAG normiert zwar, dass bei Vorliegen eines negativen Gutachtens im Sinn des § 24 AuslBG der Antrag auf Erteilung der "Niederlassungsbewilligung - Schlüsselkraft" (als selbständige Schlüsselkraft) abzuweisen ist, dies bedeutet allerdings - bei verfassungskonformer Interpretation der Bestimmungen des § 41 Abs. 3 NAG und des § 24 AuslBG - nicht, dass das Gutachten durch den Antragsteller nicht entkräftet oder widerlegt werden kann oder dass die Behörde an ein unschlüssiges Gutachten gebunden wäre. Vielmehr gilt auch in Bezug auf die Würdigung dieses Beweismittels, dass die in § 45 AVG verankerten allgemeinen Verfahrensgrundsätze der materiellen Wahrheit, der freien Beweiswürdigung und des Parteiengehörs uneingeschränkt Anwendung finden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 5. Mai 2011, 2008/22/0309, mwN).

Nach ständiger Rechtsprechung ergibt sich aus der oben wiedergegebenen Bestimmung des § 24 AuslBG, dass für die Beurteilung, ob eine beabsichtigte selbständige Tätigkeit zur Stellung als Schlüsselkraft führt, der gesamtwirtschaftliche Nutzen der Erwerbstätigkeit maßgeblich ist. Bei der Beurteilung, ob ein derartiger gesamtwirtschaftlicher Nutzen vorliegt, ist insbesondere zu berücksichtigen, ob mit der selbständigen Erwerbstätigkeit ein Transfer von Investitionskapital verbunden ist und/oder ob die Erwerbstätigkeit der Schaffung von neuen oder der Sicherung von gefährdeten Arbeitsplätzen dient. Der Gesetzgeber stellt also darauf ab, ob ein zusätzlicher Impuls für die Wirtschaft zu erwarten ist (vgl. dazu ebenfalls das bereits erwähnte hg. Erkenntnis vom 5. Mai 2011, mwN).

Anders als der Erstbeschwerdeführer meint, ist es für diese Beurteilung nicht geboten zu prüfen, ob der betreffende Fremde die in § 2 Abs. 5 AuslBG genannten Voraussetzungen, ungeachtet dessen, dass mitunter fallbezogen einige der dort genannten Aspekte auch für die Beurteilung nach § 24 AuslBG Relevanz erlangen können, erfüllt. Das damit im Zusammenhang stehende Vorbringen geht sohin ins Leere.

Die Beschwerde wendet sich ihrem Inhalt nach erkennbar aber auch gegen die von der belangten Behörde nach § 24 AuslBG vorgenommene Beurteilung. In diesem Zusammenhang verweist der Erstbeschwerdeführer darauf, bereits nachgewiesen zu haben, dass er in Österreich - gemeinsam mit seiner Ehefrau - über ein bei der R Bank angelegtes Bankkonto mit einem Einlagestand von EUR 109.961,-- verfüge sowie auf einen Kaufvertrag über eine Eigentumswohnung zu einem Kaufpreis von EUR 185.000,--. Im Weiteren wiederholt der Erstbeschwerdeführer auch seine bereits im Verwaltungsverfahren vorgetragenen (oben wiedergegebenen) Argumente zur beabsichtigten Geschäftstätigkeit, auf Grund derer ein gesamtwirtschaftlicher Nutzen gegeben sei. Die Behauptung im angefochtenen Bescheid, der Erbringung der beabsichtigten Arbeitsleistung wäre ausschließlich ein einzelbetriebliches bzw. persönliches Interesse des Erstbeschwerdeführers zuzumessen, sei nicht nachvollziehbar. Vielmehr sei das Vorbringen des Erstbeschwerdeführers in entscheidenden Punkten, wie etwa dem maßgeblichen Einfluss auf die Betriebsführung, in der Frage des Transfers von Kapital sowie in der Frage der beabsichtigten Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen, unberücksichtigt gelassen oder in nicht nachvollziehbarer Weise gewürdigt worden.

Dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg.

Zunächst ist dem Beschwerdeführer beizupflichten, dass sich die Beurteilung des AMS als unschlüssig erweist. Nachdem sich das AMS in seiner ersten Stellungnahme noch einer abschließenden Beurteilung der Tätigkeit des Erstbeschwerdeführers enthalten hatte, wird in der zweiten Stellungnahme ohne nähere Begründung ausgeführt, es könne nicht auf die Schaffung von Arbeitsplätzen für in Österreich bereits fortgeschritten integrierte Arbeitnehmer geschlossen werden. Erwägungen, woraus das AMS diese Beurteilung ableitet, sind der Stellungnahme nicht zu entnehmen. Darüber hinaus ist anhand der Stellungnahme aber auch nicht erkennbar, dass das sonstige Vorbringen des Erstbeschwerdeführers einer näheren inhaltlichen Beurteilung unterzogen worden wäre.

Soweit die belangte Behörde zur Abweisung des Antrages des Erstbeschwerdeführers noch eigene Argumente ins Treffen führt, erweist sich ihre Begründung ebenfalls als unschlüssig. Zunächst kann ihre Behauptung, es könne nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer maßgeblichen Einfluss auf die Führung der R Handels GmbH ausüben werde, nicht nachvollzogen werden. Der Beschwerdeführer hat dazu im Verfahren vorgebracht, er werde, sobald er über einen Aufenthaltstitel verfüge, die Geschäftsführertätigkeiten übernehmen. Er selbst sei jene Person, die über das erforderliche Wissen zum Betrieb des Unternehmens verfüge, das er sich in seiner bereits 16-jährigen Geschäftstätigkeit angeeignet hätte. Aus welchen Gründen die belangte Behörde nunmehr dem Beschwerdeführer abspricht, maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftstätigkeit und die Geschäftsführung ausüben zu werden, ist nicht ersichtlich. Hinsichtlich der Schaffung von Arbeitsplätzen stellt die belangte Behörde darauf ab, dass derzeit nur Vera S als Geschäftsführerin und die beiden Gesellschafter tätig seien. Auf die bevorstehende Schaffung von weiteren Arbeitsplätzen könne nicht geschlossen werden. Dazu hat der Erstbeschwerdeführer im Verwaltungsverfahren vorgebracht, es würden bei Aufnahme der Tätigkeit fünf Mitarbeiter, vorzugsweise österreichische Staatsbürger oder Angehörige anderer EU-Mitgliedstaaten, beschäftigt werden. Im Hinblick auf das bekanntgegebene in Aussicht genommene Betätigungsfeld dieser Mitarbeiter kann es nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes nicht als unplausibel angesehen werden, dass diese Mitarbeiter bereits von Beginn der Geschäftstätigkeit an angestellt werden sollen. Hinsichtlich des damit im Zusammenhang stehenden Nutzens im Sinne des § 24 AuslBG hat aber bereits das AMS darauf hingewiesen, dass bei der Anstellung von vier Mitarbeitern ein solcher als gegeben angesehen werden könnte. Schließlich verneint die belangte Behörde aber auch einen maßgeblichen Transfer von Investitionskapital nach Österreich mit dem Argument, es werde Drittunternehmen die Montage der Stromaggregate überlassen, und es sei vom Erstbeschwerdeführer beabsichtigt, im Ausland tätig zu werden. Dabei lässt die belangte Behörde aber außer Acht, dass, worauf sie selbst hingewiesen hat, der Zusammenbau der Aggregate nach dem Geschäftsplan in Österreich erfolgen soll, und sich das Vorbringen des Erstbeschwerdeführers zweifelsfrei nicht nur auf die Inanspruchnahme österreichischer Hersteller (oder solcher aus anderen EU-Mitgliedstaaten) bezieht, sondern auch auf die in Österreich zu erfolgende Montage. In diesem Zusammenhang hat der Erstbeschwerdeführer ausdrücklich darauf hingewiesen, dass von seinen in Aussicht genommenen Vertragspartnern jenen Produkten, die in Westeuropa von dort ansässigen Unternehmen zusammengesetzt würden, besonderes Vertrauen entgegengebracht werde. Darüber hinaus hat die belangte Behörde aber auch das Vorbringen des Beschwerdeführers, er werde durch Ankauf einer im "Großraum Wien" gelegenen Betriebsliegenschaft mindestens EUR 200.000,-- in Österreich aufwenden und insoweit - so ist das Vorbringen unzweifelhaft zu verstehen - vom Ausland aus nach Österreich transferiertes Geld hier investieren, nicht weiter berücksichtigt und in ihre Überlegungen nicht einbezogen. Anders als die belangte Behörde meint, steht es aber auch der Erteilung des begehrten Aufenthaltstitels an den Erstbeschwerdeführer nicht entgegen, wenn er mit seiner Tätigkeit auch ein persönliches Interesse verfolgt, zumal dies Wirtschaftstreibenden im Rahmen einer Marktwirtschaft nicht abgesprochen werden kann.

Da die Argumente der belangten Behörde nicht geeignet sind, in nachvollziehbarer Weise darzulegen, dass der Erstbeschwerdeführer die Voraussetzungen des § 24 AuslBG nicht erfüllt, und sie darüber hinaus für die Entscheidung wesentliche Aspekte nicht in ihre Überlegungen miteinbezog, war der erstangefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Zum zweitangefochtenen Bescheid:

Gemäß § 46 Abs. 3 NAG (in der hier maßgeblichen Stammfassung) kann Familienangehörigen von Schlüsselkräften (§ 41 NAG) eine "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" für eine Dauer von höchstens 18 Monaten erteilt werden, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen und ein Quotenplatz vorhanden ist.

Die Ansicht der belangten Behörde, der Erstbeschwerdeführer verfüge bezogen auf den Zeitpunkt ihrer Entscheidung über keinen Aufenthaltstitel als Schlüsselkraft, trifft zu. Daran vermag auch die hier ausgesprochene (mit rückwirkender Kraft ausgestattete; vgl. § 42 Abs. 3 VwGG) Aufhebung des erstangefochtenen Bescheides nichts zu ändern. Insofern kann die Ansicht der belangten Behörde, es fehle die diesbezügliche nach § 46 Abs. 3 NAG notwendige Voraussetzung, nicht als rechtswidrig erkannt werden (vgl. zu einer ähnlichen Konstellation das hg. Erkenntnis vom 29. April 2010, 2008/21/0440), zumal trotz des Wortlautes des § 46 Abs. 3 NAG nicht davon ausgegangen werden kann, dass nach dieser Bestimmung die Erteilung eines Aufenthaltstitels als Familienangehöriger einer Schlüsselkraft auch schon dann möglich sein soll, wenn dem Fremden, der die Zuwanderung als Schlüsselkraft beabsichtigt, der Aufenthaltstitel noch gar nicht erteilt wurde. Insofern kann die Bestimmung des § 46 Abs. 3 NAG nur so verstanden werden, dass sie zwar der gleichzeitigen Erteilung des Aufenthaltstitels an den als Schlüsselkraft anzusehenden Fremden und seinen Familienangehörigen nicht entgegensteht; keinesfalls aber in der Weise, dass die Niederlassungsbehörde verpflichtet wäre, in einem den Familienangehörigen betreffenden Verfahren die Kriterien für die Erteilung des Aufenthaltstitels als Schlüsselkraft an den Fremden, zu dem der Familiennachzug angestrebt wird, zu prüfen.

Die gegen den zweitangefochtenen Bescheid gerichtete Beschwerde war sohin gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die jeweiligen Kostenentscheidungen gründen sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 13. Oktober 2011

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2011:2008220850.X00

Im RIS seit

11.11.2011

Zuletzt aktualisiert am

23.12.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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