Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
MRK Art6;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Becker, über die Beschwerde des Z in S, vertreten durch Klein, Wuntschek & Partner Rechtsanwälte GmbH, in 8010 Graz, Kaiser-Franz-Josef-Kai 70, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Burgenland vom 25. Februar 2010, Zl. E 003/11/2010.023/002, betreffend Übertretung des KFG 1967, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 25. Februar 2010 wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe am 2. Oktober 2009, um 16.00 Uhr an einem näher bestimmten Ort als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Kraftfahrzeuges, das mit einem digitalen Kontrollgerät im Sinne der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 ausgerüstet gewesen sei, zum Kontrollzeitpunkt seine Fahrerkarte im Kontrollgerät nicht verwendet. Der Beschwerdeführer habe dadurch § 102a Abs. 4 KFG 1967 verletzt.
Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde gemäß § 134 Abs. 1 KFG 1967 über ihn eine Geldstrafe von EUR 454,55 (Ersatzfreiheitsstrafe von 5 Tagen) verhängt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Gemäß § 51e Abs. 1 VStG hat der unabhängige Verwaltungssenat eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Nach Abs. 3 der genannten Bestimmung kann der unabhängige Verwaltungssenat von einer Berufungsverhandlung absehen, wenn
"1. in der Berufung nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird oder
2.
sich die Berufung nur gegen die Höhe der Strafe richtet oder
3.
im angefochtenen Bescheid eine 500 EUR nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde oder
4. sich die Berufung gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid richtet und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat. Der Berufungswerber hat die Durchführung einer Verhandlung in der Berufung zu beantragen."
Die belangte Behörde nahm von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung ohne nähere Begründung Abstand. Keine der alternativen Voraussetzungen des § 51e Abs. 3 VStG für das Absehen von der Berufungsverhandlung liegt jedoch im Beschwerdefall vor:
In der Berufung hat der Beschwerdeführer substantiierte Einwendungen gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis erhoben sowie angekündigt, dass er zum Beweis seines Vorbringens "bei der ungarischen Behörde schlüssige Unterlagen" angefordert habe und diese samt Übersetzung bei der belangten Behörde vorlegen werde.
Nach der ständigen hg. Rechtsprechung hat selbst in jenen Fällen, in denen einer der Gründe des § 51 e Abs. 3 VStG gegeben ist, in verfassungskonformer Anwendung dieser Norm unter dem Blickwinkel des Art. 6 EMRK jedenfalls eine mündliche Verhandlung stattzufinden, wenn die Parteien nicht darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann ausdrücklich oder konkludent erfolgen. War der Beschuldigte aber nicht rechtsfreundlich vertreten, so kann das Unterbleiben eines Antrags auf Durchführung einer Berufungsverhandlung jedenfalls dann nicht als konkludenter Verzicht auf eine solche gedeutet werden, wenn der Beschuldigte nicht in Kenntnis des Rechtes auf eine Berufungsverhandlung war (vgl. dazu etwa die hg. Erkenntnisse vom 26. April 2007, Zl. 2003/03/0014, vom 18. September 2008, Zl. 2006/09/0110, vom 3. Juli 2009, Zl. 2005/17/0178, und vom 17. März 2011, Zl. 2010/03/0195).
Die belangte Behörde war daher verpflichtet, eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen, was der Beschwerdeführer zu Recht rügt (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 28. Jänner 2004, Zl. 2001/03/0449, und vom 1. Juli 2005, Zl. 2001/03/0354, uvm).
Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die belangte Behörde bei Durchführung der mündlichen Verhandlung zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, hat sie in dieser Hinsicht den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abgesehen werden.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 18. Oktober 2011
Schlagworte
Verfahrensbestimmungen BerufungsbehördeAuslegung Gesetzeskonforme Auslegung von Verordnungen Verfassungskonforme Auslegung von Gesetzen VwRallg3/3European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2011:2010020099.X00Im RIS seit
11.11.2011Zuletzt aktualisiert am
30.11.2011