RS Vfgh 2011/10/5 B1100/09 ua

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Veröffentlicht am 05.10.2011
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Index

41 Innere Angelegenheiten
41/02 Staatsbürgerschaft, Paß- und Melderecht, Fremdenrecht

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
EMRK Art6 Abs1 / Strafrecht
EGVG ArtII Abs3
FremdenpolizeiG 2005 §111, §112, §113
Richtlinie 2001/51/EG des Rates vom 28.06.01 zur Ergänzung der Regelungen nach Art26 des Übereinkommens zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen Art4, Art6
Richtlinie 2004/82/EG des Rates vom 29.04.04 über die Verpflichtung von Beförderungsunternehmen, Angaben über die beförderten Personen zu übermitteln Art4, Art5
Schengener Durchführungsübereinkommen, BGBl III 90/1997 Art26
VStG §5, §9

Leitsatz

Verletzung im Gleichheitsrecht durch Vorschreibung von Geldbeträgenan die Austrian Airlines AG wegen Verletzung der Verpflichtung zurvollständigen Übermittlung von Identitäts- und Passdaten vonbeförderten Fremden; Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes 2005über Sanktionen gegen Beförderungsunternehmer aufgrund unionsrechts-und verfassungskonformer Auslegung als Regelung betreffend dieAhndung einer Verwaltungsübertretung zu qualifizieren; gehäuftesVerkennen der Rechtslage mangels Berücksichtigung der Bestimmungendes Verwaltungsstrafrechts und Verwaltungsstrafverfahrens

Rechtssatz

Ausgehend davon, dass der Gesetzgeber mit §111 und §112 FremdenpolizeiG 2005 die Verpflichtungen aus den RL 2001/51/EG und 2004/82/EG umsetzen wollte, sind diese Bestimmungen im Lichte der aus diesen Richtlinien erfließenden mitgliedstaatlichen Verpflichtung zu interpretieren.

Die gebotene richtlinienkonforme Interpretation ergibt, dass die in §112 FremdenpolizeiG 2005 normierten "Sanktionen gegen Beförderungsunternehmer" jedenfalls strafrechtlichen Charakter iS von Art6 EMRK aufweisen, da die Richtlinien unzweifelhaft präventive ebenso wie repressive Zwecke verfolgen und auf ein Verschulden abstellen; zu entrichtender Betrag von € 3.000,- je verwirklichtem Tatbestand auch als empfindliche Strafe zu bezeichnen. Vgl auch die Erläuterungen zur Regierungsvorlage (RV 1078 BlgNR 24. GP, 41) betr Novellierung des §112 Abs1 durch BGBl I 38/2011.

Basierend auf einer unionsrechts- und verfassungskonformen Auslegung ist §112 FremdenpolizeiG 2005 (auch schon in der hier maßgeblichen Fassung BGBl I 157/2005) als eine Regelung betreffend die Ahndung einer Verwaltungsübertretung iSd EGVG zu qualifizieren, zu deren Vollzug Verwaltungsorgane berufen sind, die gemäß ArtII Abs3 EGVG zur Anwendung des VStG (sowie des AVG) verpflichtet sind.

Gehäuftes Verkennen der Rechtslage durch den belangten UVS mangels Berücksichtigung sowohl der allgemeinen Bestimmungen des Verwaltungsstrafrechtes als auch zentraler Bestimmungen des VStG (zB

§5 zur Frage des Verschuldens, §9 zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit juristischer Personen, §31 zur Verjährung sowie §51c zur Besetzung der unabhängigen Verwaltungssenate).

Entscheidungstexte

  • B 1100/09 ua
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 05.10.2011 B 1100/09 ua

Schlagworte

Fremdenrecht, Fremdenpolizei, Verwaltungsverfahren Kosten, EU-RechtRichtlinie, Auslegung verfassungskonforme, Auslegunggemeinschaftsrechtskonforme, Anwendbarkeit AVG, Anwendbarkeit VStG,Verwaltungsstrafrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2011:B1100.2009

Zuletzt aktualisiert am

20.09.2012
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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