TE Vfgh Beschluss 2011/9/26 V107/10

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Veröffentlicht am 26.09.2011
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Index

96 Straßenbau
96/01 Bundesstraßengesetz 1971

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
TrassenV BGBl II 235/2009 betreffend die Bestimmung des Straßenverlaufes der S 36 Murtal Schnellstraße

Leitsatz

Individualantrag auf Aufhebung einer Trassenverordnung unzulässigmangels Darlegung eines unmittelbaren und aktuellen Eingriffs in dieRechtssphäre des Antragstellers

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I.

1. Der Antragsteller begehrt mit seinem auf Art139 Abs1 B-VG gestützten Antrag vom 5. September 2010 die Aufhebung der Verordnung der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend die Bestimmung des Straßenverlaufes der S 36 Murtal Schnellstraße, Abschnitt St. Georgen ob Judenburg bis Scheiflinger Ofen im Bereich der Gemeinden St. Georgen ob Judenburg, Unzmarkt-Frauenburg und Scheifling, BGBl. II 235/2009, sowie den Ersatz der regelmäßig anfallenden Kosten.

1.1. Mit der zur Gänze angefochtenen, auf §4 Abs1 Bundesstraßengesetz, BGBl. 286/1971 idF BGBl. I 95/2004, sowie auf den dritten Abschnitt des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes, BGBl. 697/1993 idF BGBl. I 50/2002 und BGBl. I 84/2004, gestützten Verordnung wird der genannte Straßenverlauf wie folgt bestimmt:

"Der gegenständliche Abschnitt der S 36 Murtal Schnellstraße beginnt in Edling bei B 317-km 10,343 und führt im Weiteren durch das Freilandgebiet bis nach St. Georgen ob Judenburg. Im Ortsgebiet von St. Georgen ob Judenburg wird die S 36 auf einer Länge von 610 m als gedeckte vierstreifige Unterflurtrasse geführt. Nach St. Georgen ob Judenburg verläuft die Trasse wieder durch Freilandgebiet und schließt an den vierstreifig ausgebauten Teilbereich 'St. Georgen-Unzmarkt' an, der bereits verkehrswirksam ist. Im Ortsgebiet von Unzmarkt wird die S 36 auf einer Länge von 950 m als gedeckte vierstreifige Unterflurtrasse geführt. In der Folge führt die S 36 weiter nach Westen und endet nach Durchquerung einer Talengstelle bei B 317-km 19,55 ca. 1,3 km vor dem Ostportal des Tunnels 'Scheiflinger Ofen'. Anschlussstellen sind östlich und westlich von St. Georgen ob Judenburg sowie östlich und westlich von Unzmarkt vorgesehen.

Im Einzelnen ist der Verlauf der Straßentrasse aus dem Verordnungsplan (Einlage M0-2 Rev. C und Einlage M0-3 Rev. C, jeweils im Maßstab 1:2000) zu ersehen. Die Festlegung der Straßenachsen erfolgt auf Grundlage eines von der Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft (ASFINAG) als Projektwerberin im April 2005 eingereichten und im Zuge des Verfahrens insbesondere hinsichtlich des Verlaufs der Straßenachse in Edling und der Länge der Unterflurtrasse im Ortsgebiet von Unzmarkt abgeänderten Projektes.

Der vorgenannte Verordnungsplan, die Projektsunterlagen sowie die Beilagen 1 und 2 zum Erlass

Zl. BMVIT-316.436/0013-II/ST-ALG/2009, welche die schriftliche Darlegung der wesentlichen Entscheidungsgründe unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Umweltverträglichkeitsprüfung und die daraus resultierenden Maßnahmen enthalten, liegen beim Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie, Sektion II, Abteilung ST3, Regierungsgebäude, 1010 Wien, Stubenring 1, beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung und in den Gemeindeämtern der Gemeinden St. Georgen ob Judenburg, Unzmarkt-Frauenburg und Scheifling zur öffentlichen Einsicht auf.

§15 Bundesstraßengesetz 1971 findet auf den vorangeführten Straßenabschnitt Anwendung. Die Grenzen des Bundesstraßenbaugebietes sind dem aufliegenden Verordnungsplan zu entnehmen.

Die Festlegung der Straßenachse von B 317-km 10,343 bis B 317-km 10,55988 (Achse Verziehung in den Bestand) und die damit verbundene Festlegung des Bundesstraßenbaugebietes kommen nicht zur Anwendung, wenn und insofern für diesen Bereich ein anderer Straßenverlauf der S 36 Murtal Schnellstraße durch Bescheid bestimmt ist."

1.2. Zu seiner Antragslegitimation bringt der Antragsteller vor, dass er Eigentümer eines Grundstücks in der Katastralgemeinde Unzmarkt sei, das innerhalb des durch die Verordnung festgelegten Bundesstraßenbaugebietes liege. Insbesondere führt er Folgendes aus:

"Hinsichtlich der individuellen Betroffenheit des Antragstellers und Umwegszumutbarkeit erlaubt sich der Antragsteller, auf seinen Antrag vom 9.10.2010 [gemeint wohl: 9.10.2009] sowie die Entscheidung des VfGH vom 24.6.2010 zu GZ V78/09 zu verweisen. In der bezeichneten Entscheidung (Seite 9) hat der VfGH ausgesprochen, dass der Individualantrag des Antragstellers zulässig ist. Der dieser Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt hat sich seit 9.10.2009 nicht verändert. Das betroffene Grundstück befindet sich noch immer im Alleineigentum des Antragstellers."

1.3. In der Sache selbst behauptet der Antragsteller einen Verstoß gegen das Verkehrsprotokoll zur Alpenkonvention, gegen das Bundesgesetz über die strategische Prüfung im Verkehrsbereich, gegen das Erfordernis einer "ausreichenden Grundlagenforschung" sowie gegen §4 Abs1 BStG idaF; in der Begründung stützt er sich im Wesentlichen auf die behauptete Unrichtigkeit des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 24. Juni 2010, V78/09, mit welchem der auf Aufhebung derselben Verordnung gerichtete Antrag des Antragstellers abgewiesen wurde.

2. Die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie als zur Vertretung der angefochtenen Verordnung vor dem Verfassungsgerichtshof berufene Behörde erstattete eine Äußerung, in der sie den Antragsbehauptungen entgegentritt und die Zurückweisung, in eventu die Abweisung beantragt. Die belangte Behörde vertritt zum einen die Auffassung, dass der Antrag "als unzulässiges 'Rechtsmittel' gegen das Erkenntnis des VfGH vom 24. Juni 2010" zu verstehen sei; indem der Antragsteller auf dieses Erkenntnis Bezug nehme und zahlreiche Argumente aus dem zu V78/09 protokollierten Antrag vom 9. Oktober 2009 wiederhole, bezwecke er lediglich eine Abänderung des Erkenntnisses.

Zum anderen rügt die verordnungserlassende Behörde, dass der Antragsteller hinsichtlich der individuellen Betroffenheit und der Umwegszumutbarkeit lediglich auf seinen Antrag vom 9. Oktober 2009 sowie auf das diesbezügliche Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 24. Juni 2010 verweise und übersehe, dass der notwendige Inhalt im Antrag selbst enthalten sein müsse. Zudem habe eine - bereits vor Einbringung des Antrags erfolgte - "technische Umplanung in einigen Details" (Verlegung der Landesstraße L 532 in Richtung Osten um 3,5 Meter; Änderung des Verlaufs des Schafbergbaches) zur Konsequenz, dass das Grundstück weder direkt noch indirekt vom Straßenbauvorhaben betroffen sei; dem Antragsteller seien diese Änderungen der Sach- und Rechtslage bekannt gewesen. Dazu wird in der Äußerung Folgendes ausgeführt:

"... Der Antragsteller unterliegt nämlich aufgrund der

Detailänderungen keiner Gefahr mehr, einer Enteignung ausgesetzt zu werden, weil - im Gegensatz zur Sachlage im Zeitpunkt der Einbringung des letzten Individualantrags - sein Grund und Boden nun überhaupt nicht mehr benötigt wird. Die Bedrohung enteignet zu werden, ist somit weggefallen. Die einzige Beeinträchtigung resultiert daher nunmehr aus der 'Bausperre' nach §14 Abs3 BStG 1971. Eine solche Betroffenheit kann aber nicht als aktuelle gewertet werden, wenn der Antragsteller nicht einmal seine vage, geschweige denn eine konkrete Absicht kundtut, sein Grundstück zu bebauen. ...

Letztendlich ist die Beeinträchtigung durch die 'Bausperre' auch nur eine scheinbare. Da aufgrund des der ho. Behörde vorliegenden Planungsstandes das Grundstück des Antragstellers für das Projekt weder benötigt, noch berührt wird, gibt es für die zuständige Behörde keinen vernünftigen Grund die Ausnahmebewilligung zu versagen - vielmehr hat sie im Falle eines Antrags auf Erteilung einer Ausnahmebewilligung einen positiven Bescheid zu erlassen."

3. Der Antragsteller replizierte mit Schriftsatz vom 28. Jänner 2011 auf die Äußerung der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie und erstattete insbesondere folgendes Vorbringen:

"Auch die von der ASFINAG kurzfristig ausgetauschten Pläne, mit denen versucht wurde, die Liegenschaft des Antragstellers zu 'umfahren', ändern nichts an der Betroffenheit: Zum Einen sehen die aktuellen Pläne zwar vor, dass die Liegenschaft des Antragstellers nicht mehr direkt für die Errichtung der Fahrbahn benötigt wird; durch die geplante Höhenlage der Fahrbahn sind aber aufgrund der vorliegenden Pläne Böschungen zu errichten, deren Fuß weiterhin die Liegenschaft des Antragstellers beanspruchen würde, was sich bei genauerer Betrachtung zeigt.

Weiters entsprechen die zivilrechtlichen Grundgrenzen des Antragstellers nicht den Katastergrenzen (es handelt sich noch nicht um den Grenzkataster iSd VermessungsG). Auch von daher würden die Baulichkeiten die zivilrechtlichen Grenzen der Liegenschaft auch nach den neuen Planungen überschreiten, sodass auch aktuell noch Grund des Antragstellers in Anspruch zu nehmen wäre. Die individuelle Betroffenheit des Antragstellers ist daher gegeben."

II.

Der Verfassungsgerichtshof hat über die Zulässigkeit des Antrags erwogen:

1. Gemäß Art139 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg. 8058/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, dass die Verordnung in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie - im Fall ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt. Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art139 Abs1 letzter Satz B-VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl. zB VfSlg. 8594/1979, 15.527/1999, 16.425/2002 und 16.426/2002).

2. Der vorliegende Antrag entspricht nicht den gesetzlichen Erfordernissen, da er nicht erkennen lässt, aus welchen Gründen die bekämpfte Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift.

2.1. Soweit der Antragsteller hinsichtlich der individuellen Betroffenheit und des Nichtvorliegens eines anderen zumutbaren Weges auf die in seinem zu V78/09 protokollierten Antrag vom 9. Oktober 2009 erstatteten Ausführungen verweist, ist ihm entgegenzuhalten, dass eine Verweisung auf einen anderen, in einem nicht verbundenen Verfahren erstatteten Schriftsatz unzulässig ist (zB VfSlg. 8602/1979, 11.611/1988, 12.312/1990, 12.577/1990) und diese Ausführungen daher nicht berücksichtigt werden können.

2.2. Auch das Vorbringen des Antragstellers, dass der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 24. Juni 2010, V78/09, die Zulässigkeit des zu dieser Geschäftszahl protokollierten Individualantrags bejaht habe und sich der dieser Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt nicht verändert habe, vermag angesichts der durch die ASFINAG in Einzelheiten vorgenommenen Planänderung die Annahme der individuellen Betroffenheit des Antragstellers nicht zu stützen. Zwar nimmt der Antragsteller - erst - in einem ergänzenden Schriftsatz auf diese Änderung Bezug, er unterlässt es dabei jedoch, seine Ausführungen etwa durch Pläne oder andere Beilagen zu belegen. Vielmehr bleibt es bei der bloßen Behauptung, dass seine Liegenschaft auf Grund der geplanten Errichtung von Böschungen weiterhin beansprucht werden würde. Auch der Umstand, dass darüber hinaus die Baulichkeiten auch nach den neuen Plänen die zivilrechtlichen, nicht den Katastergrenzen entsprechenden Grundgrenzen überschreiten würden, ist schon mangels Darlegung der "zivilrechtlichen Grundgrenzen" einer Prüfung durch den Verfassungsgerichtshof entzogen.

2.3. Auch auf Grundlage der von der verordnungserlassenden Behörde vorgelegten Planunterlagen lassen sich die Behauptungen des Antragstellers nicht nachvollziehen. Eine Darlegung der individuellen Betroffenheit des Antragstellers ist daher nicht erfolgt.

Wird durch einen Antrag aber nicht konkret dargetan, inwieweit durch die bekämpfte Verordnung ein unmittelbarer und aktueller Eingriff in die Rechtssphäre des Antragstellers erfolgt, so leidet der Antrag an einem inhaltlichen, nicht verbesserungsfähigen Mangel (vgl. etwa VfSlg. 12.797/1991, 13.717/1994, 17.111/2004, 18.187/2007).

2.4. Bei diesem Ergebnis erübrigt es sich darauf einzugehen, ob dem Antrag das Prozesshindernis der entschiedenen Sache entgegensteht.

3. Der Antrag war daher schon aus diesem Grund in sinngemäßer Anwendung des §19 Abs3 Z2 litc VfGG in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen, ohne dass das Vorliegen der übrigen Prozessvoraussetzungen näher zu prüfen war.

Schlagworte

Trassierungsverordnung, Straßenverwaltung, Straßenverlaufsfestlegung,VfGH / Individualantrag, VfGH / Formerfordernisse, Verweisung aufanderen Schriftsatz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2011:V107.2010

Zuletzt aktualisiert am

20.09.2012
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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