TE Vfgh Beschluss 2011/10/5 G8/11

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Veröffentlicht am 05.10.2011
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Index

10 Verfassungsrecht
10/04 Wahlen

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsgegenstand
NRWO 1992 §39 Abs1

Leitsatz

Zurückweisung des Antrags der Kärntner Landesregierung auf Aufhebungvon außer Kraft getretenen Bestimmungen der Nationalratswahlordnung;Antrag einer Landesregierung als Fall einer abstraktenNormenkontrolle nur gegen geltende Rechtsvorschriften zulässig

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1.1. Mit dem auf Art140 Abs1 zweiter Satz B-VG gestützten Antrag begehrt die Kärntner Landesregierung auf Grund ihres Beschlusses vom 13. Jänner 2011 die Aufhebung der Wortfolgen "vierten Tag vor dem Wahltag unter Angabe des Grundes gemäß §38 Abs1 schriftlich oder spätestens am" in §39 Abs1 erster Satz Nationalrats-Wahlordnung 1992, BGBl. 471/1992 idF BGBl. I 28/2007 und der Wortfolge "beim schriftlichen Antrag kann die Identität, sofern der Antragsteller nicht amtsbekannt ist oder der Antrag im Fall einer elektronischen Einbringung nicht digital signiert ist, auch auf andere Weise, insbesondere durch Angabe der Passnummer, durch Vorlage der Ablichtung eines Lichtbildausweises oder einer anderen Urkunde, glaubhaft gemacht werden" in §39 Abs1 vierter Satz leg.cit.

1.2. Zur Begründung der Antragslegitimation führt die Kärntner Landesregierung Folgendes aus:

"Gemäß Art140 Abs1 zweiter Satz B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Bundesgesetzen auch auf Antrag einer Landesregierung. Der Verfassungsgerichtshof ist dabei nur zur Prüfung solcher Regelungen befugt, die in Form eines Gesetzes rechtswirksam kundgemacht wurden, wobei eine Anfechtung kundgemachter Gesetze auch bereits dann möglich ist, wenn das betroffene Gesetz noch gar nicht in Kraft getreten ist.

Die angefochtenen Wortfolgen in §39 Abs1 der Nationalrats-Wahlordnung 1992 wurden am 29. Juni 2007 im BGBl. I Nr. 28/2007 kundgemacht, sodass ihre Anfechtung durch die Kärntner Landesregierung verfassungsgesetzlich gedeckt ist."

2. Auf Grund der Aufforderung des Verfassungsgerichtshofes erstattete die Bundesregierung eine - am 15. März 2011 eingelangte - Äußerung, in der sie den Bedenken der Kärntner Landesregierung entgegentritt und beantragt, den Antrag als unzulässig zurückzuweisen in eventu auszusprechen, dass die angefochtenen Bestimmungen nicht als verfassungswidrig aufgehoben werden.

3. Mit dem am 7. Juli 2011 ausgegebenen Wahlrechtsänderungsgesetz 2011 (BGBl. I 43/2011) wurde unter anderem §39 Abs1 Nationalrats-Wahlordnung 1992 - wie unten dargestellt - geändert.

II. Rechtslage

1. §39 Abs1 Nationalrats-Wahlordnung 1992, BGBl. 471 idF BGBl. I 28/2007, lautet wie folgt (die angefochtenen Wortfolgen sind hervorgehoben):

"(1) Die Ausstellung der Wahlkarte ist bei der Gemeinde, von der der Wahlberechtigte in das Wählerverzeichnis eingetragen wurde, beginnend mit dem Tag der Wahlausschreibung bis spätestens am vierten Tag vor dem Wahltag unter Angabe des Grundes gemäß §38 Abs1 schriftlich oder spätestens am zweiten Tag vor dem Wahltag, 12.00 Uhr, mündlich zu beantragen. Ebenfalls bis zum letztgenannten Zeitpunkt kann ein schriftlicher Antrag gestellt werden, wenn eine persönliche Übergabe der Wahlkarte an eine vom Antragsteller bevollmächtigte Person möglich ist. Im Ausland kann die Ausstellung und Ausfolgung der Wahlkarte auch im Weg einer österreichischen Vertretungsbehörde beantragt werden. Beim mündlichen Antrag ist die Identität durch ein Dokument nachzuweisen, beim schriftlichen Antrag kann die Identität, sofern der Antragsteller nicht amtsbekannt ist oder der Antrag im Fall einer elektronischen Einbringung nicht digital signiert ist, auch auf andere Weise, insbesondere durch Angabe der Passnummer, durch Vorlage der Ablichtung eines Lichtbildausweises oder einer anderen Urkunde, glaubhaft gemacht werden. Im Fall des §38 Abs2 hat der Antrag das ausdrückliche Ersuchen um den Besuch durch eine besondere Wahlbehörde gemäß §73 Abs1 und die genaue Angabe der Räumlichkeiten, wo der Antragsteller den Besuch durch eine besondere Wahlbehörde erwartet, sowie bei Personen, die sich in öffentlichem Gewahrsam befinden, eine behördliche Bestätigung über die Unterbringung zu enthalten."

2. §39 Abs1 Nationalrats-Wahlordnung 1992, BGBl. 471 idF BGBl. I 43/2011, lautet wie folgt:

"(1) Die Ausstellung der Wahlkarte ist bei der Gemeinde, von der der Wahlberechtigte in das Wählerverzeichnis eingetragen wurde, beginnend mit dem Tag der Wahlausschreibung schriftlich oder mündlich unter Angabe des Grundes gemäß §38 Abs1 zu beantragen. Eine telefonische Beantragung ist nicht zulässig. Der Antrag kann schriftlich bis spätestens am vierten Tag vor dem Wahltag gestellt werden. Mündlich kann der Antrag bis spätestens am zweiten Tag vor dem Wahltag, 12.00 Uhr, gestellt werden. Ebenfalls bis zum letztgenannten Zeitpunkt kann ein Antrag schriftlich gestellt werden, wenn eine persönliche Übergabe der Wahlkarte an eine vom Antragsteller bevollmächtigte Person möglich ist. Im Ausland kann die Ausstellung und Ausfolgung der Wahlkarte auch im Weg einer österreichischen Vertretungsbehörde beantragt werden. Beim mündlich gestellten Antrag ist die Identität durch ein Dokument glaubhaft zu machen. Beim schriftlich gestellten Antrag kann die Identität, sofern der Antragsteller nicht amtsbekannt ist oder der Antrag im Fall einer elektronischen Einbringung nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist, auch auf andere Weise, insbesondere durch Angabe der Passnummer, durch Vorlage der Ablichtung eines amtlichen Lichtbildausweises oder einer anderen Urkunde glaubhaft gemacht werden. Die Gemeinde ist ermächtigt, die Passnummer im Weg einer Passbehörde und Lichtbildausweise oder andere Urkunden im Weg der für die Ausstellung dieser Dokumente zuständigen Behörde zu überprüfen. Im Fall des §38 Abs2 hat der Antrag das ausdrückliche Ersuchen um den Besuch durch eine besondere Wahlbehörde gemäß §73 Abs1 und die genaue Angabe der Räumlichkeiten, wo der Antragsteller den Besuch durch eine besondere Wahlbehörde erwartet, zu enthalten. Bei Personen, die sich in öffentlichem Gewahrsam befinden, hat der Antrag eine behördliche Bestätigung über die Unterbringung aufzuweisen."

3. Gemäß §129 Abs2 leg.cit. ist §39 Abs1 Nationalrats-Wahlordnung 1992, BGBl. 471 idF BGBl. I 43/2011, mit 1. Oktober 2011 in Kraft getreten.

III. Erwägungen

Der Gesetzesprüfungsantrag ist nicht zulässig:

1. Gemäß Art140 Abs1 zweiter Satz B-VG ist jede Landesregierung berechtigt, die Verfassungswidrigkeit bundesgesetzlicher Bestimmungen beim Verfassungsgerichtshof geltend zu machen. Wie sich aber aus Art140 Abs4 B-VG ergibt, ist ein Antrag einer Landesregierung als Fall einer abstrakten Normenkontrolle nur gegen geltende, nicht aber gegen schon außer Kraft getretene Rechtsvorschriften zulässig (vgl. zB VfSlg. 9897/1983, 14.802/1997,

S 397; VfSlg. 14.895/1997, S 1036).

2. Nun wurde aber §39 Abs1 NRWO 1992 in der hier angefochtenen Fassung (wie oben dargestellt) durch das - nach Einbringung der Anfechtung durch die Kärntner Landesregierung ergangene - Wahlrechtsänderungsgesetz 2011, BGBl. I 43/2011 neu erlassen; dieses Gesetz ist am 1. Oktober 2011 in Kraft getreten. Die Bestimmung in der angefochtenen Fassung steht somit zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes nicht mehr in Geltung und kann daher - auch wenn zum Teil einzelne Wortfolgen dem §39 Abs1 NRWO 1992 in der alten Fassung entsprechen - nicht Gegenstand eines zulässigen Antrages einer Landesregierung sein.

IV. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen

1. Der Antrag war daher schon aus diesem Grund als unzulässig zurückzuweisen.

2. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Wahlen, Nationalrat, VfGH / Prüfungsgegenstand, Geltungsbereich(zeitlicher) eines Gesetzes

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2011:G8.2011

Zuletzt aktualisiert am

20.09.2012
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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