TE Vfgh Beschluss 2011/10/14 B1175/11

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Veröffentlicht am 14.10.2011
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

VfGG §85 Abs2 / "Vollzug"
VfGG §85 Abs2 / Börsenwesen
VfGG §85 Abs2 / Verwaltungsstrafrecht / Geldstrafe (Ersatzarrest)

Spruch

Dem in der Beschwerdesache der Dr. H S, p.A. ..., vertreten durch die B & T Rechtsanwälte GmbH, ..., gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenats Wien vom 11. August 2011, Z ..., gestellten Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wird gemäß §85 Abs2 und 4 VfGG Folge gegeben.

Begründung

Begründung:

Die Antragstellerin ist Mitglied des Vorstands der B. Bank AG. Dieses Unternehmen ist Mitglied der Wiener Börse AG. Mit einem im Instanzenzug im Wesentlichen bestätigten Straferkenntnis der Finanzmarktaufsichtsbehörde vom 27. Mai 2010 wurde über sie eine Geldstrafe wegen einer Verwaltungsübertretung nach §48a Abs1 Z2 lita iVm §48c BörseG verhängt.

In der dagegen gemäß Art144 B-VG an den Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde wird u.a. der Antrag gestellt, ihr die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Zur Begründung führt die Antragstellerin aus, der Bewilligung der aufschiebenden Wirkung stünden keine öffentlichen Interessen entgegen. Der angefochtene Bescheid entfalte die Rechtswirkung, dass die Wiener Börse AG die Rechtspflicht habe, der B. Bank AG die Börsemitgliedschaft zu kündigen, sollte diese Bank die Antragstellerin nicht als Vorstand entlassen. Nach §19 Abs1 Z1 BörseG führe ein nachträglicher Wegfall der Zulassungsvoraussetzungen zum Ausschluss von der Börsemitgliedschaft. Nach §14 Abs1 Z4 BörseG könne die Zulassung nicht erteilt werden, wenn einer der Geschäftsleiter des Unternehmens rechtskräftig nach §48c leg.cit. bestraft ist. Dem Börseunternehmen komme kein Ermessen bei der Entscheidung über die Entziehung der Börsemitgliedschaft zu. Im privatrechtlichen Verhältnis zwischen dem Börsemitglied und der Börse seien keine mit aufschiebender Wirkung ausgestatteten Rechtsbehelfe vorgesehen; §19 Abs2 BörseG schließe ein Besitzstörungsverfahren oder die Erlassung von einstweiligen Verfügungen ausdrücklich aus (Hinweis auf VfGH 19.4.2010, B329/10). Der Vollzug des angefochtenen Bescheides wäre für die Antragstellerin mit einem unverhältnismäßigen Nachteil verbunden. Die B. Bank AG müsste sich von ihr als Vorstandsmitglied trennen und sie könnte diese Funktion auch in keinem anderen Bankinstitut ausüben. Sie würde ihr Einkommen verlieren und hätte eine nachhaltige Beschädigung ihrer beruflichen Reputation hinzunehmen.

Gemäß §85 Abs2 VfGG kann einer Beschwerde auf Antrag die aufschiebende Wirkung zuerkannt werden, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug des angefochtenen Bescheides für den Antragsteller ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

Nach §19 Abs1 Z1 BörseG sind Börsemitglieder von der Mitgliedschaft auszuschließen, wenn die Zulassungsvoraussetzungen weggefallen sind. Dies ist gemäß §14 Abs1 Z4 leg.cit. etwa dann der Fall, wenn einer der Geschäftsleiter des Börsemitglieds rechtskräftig nach §§48, 48b oder 48c leg.cit. bestraft ist.

Eine rechtskräftige Bestrafung wie jene des angefochtenen Bescheides entfaltet daher Tatbestandswirkung für die von der Börse auf ihrer Grundlage zu veranlassende Beendigung des Börsemitgliedschaftsverhältnisses (welches seit dem Börsefondsüberleitungsgesetz BGBl. I 11/1998 privatrechtlich organisiert ist; vgl. die RV 929 BlgNR 20. GP, 21). Im Hinblick auf den gesetzlichen Ausschluss von mit aufschiebender Wirkung ausgestatteten Rechtsbehelfen gegen den privatrechtlichen Ausschluss des Börsemitglieds von der Börsemitgliedschaft (§19 Abs2 BörseG) sieht es der Verfassungsgerichtshof als belegt an, dass der angefochtene Bescheid für die Antragstellerin die Wirkung hat, dass das Unternehmen, bei dem sie als Vorstand bestellt ist, sie als Vorstandsmitglied absetzen müsste, um den Ausschluss von der Börsemitgliedschaft abzuwenden. Mit der Umsetzung des angefochtenen Bescheides wäre für die Antragstellerin daher nicht nur die Fälligkeit der Geldstrafe, sondern auch der (zumindest vorläufige) Verlust ihrer Position im Unternehmen verbunden.

Der angefochtene Bescheid ist daher einem Vollzug zugänglich und sowohl hinsichtlich der Pflicht zur Zahlung der Geldstrafe als auch hinsichtlich seiner aus §19 BörseG resultierenden Folgewirkungen geeignet, für die Antragstellerin unmittelbar nachteilige Folgen auszulösen.

Der Verfassungsgerichtshof geht weiters davon aus, dass die Antragstellerin die sie betreffenden Nachteile hinreichend konkret dargelegt hat. Demgegenüber kann der Verfassungsgerichtshof nicht erkennen, dass es im öffentlichen Interesse geboten wäre, den angefochtenen Bescheid umgehend zu vollziehen, dass also der B. Bank AG die Börsemitgliedschaft sofort entzogen werden müsste, ohne dass der Ausgang des verfassungsgerichtlichen Verfahrens abgewartet werden dürfte. Nach Abwägung aller berührten Interessen ist daher davon auszugehen, dass der Vollzug des angefochtenen Bescheides für die Antragstellerin mit einem unverhältnismäßigen Nachteil im Sinn des §85 Abs2 VfGG verbunden wäre. Dem Antrag ist daher Folge zu geben.

Schlagworte

Börsewesen, VfGH / Wirkung aufschiebende

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2011:B1175.2011

Zuletzt aktualisiert am

04.11.2011
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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