TE Vwgh Erkenntnis 2000/12/19 2000/19/0154

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Veröffentlicht am 19.12.2000
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Index

27/04 Sonstige Rechtspflege;

Norm

GSchG §1 Abs1;
GSchG §1;
GSchG §14 Abs3;
GSchG §4 Z2;
GSchG §4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hanslik, über die Beschwerde der S S in A, vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt in N, gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom 31. Jänner 1997, Zl. Jv 376-18b/97, betreffend Befreiung vom Amte eines Geschworenen oder Schöffen, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen. Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin stellte am 27. August 1996 bei der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen einen Antrag auf Befreiung vom Amt des Geschworenen und Schöffen. Begründend gab sie an, dass auf ihre Mitarbeit in der Zahnarztordination ihres Ehegatten nicht verzichtet werden könne und sie überdies zwei minderjährige Kinder zu betreuen habe.

Am 23. Oktober 1996 gab die Beschwerdeführerin im Rahmen einer Einvernahme vor der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen an, sie sei in der Zahnarztordination ihres Ehegatten als "Ordinationsmanagerin" ganztags beschäftigt. Die Ordinationszeiten seien Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag von 07.30 Uhr bis 13.00 bzw. von 14.00 Uhr bis 17.30 Uhr. Ihre Tätigkeit bestehe darin, die Zeiteinteilung für die Patienten vorzunehmen, Röntgenbilder anzufertigen, eigene Patienten "zwecks Mundhygiene" zu betreuen und Prothesenreparaturen durchzuführen. Weiters erledige sie auch alleine für die Ordination die gesamte Buchhaltung, wobei diese Arbeiten ca. 40 Stunden im Monat in Anspruch nähmen. Sie erledige diese Buchhaltungsarbeiten während der Ordinationszeit bzw. teilweise mittwochs "je nach Möglichkeit". Des Weiteren müsse die Kassenabrechnung jeden Monat abgeschlossen werden und spätestens am 10. des darauf folgenden Monats abgesendet werden. Auch diese Arbeiten erledige sie alleine. In der Ordination seien drei Einheiten vorgesehen, eine davon nehme nach Bedarf sie selbst in Anspruch, in den beiden anderen bzw. allenfalls in allen drei Einheiten ordiniere ihr Ehegatte. Dieser sei in der Praxis zu den oben angeführten Ordinationszeiten anwesend, "nach Bedarf auch länger". In der Ordination seien weiters eine Vollbeschäftigte, ein Lehrling und eine geringfügig Beschäftigte angestellt, wobei die Vollbeschäftigte und der Lehrling ihrem Ehegatten assistierten, die geringfügig Beschäftigte in der Regel nur Dienstag und Donnerstag ca. sieben Stunden arbeite, bei Bedarf auch außerhalb der vereinbarten Zeit. Wenn eine der Angestellten krank werde, müssten Termine kurzfristig verschoben werden, weil kurzfristig andere Angestellte nicht zur Verfügung stünden. Für den Fall der Krankheit der Beschwerdeführerin habe diese noch keine Überlegungen angestellt, weil sie bisher noch nicht krank gewesen sei. Die Beschwerdeführerin gab darüber hinaus an, sie habe zwei Kinder (eine Tochter mit vier Jahren und einen Sohn mit sechs Jahren), welche sie vor Ordinationsbeginn in den Kindergarten bzw. zur Schule bringe. Gegen Mittag hole sie die Kinder ab und bringe sie in die Ordination, wo ihnen ein eigenes Zimmer zur Verfügung stünde. Dem Ehegatten sei es unmöglich, die Kinder abzuholen bzw. "hinzubringen". Es sei "niemand in der Nachbarschaft bzw. Verwandte, die die Kinder in Betreuung nehmen könnten".

Mit Bescheid vom 30. Oktober 1996 wies die Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen den Antrag der Beschwerdeführerin gemäß § 9 des Geschworenen- und Schöffengesetzes (GSchG) ab. In der Begründung wurde nach Wiedergabe der Angaben der Beschwerdeführerin anlässlich ihrer Einvernahme ausgeführt, eine vorübergehende Abwesenheit einer Arbeitskraft könne jedem Betrieb zugemutet werden, weil jede Abwesenheit einer Arbeitskraft jeden anderen Betrieb in gleicher Weise treffe. Durch eigene Angaben der Beschwerdeführerin sei bestätigt worden, dass bei Verhinderung einer Arbeitskraft die übrigen herangezogen bzw. Termine von Patienten verschoben würden. Diese Vorgangsweise sei sohin auch bei einer Verhinderung der Antragstellerin selbst möglich, auch wenn dieser Fall bisher nicht eingetreten sei. Das Unterlassen "der Vorsehung einer Vertretung für die Antragstellerin" könne nicht zum Vorteil gereichen bzw. nicht dazu beitragen, "dass man sich der Staatsbürgerpflicht entledigt". Da die Einberufungszeit von GSchG gemäß dessen § 14 Abs. 3 maximal auf fünf Tage beschränkt sei, könne es auch "bezüglich Abrechnung" zu keinen Versäumnissen kommen. Im ungünstigsten Fall blieben der Beschwerdeführerin immer noch fünf Tage für die Erstellung der Abrechnung. Es könne sohin keine unverhältnismäßige wirtschaftliche Belastung für die Beschwerdeführerin selbst oder für Dritte erblickt werden, weil Termine verschoben und kurzfristig zu einer anderen Zeit nachgeholt werden könnten. Diese Vorgangsweise sei in Zahnarztpraxen auch üblich und sei von der Beschwerdeführerin selbst bestätigt worden. Laut Auskunft des Niederösterreichischen Hilfswerkes gebe es in Aspang-Markt eine Tagesmutter, die gegen Vereinbarung Kinder betreue und auch von der Schule bzw. vom Kindergarten abhole und nach Hause bringe. Die Kinder der Beschwerdeführerin besuchten bereits Kindergarten bzw. Schule, daraus ergebe sich, dass sie eine "Fremdbetreuung" bereits gewohnt seien und daher keine Eingewöhnungsphase erforderlich wäre.

In der dagegen erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, die Behörde erster Instanz habe es unterlassen aufzuzeigen, inwiefern aushilfsweise eine Vertretungsperson für Buchhaltung, Röntgentätigkeit, Durchführung von Mundhygienesitzungen und Patienteneinteilung verfügbar sein solle. Angestellte mit ihrem Ausbildungsstand seien nicht tageweise "auf Abruf" zur Verfügung. Die Feststellungen der Erstbehörde zu der für die Erstellung der Abrechnung zur Verfügung stehenden Zeit könne nicht nachvollzogen werden, weil mit dem Beginn dieser Abrechnungstätigkeit erst begonnen werden könne, wenn die Abrechungsgrundlagen vorlägen. Dies sei erfahrungsgemäß erst kurz vor dem Abgabetermin der Fall. Die Erstbehörde übersehe weiters, dass die Beschwerdeführerin darüber hinaus noch Mutter zweier minderjähriger Kinder sei. Möglicherweise sei "nur dieser Teilbereich" ihrer mütterlichen Pflichten durch Aufnahme einer Pflegeperson substituierbar, keinesfalls jedoch ihre Tätigkeit in der Zahnarztpraxis.

Der Präsident des Landesgerichtes Wiener Neustadt gab der Berufung mit Bescheid vom 31. Jänner 1997 gemäß § 12 Abs. 1 GSchG keine Folge. Begründend führte er aus, es sei unbestritten, dass die Beschwerdeführerin für ihren Dienstgeber, ihren Ehemann, eine wichtige Arbeitskraft darstelle, doch stelle die Abwesenheit durch Ausübung des Schöffen- oder Geschworenenamtes für maximal fünf Tage pro Jahr, wenn auch auf ein Quartal konzentriert, "keine außergewöhnlich persönliche oder wirtschaftliche Belastung" für die Beschwerdeführerin oder Dritte dar, müsse doch auch zur Urlaubszeit oder im Krankheitsfall eine Ersatzkraft aufzutreiben sein. Anhaltspunkte für einen verfahrensrechtlichen Fehler der Gemeinde (bei der Erstellung der Listen) sei aus den vorhandenen Unterlagen nicht ersichtlich, weshalb der Berufung ein Erfolg zu versagen gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Mit Beschluss vom 7. April 2000, Zl. A 8/2000-1 (97/19/1097), stellte der Verwaltungsgerichtshof an den Verfassungsgerichtshof den Antrag,

in § 9 Abs. 3 erster Satz des Bundesgesetzes über die Berufung der Geschworenen und Schöffen (Geschworenen- und Schöffengesetz 1990 - GSchG), BGBl. Nr. 256/1990, die Wortfolge "an den Präsidenten des örtlich zuständigen in Strafsachen tätigen Gerichtshofes erster Instanz" sowie in § 12 Abs. 1 GSchG die Wortfolge "entscheidet über Berufungen (§ 9 Abs. 3) endgültig und" in eventu in § 9 Abs. 3 erster Satz GSchG die Wortfolge "an den Präsidenten des örtlich zuständigen in Strafsachen tätigen Gerichtshofes erster Instanz", in § 10 GSchG die Wortfolge "samt erhobenen Berufungen" und in § 12 Abs. 1 GSchG die Wortfolge "entscheidet über Berufungen (§ 9 Abs. 3) endgültig und" als verfassungswidrig aufzuheben.

Der Verfassungsgerichtshof wies diesen Antrag mit Erkenntnis vom 12. Oktober 2000, G 56/00-7, als unbegründet ab.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des GSchG lauten (auszugsweise):

"§ 1.

...

(2) Das Amt eines Geschworenen oder Schöffen ist ein Ehrenamt; seine Ausübung ist Mitwirkung des Volkes an der Rechtsprechung und in der demokratischen Republik Österreich allgemeine Bürgerpflicht.

(2) Zum Amt eines Geschworenen oder Schöffen sind österreichische Staatsbürger zu berufen, die zu Beginn des ersten Jahres, in dem sie tätig sein sollen, das 25., nicht aber das 65. Lebensjahr vollendet haben.

...

§ 4. Vom Amt eines Geschworenen oder Schöffen sind auf Antrag für einen Zeitraum von höchstens zwei Jahren (Geltungsdauer der Jahreslisten nach § 12 Abs. 2) zu befreien:

...

2. Personen, bei denen die Erfüllung ihrer Pflicht als Geschworene oder Schöffen mit einer unverhältnismäßigen persönlichen oder wirtschaftlichen Belastung für sie selbst oder Dritte oder mit einer schwer wiegenden und nicht anders abwendbaren Gefährdung öffentlicher Interessen verbunden wäre.

...

§ 14. (1) Die Geschworenen und Schöffen sind in der Reihenfolge der Dienstlisten mit der Ladung zur ersten Hauptverhandlung zu ihrem Amt zu berufen. Hiebei sind ihnen womöglich auch schon die weiteren Verhandlungstage bekannt zu geben, an denen sie im ersten Jahr zum Dienst herangezogen werden sollen, und eine eingehende Belehrung über die mit dem Amt eines Geschworenen oder Schöffen verbundenen Rechte und Pflichten zu erteilen.

(2) Ladungen sind den Geschworenen und Schöffen zu eigenen Handen und tunlichst nicht später als 14 Tage vor der ersten Ladung zuzustellen. ... Ferner sind sie auf die Folgen eines Ausbleibens aufmerksam zu machen.

(3) Die Geschworenen und Schöffen sind in jedem der beiden Jahre zum Dienst an höchstens fünf Verhandlungstagen heranzuziehen. Sie sind aber verpflichtet, ihre Tätigkeit nach Beginn einer Verhandlung ungeachtet der Geltungsdauer der Dienstliste bis zur Urteilsfällung fortzusetzen. § 13 Abs. 6 letzter Satz bleibt unberührt.

..."

Der besondere Teil der Erläuterungen der Regierungsvorlage eines Bundesgesetzes über die Berufung der Geschworenen und Schöffen, 1193 BlgNR 18. GP, lautet (auszugsweise):

"II. Zu den Befreiungsgründen (§ 4)

...

Der Entwurf sieht einen generellen Befreiungstatbestand vor, der sowohl auf eine unverhältnismäßige persönliche oder wirtschaftliche Belastung durch eine Tätigkeit als ehrenamtlicher Richter als auch auf schwer wiegende öffentliche Interessen Rücksicht nimmt. Auf diese Bestimmung werden sich künftig etwa Bedienstete des privaten und öffentlichen Bereiches, auf deren Mitarbeit auch für den Fall bloß kurzfristiger Abwesenheit auf Grund besonders gelagerter Umstände nicht verzichtet werden kann, aber auch allein erziehende Elternteile berufen können, die unmündige Kinder zu betreuen haben, ohne auf ausreichende Unterstützung von dritter Seite zurückgreifen zu können. Der Befreiungsantrag wird jedenfalls unter Vorlage entsprechender Bescheinigungen, z.B. der Firmenleitung oder Dienststelle, geltend zu machen sein. Über diese allgemeine Befreiungsmöglichkeit hinaus besteht keine Veranlassung, für einzelne Berufsgruppen (Ärzte, Apotheker, Dentisten, Gemeindebedienstete) weiterhin Sonderregelungen vorzusehen.

Der Entwurf sieht vor, Geschworene und Schöffen grundsätzlich zum Dienst an höchstens fünf Verhandlungstagen, dies allerdings jeweils in zwei aufeinander folgenden Jahren, heranzuziehen. Damit soll bei zumutbarer zeitlicher Belastung der Betroffenen einerseits deren Erfahrung genutzt, andererseits der Verfahrensaufwand bei der Erstellung der Verzeichnisse und Listen vermindert werden."

§ 4 des vom GSchG abgelösten Geschwornen- und Schöffenlistengesetzes, BGBl. Nr. 135/1946, lautete zuletzt in der Fassung der BGBl. Nr. 605/1987 (auszugsweise):

"§ 4. Vom Amt eines Geschwornen oder Schöffen sind auf Ansuchen zu befreien:

...

3. Gemeindebedienstete, deren Berufung zum Amt eines Geschwornen oder Schöffen nicht ohnedies nach § 3 ausgeschlossen ist, Ärzte, Apotheker und Dentisten, wenn ihre Unentbehrlichkeit von der Bezirksverwaltungsbehörde, in Wien oder in Städten mit eigenem Statut vom Magistrat bestätigt wird, für das folgende Jahr.

..."

Die belangte Behörde hat, wie schon die Behörde erster Instanz, ihrer rechtlichen Beurteilung erkennbar das sachverhaltsbezogene Vorbringen der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren zu ihrer persönlichen und beruflichen Belastung sowie derjenigen ihres Ehegatten, der als Zahnarzt auch ihr Dienstgeber ist, zu Grunde gelegt. Die belangte Behörde ist allerdings in ihrer rechtlichen Beurteilung zum Ergebnis gekommen, dass die Erfüllung der Pflicht als Geschworene oder Schöffe im Falle der Beschwerdeführerin nicht mit einer unverhältnismäßigen persönlichen oder wirtschaftlichen Belastung für diese selbst oder Dritte (vorliegendenfalls: ihren Ehegatten) verbunden wäre. Mit dieser rechtlichen Beurteilung ist die belangte Behörde entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführerin im Ergebnis im Recht.

Die Befreiung vom Amt eines Geschworenen oder Schöffen für einen Zeitraum von höchstens zwei Jahren kommt gemäß § 4 Abs. 2 GSchG nur für solche Personen in Frage, bei denen die Erfüllung ihrer Pflicht als Geschworene oder Schöffen mit einer unverhältnismäßigen persönlichen oder wirtschaftlichen Belastung für sie selbst oder Dritte verbunden wäre (der in der genannten Bestimmung darüber hinaus noch genannte Fall einer nicht anders als durch Befreiung abwendbaren Gefährdung öffentlicher Interessen kann hier außer Betracht bleiben). Der Gesetzgeber bedient sich bei der Umschreibung des zu befreienden Personenkreises unbestimmter Gesetzesbegriffe ("mit einer unverhältnismäßigen persönlichen oder wirtschaftlichen Belastung für sie selbst oder Dritte ... verbunden"). Welches Verständnis der Gesetzgeber dem Befreiungsgrund des § 4 Z. 2 GSchG zu Grunde gelegt wissen wollte, ergibt sich aus den - oben wiedergegebenen - Erläuterungen zur Regierungsvorlage. Auf die in Rede stehende Befreiungsbestimmung sollen sich danach Bedienstete des privaten und öffentlichen Bereichs, auf deren Mitarbeit auch für den Fall bloß kurzfristiger Abwesenheit auf Grund besonders gelagerter Umstände nicht verzichtet werden kann, aber auch allein erziehende Elternteile berufen können, die unmündige Kinder zu betreuen haben, ohne auf ausreichende Unterstützung von dritter Seite zurückgreifen zu können. Hingegen bestand nach den Intentionen des Gesetzgebers keine Veranlassung, für einzelne Berufsgruppen - genannt werden in der Regierungsvorlage u.a. Ärzte, Apotheker und Dentisten - weiterhin Sonderregelungen vorzusehen. Die diesbezügliche Passage in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage steht im Zusammenhang mit den Befreiungstatbeständen, die zu diesem Zeitpunkt im Geschwornen- und Schöffenlistengesetz aus 1946 enthalten waren. Danach (§ 4 Z. 3) waren die in der Regierungsvorlage erwähnten Ärzte, Apotheker und Dentisten unter bestimmten Voraussetzungen, nämlich wenn ihre Unentbehrlichkeit von der Bezirksverwaltungsbehörde bestätigt wurde, für das jeweils folgende Jahr vom Amt eines Geschwornen oder Schöffen zu befreien.

Der Gesetzgeber des GSchG ging demnach unzweifelhaft davon aus, dass das Amt eines Geschworenen oder Schöffen, das gemäß § 1 Abs. 1 GSchG ein Ehrenamt ist, dessen Ausübung in der demokratischen Republik Österreich allgemeine Bürgerpflicht darstellt, grundsätzlich von den Angehörigen aller Berufsgruppen ausgeübt werden soll. Nur bei Vorliegen der im § 4 umschriebenen Befreiungsvoraussetzungen, die nicht auf die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Berufsgruppe abstellen, soll - im Einzelfall - eine Befreiung möglich sein.

Gemäß § 14 Abs. 3 GSchG sind die Geschworenen und Schöffen in jedem der beiden Jahre zum Dienst an höchstens fünf Verhandlungstagen heranzuziehen. Sie sind aber, worauf die Beschwerdeführerin zu Recht verweist, verpflichtet, ihre Tätigkeit nach Beginn einer Verhandlung ungeachtet der Geltungsdauer der Dienstliste bis zur Urteilsfällung fortzusetzen. Der Gesetzgeber hat nun ganz offenkundig in Kauf genommen, dass die Heranziehung der Geschworenen oder Schöffen - grundsätzlich in einem fünf Verhandlungstage pro Jahr nicht übersteigenden zeitlichen Ausmaß - für diese Personen auf Grund ihrer zeitlichen Inanspruchnahme bestimmte persönliche oder wirtschaftliche Nachteile mit sich bringt. Solche Nachteile haben die für das Amt eines Geschworenen oder Schöffen in Aussicht genommenen Personen - hierin kommt der Charakter der allgemeinen Bürgerpflicht zum Ausdruck - ihrerseits in Kauf zu nehmen. Nur dann, wenn die Erfüllung der Pflichten als Geschworene oder Schöffen mit einer unverhältnismäßigen persönlichen oder wirtschaftlichen Belastung für diese Personen oder Dritte verbunden wäre, soll eine Befreiung Platz greifen.

Das ausführliche Vorbringen der Beschwerdeführerin schon im Verwaltungsverfahren ging dahin zu zeigen, dass auf Grund ihrer Stellung als "Ordinationsmanagerin" in der Zahnarztordination ihres Ehegatten aus ihrer Heranziehung als Geschworene oder Schöffe eine unverhältnismäßige wirtschaftliche Belastung für ihren Ehegatten (einen Dritten im Sinne des § 4 Z. 2 GSchG) resultiere. Mit diesem Vorbringen kann sie jedoch keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzeigen.

Das GSchG unterscheidet hinsichtlich der Befreiung vom Amt des Geschworenen oder Schöffen nicht zwischen Personen, die unselbstständige, und solchen, die selbstständige Tätigkeit ausüben. Eine wirtschaftliche Belastung durch die Inanspruchnahme eines unselbstständig Erwerbstätigen wie der Beschwerdeführerin kann, wie im Falle ihres Ehegatten, dadurch entstehen, dass durch den Ausfall der Arbeitskraft des unselbstständig Erwerbstätigen für den Dienstgeber Kosten für eine Ersatzarbeitskraft entstehen oder dadurch, dass der Dienstgeber, wenn eine Ersatzarbeitskraft nicht zur Verfügung stehen sollte, eine Einschränkung seiner selbstständigen Tätigkeit für die Zeit der Inanspruchnahme des Dienstnehmers, und damit allenfalls auch finanzielle Einbußen hinzunehmen hat. Im Falle des Ehegatten der Beschwerdeführerin, dies ergibt sich auch aus ihrem Vorbringen, bestehen wirtschaftliche Nachteile entweder darin, dass jener Kosten für eine Ersatzarbeitskraft zu tragen hat, oder aber dadurch, dass er, wenn eine Ersatzarbeitskraft nicht zur Verfügung steht und auch mit einer bloßen Terminverschiebung für seine Patienten nicht das Auslangen gefunden werden kann, unter Umständen verhalten wäre, seine Ordinationstätigkeit einzuschränken. Unzweifelhaft können sich aus einer derartigen Einschränkung der Ordinationstätigkeit finanzielle Nachteile ergeben. Damit ist allerdings für die Beschwerdeführerin nichts gewonnen.

Aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber des GSchG die weithin bestehenden Ausnahmen für Angehörige bestimmter Berufe, darunter von Ärzten, aus der früheren Rechtslage nicht übernommen hat, ergibt sich, dass nach den Vorstellungen des Gesetzgebers des GSchG grundsätzlich auch einem Arzt selbst die Ausübung des Amtes eines Geschworenen oder Schöffen zuzumuten ist. Gerade bei Heranziehung eines Arztes zum Amt als Geschworener oder Schöffe ist aber, sofern nicht ausnahmsweise eine Vertretung durch andere Ärzte oder eine Terminverschiebung möglich ist, eine Einschränkung der Ordinationstätigkeit und damit eine finanzielle Einbuße unvermeidlich. Selbst wenn daher das Vorbringen der Beschwerdeführerin zuträfe, wären aus ihrer geringfügigen zeitlichen Belastung als Geschworene oder Schöffe für ihren Dienstgeber (ihren Ehegatten) resultierende finanzielle Nachteile nur in einem solchen Ausmaß anzunehmen, das jenes bei Heranziehung ihres Ehegatten als Geschworener oder Schöffe nicht überstiege, sodass nach dem bisher Gesagten nicht von einer unverhältnismäßigen wirtschaftlichen Belastung ihres Ehegatten gesprochen werden kann. Dies gilt auch für die von der Beschwerdeführerin hervorgehobene Tätigkeit als ausschließliche Buchhalterin ihres Ehegatten. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung gibt es keinen Grund daran zu zweifeln, dass selbst im ungünstigsten Fall einer Inanspruchnahme der Beschwerdeführerin für den Zeitraum, in dem sie für gewöhnlich Kassenabrechnungen durchzuführen hat, eine Ersatzarbeitskraft gefunden werden kann, will man nicht ohnedies davon ausgehen, dass der Beschwerdeführerin die Durchführung dieser Tätigkeiten notfalls auch außerhalb ihrer gewöhnlichen Arbeitszeiten zuzumuten ist.

Soweit die Beschwerdeführerin aber auf die persönliche und finanzielle Belastung hinweist, die ihr aus der Betreuung ihrer minderjährigen Kinder erwächst, vermag sie eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides ebenfalls nicht aufzuzeigen. Da sie nicht allein erziehend ist, kann sie sich auf die wiedergegebenen Gesetzesmaterialien jedenfalls nicht berufen, denen zufolge insbesondere allein erziehende Elternteile für eine Befreiung in Frage kommen sollen. Da sie bereits im Verwaltungsverfahren selbst die Substituierbarkeit ihrer Kinderbetreuung durch eine dritte Person eingeräumt hat, kann es sich auch in dieser Hinsicht nur um wirtschaftliche Nachteile handeln, die ihr oder ihrem Ehegatten aus den Kosten für eine derartige Kinderbetreuung erwüchsen. Angesichts des dargelegten relativ geringen Umfanges der Inanspruchnahme von Schöffen und Geschworenen in zeitlicher Hinsicht kann aber auch diesbezüglich nicht davon die Rede sein, dass es sich bei den allenfalls anfallenden Betreuungskosten um eine unverhältnismäßige wirtschaftliche Belastung handelt.

Soweit die Beschwerdeführerin weiters Verfahrensmängel rügt, ist ihr entgegenzuhalten, dass vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtslage und ihres eigenen Vorbringens nicht erkennbar ist, wie die belangte Behörde bei Vermeidung der behaupteten Verfahrensmängel zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können.

Anders als die Beschwerdeführerin annimmt, ist eine Befreiung vom Amt des Geschworenen oder Schöffen auch nicht etwa schon deswegen vorzunehmen, weil es andere Staatsbürger gibt, bei denen eine Belastung in persönlicher und wirtschaftlicher Hinsicht nur in geringerem Ausmaß zu befürchten wäre. Das Amt eines Geschworenen oder Schöffen wird vom Gesetzgeber vielmehr grundsätzlich jedem Staatsbürger zugemutet, sofern die Inanspruchnahme durch dieses Amt den Betroffenen nicht in einer unzumutbaren Weise belasten würde.

Soweit die Beschwerdeführerin schließlich auf einen Erlass des Bundesministers für Justiz verweist, ist ihr zu entgegnen, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid nicht an dieser, nicht als Verordnung kundgemachten Vorschrift zu prüfen hat. Im Übrigen gibt es keinen Grund dafür anzunehmen, dass sich ein Staatsbürger der in § 1 GSchG umschriebenen Bürgerpflicht allein dadurch entziehen könnte, dass er im vorangehenden Verwaltungsverfahren seine mangelnde Motivation für den Fall der Heranziehung als Geschworener oder Schöffe herausstreicht.

Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 19. Dezember 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:2000190154.X00

Im RIS seit

07.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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