Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch sein Mitglied Dr. Zeller über die Berufung der Frau Sanela M., STA: Serbien, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien, Fremdenpolizeiliches Büro vom 12.02.2011, III- 1.248.466/FrB/11 betreffend Ausweisung entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben.
I. Mit dem angefochtenen Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien, Fremdenpolizeiliches Büro vom 12.02.2011, III-1.248.466/FrB/11 wurde über die Berufungswerberin eine Ausweisung gemäß § 53 FPG ausgesprochen. Begründend wird angeführt, dass sie sich seit 2007 im Bundesgebiet aufhielte. Sie sei bereits am 2.5.2009 aus dem Bundesgebiet ausgewiesen worden, sie habe am 12.5.2009 einen Antrag auf Erteilung eines Niederlassungsnachweises bei der zuständigen MA 35 gestellt, welcher rechtskräftig negativ entschieden wurde. Sie habe weiters am 24.6.2009 einen Antrag über die Botschaft in Belgrad eingebracht, welcher vom Bundesminister für Inneres abgelehnt worden sei. Sie sei verheiratet mit Sorgepflichten für ein Kind, die Familie lebe in Österreich.
In der dagegen fristgerecht erhobenen Berufung wird im Wesentlichen dargelegt, dass die Berufungswerberin nunmehr zwei Kinder habe, welche beide österreichische Staatsangehörige seien. Ihr Mann sei berufstätig und verdiene monatlich 1.100.- Ein Verfahren sei vor der MA 35 anhängig zur Erteilung einer Niederlassungsbewilligung. Es bestünden Gründe nach Art. 8 MRK, wonach sie nicht ausgewiesen werden dürfe. II. Aus dem vorliegenden Akteninhalt geht im hier relevanten Umfang folgender, als erwiesen festgestellter Sachverhalt hervor:
Die Berufungswerberin ist serbische Staatsangehörige. Die Berufungswerberin reiste mit einem Reisevisum, gültig vom 25.6.2007 bis 24.7.2007 in das Bundesgebiet ein.
Sie heiratete am 30.10.2007 den österreichischen Staatsangehörigen Screcko M. in Wien. Seitens der BPD Wien fand am 2.11.2007 eine Aufenthaltseheprüfung der Ehe zwischen der Berufungswerberin sowie Herrn Srecko M., österreichischer Staatsangehöriger, statt, wonach es sich letztendlich um keine Scheinehe handelte. In weiterer Folge wurde gegen die Berufungswerberin ein Verfahren zur Erlassung einer Ausweisung eingeleitet. In der Stellungnahme der Berufungswerberin vom 23.1.2008 führt sie aus, dass sie seit 27.6.2007 im Bundesgebiet bei ihrem Ehemann gemeldet sei, sie habe ein Kind mit ihm, welches am 25.12.2007 auf die Welt gekommen sei, sie sei in Österreich nicht berufstätig, wohne bei ihren Schwiegereltern und strebe weiter ein Familienleben in Österreich an.
Aus dem im Akt erliegenden Auszug aus dem Melderegister geht eine durchgehende Meldung der Berufungswerberin seit 27.6.2007 in Wien hervor. In der weiteren, mit Berufungswerberin aufgenommenen Niederschrift vor der BPD Wien vom 28.2.2008 wurde sie über ihren illegalen Aufenthalt aufgeklärt. In einer weiteren Einvernahme vor der BPD Wien vom 1.10.2008 wurde sie über ihren illegalen Aufenthalt weiters informiert.
Die Berufungswerberin stellte bei der MA 35 am 20.3.2009 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels.
Gegen die Berufungswerberin wurde in weiterer Folge eine Ausweisung mit Bescheid der BPD Wien vom 2.5.2009 wegen ihres illegalen Aufenthaltes im Bundesgebiet gemäß § 53 Abs 1 FPG erlassen. Dieser erwuchs mit 28.6.2009 in Rechtskraft. Mit Bescheid der MA 35 vom 12.5.2009 wurde ihr Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels wegen Inlandsantragstellung abgewiesen. Der Berufung wurde mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 23.10.2010 nicht Folge gegeben. Sie stellte ebenso bei der österreichischen Botschaft in Belgrad am 24.6.2009 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zum Zweck der Familiengemeinschaft. Nach Angaben des Ehegatten vom 12.1.2010 gegenüber Organen der BPD Wien hielt sich die Berufungswerberin in diesem Zeitraum in Serbien auf. Die beiden Kinder der Berufungswerberin mit ihrem Ehegatten, einem österreichischen Staatsangehörigen, sind österreichische Staatsangehörige, wie aus den im Akt erliegenden Geburtsurkunden hervorgeht.
Aus dem im Akt erliegenden Versicherungsdatenauszug betreffend den Ehegatten der Berufungswerberin geht hervor, dass dieser gegenwärtig erwerbstätig ist, aus der im Akt erliegenden Kopie des Lohnzettels des Ehegatten geht hervor, dass dieser aus seiner unselbständigen Erwerbstätigkeit Einkünfte in der Höhe von 1.111,14 Euro im Juli 2011 erzielt hatte.
Die Berufungswerberin selbst ist nicht erwerbstätig. Sie weist im Bundesgebiet keine strafrechtlichen Vormerkungen auf. Die Berufungswerberin wohnt gemeinsam mit ihrem Ehegatten sowie ihren beiden minderjährigen Kindern (geboren 2007 und 2010) in gemeinsamen Haushalt. In der Sache fand vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien am 5.10.2011 eine öffentliche Berufungsverhandlung statt, von der jede der Parteien unentschuldigt fernblieb.
Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat erwogen:
Gemäß § 9 Abs 1a Fremdenpolizeigesetz, BGBl. I Nr. 100/2005, idF BGBl. I Nr. 38/2011 (in der Folge: FPG) entscheiden über Berufungen gegen Rückkehrentscheidungen die unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 31.5.2011, Zl. 2011/22/0097, ausgesprochen, dass für sämtliche Rückkehrentscheidungen bereits seit dem Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie 2008/115/EG (im Folgenden: Rückführungsrichtlinie) am 24.12.2010 als Berufungsinstanz die unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern zuständig sind.
Eine Rückkehrentscheidung ist nach Art 3 Z 4 Rückführungsrichtlinie jede behördliche oder richterliche Entscheidung oder Maßnahme, mit der der illegale Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen festgestellt und eine Rückkehrverpflichtung auferlegt oder festgestellt wird.
Demnach ist die Erlassung einer Ausweisung als Rückkehrentscheidung zu qualifizieren und der Unabhängige Verwaltungssenat Wien zur Entscheidung über die gegenständliche Berufung zuständig.
Gemäß § 65b FPG unterliegen Familienangehörige (§ 2 Abs 4 Z 12 FPG) der Visumpflicht und sind auf sie die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach den §§ 41a, 65a Abs 2, 66, 67 und 70 Abs 3 FPG anzuwenden. Auf die Berufungswerberin als Ehegattin eines Österreichers, der von seinem Recht auf Freizügigkeit keinen Gebrauch gemacht hat, ist somit § 66 Abs 1 FPG anzuwenden. Gemäß § 66 Abs 1 FPG können EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt.
§ 55 Abs 3 NAG sieht Folgendes vor:
?Besteht das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52 und 54 nicht, weil eine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit vorliegt, die Nachweise nach § 53 Abs 2 oder § 54 Abs 2 nicht erbracht werden oder die Voraussetzungen für dieses Aufenthaltsrecht nicht mehr vorliegen, hat die Behörde den Betroffenen hievon schriftlich in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass die zuständige Fremdenpolizeibehörde hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsbeendigung befasst wurde. Die zuständige Fremdenpolizeibehörde ist unverzüglich, spätestens jedoch gleichzeitig mit der Mitteilung an den Antragsteller, zu befassen. Dies gilt nicht in einem Fall gemäß § 54 Abs 7.?
Nach § 53 Abs 2 Z 4 NAG ist der Nachweis des Bestehens der Ehe zum Nachweis eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts für Angehörige erforderlich. Dass eine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit vorliegt, die Nachweise nach § 53 Abs 2 oder § 54 Abs 2 NAG nicht erbracht werden könnten oder die sonstigen Voraussetzungen für das Aufenthaltsrecht nicht vorliegen, konnte nicht festgestellt werden, zumal die Berufungswerberin in Österreich gänzlich unbescholten ist und die Ehe im Entscheidungszeitpunkt noch aufrecht ist. Im übrigen sei darauf hingewiesen, dass darüber hinaus eine Ausweisung aus Gründen des Artikel 8 MRK rechtswidrig wäre, da ihre beiden Kinder im Kleinkindalter österreichische Staatsangehörige sind. Eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gegenüber der Mutter stellt dann eine Verletzung des Art. 8 MRK dar, wenn das Kind mit österreichischer Staatsangehörigkeit auf die Pflege und Obsorge der Mutter angewiesen ist, wenn dem Kind eine Ausreise mit der Mutter nicht zumutbar wäre (vgl. dazu u.a. VwGH Erkenntnis vom 15.9.2010, Zl. 2007/18/0592). Die Angewiesenheit auf die Obsorge und Pflege der im gemeinsamen Haushalt mit der Mutter lebenden Kinder steht als erwiesen fest. Ebenso läge unter Beachtung des Urteils des EuGH in der Rs. C-34/09, Zambrano, welches gegenständlich sachverhaltsmäßig als gleichgelagert zu sehen ist (obschon keine finanzielle Angewiesenheit des Unionsbürgers von der Mutter, sondern faktische Angewiesenheit auf die Obsorge der Mutter besteht), ein Aufenthaltsrecht gegenständlich vor. Gegenteilige Hinweise sind im Verfahren nicht hervorgekommen und wurden auch von keiner der Parteien vorgebracht.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.