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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AVG §67a Abs1 Z2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hanslik, über 1. die Beschwerde des K in W, vertreten durch Dr. Z, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Wien vom 18. Juni 1997, Zl. UVS-02/16/00072/97, betreffend Sicherheitskontrolle bei Betreten eines Gerichtsgebäudes und Feststellung fehlender Gebührenpflicht einer Beschwerde, und 2. über die Anträge auf bescheidmäßige Feststellung der Gebührenfreiheit sowie des Bestandes oder Erlöschens von Zahlungsverpflichtungen und auf Ausstellung eines Abrechnungsbescheides
Spruch
1. den Beschluss gefasst:
Die Anträge werden zurückgewiesen.
2. zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
In seiner an den Unabhängigen Verwaltungssenat Wien gerichteten Beschwerde wegen behaupteter unzulässiger Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt brachte der Beschwerdeführer vor, er sei am 11. Juni 1997 gegen 11.10 Uhr in den Eingangsbereich des Landesgerichtes für Strafsachen Wien (Tor Landesgerichtsstraße 11) getreten. Er habe eine Aktenmappe mit einigem Inhalt sowie eine Herrenhandtasche mit Geldbörse, Ausweis und Schreibutensilien bei sich gehabt. An der Torsonde hätten zwei Personen der Firma Group 4 Aufstellung genommen. Diese hätten verlangt, in seine Aktenmappe Einsicht zu nehmen. Auf einem kleinen Tisch sei ein kleiner Metalldetektor gelegen, der nicht benützt worden sei. Es hätten sich weitere Leute im Bereich des Einganges befunden, die diesen Vorfall hätten wahrnehmen können. Ausdrücklich beantragte der Beschwerdeführer die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Unter einem beantragte der Beschwerdeführer die bescheidmäßige Feststellung, dass seine Beschwerde nicht der Gebührenpflicht unterliege.
Ohne eine mündliche Verhandlung durchzuführen, wies der Unabhängige Verwaltungssenat Wien mit Bescheid vom 18. Juni 1997 die Beschwerde ab und wies zugleich den Antrag auf bescheidmäßige Feststellung, die Beschwerde unterliege nicht der Gebührenpflicht, als unzulässig zurück. Begründend führte der Unabhängige Verwaltungssenat Wien aus, der Beschwerdeführer erachte sich durch eine am 11. Juni 1997 erfolgte Sicherheitskontrolle im Eingangsbereich des Landesgerichtes für Strafsachen Wien in seinem gemäß Art. 8 MRK gewährleisteten Recht auf Achtung seines Privatlebens verletzt. Den angefochtenen Verwaltungsakt habe er wie folgt beschrieben: 'Hineinschauen in eine Aktenmappe durch zwei Mitarbeiter der Firma Group 4 im Eingangsbereich des Landesgerichts für Strafsachen Wien, Eingang Landesgerichtsstraße.' Vorweg habe er beantragt, bescheidmäßig festzustellen, dass die vorliegende Beschwerde nicht der Gebührenpflicht unterliege. Dazu sei jedoch zu sagen, dass § 3 Abs. 3 des Gerichtsorganisationsgesetzes (GOG) in der Fassung BGBl. Nr. 760/1996, am 1. Mai 1997 in Kraft getreten, normiere, dass Personen, die ein Gerichtsgebäude betreten oder sich in einem solchen aufhalten, sich auf Aufforderung eines Kontrollorganes einer Kontrolle zu unterziehen haben, ob sie eine Waffe bei sich haben (Sicherheitskontrolle); ein Rechtsmittel gegen eine solche Kontrolle sei im Gesetz nicht vorgesehen. Die Beschwerde sei somit zulässig, sie sei jedoch unbegründet. Die Kontrolle einer Aktenmappe sei Bestandteil dieser Sicherheitskontrolle; dass das Organ nicht mit möglichster Schonung des Betroffenen vorgegangen sei, sei nicht einmal behauptet worden. Zur Feststellung, dass die Beschwerde (nicht) der Gebührenpflicht unterliege, sei der Unabhängige Verwaltungssenat Wien nicht zuständig; der Antrag werde samt der Beschwerde an das zuständige Finanzamt weiter geleitet.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Im Beschwerdeschriftsatz stellt der Beschwerdeführer unter einem Anträge auf bescheidmäßige Feststellung der Gebührenfreiheit, auf bescheidmäßige Feststellung des Bestandes oder Erlöschens von Zahlungsverpflichtungen sowie auf Ausstellung eines Abrechnungsbescheides "gem. § 216 BAO".
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Zu den Anträgen des Beschwerdeführers auf Bescheiderlassung:
Die oben erwähnten Anträge des Beschwerdeführers waren wegen offenbarer Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes gemäß § 34 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung zurückzuweisen (vgl. den denselben Beschwerdeführer betreffenden hg. Beschluss vom 24. März 1999, Zl. 99/12/0065).
2. Zur Abweisung der an den Unabhängigen Verwaltungssenat Wien erhobenen Beschwerde:
Die Zustellung des angefochtenen Bescheides erfolgte nach der Aktenlage am 13. Oktober 1997. Die in diesem Zeitpunkt maßgebliche Fassung des § 67d AVG lautete (auszugsweise):
"§ 67d. (1) Wenn die Berufung (Beschwerde) nicht
zurückzuweisen ist oder nicht bereits aus der Aktenlage
ersichtlich ist, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben oder
der angefochtene Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären ist,
dann ist eine öffentliche mündliche Verhandlung anzuberaumen. ... .
(2) Eine Verhandlung kann unterbleiben, wenn alle Parteien
ausdrücklich darauf verzichten. ... . Eine Verhandlung kann auch
unterbleiben, wenn der mit Berufung bekämpfte Bescheid ein verfahrensrechtlicher Bescheid ist. ..."
Die belangte Behörde hat die Beschwerde des Beschwerdeführers wegen behaupteter Rechtswidrigkeit einer Maßnahme der unmittelbaren verwaltungsbehördlichen Befehls- und Zwangsgewalt abgewiesen. Gemäß § 67d Abs. 1 AVG hätte sie vor ihrer Entscheidung jedoch eine mündliche Verhandlung durchzuführen gehabt (die Voraussetzungen, unter denen eine Verhandlung unterbleiben durfte, waren im Beschwerdefall nicht erfüllt). Im Hinblick auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes führt die Unterlassung der Durchführung einer mündlichen Verhandlung jedoch nur dann zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof, wenn die belangte Behörde bei Vermeidung dieses Verfahrensmangels zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können. Dies ist angesichts des sachverhaltsbezogenen Beschwerdevorbringens jedoch nicht der Fall. Selbst bei Zutreffen dieses Vorbringens stellte die Abweisung der Beschwerde durch die belangte Behörde aus folgenden Gründen keine Rechtsverletzung des Beschwerdeführers dar:
Das Gerichtsorganisationsgesetz (GOG), RGBl. Nr. 217/1896, lautete in der im Beschwerdefall maßgeblichen Fassung der Novelle BGBl. Nr. 760/1996, in Kraft getreten am 1. Mai 1997, (auszugsweise):
"§ 1. (1) Gerichtsgebäude dürfen mit einer Waffe nicht betreten werden; als Gerichtsgebäude gelten jene Gebäude, die ausschließlich dem Gerichtsbetrieb oder dem staatsanwaltschaftlichen Betrieb gewidmet sind sowie Gebäude ohne eine solche ausschließliche Widmung hinsichtlich ihrer dem Gerichtsbetrieb oder dem staatsanwaltschaftlichen Betrieb gewidmeten Teile; als Waffe ist jeder besonders gefährliche, zur Bedrohung von Leib oder Leben geeignete Gegenstand anzusehen.
...
§ 3. (1) Personen, die ein Gerichtsgebäude betreten oder sich in einem solchen aufhalten, haben sich auf Aufforderung eines Kontrollorgans einer Kontrolle zu unterziehen, ob sie eine Waffe bei sich haben (Sicherheitskontrolle). Kontrollorgane sind die von Sicherheitsunternehmen (§ 9 Abs. 1) mit der Vornahme der Sicherheitskontrollen beauftragten sowie die vom Verwalter eines Gerichtsgebäudes hiezu bestimmten Gerichtsbediensteten.
(2) Die Sicherheitskontrollen können insbesondere unter Verwendung technischer Hilfsmittel, wie Torsonden und Handsuchgeräten, durchgeführt werden; unter möglichster Schonung des Betroffenen ist auch das Verlangen nach einer Vorweisung der von ihm mitgeführten Gegenstände sowie eine händische Durchsuchung seiner Kleidung zulässig; eine solche Durchsuchung der Kleidung darf nur von Personen desselben Geschlechts vorgenommen werden.
(3) Den der Sicherheitskontrolle und der Durchsetzung des Mitnahmeverbots von Waffen dienenden Anordnungen der Kontrollorgane ist Folge zu leisten; ..."
Der Beschwerdeführer vertritt die Auffassung, die Sicherheitskontrollen müssten primär unter Verwendung technischer Hilfsmittel wie Torsonden und Handsuchgeräten durchgeführt werden. Seiner Meinung nach dürfe das in § 3 Abs. 2 erster Halbsatz GOG verwendete Wort "können" nicht als Hinweis auf Ermessen der Kontrollorgane gedeutet werden. Da die Verwendung technischer Hilfsmittel typischerweise eine geringere Eingriffsintensität für die Betroffenen aufweise, sei eine "händische Kontrolle" nur subsidiär zulässig. Eine solche Auslegung des Gesetzes sei auch durch Art. 8 Abs. 2 MRK geboten.
Der Beschwerdeführer kann sich mit dieser Auffassung nicht auf den Wortlaut des in Rede stehenden § 3 Abs. 2 GOG stützen. Wenn im ersten Halbsatz dieser Bestimmung davon die Rede ist, dass die Sicherheitskontrollen "insbesondere" unter Verwendung technischer Hilfsmittel wie Torsonden und Handsuchgeräten durchgeführt werden "können", und im zweiten Halbsatz dieser Bestimmung das Verlangen nach einer Vorweisung der mitgeführten Gegenstände sowie eine händische Durchsuchung der Kleider "unter möglichster Schonung des Betroffenen" für zulässig erklärt wird, so ergibt sich daraus kein Hinweis auf eine Prioritätsreihenfolge der Kontrollmethoden, wie sie dem Beschwerdeführer vorschwebt. Den Kontrollorganen ist diesbezüglich Auswahlermessen eingeräumt. Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit ihres Vorgehens ist freilich, dass sie, wenn sie die Vorweisung der vom Betroffenen mitgeführten Gegenstände verlangen, unter möglichster Schonung des Betroffenen vorgehen. Legt man das Beschwerdevorbringen zu Grunde, so hatte der Beschwerdeführer eine Aktenmappe mit mehreren Schriftstücken sowie eine kleine Herrenhandtasche mit Personalausweis, Geldbörse, Schlüsseln sowie Schreibutensilien bei sich. Es bedarf keiner näheren Erörterung, dass sowohl eine Aktenmappe als auch eine Herrenhandtasche eine Größe aufweisen, die sie im Prinzip geeignet erscheinen lassen, eine Waffe im Sinne des § 1 Abs. 1 GOG zu verbergen. Wie sich aus dem Beschwerdevorbringen weiter ergibt, forderten die Kontrollorgane den Beschwerdeführer auf, eine Kontrolle seiner Aktenmappe und seiner Herrenhandtasche zu dulden. Dass die Kontrollorgane gegen den erklärten Willen des Beschwerdeführers Einsicht in die beiden Behältnisse genommen hätten, wird vom Beschwerdeführer nicht behauptet. Die Vornahme der Kontrolle erfolgte nach der Schilderung des Beschwerdeführers derart, dass die Kontrollorgane die Aktenmappe und die Herrenhandtasche geöffnet hätten und "ziemlich interessiert" hineingeschaut hätten. Sie hätten weiters "sogar hineingegriffen". Dass die Kontrollorgane Gegenstände aus den Behältnissen herausgenommen hätten, hat der Beschwerdeführer nicht behauptet.
Vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtslage kann die Durchführung der Sicherheitskontrolle, wie sie in der vorliegenden Beschwerde geschildert wird, nicht als rechtswidrig erkannt werden. Insbesondere findet sich kein Anhaltspunkt dafür, dass die Kontrollorgane in zeitlicher Hinsicht eine exzessive Kontrolle durchgeführt hätten oder in einem unnotwendigen Ausmaß Einsicht in personenbezogene Daten des Beschwerdeführers genommen hätten. Dass die Kontrollorgane in die von ihnen geöffneten Behältnisse mit Interesse hineinsahen, kann angesichts ihrer Aufgabe, die verbotene Mitnahme von unter Umständen schwer zu entdeckenden Waffen zu unterbinden, ebenfalls nicht als exzessiv qualifiziert werden.
Soweit der Beschwerdeführer unter Rückgriff auf Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte die Angemessenheit des vorgenommenen Eingriffes bestreitet, ist ihm entgegen zu halten, dass keines der von ihm genannten Urteile des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in den Fällen Klass ua, Funke, Cremieux oder Laskey, Jaggard und Brown einen Anhaltspunkt dafür bietet, dass die oben dargelegte Auslegung des § 3 Abs. 2 GOG zu einem mit Art. 8 Abs. 2 MRK unvereinbaren Ergebnis führte.
Die vorliegende Beschwerde erweist sich in diesem Punkt somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.
3. Zur Zurückweisung des Antrages auf bescheidmäßige Feststellung, die Beschwerde vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat unterliege nicht der Gebührenpflicht:
Nach dem Spruch des angefochtenen Bescheides hat die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf bescheidmäßige Feststellung, die an die belangte Behörde erhobene Beschwerde unterliege nicht der Gebührenpflicht, "als unzulässig zurückgewiesen". In der Begründung des angefochtenen Bescheides ist davon die Rede, dass der Unabhängige Verwaltungssenat Wien zur Feststellung, dass die Beschwerde nicht der Gebührenpflicht unterliegt, "nicht zuständig" sei, und der Antrag samt der Beschwerde an das zuständige Finanzamt weiter geleitet werde. In der Zustellverfügung findet sich der Hinweis, eine Abschrift des Bescheides dem Finanzamt für Gebühren und Verkehrssteuern zuzustellen. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch die Vorgangsweise der belangten Behörde erkennbar in seinem Recht auf eine Entscheidung durch die zuständige Abgabenbehörde verletzt.
Der vorliegende Fall gleicht in den entscheidungsrelevanten Punkten demjenigen, der dem denselben Beschwerdeführer betreffenden hg. Erkenntnis vom 12. November 1997, Zl. 97/16/0394, zu Grunde lag. Auf die Begründung dieses Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen. Aus denselben Erwägungen war auch die vorliegende Beschwerde (auch) in diesem Punkt gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
4. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Von der Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden. Art. 6 Abs. 1 MRK steht dem nicht entgegen.
5. Zum Ausspruch über den Aufwandersatz:
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG im Zusammenhang mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 19. Dezember 2000
Schlagworte
Ermessen besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1997191487.X00Im RIS seit
07.06.2001